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Saul Ascher

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Saul Ascher (* 6. Februar 1767 in Berlin; † 8. Dezember 1822 in Berlin) war ein deutscher Schriftsteller, Übersetzer, und Buchhändler.

Leben

Geboren als Saul ben Anschel Jaffe war er das erste Kind von Deiche Aaron (* 1749 in Frankfurt (Oder)) und des Bankmaklers Anschel Jaffe (* 1745, Berlin).

Über seine Ausbildung ist wenig bekannt. Leidlich gesichert scheinen Gymnasialstudien in Landsberg an der Warthe im Jahr 1785. Saul heiratete am 6. Juni 789 in Hannover Rahel Spanier (* 1763 in Bielefeld), die Tochter von Nathan Spanier, der als Vorsteher der Ravensberger Landjudenschaft ein einflussreicher und wohlhabender Mann war. Am 6. Oktober 1795 wurde als einziges Kind die Tochter Wilhelmine geboren.

Am 6. April 1810 wurde Ascher in Berlin verhaftet, am 25. April auf politischen Druck hin wieder entlassen. Am 6. Oktober wurde Ascher an der Universität Halle in absentia der Doktorgrad verliehen, zugleich ließ Staatskanzler Hardenberg das Verfahren in Berlin niederschlagen.

1812, im Todesjahr des Vaters, erhielt Ascher den Staatsbürgerbrief. Ascher trat vor 1816 in die reformjüdisch orientierte Gesellschaft der Freunde ein.

In der Bücherverbrennung auf dem Wartburgfest wurde am 18. Oktober 1817 auch Aschers Schrift „Die Germanomanie“ verbrannt.

Im Oktober 1822 erkrankte Saul Ascher und starb schließlich am 8. Dezember 1822 an „Entkräftung“.

Tätigkeit

Ascher hatte einen ausgedehnten Freundeskreis. Eng befreundet war er seit Ende 1789 mit dem Schweizer Heinrich Zschokke, später mit Salomon Maimon, Johann Friedrich Cotta und Marx' Lehrer Eduard Gans. In seinem Todesjahr 1822 besuchte ihn Heinrich Heine. Zeit seines Lebens wurde Ascher stark angefeindet, als Jude, Theoretiker und Schriftsteller. Er hat allerdings auch seine Feinde nie geschont. Nach dem Tode seiner Frau 1815 wurde ihm nachgesagt, ein Sonderling zu sein. Leopold Zunz bemerkte 1818, Ascher sei ein Feind aller Schwärmerei, gegen die Deutschtümler, sein moralischer Charakter wird nicht geschätzt.

Saul Ascher war literarisch überaus produktiv. Bei ihm sind drei Tätigkeitsbereiche zu trennen: Autor, Übersetzer, Herausgeber/Verleger. Der volle Umfang seines Schaffens ist bisher nur unzulänglich erschlossen.

Ascher war bereits sehr früh als Verleger aktiv. Er hatte nacheinander und parallel mehrere Verlage unter verschiedenen Namen. Seine eigenen Schriften erschienen ebenfalls oftmals anonym oder unter diversen Pseudonymen.

Ascher war Mitarbeiter und Korrespondent verschiedenster Zeitschriften, so der Berlinischen Monatsschrift, Berlinisches Archiv der Zeit und ihres Geschmacks, Eunomia, Allgemeine Literaturzeitung Halle, Morgenblatt für gebildete Stände von Cotta, Miscellen für die Neueste Weltkunde von Zschokke, Journal de l'Émpire. Als Journalist lieferte er einesteils Texte, die seinem Rang als Denker entsprechen, andererseits aber reine Tagesprodukte.

