Sachsen (Volk)
Die Sachsen sind die Angehörigen eines westgermanischen Stammesverbands, der seit dem 2. und 3. Jahrhundert den Nordwesten des heutigen Deutschlands und den Osten der Niederlande, jedoch nicht das heutige deutsche Bundesland Sachsen (Kursachsen), bewohnt.
In den darauffolgenden Jahrhunderten eroberte er weite Teile Niederdeutschlands und gliederte die dort lebenden germanischen Stämme seinem Stammesverband ein, zuletzt im 6. und 7. Jahrhundert das Hamaland (heutiges Westmünsterland) und das Land der Brukterer (heutiges Münsterland und nördliches Ruhrgebiet). Später unterschied man drei Teilstämme bzw. Stammesgruppen.
Die Herkunft der Stammesbezeichnung ist nicht gänzlich geklärt. Es wird aber angenommen, dass die antiken Autoren, die den Begriff aufbrachten – die Eigenbezeichnung des Volkes war möglicherweise eine ganz andere – den Namen von dem typischen Hiebmesser der Sachsen, dem Sax abgeleitet haben.
Das Siedlungsgebiet umfasst grob die östlichen Niederlande, das heutige Westfalen, Niedersachsen mit Ausnahme des von Friesen bewohnten Landesteils, Holstein, Mecklenburg und den Norden von Sachsen-Anhalt (vom Ijsselmeer bis Pommern). Sachsen, Angeln und Jüten wanderten im 3. bis 5. Jahrhundert in den südlichen Teil der britischen Hauptinsel ein – das heutige Großbritannien (Angelsachsen) – und wurden dort zu den dominierenden Kulturen. So wurde im keltischen und irischen Sprachgebrauch der Stammesname (irisch Sasana 'England', Sasanach 'Engländer, gaelisch Sasunn 'England', Sasunnach 'englisch') für die heutigen Engländer verwendet. Das heutige England lässt sich allerdings klar von den Angeln ableiten.
Von der Völkerwanderung kaum berührt, bewahrten die Sachsen bis zur Unterwerfung durch Karl den Großen die alte germanische Stammesverfassung ohne König, mit der Versammlung der Freien in Marklo, dem Thing, zur Regelung aller politischen Angelegenheiten. Herzöge übernahmen nur in Kriegszeiten Führungsrollen.
Die sächsischen Teilstämme
Westfalen
Die Westfalen lebten hauptsächlich zwischen Weser und Rhein, ihr Name hat die Bedeutung "Westmänner" oder "Westsachsen"
Ostfalen
Die Ostfalen ("Ostmänner") lebten zwischen Weser und Elbe.
Engern
Die Engern nahmen in Sachsen offenbar eine zentrale Stellung ein. Sie lebten an der Weser, zwischen Ost- und Westfalen. In ihrem Gebiet liegt die Stätte der jährlichen Versammlung von Marklo an der Weser. Der Name der Engern (lateinisch Angarii) scheint die verkürzte Form des Namens der Angrivarier zu sein, die demnach einen wichtigen Teilstamm der Sachsen bildeten.
Nordalbingier
Wie der Name (lateinisch albis Elbe) schon zeigt, lebten die Nordalbingier nördlich der Elbe und im Lande Hadeln.
Geschichte
- 200 bis 400 Die Sachsen breiten sich von Holstein kommend nach Süden aus und erreichen über das Elbe-Weser-Dreieck (siehe: Geschichte Hadelns) Westfalen und Ostfalen.
- 300 bis 500 Sachsen segeln gemeinsam mit Angeln und Jüten nach Britannien und verschmelzen dort zu den Angelsachsen.
- Um 450 werden von den Briten weitere Sachsen zum Schutz gegen die schottischen Pikten angeworben.
- 477 Gründung des Königreiches Sussex (= Süd-Sachsen).
- Um 500 wird das Königreich Essex gegründet (= Ost-Sachsen).
- Um 530 erreichen die Sachsen den Rhein.
- 531 zerschlagen festländische Sachsen und Franken gemeinsam das Königreich Thüringen in der Schlacht bei Burgscheidungen. Der Norden nördlich des Harzes wird sächsisch, der Süden fränkisch.
- 568 24.000 Sachsen ziehen mit den Langobarden nach Italien, kehren aber schon bald wieder zurück, worauf es zum Streit mit den in die ehemals sächsischen Wohnsitze angesiedelten Sueben kommt.
- Ab 596 werden die britischen Sachsen zum Christentum bekehrt. Die Festlands-Sachsen bleiben bei ihrem alten Glauben.
