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Byzantinisches Reich

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Das Byzantinische Reich (verkürzt auch nur Byzanz) bezeichnet, nach dem ursprünglichen Namen seiner Hauptstadt Byzanz (Konstantinopel), das aus hellenistischer Kultur, dem Römischen Staatswesen und der (im kulturellen Ursprung jüdischen) Christlichen Religion entstandene Kaiserreich im östlichen Mittelmeerraum. Das Reich entwickelte sich aus dem östlichen Teil des Römischen Reiches (Oströmisches Reich, Ostrom). Während das Westreich im Jahr 476 bzw. 480 endgültig unterging, bestand das Byzantinische Reich bis zur Eroberung seiner Hauptstadt Konstantinopel durch die Osmanen im Jahre 1453, verlor aber nach den arabischen Eroberungen im 7. Jahrhundert weitgehend seinen spätantiken Charakter. Das Byzantinische Reich sah sich Zeit seines Bestehens als unmittelbar und einzig legitimes, weiterbestehendes Römisches Kaiserreich. In diesem Sinne beanspruchte der byzantinische Kaiser das Supremat über alle christlichen Staaten des Mittelalters. Dieser Anspruch konnte aber spätestens seit etwa 600 n.Chr. nicht mehr durchgesetzt werden.

Byzantinischer Reichsadler

Das Wesen von Byzanz

Die Byzantiner – und die Griechen bis ins 19. Jahrhundert hinein – betrachteten und bezeichneten sich selbst als Römer ("Rhômaioi"), das Wort Griechen ("Hellênes") wurde fast nur für die vorchristlichen, heidnischen griechischen Kulturen und Staaten verwendet. Die heute üblichen Bezeichnungen Byzantiner und Byzantinisches Reich sind modernen Ursprungs. Zeitgenossen sprachen immer von Basileia tôn Rhômaiôn (Reich der Römer) oder Rhômaikê Autokratia (Römisches Kaiserreich). Nach ihrem Selbstverständnis waren sie nicht die Nachfolger des Römischen Reiches – sie waren das Römische Reich an sich. Dies war staatsrechtlich auch der Fall, zumal Byzanz in einem intakten, an die Spätantike erinnernden Zustand existierte (es hatte ja keinen so massiven Bruch wie im Westen gegeben), der sich erst nach und nach veränderte und zu einer Gräzisierung des Staates unter Herakleios führte. Allerdings war bereits vorher die allgemein vorherrschende nationale Identität des oströmischen Reiches überwiegend griechisch. Griechisch war nicht nur die Amtssprache (seit Herakleios, vorher war es Latein), sondern auch die Sprache der Kirche, der Literatur und aller Handelsgeschäfte. Das byzantinische Reich war zwar ein multi-ethnischer Staat, der außer Griechen auch Armenier, Juden, Ägypter, Syrer, Illyrer und Slawen einschloss, aber die meisten Gebiete, über die er sich erstreckte, waren seit Jahrhunderten hellenisiert, also dem griechischen Kulturkreis angeschlossen. Hier lagen bedeutende Zentren des Hellenismus wie Konstantinopel, Antiochia, Ephesus, Thessalonike und Alexandria, und hier bildete sich auch die griechisch-orthodoxe Form des Christentums heraus. Griechenland selbst spielte im byzantinischen Reich keine sonderlich bedeutende Rolle; die neben der Hauptstadt wirtschaftlich und militärisch bedeutsamsten Gebiete waren die orientalischen Provinzen des Reiches. Als diese verloren gingen, spielte Kleinasien eine wichtige Rolle. Als auch dies an Invasoren fiel (teilweise im 11. und endgültig im 14. Jahrhundert), begann bereits der Abstieg von der Welt- zur Regionalmacht und schließlich zum Kleinstaat.

Das Byzantinische Reich besaß – im Gegensatz zu den meisten anderen Reichen des Mittelalters – auch nach dem Einfall der Araber noch eine straff organisierte Bürokratie, deren Zentrum Konstantinopel war. Es verfügte über Beamte und ein gutes Finanzwesen, über staatliche Monopole und eine stehende Armee. Kein Reich westlich des Kaiserreich China konnte etwa über so große Beträge verfügen wie Byzanz. Der Kaiser wiederum herrschte de facto uneingeschränkt über Reich und Kirche – und dennoch war in keinem anderen Staat (in diesem Fall kann man wirklich von einem Staat sprechen) eine so große Durchlässigkeit der Aristokratie gegeben wie in Byzanz, welches eine Mischung aus römischem Staatswesen, griechischer Kultur und christlichem Glauben darstellte (nach G. Ostrogorsky) und sich immer noch dem Gedanken der antiken Universalmacht verpflichtet fühlte. Nur Byzanz, so die zeitgenössische Vorstellung, war die Wiege des wahren Glaubens und der Zivilisation; in der Tat war das kulturelle Niveau in Byzanz zumindest bis ins Hochmittelalter hinein höher als in allen anderen Reichen des Mittelalters, eingeschlossen des islamischen Bereichs.

