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Robert Guiskard

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Robert Guiskard, (* um 1015; † 1085), normannischer Herrscher, Herzog von Apulien und Kalabrien.

Der Name »Guiskard«, eine Bildung nach dem Französischen guiscart oder viscart (»pfiffig«, auch »listig« und »verschlagen«) bedeutet soviel wie »Schlaukopf«. Wilhelm von Apulien: »... sein Name war Guiskard, weil er an Verschlagenheit Cicero und auch Odysseus überlegen war.«

Leben

Herkunft

Robert war der 6. Sohn des Tankred von Hauteville, einem Angehörigen des niederern Adels (Valvassor) aus der westlichen Normandie (heute: Hauteville-la-Guichard bei Coutances). Robert war der erste Sohn der zweiten Frau Tankreds, Frensendis, und damit in der Erbfolge lediglich an sechster Stelle positioniert. Obgleich der väterliche Besitz schon 1035 auf den Sohn Gottfried überging, blieb Robert (im Gegensatz zu den älteren Brüdern) noch bis etwa 1045 in der Normandie. Aus den Jugendjahren des Robert in der Normandie ist im Prinzip nichts überliefert. Das normannische Herzogtum wurde allerdings in jenen Jahren von blutigen Fehden erschüttert, da der Herzog in Rouen, Wilhelm, der spätere Eroberer, zum Zeitpunkt seiner Erhebung 1035 noch ein Kind war und um sein Überleben kämpfte.

Die Anfänge in Süditalien

Der rasante Aufstieg der Brüder in Süditalien musste Robert verlockend erscheinen. Als er um das Jahr 1047 in Unteritalien eintraf, war sein ältester (Halb-)Bruder, der Anführer der apulischen Normannen, Graf Wilhelm Eisenarm, bereits tot (1045). Die Hautevilles hatten schon mit der Wahl des nachrückenden zweitältesten Bruders Drogo ein dynastisches Prinzip in Süditalien etabliert: Aus den ehemals 12 gleichwertigen normannischen Grafen ragten die Hautevilles deutlich als primi inter pares heraus. Sie bauten Melfi zur Zentrale ihrer Herrschaft weiter aus. Robert jedoch schien zunächst alles andere als willkommen und erhielt vom Bruder kein Lehen. Ein geschätztes Jahr verdingte er sich als Söldner für den kriegerischen Pandulf von Capua. (Siehe Apulien (Geschichte von 1000-1050) zur Vorgeschichte der Normannen in Italien)

Gegen das Jahr 1048 gelang es ihm, die Burg Scribla an der Via Popilia in Nordkalabrien als Lehen für sich herausschlagen - aus Sicht seines Bruders Drogo in ausreichender Entfernung vom Machtzentrum Melfi. Allerdings erhielt er die Zusage, alles Dazueroberte behalten zu dürfen. Bei Scribla handelte es sich lediglich um eine kleine hölzerne Burg (Motte) in der damals stark malariaverseuchten Ebene von Sibari. Es nimmt nicht Wunder, dass der Guiskard schon bald den unwirtlichen Platz gegen das nicht weit entfernte aber hoch gelegene San Marco Argentano eintauschte. Hier errichtete er einen soliden steinernen Wehrturm. Mangels Pferde und ausgebildeter Kämpfer verlegte er sich zunächst auf ein reines Banditendasein. Bald schon gebot er über eine etwa 60 Mann starke Bande, die vermutlich aus entlaufenen Balkansklaven bestand. Gegen befestigte Städte konnte die Truppe zu jenem Zeitpunkt nichts ausrichten.

Dieses Manko schien Robert Guiskard um das Jahr 1050 durch eine Heirat kompensiert zu haben. Er ehelichte nach einigen Widerstand von Drogo schließlich Alberada von Bonauberge, eine Tante des normannischen Anführers Girard von Bonauberge, der Robert als Mitgift 200 Krieger überließ und so dessen Handlungsmöglichkeiten beträchtlich erweiterte. Auf Girard, mit dem Robert nun auch öfter zusammenarbeitete, dürfte auch der Beiname Guiskard, der »Schlaukopf«, zurückgegangen sein.