- Vermutlich im 6. Jahrhundert Gründung des Königreiches Wessex (= West-Sachsen).
- Im 7. Jahrhundert beginnen die Sachsen, Herzöge zu wählen, zunächst nur in Kriegszeiten.
- 738: erste Unterwerfung unter die fränkische Krone durch Pippin der Jüngere
- 772 bis 804: Mehr als dreißig Jahre Sachsenkriege Karls des Großen
- 772 Eroberung der sächsischen Eresburg und Zerstörung des wichtigsten religiösen Zentrums der Sachsen, der Irminsul. Der alte Glaube wird von den christlichen Okkupatoren als Heidentum betrachtet.
- 775 Eroberung der strategisch wichtigen sächsischen Syburg hoch über der Ruhr.
- 777 beruft Karl eine erste fränkische Reichsversammlung in Paderborn ein, mitten im Land der vermeintlich besiegten Sachsen. Doch das gescheiterte Engagement Karls in Spanien lässt die Sachsen ihren Unabhängigkeitskampf unter der Führung Herzog Widukinds wiederaufnehmen.
- 785: Die Taufe des sächsischen Herzog Widukind leitet die Christianisierung der Sachsen ein.
- 794 Entscheidende Schlacht auf dem Sindfeld.
- 799 findet erneut eine Reichsversammlung in Paderborn als Machtdemonstration statt. Die Sachsen sind endgültig besiegt.
Ab 804: Eingliederung der Sachsen in das Reich Karls des Großen als Herzogtum Sachsen, bestehend aus den Teilen Engern, Westfalen, Ostfalen und Nordalbingien.
Mit Heinrich I. wurde 919 ein Sachse deutscher König. Ihm folgten die ersten deutschen Kaiser Otto der Große, Otto II. und Otto III. Die Epoche der Sachsenkaiser endete mit dem Tod Heinrichs II. 1024. Während dieses Jahrhunderts lag der politische und kulturelle Schwerpunkt des Reichs im Gebiet der Sachsen.
Nach der Achtserklärung Heinrichs des Löwen 1180, wegen dessen Weigerung dem Kaiser Friedrich Barbarossa Heerfolge nach Italien zu leisten, zerschlug der Kaiser das alte Herzogtum Sachsen. Westfalen wurde in kirchlichen Besitz übergeben, Heinrich dem Löwen blieben Braunschweig und Lüneburg, die Fürsten und Bischöfe wurden für reichsunmittelbar erklärt, der Name Herzogtum Sachsen haftete nur noch einem kleinen Landesteil an der Elbe an.
Am 6. Januar 1423 wurde dieser Teil dem Markgrafen von Meißen, Friedrich dem Streitbaren verliehen. Da der Herzogtitel die höhere Würde besaß, führte dieser von nun an den Titel "Herzog von Sachsen", wodurch das heutige Land Sachsen seine Bezeichnung bekam. Deren Bewohner gehören ursprünglich zum germanischen Volksstamm der Thüringer. Dieses neue Herzogtum Sachsen wurde danach lange als Obersachsen bezeichnet, das Land mit dem Volksstamm der Sachsen als Niedersachsen. Diese Bezeichnung wurde bei der Auflösung Preußens nach dem Zweiten Weltkrieg als Name des heutigen Bundeslandes wiederbelebt. Auch die Westfalen sind Niedersachsen.
Sprachen
- Die nieder-sächsischen Sachsen sprachen Altsächsisch, das zu den altniederdeutschen Sprachen gehört, siehe auch Niedersächsische Sprache. Ihre Sprache bildete als Angelsächsisch die Grundlage des Englischen und steht dem Englischen näher als dem Hochdeutschen.
- Dementsprechend wird auch heute in Schleswig-Holstein und den nördlichen Teilen des Bundeslandes Niedersachsen (neben Hochdeutsch) nordniedersächsisch gesprochen. In Westfalen (Westfälisch), den südlichen Gebieten Niedersachsens (Ostfälisch), Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und im Norden von Sachsen-Anhalt werden ähnliche Dialekte gesprochen, die insgesamt zur Niedersächsischen Sprache zusammengefasst werden können.
- Der heute als "Sächsisch" bezeichnete Dialekt Obersachsens (Kursachsen), des heutigen Bundeslandes Sachsen sowie des südlichen Sachsen-Anhalts, ist dagegen eine Untergruppe der Ostmitteldeutschen Sprache und gehört zur Thüringisch-Obersächsischen Dialektgruppe des Hochdeutschen.
Literaturhinweise
Torsten Capelle: Die Sachsen des frühen Mittelalters, Stuttgart 1998. ISBN 3806213844
- siehe auch: Literaturhinweise