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Bombenangriff auf Würzburg am 16. März 1945

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Die fränkische Stadt Würzburg gehört zu den Städten, die noch in den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs bombardiert wurden. Dem schwersten Angriff am Abend des 16. März 1945 fielen etwa 5000 Menschen zum Opfer; die historische Altstadt wurde fast vollständig zerstört.

Vorgeschichte

Mit der Casablanca Directive vom 21. Januar 1943 wurde eine gemeinsame aufeinander abgestimmte Bomberoffensive von britischer und amerikanischer Luftwaffe beschlossen. Dabei übernahm die 8. US-Luftflotte (USAAF) die systematische Zerstörung von Infrastruktur und strategischen Schlüsselindustrien, vor allem jedoch der Treibstoffherstellung und -versorgung in Deutschland durch Tagesangriffe. Das britische Bomber Command (RAF) koordinierte Nachtangriffe auf Deutschland, da sie ihre Pulks nicht durch Begleitjäger schützen konnten.

Der vom britischen Ministry of Economic Warfare (MFW) erstellte sogenannte Bomber-Baedeker kennzeichnete Würzburg als Stadt von geringer Bedeutung für die deutsche Rüstungsindustrie. Dementsprechend wurde Würzburg mit den Zielcodechiffren „GH 646“ für ein Eisenbahnzentrum geringer Wichtigkeit und „GH 5566“ für Transportanlagen bedacht.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Würzburg bombardiert werden würde, war mit dieser Einschätzung relativ gering, da Flächenbombardements sich nicht zur Ausschaltung von Verkehrs- und Transporteinrichtungen eigneten. Allerdings änderte sich diese Einschätzung entscheidend, als Winston Churchill Ende Januar 1945 vor seinem Treffen auf Jalta vom 4.–11. Februar 1945 mit Roosevelt und Stalin eine Änderung der Bombenkriegsstrategie veranlasste. Diese forderte eine Wiederaufnahme der Flächenbombardements für Mittel- und Ostdeutschland, um die Versorgung der Ostfront zu stören, den Vorstoß der sowjetischen Truppen zu erleichtern und die Verschiebung des Kriegsendes vom Herbst 1945 auf April 1945 zu ermöglichen. Außerdem sollte die Bevölkerung demoralisiert und die Verhandlungsposition gegenüber Stalin gestärkt werden.

Von der auf den 22. November 1944 datierten Liste von sogenannten Füllzielen für allgemeine Flächenangriffe wurden sieben Zielstädte gestrichen und zusammen mit drei weiteren Städten auf eine spezielle Liste für die von Churchill geforderten Flächenbombardements in Mittel- und Ostdeutschland gesetzt. Auf der allgemeinen Flächenangriffszielliste befanden sich damit nur noch sechs Zielstädte. Das Combined Strategic Target Committee (deutsch: Zielauswahlgremium) setzte daher elf neue Zielstädte auf eine neue Liste mit Datum vom 8. Februar 1945. Das Zielkomitee orientierte sich dabei u. a. an einer älteren Liste vom 23. Januar 1945 für potentielle Flächenangriffsziele. Auf dieser Liste war zum ersten Mal der Name Würzburg aufgetaucht. Von dieser älteren Liste wurde Würzburg an 10. Stelle in die neu ergänzte Liste für filler targets vom 8. Februar 1945 aufgenommen. Der Stellvertreter von Arthur Harris, Luftmarschall Saundby, versah außerdem alle für Flächenbombardements geeigneten deutschen Städte mit einem sogenannten fishcode. Würzburg erhielt als eine von 94 dafür ausgewählten Städten die Bezeichnung Bleak (Ukelei).

Städte ohne militärische Bedeutung wurden auf die Liste mit Zielen 1. und später 2. Ordnung für den Einsatz von Brandbomben gesetzt, wenn sie leicht zerstörbar und sehr feuergefährdet waren. Auf Grund von Brandplänen wurden mittelalterliche Stadtzentren bevorzugt.

