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Liste der Pflegemodelle

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Die Liste der Pflegemodelle gibt eine Übersicht über die verschiedenen Pflegemodelle der professionellen Gesundheits- und Kranken- und Altenpflege in der Reihenfolge ihrer Entstehung. Diese Modelle basieren auf einem pflegetheoretischen Konzept und werden innerhalb der Pflegewissenschaft und -forschung als konzeptionelle Pflegemodelle verstanden und anhand verschiedener Merkmale beschrieben.

Beschreibungsmerkmale

Zugrundeliegende Theorie

Pflegemodelle basieren auf einer Theorie, die neben der Definition der Metaparadigmen auch über ihren Ursprung, ihre Entstehung, ihre Bedeutung, die Logik, die Nützlichkeit und die Übertragbarkeit unterschieden werden können. Umfassende, meist induktiv entstandene Konzepte, die überwiegend der ersten Generation der Pflegetheorie entstammen, werden hierbei als grand theorie (engl. für groß) klassifiziert, nachfolgende deduktive Konzepte können entweder zu den grand theories gehören oder werden wegen ihrer eingeschränkten Reichweite als mid-range theorie (engl. für mittlere Reichweite) bezeichnet. Die aktuelle Theorieentwicklung innerhalb der Pflege beschränkt sich überwiegend auf Konzepte mit einer deutlich eingeschränkten Reichweite, beispielsweise auf eine definierte Zielgruppe. Diese werden als micro theorie klassifiziert.

Grundtypus

Pflegemodelle werden nach ihrer Ausrichtung in verschiedene Grundtypen eingeteilt. Die meisten Modelle können in die vier, beziehungsweise fünf Grundtypen der Bedürfnis- beziehungsweise Lebensmodelle, Interaktionsmodelle, Pflegeergebnismodelle oder humanistischen Modelle. Einige Modelle lassen sich nicht nach diesen Grundtypen klassifizieren oder mehreren Grundtypen zuordnen und werden in dieser Liste als sonstige Typen bezeichnet.

Metaparadigmen

Pflegetheoretiker beschreiben Konzepte, die die Grundlage für das jeweilige Pflegemodell bilden, anhand zentraler Faktoren und Phänomene. Diese werden als Paradigmen bezeichnet und umfassen in der Pflege den Menschen, die Umgebung, das Verständnis von Gesundheit und Krankheit sowie der Pflege. Zusammengefasst ergeben diese Einzelfaktoren die zentralen Kriterien der Pflege, nach der Pflegemodelle, -theorien und -konzepte definiert und beurteilt werden. Nach einer pflegewissenschaftlichen Auseinandersetzung über das Selbstverständnis der Pflege begreift sich die professionelle Pflege zwar nicht als paradigmische Wissenschaft, da die komplexen sozialwissenschaftliche Zusammenhänge nicht umfassend über ein globales Paradigma beschrieben werden können, sie nutzt jedoch diese Parameter um Pflegemodelle zu beschreiben.

Theorien ohne zugehöriges Modell

Vor Entstehung der Pflegewissenschaft wurden bereits Theorien entwickelt, die jedoch nicht im Rahmen des heutigen Verständnisses zu einem Pflegemodell ausgebaut wurden. Diese Theorien beschreiben jedoch ebenfalls die grundlegenden Parameter der Pflege und gelten als Meilensteine des professionellen Pflegeverständnisses und Basis nachfolgender Pflegetheorien und Modellentwicklungen. Dies betrifft sowohl Rufaida Al-Aslamiya, deren Arbeit in der Schlacht von Badr auf der arabischen Halbinsel im Jahre 624 die östliche Pflege begründete, als auch die 1860 als Notes of Nursing von Florence Nightingale veröffentlichten theoretischen Grundlagen der westlichen Pflegetheorie.

