Wechselstrom
Unter Wechselstrom versteht man elektrischen Strom, dessen Betrag und Richtung (Polung) sich nach einer konstanten Periodendauer wiederholt. Dies wird im Englischen auch als "Alternating Current" (AC) bezeichnet. Dabei verschwindet der Mittelwert, d. h., während einer Periode wird die gleiche Ladungsmenge in beiden Richtungen transportiert. Das ist z. B. bei dem technisch wichtigen "sinusförmigen" Stromverlauf der Fall. Bei einem Mischstrom sind es europaweit 50 Hz (Hertz), während die Elektrolokomotiven der Deutschen Bahn, historisch bedingt, 16 2/3 Hz verwendeten. Am 16. Oktober 1995 (12:00 Uhr) erfolgte eine Umstellung (zunächst erst für ein Jahr Versuchsbetrieb), die Bahn- Netzfrequenz in Deutschland (zentrales Netz), Österreich und der Schweiz wurde von 16 2/3 Hz auf 16,7 Hz erhöht.
Grundlagen der Wechselstromtechnik
Sinuskurven mit Phasenverschiebung φ, Induktionsprinzip
Wechselstrom i (gemessen in Ampere, d. h. 1 A ist die Einheit der Stromstärke) sollte von Wechselspannung u (gemessen in der Einheit Volt, 1 V) unterschieden werden: Ein Wechselstrom fließt dann in einem Stromkreis, wenn an ihn eine Wechselspannung angelegt wird. Eine solche entsteht (wird induziert, siehe Induktion) beispielsweise durch Drehen einer Leiterschleife in einem Magnetfeld. Bei konstanter Rotationsdrehzahl hat dann, die an den Enden der Wicklungsschleife auftretende Spannung, einen sinusförmigen Verlauf (s. Abbildung).
Dort ist eine Spannung mit dem Spitzenwert und der Periodenlänge skizziert, wenn sich die Schleife 50 mal in einer Sekunde dreht. Der durch eine solche Wechselspannung hervorgerufene Wechselstrom kann den, in der Abbildung ebenfalls gezeichneten sinusförmigen Verlauf, zur Folge haben. Die Spannung geht in diesem Beispiel um dem Strom voraus, d. h. sie erreicht früher ihr Maximum als der Strom.
Rechnerisch gilt:
- bzw.
Da bei komplexen Zahlen
- (mit j 2 = -1) ist, kann man in der Wechselstromlehre anstelle der unhandlichen sin-, cos- Funktionen die komplexen Zahlen (mit der imaginären Einheit j) verwenden (s. komplexe Wechselstromrechnung).
Effektivwertermittlung
Misst man einen sinusförmigen Wechselstrom (mit dem Scheitelwert , auch genannt) mit einem Gleichstrommessinstrument, so zeigt dieses den sog. Effektivwert Ieff, einen zeitlichen, quadratischen Mittelwert an, der bei einem Sinusstrom durch gegeben wird. Entsprechend nennt man den Effektivwert der sinusförmigen Wechselspannung. Bei nichtsinusförmigen Strömen ergeben sich andere Mittelwerte. Die allgemeine Formel für die Effektivgröße einer Wechselgröße ist:
Ein Rechteckwechselstrom, also zeichnerisch ein Paar von gleich großen Rechteckimpulsen, die alternierend über/unter der Zeitachse liegen, ist . Falls nichts anderes gesagt wird, sind bei Wechselströmen / Wechselspannungen immer die Effektivwerte gemeint.
Wechselstromwiderstände
- Kondensator bei Wechselstrom: Kondensatoren und Spulen verhalten sich, wegen der dauernden Spannungsänderung bei Wechselstrom, anders als bei Gleichstrom. Dort lässt ein Kondensator nur für die Dauer des Aufladens einen Strom fließen, danach bildet der Kondensator eine Unterbrechung des Stromkreises, weil das, zwischen den Kondensatorplatten befindliche Dielektrikum, kein Stromleiter, sondern ein elektrischer Isolator, ist. Bei Wechselstrom aber, ermöglicht dieser Kondensator infolge des ständigen Umladens der metallischen Platten, einen Stromfluss, der durch den Widerstand begrenzt wird. C ist dabei die Kapazität des Kondensators in Farad, die Kreisfrequenz der angelegten Spannung. Der 90 ° vorauseilende Strom lädt den Kondensator und baut damit die Spannung an den "Platten" des Kondensators auf. Der Strom fließt zunächst, und daraus resultiert der Spannungsanstieg am Kondensator.
