Talfest
Talfest in Hieroglyphen | |
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Heb-nefer-en-inet-en-Amun Vorlage:Unicode[1] Schönes Fest des Tales von Amun[1] |


Das Talfest (auch „Schönes Fest vom Wüstental”; „Fest der kleinen Trunkenheit”; „Kleines Fest der Bastet”) ist ein altägyptisches religiöses Fest, das die Priesterschaft der Gottheit Amun jährlich in Theben zwischen Erntebeginn und Nilschwemme feierte. Als Nekropolenfest stand es in direkter Verbindung mit dem Totenkult. Die Bevölkerung richtete zeitgleich das „Fest im Grabe” aus, nahm aber nicht direkt am Prozessionszug und der Barkenüberfahrt des Amun teil.
Darstellungen und Bilder der Abläufe des Talfestes sind erstmalig mit Beginn der 18. Dynastie belegt. Die Malereien konzentrierten sich auf die heilige Amun-Barke, die bei Ankunft in Theben jeweils in den Totentempeln der verstorbenen Könige Station machte, um schließlich in das Sanktuar des amtierenden Herrschers gebracht zu werden. In die Prozessionen war das Fest „Zug nach Chemnis” integriert, um die jährliche Wiedergeburt des Königs als Horus zu zelebrieren. Insofern bestand das Talfest aus mehreren Kleinfesten, die nach und nach den Festkalender ergänzten.
Anlass und Inhalt der Talfestfeierlichkeiten veränderten sich im Verlauf der ägyptischen Geschichte umfassend. Von der einstigen Vereinigung des Amun und der Hathor mit dem Charakter eines Tanzfestes, wechselte der zentrale Anlass am Anfang des Neuen Reiches nun als Huldigung der Gottheit Amun-Re und damit verbunden des Königs. Nach der Amarna-Zeit standen nicht mehr fröhliche Aktivitäten im Mittelpunkt, sondern traurige Riten, die jedem Festteilnehmer die kurze Verweildauer in der Welt der Lebenden klar machten. Bildliche Darstellungen des Talfestes fehlen von diesem Zeitpunkt an fast vollständig.
Durch die Abhängigkeit vom Sothis-Mondkalender konnte es zu Überschneidungen mit anderen Hauptfesten kommen, die mit einem festen Datum an den Verwaltungskalender gekoppelt waren. In diesem Falle wurde das jeweils jüngere Fest auf einen anderen Termin verschoben.
Hintergrund
Ursprung und Charakter des Festes

III) Tempel der Hatschepsut
Talfestzug:
7) Hof
9) Ziegeltempel Amenophis I.
13) Hof
14) Amun-Heiligtum
Chemniszug der Hatschepsut
7) Hof
11) Hathor-Kapelle
In den Festlisten des Alten Reichs ist das Talfest noch unbekannt und wird erstmalig im Mittleren Reich unter dem König Mentuhotep II. in der 11. Dynastie erwähnt. Die Feierlichkeiten, die zunächst nur einen Tag andauern, werden in dieser Zeit noch „Tag der Fahrt des Amun zum Tale Mentuhoteps” genannt und stellen das alte Amun-Fest dar, das im ersten Schemu-Monat gefeiert wurde. Mentuhotep II. ließ für diesen Zweck in Deir el-Bahari einen Totentempel errichten, der zu seiner Zeit einmalig war. Vom Taltempel am Fruchtlandrand erreichte man den in den Bergkessel hineingeschmiegten Totentempel über einen 46 m breiten und 1 km langen geziegelten Aufweg. In einer Inschrift aus der 12. Dynastie ist zu lesen: „Gepriesen sei Amun an seinen ersten Festen der Jahreszeit Schemu, wenn er aufleuchtet, am Tag der Fahrt zum Tale Mentuhoteps III.”.