Ascher hatte zumindest zwei Zeitschriften selbst begründet und mit einigem Erfolg vertrieben. Im Jahr 1810, einem für Ascher politisch sehr schwierigen Jahr, brachte er Welt- und Zeitgeist heraus, das bis 1811 in sechs Heften erschien. Hier schrieben verschiedene Autoren, unter ihnen auch Ascher selbst. 1818 und 1819 verlegte und schrieb er allein Der Falke, ein eher theoretisch-kritisches Organ, von dem ebenfalls sechs Hefte erschienen.

Werk

In seiner ersten Publikation Bemerkungen über die bürgerliche Verbesserung der Juden betonte Ascher, angebliche spezielle jüdische Charaktereigenschaften gingen nicht auf eine Veranlagung, sondern auf die jahrhundertelange Verfolgung und Diskriminierung zurück. Über das Schicksal der jüdischen Nation bemerkt er: Unterdrückung erzeugt Kleinmütigkeit des Geistes, Verachtung unterdrückt jeden Keim von Sittlichkeit und Bildung; Verfolgung jeden Keim von Moralität. Keine Nation wird mehr verfolgt und verachtet als die jüdische.

Anders als andere jüdische Autoren, die mit dem Toleranzedikt Kaiser Josephs II. einhergehenden Reformen - und damit eingeschlossen die allgemeine Pflicht zum Heeresdienst - begrüßten, wandte sich Ascher gegen einen von Juden zu leistenden Militärdienst.

Aufgrund der faktischen Zweiteilung der jüdischen Nation in Arm und Reich würden die Bemittelten sich loskaufen und die alleinige Last werde auf die Armen gewälzt. Erst eine vorauslaufende völlige Gleichberechtigung der Juden werde eine allgemeine Zustimmung auch zum Staat nach sich ziehen.

1792 erschien Leviathan oder über Religion in Rücksicht des Judentums, eine Religionskritik, in der Ascher zwischen offenbarter und anzustrebender Vernunftreligion und einem veräußerlichten „maschinenartigen“ Ritualgesetz unterschied.

In seiner 1794 erschienen Streitschrift Eisenmenger der Zweite polemisierte Ascher gegen antisemitische Äußerungen Fichtes, dem er den Namen des seinerzeit bekannten Judenfeindes Johann Andreas Eisenmenger, dem Autor des Pamphlets Entdecktes Judentum beilegte. Mit Fichte, der zum Abschneiden jüdischer Köpfe und dem Aufsetzen anderer aufgerufen hatte, sei eine neue Phase der Judenfeindlichkeit zu verzeichnen, die statt religiöser nunmehr politische Argumente gegen die Juden ins Feld führe. Ascher plädierte für die Emanzipation und wies auf die Konfessionen überbrückenden Elemente der in den jeweiligen Offenbarungen verhüllten Wahrheiten.

1799 wurde seine Schrift Ideen zur natürlichen Geschichte der politischen Revolutionen von der Zensur verboten mit der Begründung einer auf Umsturz der bisherigen Staatsverfassung abzielenden höchst sträflichen Absicht. Unter einem anderen Titel wurde die Beschreibung des menschheitlichen Weges zu einer höheren und würdigeren Gemeinschaft 1801 veröffentlicht. Sein revolutionär-fortschrittliches Ideal sah Ascher dabei zunächst im Preußischen Staat, dann im politischen System Napoleons verwirklicht. Das Imperium habe ohne einen bestimmten Nationalismus und Intoleranz die Grundlagen für eine harmonischere Weltordnung geschaffen.

1809 übersetzte Ascher die Schrift „Die Neger“ des Kämpfers für die Judenemanzipation Henri Grégoire, ein Werk für alle, welche die Sache der unglücklichen Schwarzen und Mulatten... verteidigen.

1811 schilderte Ascher die Umstände einer Verhaftung der reformfeindlichen Politiker Finckenstein und Marwitz, worauf die Presse angewiesen wurde, daß dieser Artikel von einem völlig ununterrichteten jüdischen Instruktor, namens Saul Ascher, herrührt, der vor einem Jahre ... dem Stadtgefängnisse übergeben worden, und, wie sich zeigt, nur zu früh daraus entlassen ist.