In weiten Teilen wissen wir nur wenig über das "Neue Rom". Relativ wenige Aktenstücke sind uns überliefert, und in Teilen schweigt auch die byzantinische Geschichtsschreibung, die mit Prokopios von Caesarea, Michael Psellos, Anna Komnene und Niketas Choniates über einige ganz hervorragende Vertreter verfügte. Wenn uns daher für einige Zeiträume nur kirchliche Quellen zur Verfügung stehen, so darf dies nicht zu der Annahme verleiten, Byzanz sei ein theokratischer Staat gewesen. Die Religion war wohl oft bestimmend, aber die Quellenlage ist in Teilen (besonders für die Periode vom 7.-9. Jahrhundert) zu dürftig, um ein klares Bild zu erhalten. Erst in späterer Zeit bessert sich die Quellenlage etwas.

Die ältere westeuropäische Forschungsmeinung sah in Byzanz oft nur eine dekadente, halb orientalische Despotie (so etwa Edward Gibbon). Dieses Bild wurde längst verworfen (Bury, Mango, Lilie unter anderem). Es wird inzwischen immer darauf hingewiesen, dass Byzanz als der Vermittler von kulturellen Werten und dem Wissen der Antike Unschätzbares geleistet hat. Es war zudem der "Schutzschild" Europas über viele Jahrhunderte hinweg, erst vor den Persern und Steppenvölkern, später vor dem Islam. Erst nach der verheerenden Plünderung Konstantinopels durch die Kreuzfahrer 1204 konnte das Byzantinische Reich diese Funktion nicht mehr wahrnehmen.

Grundriss der byzantinischen Geschichte

Der spätrömische und frühbyzantinische Staat

Die Wurzeln des Byzantinischen Reiches liegen in der römischen Spätantike (284-565). Der römische Kaiser Konstantin der Große baute die bis dahin eher kleine altgriechische Kolonialstadt Byzanz im Jahr 330 um, und macht sie als Nova Roma (Neu-Rom) im bewussten Gegensatz zum heidnischen (Alt-)Rom zur Hauptstadt des Römischen Reiches bzw. zur Kaiserresidenz. Der offizielle Name wurde jedoch schnell durch den in der Umgangssprache gebräuchlichen Konstantinopel ersetzt (heute heißt sie İstanbul). Konstantinopel blieb auch unter den nachfolgenden Kaisern Verwaltungszentrum, wenn sich auch gerade in der Frühzeit nicht alle Kaiser dort längere Zeit aufhielten. So verbrachte Valens und Julian II. auch längere Zeit im Osten des Reiches (Antiochia). Nach dem Tod des Kaisers Theodosius I. 395 wurde das Reich in eine östliche und eine westliche Hälfte unter seinen beiden Söhnen Honorius und Arcadius aufgeteilt. Solche Reichsteilungen hatte es schon früher gegeben, aber diesmal war sie endgültig: Arcadius, der in Konstantinopel residierte, gilt daher als erster Kaiser des Oströmischen beziehungsweise Byzantinischen Reiches. Dennoch galten alle Gesetze in beiden Reichshälften, und der Konsul des jeweils anderen Teiles wurde anerkannt.