Ein Jahr später (1051) fiel Graf Drogo einer Verschwörung zum Opfer. Die unterdrückte Bevölkerung begehrte wohl um den St.Laurentiustag (9./10.Aug.) allenortens gegen die normannischen Besatzer auf und tötete viele von ihnen. Die Antwort der Überlebenden fiel nicht minder blutig aus. Der 3. Hauteville-Bruder Humfred rückte als Anführer nach. Hinzu kamen die zunehmenden Schwierigkeiten mit dem 1049 inthronisierten Papst Leo IX., die nun 1051 darin gipfelten, dass die Bevölkerung Benevents dem Papst den Oberbefehl über ihre Stadt übergab.

Aufstieg

Datei:Robert guiskard.jpg
Robert Guiskard auf einer Bronzemünze des 11. Jhds.

Papst Leo IX., 1049-1053, entschloss sich, massiv gegen die als Ungläubige gebrandmarkten Normannen vorzugehen und sie militärisch niederzuringen. Bei seiner letzten Bittfahrt ins Reich konnte der Papst von seinem Landsmann und Vertrauten Kaiser Heinrich III. allerdings lediglich 300-400 Schwaben als Schutztruppe erhalten. Auf dem Zug zurück durch Oberitalien nach Rom gesellten sich noch etwa 2000 Leute aus dem Volk sowie ein Kontingent der Langobarden zu dem Heer. Leo zeigte sich siegesbewusst.

Als sich die Heere bei Civitate gegenüberstanden, versuchten die Normannen, die in ungewohnter Einigkeit erschienen, zwar zu verhandeln, indem sie ihre Lehnsabhängigkeit anboten, bedingten sich aber im Gegenzug freie Hand gegen Byzanz aus. Papst Leo lehnte ab. Am 18. Juni schlugen die Normannen in der Schlacht von Civitate trotz starker Gegenwehr die Päpstlichen. Papst Leo wurde arrestiert und neun Monate in Benevent festgehalten.

Robert konnte in der Folge in Kalabrien weitgehend selbstständig vorgehen. Bisignano und Cosenza, beides Bischofsstädte, fielen an den Hauteville. Die angewandte Taktik war in erster Linie die Belagerung, was zunächst die schlichte Abschneidung der Versorgungswege bedeutete. Erst in einem zweiten Schritt suchten die Normannen den offenen Kampf. Die Besiegten hatten in der Regel Geiseln zu stellen und mussten Tribut zahlen.

Der Erfolg zog die Rivalität mit dem älterern Bruder und Lehnsherren Roberts, Humfred, nach sich. Während Humfred als Anführer der apulischen Normannen sich permanent der anderen normannischen Grafen, die z. T. genauso lange vor Ort waren wie er, zu erwehren hatte, konnte der Guiskard in Kalabrien frei walten und erweiterte seine Machtssphäre in kürzester Zeit um ein Vielfaches. Das schürte den Neid. Eine Quelle berichtet, dass Humfred Robert eine kurze Zeit lang einsperren ließ. Kaum in Freiheit, eroberte Robert freilich unbekümmert weiter.

Etwa um das Jahr 1057 erschien Roberts jüngerer Bruder Roger, der spätere Roger I. in Süditalien. Trotz einiger Zerwürfnisse zwischen den beiden Brüdern sollte Roger Roberts wichtigste Stütze bei der Eroberung des Südens werden. Ohne Roger wäre wohl nie ein normannisches Südreich entstanden. Seinen Erfolgen haftete ein dauerhafteres Glück an als denen des älteren Bruders.

Ebenfalls im Jahr 1057 starb Graf Humfred. Zwar hinterließ er in Abälard einen möglichen, wenngleich noch unmündigen Nachfolger, doch konnte er nicht umhin, den ungleich mächtigeren Guiskard zu seinem Nachfolger zu bestimmen. Robert war schon zu diesem Zeitpunkt der einzige Anführer, der das Zeug hatte, die normannischen Sache gegen äußere und innere Widersacher voranzutreiben. Offenbar war die Dynastie der Hauteville mittlerweile so etabliert, dass keiner der normannischen Grafen seinem Herrschaftsanspruch widersprach.

