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Graffiti

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Ein Character des Writers Can 2 aus Mainz, in Münster

Ursprung hat das Graffiti in Wandparolen, das heißt, einen an eine Wand geschriebenen Text (zum Beispiel in Pompeji). Heute werden damit vor allem, die von Jugendlichen mittels Sprühdosen illegal oder legal hergestellten Bilder (pieces) bezeichnet. Als Oberbegriff beschreibt es neben den so genannten Tags und Pieces, auch die Schablonengraffiti und politischen Graffiti und ist ein Teil der Straßenkunst (Street-Art).

Das Anfertigen von Graffiti stellt ein Strafdelikt dar, wenn es ohne Zustimmung des Eigentümers, auf fremdem Eigentum ausgeführt wird. Außerdem löst es immer wieder kontroverse Diskussionen aus, da sich viele Menschen durch zum Teil optisch aggressive Graffiti provoziert fühlen.

Herkunft des Wortes

Graffiti ist der Plural des italienischen Worts graffito, das seinerseits aus einem vulgärlateinischen Verb für „mit dem Griffel kratzen“ entstanden ist (graphium „Griffel“, griechisch γραφειν „schreiben“). Der Singular ist im Deutschen unüblich, so dass häufig auch von einem Graffiti (und nicht von einem Graffito) gesprochen wird. Auch wenn es irrtümlich oftmals zur Anwendung kommt, ist es dennoch falsch Graffitis als Plural zu verwenden. Wie die Geschichte der Bezeichnung zeigt, reicht die Graffiti-Tradition weit zurück.

Graffiti heute

Eine mit Graffiti bemalte Straßenbahn. Es handelt sich hierbei jedoch um Ganzreklame für Chewan-Jeans
Ein so genanntes Bombing in einer U-Bahn-Station in Düsseldorf

Eine moderne Graffiti-Tradition entstand in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Damals waren die Pieces geheime Nachrichten/Mitteilungen von Gang- und Cliquenmitgliedern. Die Schriftzüge wurden so verziert, verzogen und verändert, dass jeweils nur die Gangmitglieder wussten, was es hieß. Unterschrieben wurden die Pieces auch, aber da es illegal war, unterschrieb jeder nur mit seinem Spitznamen, den er zusätzlich noch unlesbarer machte. Später markierten (vor allem in den Ghettos) Gangs ihre Gebiete mit Pieces oder Tags – weniger aufwendigen Schriftzügen. Wenn eine Gang das Graffiti einer anderen übersprayte, hieß das „Krieg“ – und die Kriege zwischen Gangs verliefen selten gewaltlos. Als Alternative zu der physischen Gewalt, wurde dann auf Battles gekämpft. Dort trafen (und treffen sich auch heute) MCs (Master of Ceremony, Rapper), DJs, Breaker oder eben Writer (writen von englisch schreiben, ein Writer writet pieces).

In der Hip Hop-Kultur bildet Graffiti eines der vier wesentlichen Elemente; der Graffiti schaffende Künstler wird allgemein als Writer bezeichnet. Oft werden mit den gesprühten Bildern auch Gebiete (Turfs, englisch für Revier) markiert. Es kann zwischen diversen Pieces unterschieden werden. Throw up oder Quickpiece, TtoB (Top to Bottom, englisch für „von oben bis unten“), und EtoE (End to End, englisch für „vom einen Ende bis zum anderen“, bezieht sich vor allem auf Eisenbahn-, U-Bahn- und Straßenbahnwagen), Blockbuster, Silverpieces etc. Weiter gilt eine Unterscheidung in Letters (Buchstaben, Schrift) und Characters (Bilder, meist im Stil von Comic-Figuren). Bildträger sind u.a. Außenwände von Häusern und anderen Gebäuden, Betonmauern von außerstädtischen Großbauwerken wie Autobahn- oder Kanalbrücken, aber auch nur zeitweilig ruhende Objekte mit großen Flächen wie Straßenbahnen und Eisenbahnwaggons.

Als professionelle Künstler konnten sich nur wenige Writer durchsetzen, wie beispielsweise der New Yorker Keith Haring oder Thomas Baumgärtel, die beide allerdings nicht der Hip-Hop-Kultur entstammen. Bekannte deutsche Writer sind Loomit, WON Seak, und DAIM, dessen Spezialität dreidimensionale Letters sind. Diese Art der Buchstaben haben keine "Outlines" um sich vom Hintergrund besser abzuheben und somit plastischer wirken.