Im späten 4. Jahrhundert, zur Zeit der beginnenden Völkerwanderung war zunächst die östliche Reichshälfte Ziel germanischer Stämme, wie der West- und der Ostgoten. Zu Beginn des 5. Jahrhunderts richteten sich deren Angriffe aber zunehmend auf das ökonomisch und militärisch schwächere Westreich. Allerdings musste sich Ostrom gerade den Angriffen der Sassaniden erwehren, des einzigen Konkurrenten Roms in der Zivilisation westlich vom Kaiserreich China. 410 wurde Rom zum ersten Mal von den Westgoten erobert. Ostrom versuchte allerdings gerade gegen die Wandalen das Westreich zu unterstützen (die erfolglose Flottenexpedition von 467 wurde von Ostrom getragen). Allerdings hatte das Reich unter Kaiser Leo I. schwer mit dem Problem der germanischen Hilfstruppen zu kämpfen. Meistens handelte es sich ab der Mitte des 5. Jahrhunderts bei dem amtierenden Magister militum um einen Germanen. Doch konnte das Problem zum Ende des 5. Jahrhunderts durch die Heranziehung der Isaurier in den Militärdienst gelöst werden, die ein Gegengewicht zu den Germanen bildeten. Während der letzte weströmische Kaiser Romulus Augustulus im Jahr 476 von dem germanischen Heerführer Odoaker abgesetzt wurde (der letzte anerkannte Kaiser war allerdings Julius Nepos, der 480 in Dalmatien verstarb) erstarkte das Ostreich zusehends. Die Germanenreiche erkannten nun den oströmischen Kaiser als ihren (nominellen) Oberherren an. Kaiser Anastasios I. stärkte zudem die Finanzkraft des Reiches, was der Expansionspolitik Justinian I. zu Gute kam.

Im 6. Jahrhundert eroberten unter Kaiser Justinian I. (527-565) die beiden byzantinischen Feldherren Belisar und Narses sogar große Teile der weströmischen Provinzen – Italien, Nordafrika (Africa) und Teile von Spanien – zurück und stellten damit das Römische Reich für kurze Zeit fast in seiner alten Größe wieder her. Doch die Kriege in West und Ost sowie die Pest, die ab 542 die Mittelmeerwelt heimsuchte, schwächten das Reich erheblich. Während der Regierungszeit Justinians, in den 530er Jahren, wurde auch die Hagia Sophia erbaut, für lange Zeit die größte Kirche der Christenheit. Es war eine entscheidende Übergangszeit vom spätantiken Staat zum byzantinischen, auch wenn man Justinian, den "letzten römischen Imperator" (Ostrogorsky) sicherlich noch zur Antike zu zählen hat.

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Das byzantinische Reich von ca. 526-600

Justinian hinterließ seinen Nachfolgern jedoch leere Kassen, und sie waren nicht imstande, mit den neuen Angreifern fertig zu werden, die ab der 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts an den Grenzen auftraten. Die Langobarden besetzten Italien, die Slawen überrannten große Teile des Balkans und die Neuperser oder Sassaniden erlangten die Herrschaft über die meisten östlichen Provinzen. Bis 619 hatten sie sogar Ägypten und Syrien, und somit die reichsten byzantinischen Provinzen erobert. Sie wurden zwar durch Kaiser Herakleios (610-641) zurückerobert, der das Sassanidenreich 629 schließlich vernichtend schlug. Nach dieser Anstrengung jedoch waren die Kräfte des Reichs erschöpft. Der plötzlichen Expansion der von ihrem neuen, muslimischen Glauben angetriebenen Araber hatte es nichts mehr entgegen zu setzen. In der Schlacht am Jarmuk am 20. August 636 unterlagen die Byzantiner einem Heer des zweiten Kalifen Omar, und der ganze Süden des Reichs, einschließlich Syriens und Palästinas ging verloren (siehe auch Islamische Expansion).

Im Gegensatz zu seinem langjährigen Rivalen, dem Perserreich der Sassaniden, konnte sich das oströmische bzw. byzantinische Reich jedoch immerhin erfolgreich gegen eine vollständige islamische Eroberung verteidigen, es mußte sich aber nach Kleinasien zurückziehen. Dabei führte die militärische Krise und der endgültige Verlust der reichsten Provinzen zu einer massiven Veränderung im Reich, in dem nun Griechisch endgültig das Lateinische verdrängte. Was das Reich an Gebieten verlor, gewann es an Gleichförmigkeit. Die antike Zivilisation war seit Jahrhunderten von der Existenz zahlreicher größerer und kleinerer Städte geprägt gewesen; diese Zeit endete nun. Die meisten Städte wurden aufgegeben oder schrumpften auf die Größe von (oft befestigten) Dörfern. Nur Konstantinopel blühte und widerstand innerhalb eines Jahrhunderts drei schweren Belagerungen (626, 674-678 und 717/718). Die südlichen bzw. orientalischen Provinzen unterschieden sich kulturell nicht unerheblich vom Norden und gehörten seit dem 5. Jahrhundert mehrheitlich den orientalisch-orthodoxen, monophysitischen Kirchen an, die mit der griechisch-orthodoxen Kirche der nördlichen Provinzen im Streit lagen. Dieser Streit war einer der Gründe für die baldige Akzeptanz der neuen muslimischen Herren Syriens und Ägyptens. Der Norden gelangte so aber zu größerer Geschlossenheit und höherer Kampfbereitschaft.