Führer der apulischen Normannen

Noch im Jahr 1057 nahm Robert die Eroberung Kalabriens wieder auf, konnte hierzu nun aber auf mehrere hundert Krieger zurückgreifen. Die Belagerung von Reggio, der größten Stadt Kalabriens, wurde aber nicht von Erfolg gekrönt. Das Kommando über Kalabrien übertrug Robert dem jungen und ehrgeizigen Bruder Roger, um selbst gegen einen apulischen Aufstand unter Graf Peter von Trani vorgehen zu können. Ein weiterer Versuch, Reggio Calabria einzunehmen scheiterte. 1058 überwarfen sich die Brüder, da Robert Roger den Sold für dessen stipendiarii schuldig blieb. Roger suchte nun die Annäherung an den Bruder Wilhelm, der ihm das befestigte Scalea überließ. Von hier aus zog Roger dann mit seiner Bande wie einst Robert durch die Lande. Dieser beargwöhnte zwar den Bruder, söhnte sich aber angesichts wieder ausbrechender kalabrischer Aufstände wieder mit Roger aus. Vielleicht ist nun auch eine Aufteilung Südkalabriens vereinbart worden. Jedem der beiden wurde die Hälfte einer jeden eroberten Stadt zugesprochen.

Der von Wilhelm bedrängte Fürst Gisulf von Salerno wandte sich in dieser Zeit an Robert. Dieser nutzte die Gelegenheit und spielte beide gegeneinander aus. Gisulf zahlte für den Frieden einen jährlichen Tribut an Robert, wofür dieser den Frieden mit Wilhelm garantierte. Robert bekam außerdem 1058/59 die Hand von Gisulfs Schwester Sichelgaita. Die Ehe mit Alberada wurde zuvor wegen (angeblicher) Blutsverwandschaft aufgelöst.

In Kalabrien schlug Roger um diese Zeit den letzten größeren Aufstand nieder. Bis zum Jahresende war bis auf den äußersten Süden so Byzanz aus Kalabrien völlig verdrängt worden. Aber erst 1060 fiel Reggio, im dritten Anlauf und erst nachdem Robert schweres Gerät zum Einsatz gebracht hatte: Beim Anblick der Wurfmaschinen gaben die Bewohner der Stadt auf. Ungefähr gleichzeitig wurde der Roger mit Mileto samt nahem castrum belehnt.

Melfi 1059: Robert wird Lehnsmann des Papstes

Im Jahr 1059 vollführte der Papst eine radikale Wende in seiner Haltung gegenüber den Normannen. Galten sie bis zu jenem Zeitpunkt als Ungläubige, auf einer Stufe mit den Sarazenen, so suchte die Kurie nun ein Bündnis. Der primäre Grund lag in der schwachen militärischen Stellung des Reformpapsttums selbst: 1059 konnte die Reformpartei um Archidiakon Hildebrand den amtierenden Papst Benedikt X. absetzen und ihren Kandidaten Nikolaus II. (Papst) inthronisieren. Im Lateran erkannte man allerdings schnell die Realitäten: Gegen so starke Feinde wie den römischen Adel und den deutschen König benötigte der Papst einen starken Verbündeten. Der größte Machtfaktor im Süden waren die Normannen und so suchte der Papst vermutlich durch die Vermittlung von Desiderius, dem Abt von Montecassino, ein Pakt mit den Normannen.

Im August des Jahres 1059 kam es zur Synode von Melfi. Papst Nikolaus bestätigte nicht nur die Gebietsansprüche der beiden Fürsten Richard von Capua und Robert Guiskard, sondern machte sie zu seinen Lehnsleuten. Robert wurde in den Stand des Herzogs von Apulien, Kalabrien und des zukünftigen Siziliens erhoben. Mit dieser Formulierung unterstützte der Papst ausdrücklich die Rückeroberung Siziliens aus den Händen der Sarazenen. Robert hatte eine jährliche Abgabe zu zahlen und trug fortan das Banner des Papstes. Die Belehnung, vor allem die Rechtsgrundlage des Papstes, ist Gegenstand einer intensiven historischen Diskussion (s. Josef Déer, Papsttum und Normannen, Studien und Quellen zur Welt Kaiser Friedrichs II. 1, Köln 1972, dazu auch Graham Loud, The Age of Robert Guiscard).

Letzte Eroberungen und Ende

1074 wurde Robert nach einem Konflikt mit der Kurie von dem mittlerweile als Gregor VII. inthronisierten Hildebrand gebannt, 1080 aber wieder vom Bann gelöst, ohne das erkennbar wäre, wo der Bann Folgen gezeitigt hätte. Robert wurde erneut mit allen seinen Eroberungen belehnt.