Im selben Jahr beschrieb Ascher die Berliner romantisch-nationalistische Christlich-deutsche Tischgesellschaft, die in ihrem Vereinsstatut eine Mitgliedschaft von Juden oder Jüdischstämmigen grundsätzlich ausschloss. Dabei brachte er im Hinblick auf antisemitische Publikationen Clemens Brentanos[1] die Befürchtung zum Ausdruck, dass nach der Verdammung der Philister und Juden nun Indier, Mohammedaner, Chinesen und ungläubige Barbaren an die Reihe kommen...

Die Germanomanie

Mit der Niederlage Napoleons gewann die deutsch-nationalistische antifranzösische und antisemitische Volkstumsideologie mit den Wortführern Ernst Moritz Arndt und Friedrich Ludwig Jahn Einfluss. In den publizistischen Meinungsstreit griff Saul Ascher 1815 mit seiner Schrift Germanomanie[2] ein:

Man muss die Menge, um auch sie für eine Ansicht oder Lehre einzunehmen, zu begeistern suchen; um das Feuer den Begeisterung zu erhalten, muß Brennstoff gesammelt werden, und in dem Häuflein Juden wollen unsere Germanomanen das erste Bündel Reiser zur Verbreitung des Fanatismus hinlegen.

Deutschland, so Ascher weiter, sei nicht wegen schädlicher Einflüsse aus dem Ausland geschwächt, sondern, weil es sich dem Impuls der französischen Revolution von Anbeginn entzogen habe. Die Idee einer sich anbahnenden vereinigten Menschheit sah er in der Heiligen Allianz verwirklicht. Die Forderung des antisemitischen Historikers Friedrich Rühs, Juden wegen mangelnder Ehre von der Beteiligung am Kriegsstand auszuschließen, kommentierte er damit, daß Deutschlands Heere in dem Kampf gegen Frankreich unterlagen, ehe noch die Juden ... teil daran nahmen, hingegen blieben sie ... siegreich, als die Juden ... mit ihnen in Reih und Glied standen.

Der Student und Jahn-Gefolgsmann Hans Ferdinand Maßmann organisierte die Reaktion der sich angegriffen wähnenden "Germanomanen" auf dem Wartburgfest am 18. Oktober 1817 in Gestalt einer an Luthers Tat vor 300 Jahren erinnern sollenden Bücherverbrennung. Dabei wurde die "Germanomanie" zusammen mit anderen Schriften und Symbolen vor 500 Burschenschaftsstudenten mit dem Ruf Wehe über die Juden, so da festhalten an ihrem Judentum und wollen über unser Volkstum und Deutschtum spotten. verbrannt.

Seine Sicht der Ereignisse der Bücherverbrennung fasste Ascher 1818 in der Schrift Die Wartburgsfeier zusammen, in der er bei den Burschenschaftern eine Umkehrung der lutherischen Absicht als irrationale Verirrung aufzeigte. Er rief ausdrücklich zu polizeilichen Maßnahmen zur Unterdrückung deutschnationalistischen Gedankengutes auf. Auch forderte Saul Ascher 1818 einen staatlichen Zensurerlass im Frankfurter Bundestag.

Als eine Zusammenfassung seiner Gedanken lässt sich seine 1819 verfasste Schrift Der deutsche Geistesaristokratismus verstehen. Ausgehend vom Ideal der französischen Revolution käme Deutschland die Rolle zu, diese zu vollenden. Deutschland biete Voraussetzungen eines sich auflösenden Nationalismus zugunsten eines allmählich fortschreitenden völkerverbindenden Kosmopolitismus.