Konzeptionelle Pflegemodelle nach Entstehung

Zwischenmenschliche Beziehungen in der Pflege (1952)

Zwischenmenschliche Beziehungen in der Pflege
Autor Hildegard Peplau
Entstehungsjahr/-ort 1952 / Vereinigte Staaten von Amerika
Zugrundeliegende Theorie Zwischenmenschliche Beziehungen in der Pflege
Reichweite Schwerpunkt in der psychiatrischen Pflege, später weiterentwickelt zu einer grand theorie
Grundtypus Interaktionsmodell
Alternative Bezeichnungen Interpersonale Beziehungen in der Pflege, Psychodynamische Pflege
Metaparadigmen Definition durch das Modell
Mensch Der Mensch lebt in einem instabilen physiologischen, psychologischen und sozialen Gleichgewicht und wird als einzigartiges Wesen wahrgenommen, dessen zwischenmenschliche Beziehungen durch verschiedene Umstände gesteuert werden.
Gesundheit/Krankheit Gesundheit ist ein fortlaufender Prozess der Persönlichkeit und anderer menschlicher Bedürfnisse und ist auf ein kreatives, aktives, nützliches und leistungsfähiges persönliches Leben und das Gemeinschaftsleben ausgerichtet. Krankheit ist ein Symptom sowohl psychologischer als auch physiologischer Überforderung.
Umgebung Mikrokosmos beinhaltet sämtliche Bezugspersonen und zwischenmenschliche Beziehungen, innerhalb welcher der Pflegebedürftige sich bewegt.
Pflege Pflege wird als signifikanter, therapeutischer interpersonaler Prozess verstanden, der über die Fertigkeiten verfügt die Kraft zur Entwicklung der Person zu geben und auch als pädagogisches Instrument eingesetzt werden kann.[1]

Modell der 14 Grundbedürfnisse (1966)

Modell der 14 Grundbedürfnisse
Autor Virginia Henderson
Entstehungsjahr/-ort 1966 / Vereinigte Staaten von Amerika
Zugrundeliegende Theorie Pflegetheorie nach Henderson
Reichweite grand theorie
Grundtypus Bedürfnismodell / Interaktionsmodell
Alternative Bezeichnungen Modell der Grundbedürfnisse, Pflege nach Henderson
Metaparadigmen Definition durch das Modell
Mensch Jedes Individuum besteht aus einer untrennbaren Einheit von Körper und Geist, ein physiologisches und emotionales Gleichgewicht soll angestrebt und gehalten werden. Die Bedürfnisse folgen der maslowschen Bedürfnispyramide.
Gesundheit/Krankheit Lebensqualität, die mit Unabhängigkeit assoziiert wird, beschreibt Gesundheit, Krankheit bedeutet analog Abhängigkeit
Umgebung Alle externen Faktoren und Konditionen, die das Leben und die Entwicklung des Menschen beeinflussen.
Pflege Die Pflege wird in vier Phasen eingeteilt, die die Interaktion zwischen Pflegendem und Gepflegtem kennzeichnen: Orientierung, Identifikation, Nutzung odr Ausbeutung, Ablösung. Ziel der Pflege ist durch ergänzende oder unterstützende Maßnahmen die Gesundung des Individuums voranzubringen.[2]

Adaptionsmodell (1970)

Adaptionsmodell
Autor Callista Roy
Entstehungsjahr/-ort Entwickelt 1964, publiziert 1970 / Vereinigte Staaten von Amerika
Zugrundeliegende Theorie Adaptionstheorie
Reichweite mid-range theorie
Grundtypus Sonstiges Modell
Alternative Bezeichnungen Anpassungsmodell
Metaparadigmen Definition durch das Modell
Mensch Der Mensch ist ein ganzheitliches adaptives System, das ständig versucht sich durch Anpassung an äußere Umstände (auch Krankheit oder Behinderung anzupassen
Gesundheit/Krankheit Gesundheit ist ein Zustand und adaptiver Prozess um ein integriertes und ganzheitliches Individuum zu sein und zu werden, mangelnde Integration bedeutet mangelnde Gesundheit. Anpassung im positiven Sinne fördert das Überleben, Wachstum, Reproduktion und Rollenerfüllung.
Umgebung Alle Bedingungen, Umstände und Einflüsse, die innerhalb und außerhalb des menschlichen adaptiven Systems die Entwicklung und das Verhalten eines Individuums beeinflussen. Zwischen dem Mensch und der sich ständig verändernden Umwelt existiert eine Wechselbeziehung.
Pflege Adaptation als die Folge von Pflegeprozess und -ergebnis, wobei ein absolutes körperliches, geistiges und soziales Wohlbefinden nicht für jeden möglich ist. Pflege soll Reize und Verhalten die zur Adaption beitragen durch geeignete Maßnahmen fördern. Patientenbeobachtung ist zentrales Mittel zur Beurteilung der Notwendigkeiten pflegerischen Interventionen.[3]

