Zins
Zins ist der Preis für die Überlassung von Geld oder Sachwerten ("Mietzins") über einen Zeitraum.
Funktion
Die Funktionen des Zinses sind Entgelt für ein Darlehen, die Absicherung des Rückzahlungsrisikos (Risikoprämie) oder die Pauschalierung von Schadensersatz (Verzugszins).
Zum Zins im weiteren Sinne gehören auch Renditen und Wertsteigerungen von Aktien, ein Teil der Erfolgsprovisionen bei Investitionen, allgemein Kapitalertrag. Zins muss in diesem Fall also nicht vereinbart (Kreditzins), sondern kann auch lediglich erwartet sein (Aktienrendite).
In den Wirtschaftswissenschaften gibt es folgende Erklärungsansätze für den Zins:
- Zeitpräferenz: auch bei geringer Inflation und nicht vorhandenem Risiko.
- Inflationsausgleich: Bei Inflation soll der Wert seiner Geldmenge nicht sinken.
- Risikoprämie: Es besteht das Risiko, dass nicht vollständig zurückbezahlt wird oder werden kann.
- Mangelprämie: Vergütung für den zeitweisen Verzicht auf Konsum- bzw. Investitionsausgaben. Die Mangelprämie stellt damit den Preis dar, für welchen der Anbieter von Liquidität bereit ist, auf den sofortigen Verbrauch der Liquidität zu verzichten.
- Liquiditätsprämie: Der Schuldner wird in die Lage versetzt, Geld auszugeben. Die Liquiditätsprämie ist der Preis, den der Geldnehmer bereit ist zu bezahlen, um für einen bestimmten Zeitraum Liquidität nutzen zu können. Es handelt sich also um den Preis, den der Geldnehmer für den vorgezogenen Konsum bzw. für die vorgezogene Investition zahlt.
- Opportunitätskosten: Der Gläubiger könnte mit dem verliehenen Kapital selbst wirtschaftlich tätig werden und Gewinne erzielen. Diese entgangenen Gewinne werden als Kosten verstanden. Opportunitätskosten können ebenfalls durch einen Konsumverzicht entstehen.
In der Umgangssprache wird der Begriff Zins in Bezug auf Geld meist in der Mehrzahl, also als Zinsen, verwendet. Wird der Zins in Prozent angegeben, so spricht man auch vom Zinssatz bzw. Zinsfuß.
Zinseszins
Wesentliches Merkmal der Zinsrechnung ist der Zinseszins. Hierbei wird der Zins, sofern er nicht abgetragen wird oder werden kann, auf die Schuld aufgeschlagen und wie diese mitverzinst.
Josephspfennig
Die Denkfigur des Josephspfennigs illustriert das Wachstum von Zinseszinsen, das sich im Verlauf der Zeit immer weiter beschleunigt. Um zu illustrieren, wie ein Vermögen mit Zinseszinsen anwachsen kann, wird in der Rechenausbildung folgendes Beispiel herangezogen: Wenn Joseph zu Christi Geburt einen einzigen Pfennig angelegt hätte, wäre dieser bei einer Verzinsung von 5% im Jahre 2000 mit Zinseszinsen auf den Gegenwert von 216 Milliarden Erdkugeln aus purem Gold angewachsen. (Selbst bei einem Zinssatz von nur 2% pro Jahr wären es immer noch etwa 85.000.000 Tonnen Gold, das Weltvorkommen an Gold wird aber auf gerade mal 46.000 Tonnen geschätzt.)
Dieses Beispiel berücksichtigt nicht die Geldentwertung (Inflation). Wird die Geldentwertung vom Nominalzins abgezogen, ergibt sich der Realzins, der auch negativ sein kann, wenn die Inflationsrate höher ist als der Nominalzins. Weiterhin abstrahiert das Denkbeispiel von jedem Verlustrisiko und geht von unbeschränkter Kapitalnachfrage aus.
Wichtige Zinssätze
- Mietzins wird auch für Miete bei Wohnungen verwendet. Daher stammt auch der Begriff Zinshäuser, der heute eher für minderwertigere Miethäuser verwendet wird.
- Lombardsatz
- Diskontsatz
- Basiszinssatz
- Libor, Fibor und Euribor sind Marktzinssätze am Geldmarkt, die täglich aus getätigten Geschäften ermittelt und veröffentlicht werden.
- Spareckzins
Recht
Im deutschen Zivilrecht ordnet § 248 Abs. 1 BGB an, dass eine im Voraus getroffene Vereinbarung, wonach Zinsen wieder Zinsen tragen sollen, nichtig ist. Die Vorschrift bezweckt einen Schutz des Schuldners vor der Kumulation von Zinsen. Gemäß Absatz 2 dieser Vorschrift gilt eine Ausnahme für Sparkassen, Kreditanstalten und Inhaber von Bankgeschäften. Diese können wirksam die Zahlung von Zinseszinsen versprechen. Auch beim handelsrechtlichen Kontokorrent können gem. § 355 HGB Zinseszinsen vereinbart werden. In § 289 BGB ist für den gesetzlichen Anspruch auf Zinsen als Ersatz des Verzugsschadens geregelt, dass von Zinsen keine Verzugszinsen zu entrichten sind.
Werden Steuerforderungen gestundet werden Stundungszinsen gem. § 234 AO berechnet.