Bis zum Beginn des Neuen Reiches galt die Fahrt des Amun der Göttin Hathor, die „Amun auf der Westseite Thebens besuchte, um die Nacht bei ihr zu verweilen”. Während der Barkenüberfahrt fuhr Amun noch ohne Begleitung der anderen Götter. In der 18. Dynastie änderte sich mit Amun-Re in seiner Sonderform als „Götterkönig” der Termin und Name des Festes, das die Ägypter nun im zweiten Schemu-Monat unter der Bezeichnung „Schönes Fest des Tales von Amun” feierten und auf mindestens zwei Tage erweiterten. Ergänzend war das Fest „Zug nach Chemnis” Bestandteil der Feierlichkeiten, um die Legitimation als Erbsohn Horus regelmäßig zu erneuern. Hatschepsut musste diesen Teil des Festes umgestalten, da sie als weiblicher König keine männliche Abstammung zelebrieren konnte. Aus diesem Grund verlegte sie den Prozessionszug zum Hathor-Schrein und nannte sich „Kind der Hathor”. = Das „Talfest” gehörte zu den kalendarisch festgelegten „Erneuerungsfesten”, die für die jeweiligen Könige ausgerichtet wurden, um die Funktion des Königs als Stellvertreter der Gottheit „Amun-Re” zu bestätigen. Im Rahmen der Feierlichkeiten des Talfestes fanden zwei Prozessionsfahrten statt; jeweils einmal nach Deir el-Bahari und Luxor. Die Auswertung der archäologischen Untersuchungen ergab eine Datierung des Luxor-Tempelbaues während der 11./12. Dynastie. An der Stelle dieses Heiligtums ließ Amenophis III. durch seinen Baumeister Amenophis (Sohn des Hapu) den heutigen südlichen Teil des Tempels mit Sanktuar, Säulenhalle und dem zweiten Hof errichten. Auch der Säulengang wurde zu seiner Regierungszeit begonnen. Unter Amenophis IV. wurde der Tempel geschlossen und der Name des Gottes Amun getilgt.
Thutmosis III. verlegte das Fest während seiner Regierungsdauer in seinen Totentempel, der zwischen den Anlagen von Mentuhotep II. und Hatschepsut lag. Nach seinem Tod wurden die Feierlichkeiten zumeist im Bereich des Totentempels von Hatschepsut ausgerichtet. Mit Beginn der Thronbesteigung durch Amenophis IV. wurden die Feierlichkeiten während seiner Regierungszeit bis zum Nachfolger Tutanchamun ausgesetzt. Aus den Grabinschriften des Neferhotep geht hervor, dass spätestens unter Eje II. zwischenzeitlich erneut der Totentempel des Thutmosis III. Mittelpunkt der Prozessionen war.
Im Grab des Nacht, einem Beamten der 18. Dynastie, sind die privaten Festlichkeiten im Rahmen des Festes in eindrucksvoller Weise wieder gegeben und bis heute erhalten worden.[2]
Festabläufe
18. Dynastie
Die Feierlichkeiten[3] zum Schönen Fest vom Wüstental stellten nach dem Opet-Fest das zweithöchste Ereignis des Jahres dar, dessen Prozession mit Teilnehmern aus der Familie des Pharaos, der Priester- und Beamtenschaft ein eindrucksvolles Schauspiel abgegeben haben muss und vor allem auf die Zeitgenossen sehr nachhaltig wirkte.[4]
„Schönes Fest des Tales von Amun” als Königsfest

Der mit Galaschurz und Kompositkrone besonders festlich bekleidete König lud den Reichsgott Amun zur Fahrt auf die Westseite des Nils ein. Priester in ihren weißen Gewändern brachten eine Barke mit der Statue des Amun, die in einem geschlossenen Schrein aus Holz auf einem Sockel stand, vom Karnak-Tempel über den Prozessionsweg bis zum Nilufer. In Begleitung von weiteren Barken und Schiffen der Götter Mut und Chons erfolgte der Transport der geheiligten Statuen von der Ostseite zur Westseite des Nils. Mittels der eigenen göttlichen „Amunsbarke“, ab dem Neuen Reich „Userhat Amun“ genannt, wurde die Statue im Schlepptau der Königsbarke gezogen und übergesetzt. Erhalten sind keine dieser Prunkbarken, doch sind sie aus Darstellungen bekannt. Sie waren aus edlem Holz gefertigt und mit Gold und Silber verziert.
Auf der Westseite befanden sich mehrere wichtige Begräbnisstätten wie das Tal der Könige, das Tal der Königinnen und mehrere bedeutende Totentempel wie den des Sethos I., Mentuhotep II. und Amenophis III.. Über mehrere Kanäle ging es an der Westseite angelangt bis zum Kai des königlichen Gedächtnistempels.
Von dort führte der erste Weg in einer feierlichen Prozession in den Talkessel von Deir el-Bahari und danach zu mehreren pharaonischen Totentempeln. Teilweise von Beamten getragen, die sich später rühmten, in der Weise als Träger ausgezeichnet worden zu sein, teilweise auf Kufen über den Sand gezogen, wurde die Amunsbarke in Westtheben transportiert.[5] Danach kam man zum Ramesseum, wo der Gott Amun verehrt wurde. Hier wurden die Statuen ins Allerheiligste des Tempels gebracht. Auch die Schutzgötter der Toten, ganz besonders der vergöttlichte Pharao Amenhotep I. wurden hier angebetet. Er war der Gott der Nekropolenarbeiter, die auf der Westseite in Deir el-Medina lebten. Hier fanden die offiziellen Feierlichkeiten mit großen Opfern durch den Pharao und die Priester statt. Die Statue Amuns blieb die erste Neumondnacht und zumindest an den beiden folgenden Tagen am Westufer.