Interaktionsmodell nach King (1971)

Interaktionsmodell nach King
Autor Imogene King
Entstehungsjahr/-ort 1971 / Vereinigte Staaten von Amerika
Zugrundeliegende Theorie Theorie der Zielerreichung
Reichweite grand theorie
Grundtypus Interaktionsmodell
Alternative Bezeichnungen Allgemeine Systemtheorie
Metaparadigmen Definition durch das Modell
Mensch Menschen sind interaktive und offene Systeme, die mit ihrer Umwelt interagieren und soziale Rollen erfüllen können. Sie haben das Recht auf eine umfassende Information hinsichtlich ihres Gesundheitszustandes und Beteiligung an Entscheidungsprozessen in diesem Zusammenhang
Gesundheit/Krankheit Gesundheit ist ein interaktiver Erfahrungsprozess, bei dem die Ressourcen zur Bewältigung krankheitsverursachender psychischer und physischer Stressfaktoren eingesetzt werden
Umgebung Die unmittelbare Umwelt besteht aus den verschiedenen formellen und informellen gesellschaftlichen Rollen, Verhaltensweisen und Praktiken. Die mittelbare Umwelt besteht aus dem sozialen System in dem das Individuum sich befindet.
Pflege Pflege ist ein zwischenmenschlicher Prozess von Aktion, Reaktion und Interaktion. Die Kommunikation zwischen Pflegendem und Gepflegtem soll die gemeinsame Zielsetzung, die erforderlichen Maßnahmen und die Zielrealistaion definieren, um das Individuum bei der Erhaltung, Förderung und Wiederherstellung seiner Gesundheit zu unterstützen.[4]

Pflegemodell der Lebensaktivitäten (1976)

Pflegemodell der Lebensaktivitäten
Autor Nancy Roper, Winifried Logan und Alison Tierney
Entstehungsjahr/-ort 1976 / Vereinigte Staaten von Amerika
Zugrundeliegende Theorie Verschiedene amerikanische Pflegetheorien
Reichweite grand theorie
Grundtypus Lebensmodell
Alternative Bezeichnungen Modell des Lebens, RLT-Modell
Metaparadigmen Definition durch das Modell
Mensch Ein Individuum führt seine Lebensaktivitäten während seines gesamten Lebens aus. Wichtigtes Ziel ist es, die maximale Unabhängigkeit bei jeder der Lebensaktivitäten zu erreichen.
Gesundheit/Krankheit Das Niveau der Gesundheit wird durch den Status der Selbstverwirklichung und Unabhängigkeit definiert.
Umgebung Die Umgebung ist neben physiologischen, psychologischen, soziokulturellen und politisch-ökonomischen Faktoren, einer der fünf beeinflussenden Faktoren der Lebensaktivitäten.
Pflege Pflege unterstützt bei der Problemlösung, Handhabung und Prävention von Einschränkungen der Lebensaktivitäten. In die persönliche Lebensgestaltung darf die Pflege nur eingreifen, wenn dies aufgrund gesundheitlicher Probleme unvermeidbar ist.[5]

Aktivitäten des täglichen Lebens (1983)

Aktivitäten des täglichen Lebens
Autor Liliane Juchli
Entstehungsjahr/-ort 1983 / Schweiz
Zugrundeliegende Theorie Weiterentwicklung Henderson und Roper
Reichweite mid-range theorie
Grundtypus Lebensmodell
Alternative Bezeichnungen Pflege nach Juchli, ATL-Modell
Metaparadigmen Definition durch das Modell
Mensch Der Mensch ist ein vielschichtiges Ganzes und bildet eine Einheit aus Leib-Seele-Geist mit männlichen und weiblichen Anteilen, er kann nur in seiner Ganzheitlichkeit erfasst werden.
Gesundheit/Krankheit Ganzheitliches Gesundheitsverständnis, Gesundheit hat Ressourcen und ein Selbstpflhgepotential, Krankheit zeichnet sich durch Defizite und Hilfsbedürftigkeit aus.
Umgebung siehe Roper
Pflege Die Pflegekraft muss in sich selbst ruhen und sich wohlfühlen um „heilende Pflege“, Hilfe zur Selbsthilfe und zur Integration von Körper, Seele und Geist von durchführen zu können, Professionalität lebt von Glauben, Liebe und Hoffnung genauso wie von Forschung und Lehre. Ganzheitliches Denken ist Voraussetzung für ein ganzheitliches Handeln. Pflege ist die Ergänzung der evidenzbasierten Medizin

