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Schwarze Szene

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Als Schwarze Szene bezeichnet man seit den späten 1980ern ein soziokulturelles Milieu, das sich aus Teilen verschiedener Subkulturen zusammensetzt. Hierbei ist die „Szene“ nicht als homogene, in sich geschlossene Gruppe zu verstehen, sondern als ein Umfeld, in dem sich Menschen ähnlicher Interessen und Vorlieben bewegen. Zu diesen Interessen zählen Musik, Kunst und Mode sowie die Auseinandersetzung mit philosophischen oder von der Durchschnittsgesellschaft als negativ wahrgenommenen Themen- und Tabubereichen.

Kontakt und Austausch erfolgen zumeist über Konzert- und Diskothekenveranstaltungen, seit einigen Jahren auch vermehrt über Internetforen oder Chats, wodurch es zu kulturellen Überlagerungen kommen kann („Patchwork-Kulturen“), obgleich die Eigenständigkeit der subkulturellen Ausgangsformen erhalten bleibt.

Hintergrund

Struktur

Strömungen der Schwarzen Szene

Die klassische Schwarze Szene wurde in den 1980ern und in der ersten Hälfte der 1990er Jahre zunächst aus der Dark-Wave-Bewegung gebildet, deren Mitglieder ursprünglich in Jugendkulturen wie Punk, New Wave, Gothic, New Romantic oder im Post-Industrial-Umfeld verankert waren. Die Anhänger dieser frühen Schwarzen Szene nannte man, aufgrund ihrer Kleiderfarbe oder ihrer Lebensansichten, „Schwarze“ oder aber, bezüglich ihrer präferierten Musikformen, „Waver“. Mit dem Zerfall der Wave-Kultur verschwand die Bezeichnung „Waver“ jedoch aus dem deutschen Sprachgebrauch.

Seit der zweiten Hälfte der 1990er finden sich vermehrt Überlagerungen mit Teilen der Metal-Bewegung oder der BDSM-Szene, wobei der BDSM-Look in den meisten Fällen nur als modisches Element von den „Schwarzen“ übernommen wird. Inzwischen impliziert der Begriff „Schwarze Szene“ auch kleinere Strömungen wie die heutige Future-Pop- und Elektro-Szene, Visual Kei sowie Randbereiche der Wicca- und Mittelalterszene.

Mit jedem Generationswechsel entstanden so mehrere subkulturelle Überlagerungen, infolge derer sich etliche Teile der Schwarzen Szene keiner bestimmten Subkultur mehr zuordnen lassen:

Die Schwarze Szene präsentiert sich heute als eine [...] alternative Bewegung junger (und nicht mehr ganz so junger) Menschen, deren Erscheinungsbild von einer bemerkenswerten Vielfalt ist. Symptomatisch für diese Vielfalt ist auch die Schwierigkeit, einen geeigneten Oberbegriff für diese Szene zu finden. (Arvid Dittmann, Mitarbeiter im Archiv der Jugendkulturen)[1]

Größenmäßig wird die heutige Schwarze Szene innerhalb Deutschlands auf etwa 50.000 bis 100.000 Personen geschätzt.[2]

Mischkulturen

Ab der Mitte der 1990er Jahre wuchs die Schwarze Szene merklich heran, sodass sich vereinzelt neue, zum Teil rivalisierende Jugendkulturen entwickelten. Eine dieser Kulturen ist die „Gothic-Metal-Szene“, die aus der Fusion der Genres Gothic und Metal zu Gothic Metal hervor ging. Die Mitglieder der auf dieser Basis entstandenen Mischkultur verwenden keine Eigenbezeichnung. Sie werden − je nach individueller Ansicht − entweder der Metal-Bewegung oder der Gothic-Kultur zugerechnet.

Wechselbeziehungen

Innerhalb der Post-Industrial-Szene existieren gegenwärtig unterschiedliche kulturelle Strömungen. Während ein Teil der Szene den Austausch mit der Neofolk-Kultur grundsätzlich befürwortet, lehnt ein anderer Teil den Kontakt mit dieser – aufgrund ihrer politischen Umstrittenheit – strikt ab. Unabhängig davon sind jedoch beide Subkulturen auf musikhistorischer Ebene untrennbar miteinander verwoben.