Die Opfergaben waren für die vorherigen Pharaonen bestimmt, der Volksglaube war der Auffassung, dass die Gaben auch ihren verstorbenen Vorfahren zugute kamen. Nach der Vorstellung der Ägypter kamen nicht nur die Lebenden, selbst die Toten sollen zum Fest herbeigeeilt sein, um Amun zu sehen. Geopfert wurden Tiere, Weihrauch, Myrrhe und riesige Sträuße aus Lotosblumen, Papyros und anderen Blumen.
„Fest im Grabe” als Tanzfest

Während der offiziellen Feierlichkeiten standen alle Menschen, die Verwandte in Westtheben bestattet hatten, bereits an den Gräbern ihrer Vorfahren um dort zu opfern und zu feiern. Vom Berghang konnten sie die Prozessionen gut beobachten. Nach der Barkenfahrt des Amun stiegen Priesterabordnungen den Berghang hinauf, begleitet von den Chören, die vorher Amuns Überqueren des Nils besungen hatten.
Gemeinsam zogen sie durch die Gräberstadt und begrüßten die dort Anwesenden und überreichten Blumenstäuße als Zeichen von Liebe, Dank und Gunst der Gottheit Amun. Die großen, zum Teil mannshohen, Blumensträuße waren schon ein Blickfang während der Prozession. Sie galten als Inbegriff des Lebens, das auf diese Weise in die Totenstadt getragen wurde. Etwa zur gleichen Zeit trafen gemietete Musiker ein, die nun zum Tanz aufspielten. Die Festlichkeiten begannen am Morgen des ersten Tages und dauerten die Nacht hindurch bis zum Sonnenaufgang des zweiten Festtages, um Amun-Re zu symbolisch zu begrüßen. Zuvor wurde musiziert, gegessen und getrunken. Gesungen wurde von Lebensfreude sowie das Lob der Götter Amun und Hathor.
Man wünschte sich einen wunderbaren Tag und las sich während des Trinkens von wertvollem Wein viele Trinksprüche vor. So wünscht eine Gattin ihrem Gemahl, der neben seiner Mutter sitzt:
„Nimm zu trinken. Feiere deinen schönen Tag in deinem Haus der Ewigkeit, aus der Hand deiner Gattin. Dir zum Wohle Geehrter: Ein weißes Kleid, Öl für deine Schultern, Kränze an deinen Hals, deine Nase mit Gesundheit und Leben zu füllen, Myrrhen auf deinen Scheitel, die von Amun kommen. Feiere deinen schönen Tag in deinem Haus der Ewigkeit.“
19. Dynastie

Hathor war auch Göttin der Trunkenheit, einem weiteren Aspekt des Festes.[6] Die Feiernden speisten im Übermaß und sollten sich mit Wein betrinken, der mit Lotosblüten gewürzt war. Das sorgte zusätzlich für Schläfrigkeit.[7] Das Fest machte den Ägyptern einmal mehr ihre Vergänglichkeit klar. Deshalb entwickelten sich solche Feste zu einem mehrtägigen, fröhlichen, aber auch besinnlichen Ereignis. So heißt es im Lied des Antef:
- Feiere den schönen Tag, werde dessen nicht müde! Siehe, niemandem ist gegeben, seinen Besitz mit sich zu nehmen. Siehe, niemand der ging, ist wiedergekommen.[8]
Ob der Tod des Königs Ramses III. vom 15. Schemu III 1156 v. Chr. mit den Feierlichkeiten eines Talfestes in Verbindung stand, ist Inhalt verschiedener Diskussionen unter den Ägyptologen. Sein letztes Fest ist in zeitgenössischen Quellen beschrieben:
„Mögest du hervorkommen und eintreten in die Totenstadt von Theben, ohne dass dein Schritt auf ihrem Friedhof behindert wird. Mögest du im Gebiet des Westens Thebens stehen an jenem Tage der Wasserfahrt. Mögest du den König der Götter in seinem großen Geheimnis, den Vater der Götter in seiner herrlichen Gestalt erblicken. Mögest du im Tempel unter den Seligen zum Herrn der Götter gehen am Talfest.“
Da das Talfest für den zweiten Schemumonat terminiert war, sieht beispielsweise Erik Hornung die Zeitspanne zwischen Festbeginn und der Ermordung aufgrund einer Palastintrige als zu lang an. Ein möglicher Zusammenhang ist nur dann möglich, wenn im Todesjahr der Beginn des neuen Jahres erst im zweiten Achetmonat begann und damit verbunden ein Schaltjahr voranging.