Kaiser Konstans II. (641-668) verlegte seine Residenz von 661-668 ins sizilianische Syrakus, um von dort aus die Seeherrschaft gegen die Araber zu sichern, doch kehrten seine Nachfolger wieder in den Osten zurück. Währenddessen blieb Konstantinopel weiter die größte Stadt der christlichen Welt. Mehrfache Versuche, Konstantinopel zu erobern – unter anderem durch die Araber und später durch die Rus – schlugen alle fehl angesichts der überlegenen byzantinischen Flotte und ihres Monopols, der geheimnisumwitterten brandstiftenden Waffe, des griechischen Feuers. Danach begann das Reich sich zu erholen und konnte vor allem im Donauraum langsam wieder seine Stellung konsolidieren. Es blieb nun auf den Balkan und Kleinasien beschränkt, hinzu kamen noch Gebiete in Italien sowie bis 698 in Nordafrika.

Allerdings wurde das berühmte System von Militärprovinzen, den so genannten Themen, wohl erst nach der Regierungszeit des Herakleios geschaffen, um den ständigen Angriffen und dem Sinken des städtischen Lebens außerhalb der Hauptstadt zu begegnen. Tendenzen, die bereits seit langem vorhanden waren, kamen nach 636 in vielen Bereichen von Staat und Gesellschaft voll zum Tragen, zugleich endeten zahlreiche Traditionsstränge - die spätantike Phase des oströmischen Imperiums gelangte an ihr Ende, und es entstand das byzantinische Reich des Mittelalters.

Die mittelbyzantinische Epoche – Zwischen Abwehr und Hegemonie

Mehrmals belagerten die Araber Konstantinopel, zuletzt 71718. Byzanz verlor die Seeherrschaft und konnte mit Mühe Kleinasien halten, wo es immer wieder zu arabischen Überfällen (Razzien) kam. Das gesamte 8. Jahrhundert war von diesen Abwehrkämpfen geprägt, in dem die Initiative fast ausschließlich bei den Feinden von Byzanz lag. Auf dem Balkan befand sich Byzanz ebenfalls in der Defensive, konnte aber Griechenland nach und nach von den Slawen zurück gewinnen. Dafür erwuchs dem Reich ein neuer Gegner, nämlich in Gestalt der Bulgaren, die erfolgreich eine eigene Staatsbildung anstrebten.

Der militärisch erfolgreiche Kaiser Leo III. der Isaurier entfachte 730 den Bilderstreit, der zu einem während eines Jahrhunderts immer wieder aufflackernden Bürgerkrieg führte. Anfang des 9. Jahrhunderts erholte sich das Reich, wenn es auch vorerst gegen die Bulgaren nichts ausrichten konnte, die sich erfolgreich behaupteten.

Auf die Krisenzeit des 8. Jahrhunderts, folgten im 9. und vor allem im 10. Jahrhundert einige bedeutende Erfolge. Unter Nikephoros II. Phokas wurde Kreta von den Arabern zurückerobert. Johannes I. Tzimiskes weitete den byzantinischen Einfluss bis nach Syrien und Palästina aus, während die Bulgaren nieder gehalten wurden. Byzanz schien wieder auf dem Weg zur Hegemonialmacht zu sein.

Das Reich erreichte seinen Höhepunkt unter den Makedonischen Kaisern des 10. und frühen 11. Jahrhunderts. Durch die im Jahre 987 vollzogene Heirat der Schwester von Kaiser Basileios II. mit dem russischen Großfürsten Wladimir breitete sich der orthodoxe Glaube allmählich in Russland aus. Die russische Kirche unterstand dem Patriarchen von Konstantinopel. Basileos II. eroberte in jahrelangen Kämpfen das donaubulgarische Reich, was ihm den Beinamen Bulgaroktonos ("Bulgarentöter") einbrachte. Im Jahre 1018 wurde Donaubulgarien byzantinische Provinz, was einen weiteren Höhepunkt in der Geschichte des Byzantinischen Reiches darstellte.