Als erster Graffiti-Sprayer Deutschlands gilt Peter-Ernst Eiffe, der im Sommer 1968 damit in Hamburg für Furore sorgte.

Der Zusammenhang von Hip Hop und Graffiti ist nicht lückenlos. Graffiti ist lange vor Hip Hop entstanden und in den frühen 1980er Jahren waren Writer oft eher Punks. Auch heute sind die meisten Writer eher unauffällige Menschen, die optisch weniger den „modischen Discogänger-Hip-Hoppern“ zuzurechnen sind.

Besprühte Objekte

Nicht alle Objekte werden besprüht. Häufig besprüht werden Unterführungen, Eisenbahnfahrzeuge und Verkehrsbauwerke wie Autobahnbrücken, in den Großstädten auch die meisten Häuserwände der Blocks. Denkmäler und historische Gebäude zu besprühen gilt in dem meisten Kreisen als verpönt, hindert natürlich Toys, linke und rechte politische Schmierer und andere der Graffiti-Szene nahestehenden Personen, nicht daran, es dennoch zu tun. Als Faustregel gilt, je schwieriger ein Objekt zu erreichen und zu besprühen ist, desto größer der Fame für den Writer. Ein hohes Rooftop, ein Whole-Car oder ein Einsatzawgen der Polizei ist i.d.R. schwieriger zu (be)sprühen, als eine Unterführung und bringt dementsprechend mehr Ansehen.

"Magic" Tag
Datei:Kons t2b 1994.jpg
"KNSM" T2B Graffiti
"Kons" Blockbuster Piece mit Widmung "für Dine"
Writer beim besprühen einer Hall of Fame in Münster (2003), anlässlich der Veranstaltung Meeting Of Styles

Das Sprayen hat ein vielfältiges Sprach- und Technikrepertoire entwickelt. Obwohl die meisten Sprayer mit dem Jargon vertraut sind, bezeichnen sich viele trotzdem einfach nur als Maler statt als Writer und sprechen von Dosen, nicht von Cans. (Das machen eher Toys):