Nachwirken

Eine angemessene Rezeption hat Ascher erst sehr spät erfahren, was zum größten Teil daran liegt, dass er kein Fürsprecher einer Klasse, einer Religion oder einer Partei war. Heinrich Heine berichtet in der Harzreise von Ascher und deutet dort, bei aller Ironie (er bezeichnet Ascher als "Vernunftdoktor" und lässt ihn nach seinem Tod als Gespenst auftreten, das mit Hilfe der Lehren Kants in der "Geisterstunde" zu beweisen versuche, dass es keine Gespenster geben könne), an, dass Ascher ihn in seiner Entwicklung geprägt habe. Reinhold Steig befasst sich in seinem Buch „Heinrich von Kleists Berliner Kämpfe“ (Stuttgart, 1901) einseitig und verzerrend mit Ascher und dessen Auseinandersetzungen mit Kleist. Walter Grab war der erste, der 1977, fußend auf einer rabbinischen Dissertation von Fritz Pinkuss von 1931, Saul Ascher in einem ausführlichen Essay systematisch darstellte. Schließlich hat sich Peter Hacks 1989 und 1990 in zwei Schriften, die unter dem Titel „Ascher gegen Jahn“ zusammengefasst wurden, um eine politische Einordnung und Würdigung Aschers bemüht.

Werke

a. Schriften

  • Leviathan oder ueber Religion in Rücksicht des Judenthums (1792)
  • Eisenmenger der Zweite: nebst einer vorangesetzten Sendschreiben an den Herrn Prof. Fichte in Jena (1794)
  • Philosophische Skizzen zur natürlichen Geschichte des Ursprungs: Fortschritts und Verfalls der gesellschaftlichen Verfassungen (1801)
  • Orientalische Gemälde (1802)
  • Ideen zur natürlichen Geschichte der politischen Revolutionen (1802)
  • Kabinett Berlinischer Karaktere (1808)
  • Napoleon oder über den Fortschritt der Regierung (1808)
  • Rousseau und sein Sohn: oder der Selbstmörder zu Ermenonville (1809)
  • Historisch-romantische Gruppen (1809)
  • Romane, Erzählungen und Märchen (2 Bde, erschienen 1810)
  • Bagatellen aus dem Gebiete der Poesie, Kritik und Laune (2 Bde, erschienen 1810-1811)
  • Die Entthronung Alfonso's, Königs von Portugal : ein dramatisches Gedicht (1811)
  • Die Germanomanie: Skizze zu einem Zeitgemälde (1815) online
  • Idee einer Preßfreiheit und Censurordnung : den hohen Mitgliedern des Bundestages vorgelegt (1818)
  • Die Wartburgs-Feier: mit Hinsicht auf Deutschlands religiöse und politische Stimmung (1818)
  • Ansicht von dem künftigen Schicksal des Christenthums (1819)

b. Übersetzungen

  • Henri Grégoire, Die Neger. Ein Beitrag zur Staats- und Menschenkunde. (1809)
  • Auguste Lambert, Praxède oder der französische Werther. (1809)
  • Charles Ganilh, Untersuchungen über die Systeme der politischen Ökonomie. (1811, anonym)
  • Auguste Lambert, Schwärmereien der Liebe. (1816)
  • Bernard v. Mandeville, Fabel von den Bienen. (1818, kommentiert)

Literatur

  • Walter Grab, Saul Ascher. Ein jüdisch-deutscher Spätaufklärer zwischen Revolution und Restauration; in: ders., Ein Volk muss seine Freiheit selbst erobern. Zur Geschichte der deutschen Jakobiner, Frankfurt 1984, S. 461-494.
  • Peter Hacks, Ascher gegen Jahn. Ein Freiheitskampf, Berlin: Aufbau 1991 (enthält von Ascher: „Eisenmenger“, „Germanomanie“, „Napoleon“ und „Wartburgfeier“)
  • André Thiele, Der Falke; in: junge Welt v. 23. März 2001 ff..
  • Christoph Schulte: Die jüdische Aufklärung: Philosophie, Religion, Geschichte, C.H.Beck, 2002, ISBN 3406488803

Einzelnachweise

  1. Der Philister
  2. Text