Byzanz und Europa um das Jahr 1000

Wie Rom zuvor, fiel es trotzdem bald in eine Periode von Schwierigkeiten, die in hohem Grade durch das Wachstum des Landadels verursacht wurden, der das Themensystem untergrub. Bloß mit seinen alten Feinden, dem Heiligen Römischen Reich und dem Abbasidenkalifat konfrontiert, hätte es sich vielleicht erholen können, aber um die gleiche Zeit erschienen neue Eindringlinge auf der Szene, die wenig Grund hatten sein Ansehen zu respektieren – die Normannen, die Italien eroberten und die Seldschuken, die hauptsächlich an Ägypten interessiert waren, aber auch Raubzüge nach Kleinasien, dem wichtigsten Rekrutierungsgebiet für die byzantinische Armee, unternahmen. Mit der Niederlage von Kaiser Romanos IV. 1071 bei Mantzikert gegen Alp Arslan, dem seldschukischen Sultan, waren die meisten dieser Provinzen verloren.

Die Zeit der Komnenenkaiser – Erneutes Aufbäumen

Die letzten Jahrhunderte der byzantinischen Geschichte wurden durch einen Usurpator, Alexios I. Komnenos, geprägt, der anfing, die Armee auf Basis eines Feudalsystems (Pronoia) wiederherzustellen. Es gelangen ihm bedeutende Fortschritte gegen die Seldschuken und auf dem Balkan gegen die Petschenegen. Sein Aufruf um westliche Hilfe brachte ungewollt den ersten Kreuzzug hervor, der ihm half Nicäa und die Westküste Kleinasiens zurück zu erobern. Allerdings hatte der Kreuzzug (auf dem es bereits zu Spannungen zwischen den Kreuzfahrern und den Byzantinern gekommen war) schwerwiegende Folgen, denn die späteren Kreuzzüge entwickelten sich zunehmend feindselig. Alexios gewährte venezianischen Händlern Zugang zu vielen byzantinischen Häfen, doch die Republik Venedig – paradoxerweise einst selbst ein Vorposten byzantinischer Kultur im Westen – wurde zu einer ernsten Bedrohung für das Reich. Unter den anderen Komnenekaisern gelang es, die byzantinische Stellung in Kleinasien und auf dem Balkan zu festigen. Allerdings erlitt Kaiser Manuel I. Komnenos 1176 in der Schlacht von Myriokephalon in Kleinasien eine vernichtende Niederlage, deren Folgen erst nach und nach zu Tage traten.

Das Reich wurde unter den nachfolgenden Angeloi-Kaisern von schweren inneren Krisen erschüttert, die schließlich dazu führten, dass sich Alexios IV. an die Kreuzfahrer wandte und sie dazu bewegte, für ihn und seinen Vater den Thron zu kämpfen. Als die erhoffte Bezahlung ausblieb, kam es zur Katastrophe der Eroberung von 1204. Unter dem Einfluss Venedigs eroberte der vierte Kreuzzug 1204 Konstantinopel, gründete das kurzlebige Lateinische Kaiserreich und schwächte die byzantinische Macht dauerhaft.

Verfall und Untergang

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Die Belagerung von Konstantinopel 1453

Das byzantinische Restreich zerfiel bald darauf in drei Nachfolgestaaten: Nicäa (Iznik), wo Kaiser Theodor I. Lascaris im Exil die byzantinische Tradition aufrecht erhielt, Epirus und Trapezunt. Dem ersteren gelang die Rückeroberung Konstantinopels (1261) und sie besiegten unter der Palaiologendynastie Epirus und erneuerten so das Reich, richteten ihre Aufmerksamkeit jedoch auf Europa, als Asien die Hauptsorge war. So vernachlässigten die Palaiologen die alte Grenzverteidigung in Kleinasien, was den Türken zum Vorteil gereichte. Für eine Weile überlebte das Reich, weil die Muslime zu zerstritten waren, um anzugreifen, aber schließlich überrannten die Osmanen im 14. Jahrhundert das ganze kleinasiatische und europäische Gebiet des Reiches bis auf eine Handvoll Hafenstädte. Byzanz wurde zu einem Kleinstaat und später sogar ein Vasall der Osmanen; zudem destabilisierten innere Unruhen das Reich. Mehrmals ersuchte Byzanz im Westen um Hilfe und bot dafür sogar die Kirchenunion an, was jedoch am Widerstand der byzantinischen Bevölkerung scheiterte. Konstantinopel wurde schnell zum Ziel der osmanischen Expansionspolitik und fiel nach einem ersten, erfolglosen Angriff im Jahre 1422 am 29. Mai 1453 nach knapp zweimonatiger Belagerung an Mehmed II.. Die Stadt wurde drei Tage lang geplündert. Der letzte byzantinische Kaiser, Konstantin XI., fiel während der Kämpfe um die Stadt.