Theoretische Begründung des Zinses
Der österreichische Ökonom Eugen von Böhm-Bawerk untersuchte als einer der ersten das Zinsphänomen systematisch. Bei der Untersuchung der Frage, weswegen man überhaupt Zinsen verlangt, entdeckte er, dass das Einkommen im Lauf des Lebens ansteigt und man daher für heute verliehenes Geld in Zukunft auch mehr zurück erwarten wird, da man sonst nicht bereit wäre, durch das Verleihen von Geld sparsamer sein zu müssen. Zudem entdeckte Böhm-Bawerk, dass Menschen ihre zukünftigen Bedürfnisse meist unterschätzen und Geld lieber sofort ausgeben. Um sie dennoch zum Verleihen zu bewegen, werden sie daher als Ausgleich Zinsen verlangen. Dieses Argument verkennt jedoch, dass praktisch nur solche Personen Geld gegen Zinsen verleihen, die deutlich mehr Geld haben, als sie konsumieren können.
Der dritte Grund für das Verlangen von Zinsen ist nach Böhm-Bawerk darin zu sehen, dass die Arbeit bei der Herstellung von Maschinen sehr nützlich eingesetzt wird, indem sie gewissermaßen in einen Produktionsumweg geleitet wird. Wenn ein Arbeiter eine Maschine produziert, so kann man damit hinterher umso mehr herstellen. Zinsen lassen sich danach als Repräsentant für die zusätzliche Ergiebigkeit der auf einen solchen Produktionsumweg geleiteten Arbeit erklären. Diese Argumentation zeigt, dass Zinsen in der Tat erwirtschaftet werden können. Um den Arbeiter im Voraus zu entlohnen, benötigt der Unternehmer Kapital. Böhm-Bawerk entkräftete damit zugleich ein bedeutendes Argument des Marxismus, der Maschinen lediglich als "geparkte" Arbeit ansah.
Dennoch bleiben bis heute bestimmte Probleme der Kapital- und Zinstheorie ungelöst.
Der Zins ist wie oben bereits erwähnt nicht der Preis des Geldes, sondern der Preis für die Zeit und belohnt den Verleiher für eine hypothetische Verschiebung seines Konsums. Der Umstand, dass eine Kreditvergabe praktisch nie einen Konsumverzicht des Gläubigers zur Folge hat, Zinsen einen starken Umverteilungssog (von Schuldnern zu Gläubigern) erzeugen, die Geldmenge durch Zinsen exponentiell ansteigt und daher die Volkswirtschaft gefährdet wird, hat zahlreiche Kritiker hervorgebracht. Siehe weiter unten den Punkt Kritik am Zinssystem.
Kritik am Zinssystem
Das Zinssystem bzw. die Berechtigung einen Zins zu erheben ist nicht frei von Kritik. So wird besonders das exponentielle Wachstum, das sich aus Zins und Zinseszins ergibt, auf lange Sicht als sehr problematisch betrachtet (beispielsweise bei der Staatsverschuldung). Des weiteren wird kritisiert, dass der Zins dem Geld einen unberechtigten Vorteil gegenüber den Waren einräumt, da das Geld sich dadurch exponentiell vermehrt, während Waren entweder verderben oder gelagert werden müssen, was wiederum Lagerkosten verursacht.
In der Tora wird ein Zinsverbot zwischen den Israeliten festgelegt, das Zinsnehmen von Nicht-Israeliten aber gestattet. Daran anknüpfend gab es im Christentum lange Zeit ebenfalls ein Zinsverbot, das insbesondere Thomas von Aquin philosophisch unterlegte, welches allerdings immer wieder unterlaufen und schließlich ganz während der Renaissance abgeschafft wurde. Im Islam gilt heute noch das Zinsverbot. Um islamischen Gläubigen trotzdem die verzinsliche Geldanlage zu ermöglichen, werden so genannte islamische Anleihen vergeben, die direkte Zinszahlungen auf Geld durch Mieteinnahmen, Firmenbeteiligungen oder ähnliche, im Islam erlaubte Praktiken umgehen. Durch die Erlaubnis im Judentum für das Zinsnehmen von Nichtjuden waren vor allem die europäischen Juden wegen der ihnen von der christlichen Obrigkeit im Spätmittelalter auferlegten Verbote, Handwerk und ähnliches auszuüben, sehr häufig als Geldverleiher tätig. Allerdings standen den Juden bis zum Zunftzwang im Spätmittelalter viele Berufe offen (vgl. alle einschlägigen Bank- und Wirtschaftsgeschichten).
Diese Überlegungen sind auch Gegenstand der Freiwirtschaftslehre von Silvio Gesell, welche in den Wirtschaftstheorien eine Außenseiterposition einnimmt. Sie besagt, dass Zinsen eine wesentliche Ursache der Kluft zwischen Arm und Reich sind und dass sie den unproduktiven Sektor des Geldmarktes (die Geldbesitzer) zu Lasten der Produktivkräfte schaffe.
Weiterführende Hinweise
Siehe auch
- Zinsrechnung, Geldanlage
- Umlaufgesichertes Geld, Demurrage (Finanzwesen)
- Leitzins, effektiver Jahreszins, Negativzins, Zinssatz, Realzins, Euribor
- Rentenrechnung, Sparkassenformel, Zinseszinsformel
Literatur
- Otmar Issing: Einführung in die Geldtheorie, München 2003, ISBN 3-8006-2993-3
- Bernd Senf: Der Nebel um das Geld, Mai 1996, ISBN 3-87998-435-2
- Bernd Senf: Die blinden Flecken der Ökonomie, August 2001, ISBN 3-42336-240-5
- Helmut Creutz: Das Geldsyndrom, 2001 ISBN 3-548-70006-3