- Drosselspule bei Wechselstrom: Bei einer verlustlosen Spule (ideale Drosselspule) dagegen, eilt die Spannung dem Strom um 90 ° voraus, weil durch Selbstinduktion (siehe Lenzsches Gesetz ) in der Spule eine Spannung erzeugt wird, die den Strom um den Phasenwinkel φ, später ansteigen lässt. Der induktive Widerstand, den die Spule dem Strom entgegensetzt, ist durch gegeben. Die Induktivität wird in Henry angegeben.
- Berechnung der Wechselstromschaltung mit komplexen Zahlen: Zur Berechnung weiterer Wechselstromschaltungen ist es zweckmäßig, Zeigerdiagramme oder komplexe Zahlen (siehe komplexe Wechselstromrechnung) zu verwenden. Auf diesem Wege ergibt sich beispielsweise für den Wechselstromwiderstand (die Impedanz) einer Reihenschaltung aus ohmschem Widerstand X0, induktivem Widerstand XL und kapazitivem Widerstand XC die Formel:
bzw. für eine Reihenschaltung aus einem Widerstand, einer idealen Spule und einem idealen Kondensator:
der zugehörige Phasenwinkel errechnet sich zu
- .
Leistungen und Leistungsfaktor des Wechselstromes
Da Wechselstrom die Spannung und Stromstärke periodisch (sinusförmig) ändert, verhält sich ihr Produkt, die Leistung, ebenso.
Im Wechselstromkreis wird die Leistung, im Gleichstrom , auch als Scheinleistung S bezeichnet, und setzt sie sich aus Blindleistung Q und Wirkleistung P zusammen.
Die Scheinleistung wird in VA (Voltampere) angegeben.
Für die Wirkleistung (Einheit: W (Watt)) ergibt sich dann bei sinusfömigem Wechselstrom und -spannunng:
Für die Blindleistung (Einheit: var), die zum Aufbau der elektrischen und magnetischen Felder in einem Stromkreis benötigt wird, jedoch nichts zur tatsächlichen Wirkarbeit im Verbraucher beiträgt, ergibt sich:
Der Term wird Leistungsfaktor, Wirkfaktor oder Verschiebungsfaktor genannt. Er ist der Quotient aus Wirk- und Scheinleistung () und gibt an, welchen prozentualen Anteil der Verbraucher an der Generator-Gesamtscheinleistung (Bemessungsleistung oder früher Nennleistung in kVA) ausschöpft.
Der Idealwert des Leistungsfaktors ist bei der Übertragung auf Leitungen , d. h.. Jedoch beträgt dieser in der Praxis rund 0,8, da Haushalte und Gewerbe immer auch Motoren neben Koch-/Heizgeräten einsetzen. Bei einer Phasenverschiebung sind Spannung und Strom in Phase und der Anteil an der Generator-Nennleistung (in kVA) kann dadurch vollständig, also zu 100% ausgeschöpft werden. Dies ist aber nur mit rein ohmschen Verbrauchern erreichbar.
Der Term wird Blindfaktor genannt.
Dieser errechnet sich aus: und sagt aus, wie groß der prozentuale Anteil der Verbraucher- Blindleistung an der Generator- Nennleistung, ist. Würden die Verbraucher nur Blindleistung verbrauchen, wäre der Generator mechanisch völlig unbelastet (Reibungsverluste, Stromwärmeverluste und Lüfterverluste unberücksichtigt), es wäre dazu auch keine Antriebsenergie nötig. Diese (extreme) Betriebsweise wird als Phasenschieberbetrieb bezeichnet, die Antriebsturbine oder ähnl. deckt nur die mechanischen und elektrischen Verluste ab.
Erzeugung von Drehstrom in Generatoren
- Generatorbauformen : Die Erzeugung des heute ausschließlich verwendeten 3-pol. Drehstromes erfolgt zu einem bedeutenden Anteil in großen kalorischen oder kernkraftbetriebenen Kraftwerkseinheiten mit schnellaufenden Synchron- Turbogeneratoren mit langgestrecktem, Vollpolrotor mit Flüssiggaskühlung der Erregerwicklung, die von Dampfturbinen angetrieben werden. Andererseits benützen die großen Wasserkraftwerke (Speicher-, Pumpspeicher- und Flußlaufkraftwerke) Turbinen mit niedrigerer Betriebsdrehzahl. Langsamlaufende, luftgekühlte Synchron- Schenkelpolmaschinen mit hoher Polpaarzahl zur Erregung und kürzerer Baulänge des Statorblechpaketes sind hier erforderlich.