Der 29. Mai gilt auch heute noch bei den Griechen als Unglückstag; es begann die lange türkische Fremdherrschaft, während der nur die Religion als bindende Kraft blieb. Bis 1461 wurden auch die restlichen Städte – wie Trapezunt am östlichen Schwarzen Meer und Misthra auf der Halbinsel Morea (Peloponnes) – ebenfalls erobert. Lediglich Monemvasia auf dem Peloponnes blieb frei und unterstellte sich 1464 dem Protektorat Venedigs. Das Byzantinische Reich, welches eines der langlebigsten der Weltgeschichte gewesen ist, war damit untergegangen.

Die Anfangs- und Enddaten der Unabhängigkeit der Hauptstadt, 395 und 1453, waren die ursprünglichen zeitlichen Grenzen des Mittelalters.

siehe auch: Belagerung von Konstantinopel (1453)

Das kulturelle Fortwirken von Byzanz

Das Byzantinische Reich führte die Kultur und das Wissen der Antike bis ins späte Mittelalter fort und gab es an die islamische Welt weiter. Byzantinische Flüchtlinge brachten die alten Schriften der griechischen Philosophen in die italienischen Städte und lösten dort – zusammen mit dem etwa gleichzeitig erfundenen Buchdruck – die Renaissance aus. Am längsten bestand die byzantinische Kultur auf dem damals noch venezianischen Kreta fort, das erst 1669 von den Osmanen erobert werden konnte.

Bis heute wirkt die byzantinische Kultur fort in der östlich-orthodoxen Kirche. Durch byzantinische Missionsarbeit verbreitete sich das orthodoxe Christentum bei vielen slawischen Völkern und ist bis in die Gegenwart die vorherrschende Konfession in Osteuropa und Griechenland, wie auch in Teilen von Südosteuropa und Kaukasien, sowie bei den meisten arabischen Christen. Die byzantinische Kultur und Denkweise hat alle orthodoxen Völker tief geprägt.

Die slawischen Reiche auf dem Balkan und am Schwarzen Meer übernahmen neben der orthodoxen Kirche auch profane byzantinische Bräuche. Vor allem Russland sollte das Erbe des Byzantinischen Reiches fortführen. Schon im 9. Jahrhundert kamen die Rus mit Byzanz in Kontakt, und in Folge entwickelten sich – trotz immer wiederkehrender Versuche von Seiten der Rus Konstantinopel zu erobern – intensive wirtschaftliche und diplomatische Beziehungen zwischen dem Byzantinischen Reich und der Kiewer Rus, die 988 zum Übertritt der Rus zum orthodoxen Glauben führten. In den folgenden Jahrhunderten wurden auf ostslawischem Gebiet zahlreiche prachtvolle Kirchen nach byzantinischem Vorbild gebaut, byzantinische Priester und Mönche brachten die kyrillische Schrift mit und machten die Russen mit rudimentärer griechischer Philosophie vertraut. Die russische Architektur und Kunst hat neben skandinavischen und slawischen vor allem byzantinische Wurzeln.

Nach dem Untergang des Byzantinischen Reichs übernahm dann das russische Moskowiterreich in vielen Teilen byzantinisches Zeremoniell. Der Patriarch von Moskau errang bald eine ähnlich prominente Stellung innerhalb der orthodoxen Kirche, wie vormals der Patriarch von Konstantinopel. Moskau sah sich bald als Drittes Rom in der Nachfolge Konstantinopels. Iwan III., Herrscher des Großfürstentums Moskau, heiratete die Nichte von Konstantin XI. und übernahm den byzantinischen Doppeladler als Wappentier. Iwan IV., genannt "der Schreckliche", war der erste moskowitische Herrscher, der sich schließlich offiziell zum Zaren (Caesar) krönen ließ.

Die beinah kontinuierlich betriebene panslawistische Hegemonialpolitik Russlands kann in diesem Sinne als Fortwirken des römisch-byzantinischen Gedanken eines universalen Kaiserreichs interpretiert werden. Die russische Außenpolitik richtete sich vor allem gegen das Osmanische Reich und hatte bis in das 20. Jahrhundert hinein die Rückeroberung Konstantinopels für die orthodoxe Christenheit zum Ziel.

