Arnold Gehlen
Arnold Gehlen (* 29. Januar 1904 in Leipzig; † 30. Januar 1976 in Hamburg) gilt als bedeutender deutscher Philosoph und Soziologe. Er war Sohn des Verlegers Max Gehlen und dessen Frau Margarete Gehlen, geborene Ege. Ab 1937 war er verheiratet mit Veronika Freiin von Wolff. Sein Cousin war der erste Präsident des BND, Reinhard Gehlen.
Kurzbiographie
Gehlen legte 1923 am Thomas-Gymnasium in Leipzig das Abitur ab. Nach einer Zwischenzeit als Buchhändler und Bankangestellter studierte Gehlen von 1924 bis 1927 Philosophie, Philologie, Germanistik, Psychologie in Leipzig und Köln. Er promovierte bei Hans Driesch (1867-1941), mit dem Dissertationsthema Zur Theorie der Setzung und des setzungshaften Wissens bei Driesch. Seine Lehrbefähigung erhielt er 1930 mit der Habilitationschrift Wirklicher und unwirklicher Geist. Eine philosophische Untersuchung in der Methode absoluter Phänomenologie.
1933 tritt er in die NSDAP ein und wird als Privatdozent auch Mitglied im NS-Dozentenbund. Nach Paul Tillichs (1886-1965) Entlassung wegen eines kritischen Artikels gegen die Nationalsozialistischen Machthaber emigrierte dieser nach New York; Gehlen folgt dann vertretungsweise Paul Tillich auf dessen Lehrstuhl an der Universität Frankfurt nach, erhält aber 1934 nach einer Zeit als Assistent von Hans Freyer (1887-1969) einen Lehrstuhl für Philosophie am Institut für Kultur- und Universalgeschichte (vor 1933 Institut für Soziologie) in Leipzig. 1938 wechselte er als Philosophieprofessor an die Universität in Königsberg (heutiger Name Kaliningrad). Von 1940 bis 1945 lehrt er als ordentlicher Professor und zeitweiliger Institutsvorstand (1940 - Oktober 41 und wieder Juni 1942-1945) an der Universität Wien. Gegen Ende des Krieges wird er im Rang eines Leutnants erneut einberufen und schwer verletzt. Von Oktober 1941 bis Mai 1942 hatte er für die Wehrmacht in Prag als Kriegsverwaltungsrat in der Personalprüfstelle des heerespsychologischen Amtes im besetzten Prag gearbeitet. Als Nichtösterreicher wird er nach dem Krieg aus dem österreichen Staatsdienst entlassen. Von 1947 bis 1961 ist er ordentlicher Professor für Psychologie und Soziologie an der Akademie (ab 1950 Hochschule) für Verwaltungswissenschaft in Speyer und ab 1962 ordentlicher Professor für Soziologie an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen. 1969 wird er emeritiert. Arnold Gehlen stirbt 1976 in Hamburg.
Seine Haltung wurde nach dem Zweiten Weltkrieg scharf kritisiert. Im Nationalsozialismus war er Mitläufer, ja profitierte vom Weggang und der Vertreibung aus rassistischen und anderen unwissenschaftlichen Gründen entlassenen und teilweise emigrierten Professoren denn er durchschaute die wissenschaftssoziologischen Vorgänge in und an der Institution Universität in seiner ihn prägenden Phase durchaus. Antisemitisch hat er sich nicht geäußert. An eine 'richtige' Universität ist er nach 1945 nicht mehr berufen worden. Ob er in der Bundesrepublik vom Doppelleben des ehemaligen SS-Mannes und Aachener Hochschul-Rektors Hans Ernst Schneider alias Hans Schwerte wusste, mit dem er einige Lebensstationen (Königsberg, Wien, Aachen) und Institutionen (Ahnenerbe-Amt) gemeinsam gehabt hatte, ist Gegenstand von Forschungsprojekten.
Philosophische und soziologische Arbeiten
Von wesentlichem Einfluss während seines Studiums der Philosophie waren Hans Driesch, Nicolai Hartmann und besonders Max Scheler. Er galt seinerseits dann als bedeutender Vertreter der Leipziger Schule. Seine Beiträge zur Philosophischen Anthropologie und Biosoziologie waren schöpferisch, so seine Überlegungen, dass in der Ontogenese der Mensch seine tierischen Instinkte verloren habe und an ihrer Statt die sozialen Institutionen getreten seien, auf die keine Gesellschaft verzichten könne. Dies trug ihm den Ruf des gesellschaftspolitischen Konservativismus ein, den er gerne - wie Ernst Jünger - und gelegentlich zynisch pflegte. Aus Gehlens Zeit- und Gesellschaftsanalysen haben Begriffe wie Reizüberflutung oder Entinstitutionalisierung bis in die Alltagssprache Eingang gefunden. Auch tat er die Protestbewegungen, etwa der 68er-Bewegung, scharf ab. Berühmt wurde eine Fernsehdiskussion mit Theodor W. Adorno, in der er es unternahm, mit distanzierter Kälte seinen Gegner in die Rolle des naiven Idealisten zu drängen, wobei sich die beiden Kulturkritiker in ihrem Pessimismus aber erstaunlich einig waren.
Literatur
- Gesamtausgabe: Arnold Gehlen Gesamtausgabe. I-X. Verlag Vittorio Klostermann, Frankfurt a. M., 1978. Es sind 10 Bände vorgesehen, von denen 7 bis 2004 erschienen sind.
- Hauptwerke: Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt. Berlin 1940 (auch Nachkriegsauflagen).
- Thies, Christian: Gehlen zur Einführung. Junius Verlag, 2000. - ISBN 3-88506-329-8
- Weißmann, Karlheinz: Arnold Gehlen. Vordenker eines neuen Realismus. Edition Antaios, 2000 (= Perspektiven, Bd. 2). - ISBN 3-93506-302-4
- Habermas, Jürgen: Arnold Gehlen. In: ders., Philosophisch-politische Profile, S. 101 - 126. Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1981.
Weblinks
- Kurzbiografie und Bibliografie
- Arnold Gehlen (1904 – 1976) (Philos Website)
- Eckhart Arnold, Die Humanismuskritik Arnold Gehlens in seinem Spätwerk "Moral und Hypermoral"
- Hans Jürgen Hansen, Die Handlungstheorie bei Arnold Gehlen (Hausarbeit, 1980/81)
- Ulrike Baureithel, Kompatibel - Linksbündig: Zur Aktualität Arnold Gehlens ("Freitag" 06/2004, 30.01.2004)
Personendaten | |
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NAME | Gehlen, Arnold |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Philosoph und Soziologe |
GEBURTSDATUM | 29. Januar 1904 |
GEBURTSORT | Leipzig |
STERBEDATUM | 30. Januar 1976 |
STERBEORT | Hamburg |