Alchemie
Die Alchemie (auch Alchimie) ist ein alter Zweig der Naturphilosophie und wurde im 17./18. Jahrhundert sukzessive von der modernen Chemie und Pharmakologie abgelöst. Die Kunst der Alchemie wurde von Alchemisten (auch Alchimisten) praktiziert. In heutiger Zeit bezeichnen sich manche Vertreter von Pseudowissenschaften ebenfalls als Alchemisten. Zur Möglichkeit der künstlichen Herstellung von Gold siehe Goldsynthese, und von anderen Edelmetallen sieheEdelmetallsynthese.
Herkunft
Es wird angenommen, dass sich das Wort Alchemie vom arabischen "al kymia" bzw. vom griechischen "χυμεία" (chymeia) herleitet. Ersteres entspricht dem Namen mit dem die alten Ägypter selbst ihr Land bezeichneten, d.h. Alchemie wird hier als "Kunst der Ägypter" verstanden, im Sinne des Letzteren als "Lehre des Gießens". Anhand der Etymologie werden bereits ihre Ursprünge im alten Ägypten und im (hellenistischen) Griechenland deutlich.
Aufgabengebiet und Erungenschaften
Die Alchemie war teilweise von der Idee der künstlichen Herstellung von Gold getrieben und auf der Suche nach dem Stein der Weisen. Dabei arbeitete sie hauptsächlich mit der Methode Versuch und Irrtum (Trial and Error), die auch heute noch eine wichtige Methode zur Erkenntnisgewinnung ist. Die Alchemisten waren der Meinung, chemische Elemente könnten ineinander umgewandelt werden (Transmutation).
Alchemisten befassten sich auch mit der Herstellung lebender Kunstwesen (Homunculus, Basilisk). Anklänge an diese okkulten Experimente finden sich beispielsweise noch in Goethes Faust I und Faust II und in Meyrinks Golem.
Wir verdanken der Alchemie unter anderem die (Wieder-)Erfindung des Porzellans und Schwarzpulvers in Europa. Berühmte Alchemisten waren z. B. Vincentius Cascariolo aus Bologna, der 1604 erstmals einen Phosphoreszenz-Farbstoff herstellte, den so genannten „Bologneser Leuchtstein” oder „Lapis Solaris”. Diese Entdeckung beförderte Diskussionen über die Natur des Lichtes und führte bereits 1652 zu ersten spektroskopischen Untersuchungen. Der Hamburger Heinrich Hennig Brand war ein weiterer wichtiger Alchemist. Er entdeckte 1669 die Chemilumineszenz des weißen Phosphors ("Phosphorus mirabilis") und damit die erste Chemilumineszenzreaktion überhaupt. Diese Chemilumineszenzreaktion fand als Mitscherlich-Probe http://www2.uni-jena.de/chemie/institute/oc/weiss/mitscherlich Eingang in die forensische Chemie und ist auch heute noch ein beeindruckendes Experiment.
Arbeitsmittel
Wichtige Grundlage und sozusagen die Bibel der Alchemisten war die Tabula Smaragdina. Sie ist eine dem Hermes Trismegistos zugeschriebene, ursprünglich wohl griechische, später in lateinischer Fassung verbreitete Sammlung von wenigen, schwer verständlichen und auslegungsbedürftigen Sätzen, in denen die gesamte Weltweisheit enthalten sein sollte.
Ein spezieller Ofentyp der Alchemisten wird Athanor genannt.
Philosophische Bedeutung
Allerdings handelt es sich bei der Alchemie nicht nur um eine praktische Disziplin im Sinne einer Proto-Chemie. Sie hat vielmehr auch eine philosophische Dimension: die verschiedenen alchemischen Vorgänge - wie beispielsweise die Umwandlung eines bestimmten Metalls in ein anderes - stehen hier für die Entwicklung des Menschen, d.h. für inner-psychische Prozesse. Diesen psychologischen Aspekt der Alchemie betonte vor allem der schweizer Psychiater und Psychoanalytiker Carl Gustav Jung, der sich eingehend mit ihr beschäftigte und versuchte, sie für seine Analytische Psychologie fruchtbar zu machen.