Aber auch die osmanischen Sultane betrachteten sich als legitime Erben des Byzantinischen Reiches, obwohl die seldschukischen und osmanischen Türken jahrhundertelang Erzfeinde der Rhomäer gewesen waren und das Byzantinische Reich letztlich vernichtet hatten. Schon Sultan Mehmed II. bezeichnete sich als "Kayser-i Rum" (Kaiser von Rom) - die Sultane stellten sich somit ganz bewusst in die Kontinuität des (Ost-)Römischen Reiches, um sich zu legitimieren. Das Osmanische Reich, das sich in der Auseinandersetzung mit Byzanz entwickelte, hatte mit diesem mehr als nur den geographischen Raum gemeinsam. Der Historiker Arnold J. Toynbee bezeichnete das Osmanische Reich - allerdings sehr umstritten - als Universalstaat des "christlich-orthodoxen Gesellschaftskörpers". Eine staatsrechtliche Fortsetzung fand das byzantinische Reich jedenfalls nicht.

Zeittafel

  • 326: Grundsteinlegung Konstantinopels
  • 330: Am 1. Mai 330 wird Konstantinopel als Nova Roma Hauptstadt des Römischen Reiches
  • 395: Reichsteilung
  • 451: Konzil von Chalcedon
  • 533: Der Feldherr Belisar erobert Karthago
  • 535555: Ostgotenkriege des Kaisers Justinian I.
  • 582: Awaren und Slawen dringen auf dem Balkan vor
  • 610: Die von Karthago aus operierende Flotte unter Herakleios besetzt Konstantinopel. Sturz und Hinrichtung des Kaisers Phokas. Herakleios wird Kaiser, Beginn des Mittelbyzantinischen Reiches. Griechisch wird Amtssprache, Kaisertitel Basileus statt Imperator.
  • 611619: Die Sassaniden überrennen die orientalischen Besitzungen von Byzanz
  • 622: Beginn der byzantinischen Gegenoffensive unter Kaiser Herakleios
  • 626: Awaren, Slawen und Perser belagern Konstantinopel, Verlust der letzten Besitzungen auf dem spanischen Festland an die Westgoten.
  • 627: Sieg über die Sassaniden im Nordirak. Rückgabe aller eroberten Gebiete durch die Sassaniden. Byzanz ist alleinige Großmacht zwischen Gibraltar und dem Indus.
  • 636: Niederlage bei der Schlacht am Jarmuk gegen die Araber. In den folgenden Jahren fallen sämtliche orientalischen Besitzungen an die Araber (bis 640 auch Ägypten und der Rest Syriens), ausgenommen Kleinasien. Ende der Spätantike.
  • 697/698: Karthago fällt an die Araber. Endgültiger Untergang des byzantinischen Nordafrikas
  • 730843: Byzantinischer Bilderstreit
  • 797: Kaiserin Irene: Erstmals Alleinregierung einer Frau im Römischen Reich. Der römische Papst nimmt dies zum Anlass, den Frankenkönig Karl zum römischen Kaiser zu krönen, da er die Herrschaft einer Frau nicht anerkennt.
  • 860: Erster Flottenangriff der warägischen Rus auf Konstantinopel.
  • 869: Photius-Schisma
  • 907: Flottenangriff der Rus auf Konstantinopel, der byzantinische Kaiser zahlt Tribut und bietet Handelsprivilegien an. Weitere Angriffe folgen 911 und 940.
  • 944: Die Byzantiner erobern Edessa von den Arabern zurück
  • 1018: Eroberung des Bulgarenreiches. Die Donaugrenze ist wiederhergestellt.
  • 1054: Morgenländisches Schisma
  • 1071: Niederlage bei Mantzikert gegen die Seldschuken
  • 1096: Beginn des Ersten Kreuzzugs
  • 1176: Byzantinische Niederlage bei Myriokephalon. Letzter ernsthafter Versuch einer byzantinischen Rückeroberung des türkischen Teils Kleinasiens
  • 1186: Abfall Bulgariens von Byzanz. Die byzantinische Vorherrschaft auf dem Balkan ist beendet
  • 1204: Eroberung von Byzanz im vierten Kreuzzug, Errichtung eines römisch-katholischen Gegenreichs
  • 1261: Rückeroberung von Konstantinopel
  • 1274: Auf dem Konzil von Lyons wird die Wiedervereinigung der West- und Ostkirche verkündet. Die Union scheitert jedoch nach kurzer Zeit.
  • 1351: Der Hesychasmus wird anerkannt und revitalisiert die byzantinische Spiritualität.
  • 1352: Übergreifen der Osmanen auf europäischen Boden. Bereits vorher ist Kleinasien verloren gegangen, mit Ausnahme einiger Enklaven
  • 1439: Auf dem Konzil von Florenz wird die Wiedervereinigung der West- und Ostkirche verkündet. Die Union scheitert jedoch wiederum am Widerstand der einfachen Christen des Ostens.
  • 29. Mai 1453: Konstantinopel wird von den Osmanen erobert.
  • 1923: nach dem Vertrag von Lausanne werden etwa 1,5 Millionen Griechen und griechisch-orthodoxe Türken aus Kleinasien nach Griechenland zwangsumgesiedelt, desgleichen etwa 0,5 Millionen Türken und muslimische Griechen aus Griechenland in die Türkei.