- Oberwellenanteil :Durch konstruktive Maßnahmen an der Formgebung der Erregermagnetpolschuhe, Wahl der Luftspaltstärke und Festlegung des Betriebspunktes der Magnetisierung des Statorblechpaketes, weitgehend im linearen Bereich der Magnetisierungskurve, zur Vermeidung der 3. und 5. Oberwellenanteile, tragen zur Formung des sinusförmigen Verlaufes der Spannung und des Stromes bei. Ein von der reinen Sinusform abweichender Wechselstrom kann in nicht ohmschen Widerständen (Spulen, Kondensatoren) nicht erwünschte und sogar gefährliche Oberwellen hervorrufen, die unerwünschte Überlastungen verursachen können. Wechselstromgeneratoren werden möglichst so gebaut, dass sie weitgehend sinusförmige Wechselspannungen produzieren.
Einsatz von Dreiphasenwechselstrom
Eine weitere Einsparung bei der Übertragung von Energie erzielt man, wenn statt Einphasenwechselstrom drei um 120° gegeneinander versetzte Sinusströme IR,IS,IT verwendet werden, die zunächst über 3 Leitungen zu den Verbrauchern R, S und T geschickt werden. Die Bezeichnung hierfür lautet Dreiphasenwechselstrom oder auch Drehstrom. Da aus UR + US + UT = 0 auch IR + IS + IT = 0 folgt, vorausgesetzt, die Verbraucherwiderstände ZR, ZS, ZT sind alle gleich groß, so könnte auf einen zum Kraftwerk zurückgehenden vierten Stromleiter (Nullleiter) verzichtet werden, so dass nur drei Leiter für die Phasen UR, US, UT erforderlich wären.
Übertragung von Drehstrom mit Hochspannungsfreileitungen
- Leistungsübertragung auf Hochspannungsleitungen: Weil Wechselströme über Transformatoren fast verlust- und wartungsfrei transformiert werden können, kann bei Spannungserhöhung gleichzeitig die Stromstärke soweit herabgesetzt werden, dass die Leitungsverluste durch Stromwärme ( ist der Widerstand der Hochspannungsleitung vom Kraftwerk zum Verbraucher, der dort fließende Strom) so gering wird, dass die Leitungsseile unter Belastung ihre zulässige Höchsttemperatur unter Einfluss der Lufttemperatur, des Leiteraufbaues, des Leitermaterials, der Leitungshöhe und der Sonneneinstrahlung, nicht unzulässig überschreitet, um eine Materialentfestigung auszuschließen.
- Grenzen der Leistungsübertragung von Hochspannungsleitungen: Ohne die Induktivität der Leiterseile, der Stromverdrängungseffekt (Skineffekt) des Leiters und die Kapazitäten gegeneinander und gegen Erde, wäre die Leistungsübertragung über größte Distanzen möglich. Die Impedanz der Hochspannungsleitung wächst mit jedem Kilometer an. Bis zu einem Wert, bei dem die betriebsfrequente Hochspannung nicht mehr jene Stromstärke über die Leiterseile treibt, die die Seile aus thermischen Gründen übertragen könnten.
- Hochspannungs Gleichstrom Übertragung (HGÜ) für extreme Leitungslängen und Leistungen: Bei Leitungslängen, die auf dem europäischen Kontinent kaum vorkommen, ist es mit Drehstromübertragungsleitungen nicht mehr durchführbar, große Leistungen wirtschaftlich zu übertragen. Auf Übertragungsstrecken vom Norden der USA in die südlichen Staaten, über tausende Kilometer hinweg, ist die Übertragung nur mehr mit Gleichstrom-Höchstspannungsübertragung möglich. Dazu nutzt man Gleichstrom-Höchstspannungsleitungen mit bis 1.000 kV, zur 1- oder 2-poligen Gleichstromübertragung. Bei der einpoligen Übertragung wird der Erdboden als Rückleiter benutzt. Diese Leitungen haben nur beim Ein- und Ausschalten die Induktivität zu beachten. Die hohen Leistungen weit entfernter Kraftwerke müssen zunächst hochgespannt werden, dann in einer HGÜ-Anlage mit Leistungselektronik gleichgerichtet, mit Drosseln geglättet und auf die Leitung gebracht werden. Am Zielort, in Ballungsgebieten am Rande der Städte muss dann mit Hilfe von Wechselrichtern der Gleichstrom weiter zu annähernd sinusförmigem Drehstrom geformt, und mittels Umspanner auf das benötigte Spannungsniveau heruntertransformiert werden.