Würzburg erfuhr seinen ersten kleineren Bombenangriff im Februar 1942 (Nähe Südbahnhof), in 1945 waren dies gemäß alliierten Unterlagen weitere Luftangriffe am:

4./5. Februar - RAF - drei De Havilland Mosquito

5./6. Februar - RAF - sechs De Havilland Mosquito

12./13. Februar -RAF - vier De Havilland Mosquito

19. Februar??? - RAF - 1-3 De Havilland Mosquito

23. Februar - USAAF- 37 B17-Bomber (Bahnanlagen)

3. März - RAF - 42 De Havilland Mosquito

22. März - USAAF - acht B24-Bomber (Bahnanlagen)

Hauptangriff

Bis März 1945 lebte die Bevölkerung Würzburgs noch weitgehend in der Illusion, von einem Großangriff verschont zu bleiben, da die Stadt einerseits viele Krankenhäuser, andererseits keine nennenswerte kriegswichtige Industrie hatte. Der Hauptbahnhof und das Bahngelände waren als Eisenbahnknotenpunkt am 23. Februar 1945 durch einen amerikanischen Bombenangriff erheblich beschädigt worden. Schließlich sollte Anfang April der Krieg für Würzburg durch Einmarsch von US-Infanterie zu Ende gehen.

Aber bereits nach dem dritten kleineren Angriff vom 5. Februar 1945 ließ Gauleiter Otto Hellmuth als Reichsverteidigungskommissar in der Mainfränkischen Zeitung, dem amtlichen Organ der NSDAP und der Staats- und Gemeindebehörden, eine deutliche Warnung im Stil einer von Ohnmacht geprägten NS-Propaganda verkünden: „Der hasserfüllte Feind ist hemmungslos in seinem Vernichtungswillen. Sein Luftterror macht weder Halt vor Frauen und Kindern noch vor alten Kulturstätten. Mehr denn je ist es unsere Pflicht, für den Ernstfall das Menschenmögliche vorzubereiten. Wir haben keinerlei Grund mehr anzunehmen, dass die Luftpiraten Würzburg verschonen.“

Beim Bomber Command der RAF in High Wycombe – westlich von London – war inzwischen die Entscheidung gefallen, aufgrund der vorausgesagten günstigen Witterungsverhältnisse am 16. März 1945 das bis dahin noch relativ unzerstörte Würzburg als filler target für einen Flächenangriff auszuwählen. Die von vielen Fachwerkbauten bestimmte Bausubstanz und die räumliche Enge der Altstadt versprachen die Auslösung eines Feuersturms. Beauftragt mit diesem Angriff wurde die No. 5 Bomber Group, die auch beim schwersten Angriff auf Dresden am 13./14. Februar 1945 entscheidend beteiligt war. Das kleine Würzburg wurde zu einem noch höheren Anteil zerstört als Dresden.

Am 16. März 1945 starteten zwischen 17:00 und 18:00 Uhr etwa 500 Bomber des viermotorigen Typs Avro Lancaster der No. 1, 5 und 8 Bomber Group von ihren Fliegerhorsten zum Sammelpunkt Reading, westlich von London. Dort formierten sie sich zum Flug auf die Angriffsziele Würzburg und Nürnberg. Der Bomberstrom vermied aus Sicherheitsgründen einen Direktflug und bewegte sich auf einer gewundenen Route über die Mündung der Somme, Reims und die Vogesen auf seine Ziele zu. Der Rhein wurde südlich von Rastatt überquert. Gegen 21:00 Uhr passierten die für Würzburg bestimmten ca. 230 Bomber der No. 5 Bomber Group den Raum Lauffen am Neckar, um von Süden kommend ihr Ziel anzusteuern.

In Würzburg wurde bereits gegen 19:00 Uhr öffentliche Luftwarnung (Kleinalarm) und gegen 20:00 Uhr Vollalarm ausgelöst. Aufgrund einer Meldung des Funk-Horchdienstes in Limburg an der Lahn an die Befehlsstelle des mainfränkischen Gauleiters wurde für die Würzburger Bevölkerung um 21:07 Uhr Luftalarm gegeben.

Mit dem Abwurf der ersten Markierungsbomben um 21:25 Uhr begann der Angriff auf Würzburg. Als Angriffszeit H (Hour) war für Würzburg 21:35 Uhr festgelegt worden. Die Zeit über dem Zielgebiet – d. h. über der gesamten Innenstadt – wurde mit H + 7 min. = 21:42 Uhr vorgegeben. Dem Angriffszeitpunkt H ging die Zielmarkierung voraus. Hierzu wurde das Stadtgebiet zum erwähnten Zeitpunkt (H - 9 min.) durch die 627 Squadron aus Mosquito-Flugzeugen mit grünen Leuchtbomben markiert. Die Beleuchtung des Zielgebietes für die Bombenflugzeuge erfolgte dann durch flares (Leuchtsignale) genannte Leuchtbomben, von der deutschen Bevölkerung auch als Christbäume bezeichnet. Als Markierungspunkt für die Bomber wurden die Sportplätze an der Mergentheimer Straße in Höhe des Judenbühlweges bestimmt. Dieser Punkt wurde um 21:28 Uhr mit roten Zielmarkierungsbomben kenntlich gemacht. Die Bombardierung erfolgte sodann mit Zeitverzögerung in Sektoren (sector bombing). Hierzu mussten die Bomber den Markierungspunkt überfliegen, eine speziell für jedes Flugzeug zugewiesene Flughöhe und Flugbahn einnehmen und ihre Bombenlast zu einem bestimmten Zeitpunkt nach Überflug des Markierungspunktes auslösen. Das Ziel wurde also fächerförmig überflogen und durch die unterschiedlichen Auslösezeiten für die Bombenlasten wurde eine flächendeckende Wirkung sichergestellt. Überwacht wurde der bis ins kleinste Detail geplante Ablauf vom so genannten master bomber.