Literatur

Quellen

Knapper Überblick von Prof. Halsall

Sekundärliteratur

Allgemein sei auch auf die Byzantinische Zeitschrift als erste Informationsquelle hingewiesen.

  • In deutscher Sprache:
    • Ludwig Wamser (Hrsg.): Die Welt von Byzanz - Europas östliches Erbe : Glanz, Krisen und Fortleben einer tausendjährigen Kultur. Archäologische Staatssammlung München - Museum für Vor- und Frühgeschichte München vom 22. Oktober 2004 bis 3. April 2005. Schriftenreihe der Archäologischen Staatssammlung 4. Stuttgart : Theiss, 2004. ISBN 3806218498.
    • Ralph-Johannes Lilie: Byzanz – Das zweite Rom, Berlin 2003, ISBN 3886806936. Beste Darstellung der Geschichte von Byzanz in deutscher Sprache. Dort findet sich auch weiterführende Literatur.
    • Georg Ostrogorsky: Geschichte des byzantinischen Staates. Handbuch der Altertumswissenschaft XII. 1.2, 3. Auflage, München 1963. ISBN 3406014143 Veraltete Darstellung, dennoch gut lesbar. (als Sonderausgabe ohne wissenschaftlichen Apparat: Byzantinische Geschichte 324 bis 1453, München 1996. ISBN 340639759X)
    • Steven Runciman: Die Eroberung von Konstantinopel, ISBN 3406025285 Das Standardwerk zum Thema.
    • Peter Schreiner: Byzanz, (Oldenbourg Grundriss der Geschichte), 2. Aufl., München 1994, ISBN 3486530720. Gute und knappe Einführung mit Forschungsteil.
    • John Haldon: Das Byzantinische Reich, Düsseldorf 2002, ISBN 3538071403. Detailstudie einiger Aspekte der Geschichte und Kultur von Byzanz.
    • Andre Ducellier: Byzanz. Das Reich und die Stadt, Ullstein : Berlin 1999, 832 S., zahlreiche Abb., ISBN 3-548-26555-3
    • John J. Norwich: Byzanz - Aufstieg und Fall eines Weltreichs, ISBN 3549071566. Gute populärwissenschaftliche Byzanzchronik


  • Nur in englischer Sprache erhältliche Bücher:
    • John Haldon: Warfare, State and Society in the Byzantine World, ISBN 185728495X. Umfangreiche tiefgreifende Studie über das byzantinische Militär
    • John Haldon: The Byzantine Wars, ISBN 0752417959. Überblick über die byzantinischen Kriege
    • John Haldon: Byzantium at War, ISBN 1841763608. Populärwissenschaftliche Einführung in das byzantinische Militärwesen
    • Alexander P. Kazhadan: The Oxford Dictionary of Byzantium, 3 Bde., Oxford 1991, ISBN 0195046528. Vorzügliches Lexikon. Alternativ: "Lexikon des Mittelalters".
    • Geoffrey Regan: First Crusader: Byzantium's Holy Wars, ISBN 1403961514. Über die Rolle "Heiliger Kriege" in der byzantinischen Geschichte, anhand des Schwerpunktes der Kriege des Herakleios
    • Dimitri Obolensky: Byzantium and the Slavs, ISBN 088141008X. Studie zum byzantinischen Erbe bei den slawischen Völkern

Siehe auch