Rolf Krauss zieht diese Möglichkeit in Betracht, da 25 Jahre zuvor im Jahr 1181 v. Chr. unter Ramses III. in dessen siebtem Regierungsjahr die Feierlichkeiten des Talfestes für den 9. Schemu III belegt sind und im Rahmen des 25-Jahreszyklus im Mondkalender auch im Todesjahr das Talfest erst am 9. Schemu III begann.[10]
Talfestdaten
Die Talfestdaten auf den Graffiti von Deir el-Bahari dokumentieren den Festbeginn, der vom Neumond bestimmt wurde:
Schönes Fest vom Wüstental | |||||||||||||
Pharao | Quelle | Ägyp. Kalender | Datum[A 1] | Anmerkungen | |||||||||
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Ramses II. | Graffito DB 32 | 20. Schemu II | 8. April 1268 v. Chr.[A 2] | Regierungsjahr 12 | |||||||||
Tausret | Graffito DB 3 | 28. Schemu II | 29. März 1191 v. Chr.[A 3] | Regierungsjahr 7 | |||||||||
Ramses III. | Graffito DB 10 | 09. Schemu III | 7. April 1181 v. Chr.[A 4] | Regierungsjahr 7 | |||||||||
Ramses VII. | Graffito DB 9 | 09. Schemu III | 25. März 1131 v. Chr.[A 5] | Regierungsjahr 6 |
Literatur
- Richard-Anthony Parker: The calendars of ancient Egypt. Chicago Press, Chicago 1950
- Siegfried Schott: Altägyptische Festdaten. Verlag der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz/Wiesbaden 1950
- Marek Marciniak: Etudes et travaux 5. Ed. Scient. de Pologne, Warschau 1971
- Marek Marciniak: Deir El-Bahari 1 - Les inscriptions hiératiques du Temple de Thoutmosis III. Ed. Scient. de Pologne, Warschau 1974
- Rolf Krauss: Sothis- und Monddaten. Studien zur astronomischen und technischen Chronologie Altägyptens. Gerstenberg, Hildesheim 1985, ISBN 3-8067-8086-X
- Magdalena Stoof: Das hunderttorige Theben. Urania, Leipzig-Jena-Berlin 1986 (Reihe akzent), S. 77–79 ISBN 332-3-00066-7
- Abdel Ghaffar Shedid, Matthias Seidel: Das Grab des Nacht. Kunst und Geschichte eines Beamtengrabes der 18. Dynastie in Theben-West. von Zabern, Mainz 1991, S. 17, 27 ISBN 3-8053-1332-2
Weblinks
Anmerkungen
- ↑ Umrechnung auf den heutigen gregorianischen Kalender.
- ↑ Der 20. Schemu II 1268 v. Chr. entspricht dem 20. April 1268 v. Chr. im julianischen Kalender.
- ↑ Der 28. Schemu II 1191 v. Chr. entspricht dem 9. April 1191 v. Chr. im julianischen Kalender.
- ↑ Der 9. Schemu II 1181 v. Chr. entspricht dem 18. April 1181 v. Chr. im julianischen Kalender.
- ↑ Der 9. Schemu II 1131 v. Chr. entspricht dem 5. April 1131 v. Chr. im julianischen Kalender.
Einzelnachweise
- ↑ a b c Rolf Krauss: Sothis- und Monddaten. Studien zur astronomischen und technischen Chronologie Altägyptens. Gerstenberg, Hildesheim 1985, S. 138.
- ↑ dazu Shedid/Seidel: Das Grab des Nacht, von Zabern, Mainz 1991, S. 17
- ↑ Die Beschreibung des Festes folgt den Darstellungen in Shedid/Seidel: Das Grab des Nacht, von Zabern, Mainz 1991, S. 17 und Stoof: Das hunderttorige Theben, Urania, Leipzig u.a. 1986, S. 77–79
- ↑ Stoof: Das hunderttorige Theben, S. 79
- ↑ Stoof: Das hunderttorige Theben, S. 78f.
- ↑ Stoof: Das hunderttorige Theben, S. 79
- ↑ http://www.aegyptologie.com/forum/cgi-bin/YaBB/YaBB.pl?action=newsshow&ntag=061101191510
- ↑ Lied des Antef zitiert nach Ursula Verhoeven 1997
- ↑ Siehe Online-Zitation.
- ↑ Rolf Krauss: Sothis- und Monddaten. Studien zur astronomischen und technischen Chronologie Altägyptens. Gerstenberg, Hildesheim 1985, S. 143.