3D-Style
Beim 3D-Style/-Stil wird die Outline weggelassen und die Konturen der Buchstaben werden allein durch Licht- und Schattensetzung definiert. Besonders durch die Entwicklungen von DAIM, Delta (Niederlande) und Erni (USA) ist mitlerweile der 3D-Style weltweit in der Graffiti-Szene akzeptiert.
Background
Der Hintergrund des Pieces wird als Background bezeichnet. Ursprünglich bestand dieser meist aus Bubbles oder einfarbigen Flächen, heute werden oft auch ganze Bildkompositionen, Landschaften oder grafisch aufwändige Farbverläufe gesprüht.
Blackbook
Ein Buch, das zum Skizzieren von Graffiti dient und in das häufig auch Fotos eingeklebt werden, nennt man Blackbook. Weitere Formen sind das Sketchbook, das nur Skizzen enthält und das Travel- oder Guestbook in das Bekannte des Sprühers zeichnen. Es findet keine klare Abgrenzung zwischen diesen Formen statt, so dass sich beispielsweise in einem Blackbook auch Bilder von anderen Sprühern befinden können.
Blockbuster
Blockbuster sind große, eckige Styles, die häufig an Western-Typografie erinnern und auch für Außenstehende gut lesbar sind.
Bombing
Bombing ist in der Sprayerszene ein Begriff für ein, meist ohne großen Aufwand, gemaltes Bild: hauptsächlich einfarbig ausgemalt mit Outlines. Die Zeit für ein Bombing ist auf wenige Minuten beschränkt, da dies eine illegale Handlung ist. Eine andere Bezeichnung für das Bombing ist Quickpiece.
Bubbles
Bubbles sind runde blasen- oder kreisförmige Farbflächen, häufig im Background zu finden.
Bubblestyle
Als Bubblestyle werden Pieces bezeichnet, die aus runden Elementen bestehen und aussehen, als seien sie aufgeblasen.
Burner
Als Burner wird ein besonders gelungenes Graffiti beschrieben. Es kann sich aber auch darauf beziehen, dass das Graffiti an einem besonders guten Platz zu sehen ist.
Cans
Mit cans (englisch für Kannen) sind die Spraydosen gemeint, mit denen die Writer ihre Pieces malen.
Caps
Caps sind die Sprühköpfe, die den Lack beim Entweichen, aufgrund des Drucks in der Dose, zerstreuen lassen. Es gibt mehrere unterschiedliche Arten von Caps: fatcaps, skinnycaps, NY-caps usw. Den Unterschied macht beispielsweise die Dicke eines Striches aus. Bei Bombings wird meist ein fatcap zum Ausmalen des Bildes benutzt, weil diese einen sehr dicken Strich haben.
Character
Als Character werden figürliche Darstellungen bezeichnet, die oft auch Comics entommen sind, oder an diese angelehnt sind. Ein, für seine Character, berühmter Writer in Deutschland ist Can 2 aus Mainz.
End to end (E2E)
Erstreckt sich auf die ganze Länge eines Zugwaggons, aber unterhalb der Fenster.
Fame
Hohes Ansehen und Bekanntheit bei anderen Sprayern, Ziel und Motivation der meisten Maler
Filling
Das Filling bezeichnet die Füllung der Buchstaben, also die Fläche innerhalb der Outlines,entweder einfarbig, bunt oder oft flächig silberfarben.
Hall of fame
Halls of fame (englisch für Ruhmeshallen) sind Flächen, die meist legal zu besprühen sind und auf denen die Writer vor allen Dingen qualitativ hochwertige Pieces anbringen. Der eigentliche Unterschied zu anderen Flächen im öffentlichen Raum ist, dass zu den Hall Of Fames Writer kommen, um die Werke zu betrachten und nicht die Werke zu den Writern kommen (wie beispielsweise besprühte Züge an den Bahnhöfen), häufig liegen sie sogar im Verborgenen. Bekannte Hall Of Fames in Deutschland sind bzw. waren zum Beispiel Bunker (Dortmund), Mauerpark (Berlin) und Live Music Hall (Köln). Hall Of Fames haben oft eine lange Tradition und dienen als Battleort und Treffpunkt für Writer. Ist eine Hall Of Fame gut besucht und unter vielen Writern bekannt, wird sie oft auch von Künstlern aus aller Welt besucht.
Highlights
Highlights ist die Bezeichnung für Lichtreflexe, die meist in Form von weißen Linien im Innenbereich der Buchstaben verwendet werden um das Bild plastischer erscheinen zu lassen.
Line
Der Begriff line ist in der Graffiti-Szene eine Bezeichnung für Bahntrassen (Zuglinien).
Lay-Up
Kleine Zugabstellanlagen werden von Writern als Lay-Ups bezeichnet, während die offizielle Bezeichnung der Bahn dafür Kehranlage lautet. Oft sind dies Endhaltepunkte oder Knotenpunkte, an denen einzelne Züge zu Reinigungszwecken abgestellt werden und nach kurzer Zeit wieder herausgefahren werden.
Mops
Outlines
Outlines ist die Bezeichnung für die unmittelbare Umrandung eines Graffiti-Schriftzuges. Diese unterteilt die einzelnen Buchstaben in ihrer Form. Des Weiteren gibt es die Second Outline (auch Frameline genannt), die den gesamten Schriftzug umrahmt.
Piece
Bezeichnung für ein aufwändiges, meist mehrfarbiges und großflächiges Graffiti. Es handelt sich dabei um die abgekürzte, ursprüngliche Bezeichnung für Masterpiece.
Quickpiece
siehe Bombing
Quarters
Quarters sind quadratische "Bubbles", welche ausschließlich in Neon-Farben, manchmal auch als Throw-Ups, meist unter Brücken oder an Bahnhofsgebäuden bzw. Solarien gemalt werden. Für diese Sozialkritischen Graffiti stehen die ETBcru und JKprod. aus Deutschland.
Respekt
Anerkennung fremder 'Skills und Werke.
Rooftop
Rooftops (englisch für Hausdach) sind Pieces auf Dachvorsprüngen.
Spot
Spots (englisch für Platz) sind explizit ausgewählte Orte, die zum Malen eines Bildes geeignet sind/wären.
Graffiti in verschiedenen Stilen (Los Caños de Meca, Spanien)
Schraffo
Bei einem Schraffo handelt es sich um ein Quickpiece, dessen Outline nur mit einer raschen Schraffierung in einer zweiten Umrandung eines Graffiti ist.
Skills
Fähigkeiten im Umgang mit Buchstaben und der Dose.
Stencils
Als Stencil bezeichnet man Sprühschablonen.
Style
Schriftzug eines Graffitikünstlers. Einen guten Style zu kreieren gilt als erstrebenswert.
Tag
Ein Signaturkürzel. Wird unter anderem in der amerikanischen Gang-Kultur als territoriale Markierung benutzt. Hierzu werden oft dicke wasserfeste Stifte benutzt. In europäischen Ländern auch teilweise unabhängig von Graffiti üblich, wo nur die Tags (Unterschriften) geschrieben oder auch gesprayt werden. Ziel dabei ist möglichst präsent zu sein in einer Stadt, einem Bezirk oder einer Gegend. Sozusagen ein Wettkampf unter Taggern, wer mehr, größere, an cooleren Stellen schafft.
Throw-Ups
Throw-Ups sind die Vorläufer von Bubblestyles und bestehen aus runden, wie aufgeblasen wirkenden Buchstaben, die meist ein- oder zweifarbig gestaltet und mit wenig Zeitaufwand erstellt werden.
Top to Bottom (T2B)
Erstreckt sich auf die ganze Höhe eines Zugwaggons.
Toy
Bezeichnung für einen unerfahrenen (schlechten) Graffiti-Künstler.
Trash yard
Abstellgelände für nicht mehr eingesetzte Waggons
Whole cars
Sind komplett bemalte Zugwaggons.
Wildstyle
Als Wildstyles werden Bilder bezeichnet, die sehr kompliziert aufgebaut werden und deren Elemente wild verschlungen sind. Oft sind diese Bilder auch von erfahrenen Sprühern nicht lesbar. Als einer der Erfinder dieses Stils gilt Phase 2 aus New York. Er machte entscheidende Schritte in Richtung Wildstyle. Jedoch ist Wildstyle bei weitem nicht durch eine einzelne Person entstanden! Unter anderem ist unbedingt Dondi im Zusammenhang mit Wildstyle zu nennen, da er es war, der die Wildstyleletters (Buchstaben) überarbeitete und in einen völlig neuen Kontext stellte. Legendär sind vor allem seine Beschreibungen und Erklärungen am Rande seiner Sketches (Skizzen auf Papier), sowie seine Wholecararbeit. Wildstyle wurde von mehren New Yorker Writern aufgefasst(u.a. Dero und Poem) und eigen interpretiert und weitergeführt. Im Laufe der Zeit schwappte diese Stylerichtung dann auch nach Europa über, wo sie weiter ausgebaut wurde. Heutzutage sind Wildstyles teilweise so verschlungen, dass sie kaum noch lesbar sind. Dies geschieht vor allem durch aufwändige Elemente, sowie zahlreiche, zum Teil durch Schreibschrift beeinflusste, zum Teil neu definierte Verbindungen.
Yard
Ein Yard ist der Ort, an dem die Züge oder U-/S-Bahnen über Nacht abgestellt werden, meist zur Reinigung und Wartung.