Modell des systemischen Gleichgewichts (1989)

Modell des systemischen Gleichgewichts
Autor Marie-Luise Friedemann
Entstehungsjahr/-ort 1989 / Schweiz
Zugrundeliegende Theorie Theorie des systemischen Gleichgewichts
Reichweite micro theorie - Bezug auf die Ambulante Pflege und Familientherapie
Grundtypus
Alternative Bezeichnungen Familien- und umweltbezogenes Pflegemodell
Metaparadigmen Definition durch das Modell
Mensch Identität bildet sich über die Beziehung zur Umwelt ( zu Mitmenschen, Gegenständen etc.), das Individuum ist von den Kräften der Natur abhängig und sensibel für systemische Störungen. Menschen können systemübergreifend handeln, um Kongruenz wiederherzustellen und sibbvoll und angstfrei zu leben.
Gesundheit/Krankheit Gesundheit entsteht durch eine weitgehende Übereinstimmung aller Systeme, bzw. Kongruenz der Subsysteme und Kongruenz mit den Kontaktsystemen. Krankheit wird durch eine Systemstörung des organischen Subsystem hervorgerufen.
Umgebung Der Mensch und seine Familie werden von Systemen umgeben, sowohl politische und soziale Systeme, Gegenstände, Gebäude, Biosysteme als auch das übergeordnete Universum. Die Umwelt ist eine Vernetzung offener Systeme, die untereinander durch Adaption und Readaption nach Kongruenz streben.
Pflege Die Pflegeperson pflegt die systemische Einheit Mensch, Familie und Umwelt und versteht sich als Dienstleistung auf allen Systemebenen. Ziel der Pflege ist das Streben nach Kongruenz ressourcenorientiert zu erleichtern und findet auf Basis von Verhandlungen statt.[6]

Literatur

  • Edith Kellnhauser, Liliane Juchli, et al.: Thiemes Pflege: Professionalität erleben. Georg Thieme Verlag, 2004, Seite 44-55, ISBN 3135000109
  • Jacqueline Fawcett, Irmela Erckenbrecht: Konzeptuelle Modelle der Pflege im Überblick, Huber, Bern, 1998, ISBN 3456831099
  • Afaf Ibrahim Meleis: Pflegetheorie. Gegenstand, Entwicklung und Perspektiven des theoretischen Denkens in der Pflege. Huber, Bern, 1999, ISBN 3456829647

Einzelnachweise

  1. Hilde Steppe: Pflegemodelle in der Praxis, 3. Folge: Hildegard Peplau. In: „Die Schwester/Der Pfleger“, Ausgabe 9, Jahrgang 1990, Seite 767
  2. Hilde Steppe: Pflegemodelle in der Praxis, 2.Folge: Virginia Henderson. In: „Die Schwester, Der Pfleger“, Ausgabe 8, Jahrgang 1990, S. 584-588
  3. Technische Universität Dresden - Materialien der Medizin- und Pflegepädagogik: Das Adaptationsmodell nach Callista Roy. Verfügbar als PDF
  4. M. Helgard Brunen, Sabine Biedermann: Ambulante Pflege: Die Pflege gesunder und kranker Menschen. Schlütersche, 2001, Seite 81-83, ISBN 3877065716
  5. Winnifred Logan, Nancy Roper, Allison J. Tierney: Das Roper-Logan-Tierney-Modell. Basierend auf Lebensaktivitäten (LA). Huber, Bern 2002, ISBN 3-456-83597-3
  6. Marie-Luise Friedemann, Christina Köhlen: Familien- und umweltbezogene Pflege, Verlag Hans Huber, 2003, ISBN 3-456-83671-6