Bedeutende Alchemisten
Alchemisten des alten Ägypten, sowie der Griechischen und Römischen Antike
- Hermes Trismegistos (Siphaos, 1996 v. Chr. ,legendär)
- Ostanes (vor 500 v. Chr.)
- Xamolxides (ca. 550 v. Chr)
- Empedokles (ca. 490 - 430 v. Chr)
- Demokrit (ca. 470 - 380 v. Chr)
- Maria die Alchemistin (ca. 470 v. Chr.)
- Zosimos (ca. 250 - ca. 310)
Chinesische Alchemisten
In China haben sich innerhalb daoistischer Strömungen solche der Inneren Wandlung Neidan und solche der äußeren Wandlung Waidan herausgebildet, die in ihren Anfängen allerdings noch nicht geschieden waren. Das mit dem Prinzip des Dao verknüpfte Streben nach Unsterblichkeit - allerdings eigentlich im Sinne der Vollendung und Einswerdung im Dao - wurde ganzheitlich auf Körper und Geist bezogen, sodass es auch einige Alchemisten innerhalb der chinesischen Geschichte gab, die ersuchten Metalle zu veredeln, dabei nebenbei das Schießpulver entdeckten und nach einem Elixier [dan] suchten, das irdische Unsterblichkeit ermögliche. Dies war aber als Ergänzung zu den inneren Arbeiten Qigong, Meditation, Fasten etc. gedacht.
Die ersten Spezialisten in den Künsten der Unsterblichkeit waren die Fangshi, die als einsiedlerische Weise in den Bergen lebten, schamanistische Praktiken anboten, von Kaisern und Adeligen besucht und gelegentlich unterstützt wurden.
Aus dieser Tradition kommt Wei Boyang, Autor des ältesten chinesischen alchemistischen Traktats Thouyi cantong qi ("Über das Vereinigen der Entsprechungen"), der gemäß der Legende während des 2. Jh. u.Z gelebt haben soll. Ihm wird folgender Mythos nachgesagt: Nachdem der Hund an einem Experiment das rechte Elixier betreffend tot umfiel, sprach der Meister: "Ich habe den Weg der Welt, meine Familie und Freunde aufgegeben, um in den Bergen zu leben. Es wäre schamvoll, zurückzugehen, ohne das Dao der heiligen Unsterblichen gefunden zu haben. Durch dieses Elixier zu sterben kann nicht schlechter sein, als ohne es zu leben. So muss ich es dann zu mir nehmen." Auch er schluckte das Elixier und fiel auf der Stelle tot um. Nachdem die enttäuschten Schüler gegangen waren, erwachten Hund und Meister und schwebten zum Himmel empor, um Unsterbliche zu werden.
Ein anderer war Ge Hong (284-364 u.Z.). Sein Hauptwerk heißt Baopuzi ("Er, der den unbehauenen Klotz umarmt" oder "Der Meister, der die Schlichtheit umfaßt"). Die Shangqing-Schule nahm später einige seiner Techniken auf.
Lü Dongbin, einer der Acht Unsterblichen, soll einer der ersten gewesen sein, der sich ausschließlich der Inneren Alchemie zuwandte. Sein Schüler war Liu Haichan; von diesem soll Zhang Boduan (987-1082 u.Z.) sein Wissen erhalten haben. Er schrieb das Wuzhen pian ("Über das Begreifen der Wirklichkeit"), welches die Ausdrucksweise der äußeren Alchemie auf die inneren Wandlungen überträgt. Ziel sei die Erschaffung des shengtai ("geistiger Embryo" der Unsterblichkeit). Es begründeten sich nach seinem Tod viele Schulen des neidan. Seine Schüler begründeten etwa den südlichen Zweig der "Schule der Vollkommenen Wirklichkeit" (wörtlich: Der Weg der Verwirklichung der Wahrheit").
Alchemisten des Islamischen Kulturkreises
- Kalid ben Jazichi (7. - 8. Jh.)