Motivation

In der Öffentlichkeit wird häufig die Annahme verbreitet, die Sprüher fänden ihre Motivation im "Reiz des Illegalen". Welche Motivation wirklich ausschlaggebend ist, hat die Universität Potsdam untersucht. Dabei kam sie zu folgenden Ergebnissen:

  1. Leistung bringen (Besser werden, besser als andere sein)
  2. Positive Emotionen (Abschalten vom Alltag, abreagieren, Stimmung verbessern)
  3. Kreativität (Ideen & Vorstellungen verwirklichen, Gefühle ausdrücken)
  4. Gruppengefühl (Geborgenheit, Zusammenhalt)
  5. Ruhm & Wettkampf
  6. Lebenssinn & Halt im Leben (Crew als Familie)
  7. Grenzerfahrungen machen (Angst überwinden, Gefahr erleben)

Zudem hat man festgestellt, dass Sprüher ein Flow-Erleben beim Sprühen haben.

Diesen Zustand hat man sonst nur bei Extremsportlern wie z.B. Felskletterern festgestellt und er tritt überraschender Weise gleichermaßen bei legal (Ruhm und Leistung) wie illegal (Grenzerfahrung) arbeitenden Writern auf. Gleichzeitig wurde aber bei Illegalen ein sehr hohes Maß an Besorgnis festgestellt, was dann wohl letztenendes auch zum "Umsteigen" auf legales Malen führt.

Daneben sieht man auch immer wieder Graffiti, welches nicht in das übliche Schema paßt: hierzu gehören zum Beispiel Liebeserklärungen, die auf Betonwände gesprüht werden, Sprüche oder politische Parolen. Solche Graffiti sind meist nur einfarbig.

Eine weitere Form von Grafitti sind Namensverewigungen (meist mit wasserfesten Filzschrift) auf Toiletten, Klosprüche oder an exponierten Orten.