Politische Tendenzen

Die Schwarze Szene vertritt vornehmlich eine politisch passive Haltung.[3] Der Anteil an politisch motivierten Personen ist daher gering. Da die Szene jedoch keine homogene Struktur besitzt und sich aus unterschiedlichen Jugendkulturen und Individualisten rekrutiert, sind demzufolge divergente politische – neben linken und liberalen – auch rechte Tendenzen vorzufinden. Dadurch wird sie attraktiv für Teile der Neuen Rechten und zum Angriffsziel linksradikaler Kreise. Die Hauptverantwortung an dieser Gegebenheit wird zumeist auf die Gothic-Bewegung übertragen, obwohl gerade jene weitgehend als unpolitisch einzustufen ist. So wurden Angehörige der Gothic-Kultur bereits mehrfach Opfer von Aktionen einzelner Antifa-Gruppen, insbesondere bei den Ausschreitungen auf dem 16. Wave-Gotik-Treffen 2007, bei denen es auf Seiten der Goths mehrere Verletzte gab. Dies führte szene-intern und in der Internetpräsenz der Indymedia, in einem dort eingestellten Artikel wird das WGT als „Internationales Nazi-Treffen“ bezeichnet, zu heftigen Diskussionen und zu harscher Kritik an der gewaltsamen Vorgehensweise der Antifa.[4][5][6]

Die tatsächlichen Berührungspunkte zwischen der Schwarzen Szene und der Neuen Rechten ergeben sich vor allem über die äußeren Ränder der Neofolk- und Martial-Industrial-Szene, deren Angehörige eine eigenständige Subkultur bilden und keinen direkten Kontakt zur Gothic-Kultur pflegen.

Anmerkungen zum Begriff

Etablierung

Der Ursprung der Bezeichnung „Schwarze Szene“ ist umstritten. 1990 taucht diese beispielsweise in dem Bericht „Schwarze Szene, Berlin – Eine kritische Selbstdarstellung“ auf, der bereits im Herbst 1989 fertiggestellt, aber erst 1990 in der Januar-Ausgabe des Zillo Musikmagazins veröffentlicht wurde. Laut diesem Bericht rekrutierte sich die Berliner Szene zu dieser Zeit aus „Gruftis, Wavern und New Romantics“. Auch die Selbsttitulierung als „Schwarze“ findet dort Erwähnung.[7]

Nur wenig später wird die Bezeichnung „Schwarze Szene“ in einem Bericht über eines der beiden Konzerte von The Cure in der DDR verwendet. Dieser Bericht wurde in der 1990er Herbstausgabe des Freiburger Wave-Magazins Glasnost veröffentlicht.[8] Ungefähr zwei Jahre später tritt die Bezeichnung unter anderem im Bonner Gothic Press-Magazin in Erscheinung. Dieses Mal im Vorwort zu einem Interview mit Death in June, an dem ein Journalist des Zillo-Magazins intensiv mitarbeitete. Nachdem in den 1990er Jahren vielerorts die ablehnende Haltung der Subkulturen untereinander schrittweise einer Öffnung wich, avancierte die Bezeichnung in zahlreichen Musikmagazinen zu einem viel genutzten Begriff, um eine bestimmte Zielgruppe von Lesern anzusprechen. Die Independent-Zeitschrift Zillo galt selbst lange Zeit als eines der wichtigsten Medien der Schwarzen Szene und konnte die Bezeichnung dabei vermutlich etablieren. Unklar ist jedoch, ob das Motto „von der Szene für die Szene“, das seit 1997 für die darauf folgenden drei Jahre die Titelseite des Zillo-Magazins schmückte, tatsächlich der Schwarzen Szene galt, oder ob damit die Independent- und Alternative-Kultur in ihrer Gesamtheit gemeint war.

Die Szene ohne Namen (so tituliert von Ecki Stieg[9]) findet sich in vergleichbarer Form auch außerhalb der deutsch-sprachigen Länder wieder. In Spanien heißt sie cultura oscura, in den portugiesisch-sprachigen Gebieten Amerikas cultura dark. Im englischen Sprachraum scheint sich − neben den sporadisch genutzten Bezeichnungen dark scene und dark culture – noch keine entsprechende Bezeichnung etabliert zu haben.