- Systemverzerrung durch Unsymmetrie: In der Praxis kann eine derartige gleiche Belastung für die drei Phasen nur ungefähr erzielt werden. Die Stromstärke im Nullleiter ist nur dann Null, wenn es nur symmetrisch belastende Verbraucher gäbe. Aufgrund der Unsymmetrischen Belastung der Teilstromkreise treten jedoch Nullleiterströme auf, welche im Vergleich zu den Strömen in den Phasenleitern klein bleiben. Somit kann der Nullleiter materialsparend schwächer ausfallen. Tatsächlich werden nur Hochspannungsnetze ohne Neutralleiter betrieben. Diese Unsymmetrie im Mittel- und Kleinspannungsnetz stellt eine gewisse Herausforderung für die Leitungsschutzeinrichtungen im Störungsfalle bei Kurzschluss dar. Daher wird untenstehend auf Maßnahmen zu Behebung verwiesen.
- Maßnahmen gegen unsymmetrische Strombelastung : Ausgleichend wirkt auch, dass bei den höheren Spannungen immer mehr ungleiche Einzelbelastungen summiert sind, sich daraus eine Mittelung ergibt, je höher die Übertragungsleistung wird. Ein weiterer Ausgleich wird durch die Wahl der Schaltgruppen der Umspanner erfolgen, welche durch eine gezielte Wicklungsaufteilung an den Schenkeln des Trafoeisenkernes, die Symmetrie herstellen kann.
- Leitungsschutzeinrichtungen : Verbleibende Unsymmetrien führen zur Veränderung der Sternsymmetrie, die speziell bei Leitungsstörungen durch (direkten oder indirekten) Blitzschlag oder mechanisch durch Baumwurf bzw. durch Bauarbeiten verursacht werden. Moderne Leitungsschutzeinrichtungen mit selbstüberwachenden Mikroprozessoren beherrschen diese speziellen physikalischen Umladungsvorgänge und schalten sicher nach ca. 150 ms die gestörte Leitung ab. Damit werden Mensch und Betriebsmittel vor Schaden bewahrt und die sichere Versorgung gewährleistet. Schadenbehaftete Leitungen werden so, unbemerkt von den Verbrauchern, aus dem Leitungsnetzwerk herausgeschaltet, übrige Leitungen übernehmen zusätzliche Lasten oder Lastanteile, so dass die wichtigste Energie stets verfügbar ist, Ausfälle der öffentlichen Stromversorgung vermeidbar bleiben.
Transformation der Spannung auf Verbraucherniveau
Werden hohe Ströme in bestimmten Industrieprozessen benötigt (Schweißtrafo, Induktionsofen), so lassen sich diese mit dazu geeigneten Umspannern mit Lastregeleinrichtungen, mit geringer Sekundärspannung, einfach bereitstellen. Geringere Spannung ergibt höheren Strom (z.B. Schweißstrom) bei gleichbleibender elektr. Leistung der Umspanner.
Technische Frequenzen für verschiedenste Wechselströme
Die Frequenz des Wechselstroms ist ein besonders attraktives Additivem für diese Stromart. Man zählt Ströme bis 20.000 Hz zur Niederfrequenz, die Mittelfrequenz reicht bis 300.000 Hz, die Hochfrequenz bis 300 MHz, anschließend beginnt die Höchstfrequenz.
Eine Vorrichtung, die hochfrequente Wechselströme sehr hoher Spannung erzeugt, ist der Tesla-Transformator.
Hochfrequente Wechselströme (300 - 3.000 kHz) mit sehr geringer Stromstärke werden u. a. in der medizinischen Therapie als Diathermieströme eingesetzt. Sie werden für zur Erwärmung bestimmter tief liegender Gewebeabschnitte verwendet.