Ab 1081 befand sich Robert dann auf einem Zug gegen den griechischen Kaiser Alexios Komnenos, der bei Durazzo geschlagen wurde. Die Stadt selbst wurde 1082 eingenommen und Robert drang noch bis Saloniki vor, bevor er dann auf das italienische Festland zurückeilen musste, um dem auf der Engelsburg von Heinrich IV. belagerten Gregor VII. zur Hilfe zu eilen.

1084 eroberten die normannischen Truppen Rom, plünderten die Stadt und brannten sie nieder. Der Papst folgte Robert an dessen Hof in Salerno. Rückschläge, die sein Sohn Bohemund erfahren musste, zogen Robert dann wieder nach Griechenland. Nach einigen Niederlagen gegen die mit Alexios verbündete venezianischen Flotten, konnte ein Schiffsverband aus Griechenland und Venedig bei Korfu entscheidend geschlagen werden. Robert bereitete nun das Eindringen in das Ionische Meer vor, über das er auf die Insel Kephallenia gelangte. Hier verstarb Robert am 17. Juli 1085 vermutlich an einer Typhus- oder Ruhrerkrankung. Seine Besitzungen wurden zwischen seinem Sohn Bohamund und seinem Bruder Roger (der Apulien erhielt) aufgeteilt.

Literarische Verarbeitung

Verewigt wurde Robert schon von Dante, der sowohl im Inferno (XXVIII, 14), als auch im Paradiso (XVIII, 48) den Normannen zu erwähnen wußte. Weniger bekannt sind die Werke von Claudius (Die Grafen Guiscardi. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen; 1791) und von Matthew Gregory Lewis (Adelghita - or: The fruits of a single error. A tragedy in five acts; 1806).

Um so bekannter geworden ist aber dafür Heinrich Kleists Robert Guiskard. Herzog der Normänner von 1808, in dem (neben Die Familie Schroffenstein) die Problematik der Legitimation von Herrschaft (mit deutlichen Parallelen zu Napoleon) im Mittelpunkt steht.

Wieder wenig bekannt ist Joseph Eichendorffs Versepos Robert und Guiscard von 1855. Dem folgen Friedrich Lorchs Robert Guiskard. Drama in fünf Akten von 1907 und Michele Scozias Sichelgaita. Signora del Mezzogiorno von 1994, das der zweiten Frau Roberts gewidmet ist und Gabriella Brookes The words of Bernfrieda. Chronicle of Hauteville, the chronicle of the life of Fredesenda, wife of Tancred of Hauteville and mother of Robert Guiscard von 1999, das die Mutter in das Zentrum setzt.

Auf Rijn Thalands Der große Bruder oder Robert Guiskards Widerspiel. Dramatisches Mysterium in vier Bildern von 1968 sei noch am Rande hingewiesen, auch wenn für das (angeblich) im Manuskript veröffentlichte Werk bislang nur ein Beleg gefunden werden konnte.

Literatur: R. Samuel/H. Brown, Kleist's Lost Year and the Quest for Robert Guiskard; Spa 1981

Literatur

  • Finch Allibone, In Pursuit of the Robber Baron: Recreating the Travels of Robert Guiscard, Duke of Apulia, Calabria and Sicily; Luton 1988
  • Richard Bünemann, Robert Guiskard - Terror mundi. Eroberer zwischen Rom und Konstantinopel; in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 10 (1987), 627-644
  • ders., Robert Guiskard. Ein Normanne erobert Süditalien; Köln, Weimar u. Wien 1997.
  • Salvatore Impellizzeri, (Hg.) Anna Comnena: La precrociata di Roberto il Guiscardo; Bari 1965
  • Graham A. Loud, Coinage, Wealth and Plunder in the Age of Robert Guiscard; in: English Historical Review 114 (1999), 815-843
  • ders., The Age of Robert Guiscard: Southern Italy and the Norman Conquest; London 2000
  • Marguerite Mathieu (Hg.), Guillelmus Apuliensis: La Geste de Robert Guiscard, Testi et Monumenti, Testi 4, Palermo 1961
  • Léon Robert Ménager, Les fondations monastiques de Robert Guiscard; in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken, Bd. 39, Tübingen 1959, 1-116
  • Huguette Taviani-Carozzi, La terreur du monde. Robert Guiscard et la conquête normande en Italie. Mythe et histoire; Paris 1996
  • Otto Vehse, Robert Guiscard; in: ders., Nordische Staatengründer, Hamburg 1943, 105-122