- Kalid ben Jesid (702? - ?)
- Geber (ca. 721 - 815), Vater der Chemie
- Rhazes (ca. 860 - ca. 930)
- Avicenna (980 - 1037)
- Kalid Rachaibibi (ca. 11. Jh.)
- Muhyi-d-Din Ibn Arabi (1165 - 1240)
- Abdul-Qasim al Iraqi (13. Jh.)
Abendländische Alchemisten

- Artephius (12. Jahrhundert)
- Nikolaus Flamel (1330 - ca. 1413)
- Bernhardus Trevisanus (1406 - 1490)
- Berthold der Schwarze (lebte im 14. Jahrhundert)
- Basilius Valentinus (Lebensdaten unbekannt)
- Paracelsus (1493-1541)
- Johann Georg Faust (ca. 1480 - 1540)
- Johann Hartmann (1568 - 1631)
- Johann Friedrich Böttger (1682-1719)
- Isaac Newton (1642-1727)
- Giacomo Girolamo Casanova (1725-1798)
- Alessandro Cagliostro (1743-1795)
- Fulcanelli (1887-1932).
Literatur
Quellen
- Johann Agricola: Chymische Medicin: ein Kompendium der Bereitung und Anwendung alchemistischer Heilmittel (Originaltitel: Commentariorum, notarum, observationum & animadversionum in Johannis Poppii Chymische Medicin), Nach der Erstausgabe Leipzig, Schürer und Götze, 1638/39 herausgegeben, eingeleitet und mit einer biographischen Skizze versehen von Oliver Humberg, Elberfeld 2000 ISBN 3-9802788-5-9
Ältere Ausgaben in Neuauflage
- Alexander von Bernus: Alchymie und Heilkunst 5. Auflage Dornach 1994 ISBN 3-7235-0757-3 (1. Auflage von 1936)
- Gottlieb Latz: Die Alchemie, das ist die Lehre von den grossen Geheim-Mitteln der Alchemisten und den Speculationen, welche man an sie Knüpfte: Ein Buch, welches zunächst für Aerzte geschrieben [ist, zugleich aber auch jedem gebildeten Denker geboten wird], 1. Auflage Bonn 1869, 2. Auflage Köln 2003 (Nachdruck) ISBN 3898363422
Moderne Forschungsliteratur
- Helmut Gebelein: Alchemie, 2. Auflage München 1996 ISBN 3-424-01062-6
- Helmut Gebelein: Alchemie, (=Diederichs kompakt), Kreuzlingen, München 2004 ISBN 3-7205-2501-5
- Bernhard Dietrich Haage: Alchemie im Mittelalter: Ideen und Bilder - von Zosimos bis Paracelsus, Düsseldorf, Zürich 2000 ISBN 3-7608-1222-8
- Claus Priesner, Karin Figala (Hgg.): Alchemie: Lexikon einer hermetischen Wissenschaft, München 1998 ISBN 3-406-44106-8
- Alexander Roob: Das hermetische Museum. Alchemie & Mystik, Köln 1996 ISBN 3-8228-8803-6
- Daniel Hornfisher: Löwe und Phönix ,ISBN 3-5910-8432-8
- Johannes Helmond: Die entschleierte Alchemie, ISBN 3-8768-3044-3
- C.G. Jung: Psychologie und Alchemie, Gesammelte Werke, Bd. 12, ISBN 3-530-40712-7
- C.G. Jung: Mysterium Coniunctionis, Gesammelte Werke, Bd. 14, 3 Bde., ISBN 3-530-40714-3 (Bd. 3 von Marie-Louise von Franz, ISBN 3-530-40799-2)
- C.G. Jung: Studien über alchemistische Vorstellungen, Gesammelte Werke, Bd. 13, ISBN 3-530-40713-5
- Gabriele Quinque: Splendor Solis - Das Purpurbad Seele, 22 Pforten der initiatischen Alchemie, Esoterische Interpretation einer alten Bilderhandschrift, ISBN 3-935937-26-1