Der Bombenhagel traf Würzburg in drei Wellen in der Zeit von 21:25 bis 21:42  Uhr. Die Dächer der Altstadt wurden von 256 schweren Sprengbomben im Gesamtgewicht von 395,5 Tonnen abgedeckt, die Fenster und Türen herausrissen, um so die Wirkung der 300.000 Stabbrandbomben im Gewicht von 581,6 t vorzubereiten. Innerhalb kürzester Zeit entstand aus vereinzelten Brandherden ein flächendeckender Brandherd, der sich zu einem Feuersturm mit Temperaturen bis zu 2000 °C entwickelte. Die Menschen konnten in Ermangelung von Luftschutzbunkern nur versuchen, sich in provisorisch vorbereiteten Kellerräumen (Schutzraum, als SR oder LSR auf den Straßen gekennzeichnet) zu schützen. Um nicht verschüttet zu werden oder zu ersticken, stürzten die Menschen ins Freie und versuchten, das Mainufer oder den Stadtrand zu erreichen. Die Feuerwehren nahmen einen aussichtslosen Kampf gegen das Feuer auf und beschränkten sich darauf, Wassergassen zu schaffen. Dennoch kamen insgesamt 5000 Menschen ums Leben. Auf Seiten der Alliierten wurde eine Lancaster während des Anflugs auf Würzburg von einem deutschen Nachtjäger bei Aufstetten abgeschossen. Fünf weitere Lancaster wurden bei diesem Angriff abgeschossen.

Noch in einer Entfernung von 240 Kilometern konnten die Bomberbesatzungen den Feuerschein des brennenden Würzburgs erkennen. Gegen 2:00 Uhr morgens am 17. März 1945 kehrten die letzten Bomber zu ihren Heimatfliegerhorsten zurück. Der Abschlussbericht von No. 5 Bomber Group vom 10. April 1945 bemaß den Zerstörungsgrad der Innenstadt mit 90 (in der Altstadt blieben sechs Häuser an der Juliuspromenade und ein Haus in der Büttnergasse vermutlich durch Löschen oder Entfernen der eingeschlagenen Stabbrandbomben erhalten) und für die Randbezirke mit 68 Prozent. Überdurchschnittlich stark zerstört (85 Prozent) wurde auch der Stadtteil Heidingsfeld, da einige Bomberbesatzungen schon vor Erreichen der ersten Zielmarkierung ihre Bomben auslösten. Der durchschnittliche Zerstörungsgrad wurde somit mit 82 Prozent festgestellt. Konkret bedeutete dies 21.062 zerstörte Wohnungen und 35 eingeäscherte Kirchen in Würzburg. Zu den zerstörten Baudenkmälern gehörten unter anderem der Dom und Teile der Würzburger Residenz, darunter der Spiegelsaal (das Treppenhaus mit dem berühmten Fresko von Giovanni Battista Tiepolo blieb stehen, die für das 18. Jahrhundert kühne Deckenkonstruktion hielt sogar dem einstürzenden Dachstuhl stand). Die amerikanischen Besatzungstruppen sorgten nach Kriegsende sofort und in vorbildlicher Weise für eine bauliche Sicherung der einsturzgefährdeten Baudenkmäler. Etwa 2,7 Millionen Kubikmeter Trümmerschutt konnten erst bis 1964 geräumt werden.

Die Einwohnerzahl Würzburgs betrug vor Kriegsbeginn ca. 108.000, Anfang 1945 werden sich dort - auch angesichts des nahen Kriegsendes (Versorgungslage, Militärdienst etc) - noch ca. 75-85.000 Menschen aufgehalten haben. Am Tag der Einnahme durch amerikanische Truppen (6. April) wurden 36.850 Stadtbewohner registriert, am Jahresende war die Einwohnerzahl wieder auf 53.000 gestiegen.