Kontroverse

In den letzten Jahren wurde die Bezeichnung „Schwarze Szene“ vor allem von Außenstehenden mehrfach bedeutungsgleich zu „Gothic-Kultur“ verwendet. Diese Subkultur ist jedoch grundsätzlich mit der Post-Punk- und Wave-Bewegung verknüpft[10] und stellt somit nur einen Bruchteil des gesamten Spektrums der Schwarzen Szene dar. Vor diesem Hintergrund ist die Nutzung als Synonym umstritten und wird innerhalb der Schwarzen Szene kontrovers diskutiert.[11]

der Vergangenheit

  • Glasnost Wave-Magazin
  • Gothic Press
  • Sub Line
  • The Gothic Grimoire

Das Glasnost Wave-Magazin war eine Musik- und Kultur-Zeitschrift der frühen Schwarzen Szene. Es existierte von 1987 bis 1996 und zählte somit zu den ältesten seiner Art – noch vor Herausgabe von Zeitschriften wie Zillo, Subline und Gothic Press. Abgedeckt wurden Sparten wie Gothic Rock, Industrial, Neofolk, Dark Ambient, Ethereal, EBM und Cold Wave. Anfangs in Freiburg beheimatet, verlegte die Redaktionsleitung in den 1990ern ihren Sitz nach Hamburg. An das Magazin gebunden war die gleichnamige Plattenfirma Glasnost Records.

der Gegenwart

Zu den namhaften Zeitschriften der Schwarzen Szene im deutschen Sprachraum zählen gegenwärtig Orkus, Sonic Seducer, Zillo, Gothic und Astan. Neben diesen, teils kommerziell orientierten Printmedien existiert(e) noch eine Vielzahl weiterer Zeitschriften, wie Black, Transmission oder Graeffnis, die inhaltlich praktisch unabhängig vom Mainstream agier(t)en.

Kunst

Bekannte Veranstaltungen

Siehe auch

Literatur

  • Roman Rutkowski: Das Charisma des Grabes – Stereotyp und Vorurteile in Bezug auf jugendliche Subkulturen am Beispiel der Schwarzen Szene, 2004, ISBN 3-8334-1351-4
  • Doris Schmidt & Heinz Janalik: Grufties – Jugendkultur in Schwarz, 2000, ISBN 3-89676-342-3
  • Axel Schmidt & Klaus Neumann-Braun: Die Welt der Gothics – Spielräume düster konnotierter Transzendenz, 2004, ISBN 3-531-14353-0
  • Andreas Speit (Hrsg.): Ästhetische Mobilmachung. Dark Wave, Neofolk und Industrial im Spannungsfeld rechter Ideologien. Unrast Verlag 2002, ISBN 3-89771-804-9
  • Frauke Stöber: Entstehung, Inhalte, Wertvorstellungen und Ziele der schwarzen Szene - Die Jugendkultur der Waver, Grufties und Gothics. Universität Gesamthochschule Essen. Diplomarbeit, Oktober 1999. URL

Einzelnachweise

  1. Arvid Dittmann · Artificial Tribes · Jugendliche Stammeskulturen in Deutschland · Seite 147 · 2001 · ISBN 3-933773-11-3
  2. Roman Rutkowski · Das Charisma des Grabes · Szenegröße · Seite 42 · 2004 · ISBN 3-8334-1351-4
  3. Roman Rutkowski · Das Charisma des Grabes · Rechtsradikalismus · Seite 137 · 2004 · ISBN 3-8334-1351-4
  4. Indymedia · WGT Leipzig - Internationales Nazitreffen · http://de.indymedia.org/2007/05/178817.shtml
  5. Indymedia · Aktion gegen WGT-Besucher · http://de.indymedia.org/2007/05/178805.shtml
  6. Indymedia · Nachbericht zum WGT in Leipzig / Presse-Echo · http://de.indymedia.org/2007/05/179092.shtml
  7. Zillo Musikmagazin · Heft-Nr. 1/90 · Schwarze Szene, Berlin · Eine kritische Selbstdarstellung · Seite 25 · Januar 1990
  8. Glasnost Wave-Magazin · Heft-Nr. 23 · The Cure in Leipzig · Seite 19 · September 1990
  9. Peter Matzke / Tobias Seeliger · Gothic! · Die Szene in Deutschland aus der Sicht ihrer Macher · Seite 15 · 2000 · ISBN 3-896023-32-2
  10. Roman Rutkowski · Das Charisma des Grabes · Entstehung der Szene · Seite 51 · 2004 · ISBN 3-8334-1351-4
  11. Roman Rutkowski · Das Charisma des Grabes · Einleitung · Seite 18 · 2004 · ISBN 3-8334-1351-4