Dokumentations- und Gedenkstätten

Nahe der Alten Mainbrücke rechts beim Eingang zum Grafeneckart wurden das Ausmaß der Zerstörung der Innenstadt und die Namen der identifizierten Toten in einer Dauerausstellung dokumentiert. Ausschnitte aus Zeitzeugenberichten auf Tafeln sollen nachfolgenden Generationen die Auswirkungen jenseits von statistischen Zahlen fassbar machen.

Links vor dem Haupteingang zum Würzburger Hauptfriedhof befindet sich das Massengrab für die ca. 3000 geborgenen Bombenopfer. Wegen der Vielzahl nicht angemeldeter Flüchtlinge wird die Zahl aller Opfer auf 5000 geschätzt. Am Rand des Massengrabes ist die Nachbildung eines Sprengbombenbruchstücks, das zur Versöhnungsglocke von Würzburg aufbereitet wurde, zu sehen. In der Mitte des Massengrabgeländes wurde eine Denkmalplatte des Würzburger Bildhauers Fried Heuler in den Boden eingelassen, die symbolisch einen Mann, eine Frau und zwei Kinder überlebensgroß in Todesstarre zeigen. Das Massengrab säumen Gedenksteine an die Gefallenen des Ersten und Zweiten Weltkriegs sowie ein Obelisk für die Gefallenen von 1870/1871).

In der Marienkapelle am Marktplatz wird jeden Freitag zur Mittagszeit das Gebet von Coventry im Geiste der Versöhnung gesprochen wie im weltweiten Netz der Nagelkreuzzentren.

Wiederaufbau aus den Ruinen

An zahlreichen Gebäuden erinnern Hinweise an den Wiederaufbau nach der Zerstörung vom 16. März 1945. An die Trümmerfrauen und Trümmermänner, die den Wiederaufbau Würzburgs erst wieder möglich machten, erinnert eine Gedenktafel aus Buntsandstein zwischen Altem Kranen und Kranenkai. Die Trümmerfrauen und -männer halfen zuerst freiwillig, am 18. Dezember 1945 wurde ein allgemeiner Arbeitsdienst angeordnet, ab 8. März 1946 galt dann ein Ehrendienst und ab dem 2. April 1947 wurde die Räumung von privaten Unternehmen durchgeführt. Insgesamt wurden zweieinhalb Millionen Kubikmeter Schutt auf Loren geladen und mit Mainkähnen abgefahren oder in Außenbezirken abgelagert.

Siehe auch

Literatur

  • Hans Oppelt: Würzburger Chronik des denkwürdigen Jahres 1945. Würzburg 1947
  • Max Domarus: Der Untergang des alten Würzburg. Würzburg 1950
  • Heinrich Dunkhase: Würzburg, 16. März 1945, 21.25 Uhr – 21.42 Uhr. Hintergründe, Verlauf und Folgen des Luftangriffs der No. 5 Bomber Group, in: Mainfränkische Jahrbücher 32. 1980
  • Ursula R. Moessner: Neue Erkenntnisse zum Luftkrieg der Alliierten 1944/45, in: Mainfränkische Jahrbücher 46. 1994
  • Herbert Schott: Heimatkrieg. Das Gebiet zwischen Margetshöchheim und Gelchsheim im Luftkrieg, in: Mainfränkische Jahrbücher 44. 1992
  • Heinz Otremba (Hrsg.): Würzburg 1945. Würzburg 1995
  • Leo Weismantel: Totenklage über eine Stadt. Würzburg 1985
  • Dieter W. Rockenmaier: Als Feuer vom Himmel fiel. Würzburg 1995
  • Klaus M. Höynck, Eberhard Schellenberger (Hrsg.): 16. März 1945. Würzburg 2005
  • Sonderbeilage der Mainpost/Schweinfurter Tagblatt vom 16. März 1985 (Fotos der Ruinenlandschaft und viele erschütternde Zeitzeugenberichte)
  • Stadt Würzburg (Hrsg.): Würzburg. Durch Schutt und Asche hinaus in die Zeit. 16. März 1945. Schicksalstag einer Stadt. Ca. 2004.(Begleit-Faltblatt zur Dauerausstellung im Grafeneckart, Strategie des Sir Arthur Travers Harris, "Bomber-Harris", Brandbomben, Würzburg brennt lichterloh, "Nie wieder Krieg")
  • Ökumenische Nagelkreuzinitiative Würzburg: Ökumenisches Gebet für Frieden und Versöhnung. Coventry-Würzburg. Ca. 2007.

Filmdokumentationen