Rezeption

Reaktionen der Öffentlichkeit

Graffiti in einem Berliner Hinterhof

Graffiti werden sehr kontrovers eingeschätzt: Die Mehrheit der erwachsenen Bevölkerung empfindet, insbesondere die kurzen Tags (Signaturkürzel), als Verunstaltung und puren Vandalismus, die einzig um des Vandalismus willen angebracht werden. Dies gilt umso mehr, wenn sie an frisch renovierten Gebäuden oder auf privaten Kraftfahrzeugen oder an Bahnen vorgefunden werden – Gegenstände, deren äußere Unversehrtheit vielen Menschen sehr wichtig ist. Hier wird Graffiti dann genau so negativ wie Scratching oder das Aufschlitzen von Sitzen in öffentlichen Verkehrsmitteln gesehen. Dieses Empfinden wird dadurch verstärkt, dass das gegenseitige (Teil-)Übermalen und Überschreiben von Graffiti zu künstlerisch zweifelhaften Ergebnissen führt. Diese werden dann als pure „Schmierereien“ angesehen. Weiter führt das von Teilen der Szene demonstrierte, zum Teil zelebrierte, fehlende Unrechtsbewußtsein zur ablehnenden Reaktionen der Öffentlichkeit. Ebenso fehlt das Verständnis, warum sich Künstler ohne Not mit ihrer Kunst in die Illegalität begeben. Hieraus wird dann abgeleitet und unterstellt, dass es den Künstlern gar nicht um die Kunst, sondern nur um den „Kick“ durch die illegale Aktion geht.

Strafrechtlich wird das unbefugte Bemalen von Wänden, Fensterscheiben, Zügen mit Sprühdosen als Sachbeschädigung eingestuft. Das Bemalen von Straßenschildern kann als gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr gewertet werden. Weitere Straftatbestände können aus dem unbefugten Betreten von Grundstücken und Bauwerken abgeleitet werden. Zivilrechtlich verpflichtet es die Schädiger zum Schadensersatz. Unerlaubte Graffiti an Gebäuden und öffentlichen Verkehrsmitteln verursachen ,nach Angaben des Zentralverbandes der Deutschen Haus- und Grundeigentümer, pro Jahr Schäden von bis zu 250 Millionen Euro.

Nichts desto trotz, wird Graffiti als Stil oft von der Werbebranche eingesetzt, um Jugendliche anzusprechen – legal, und von Erwachsenen. In einigen Jugendkulturen genießen Graffiti Zustimmung. Graffiti gilt als illegale „Untergrundaktion“ und damit unter Jugendlichen natürlich auch als Mutprobe. Inzwischen werden gefasste Täter mehr und mehr selbst für die Beseitigung ihrer Schäden zur Verantwortung gezogen und zur Mitarbeit beim Entfernen der Farbe verpflichtet. Es wird behauptet, viele Täter kämen dadurch zur Einsicht und unterließen weitere Sachbeschädigungen dieser Art. Des weiteren kommt es immer wieder zu Verurteilungen und zu hohen Geldstrafen.

Anders als bei legaler Kunst können bei illegalen Graffiti nicht die selben Maßstäbe angelegt werden, was Detailtreue oder Akkuratheit angeht. Dafür gewinnen Größe, unmögliche Erreichbarkeit (siehe Rooftops) und Einfachheit an Bedeutung. Legale Graffitikunst kann sich dagegen durchaus mit Atelierskunst messen.

Graffiti als städtische Auftragsarbeit, Freiberg am Neckar

Um jugendliche Sprayer aus der Illegalität herauszuholen, wird Graffiti häufig auch als Jugendprojekt angeboten. Hier hat sich in den 1980er und 90er Jahren besonders Barbara Uduwerella und ihr Verein Hip Hop Hamburg e.V. hervorgetan. Ziel des Vereins ist es Graffiti zu entkriminalisieren und außergerichtliche Einigungen zu finden

Graffitiforschung

Die Graffitiforschung beschäftigt sich mit dem sozialen und kunstgeschichtlichen Aspekt von Wandmalereien.

Dieser Forschungszweig sieht sich in der Tradition der Altertumsforscher, die vor ca. 300 Jahren begannen, antike Wandinschriften zu suchen, auszuwerten und zu publizieren. Der Begriff Graffitiforschung wurde erst ca. 1980 geprägt. Er setzte sich 1995 weltweit durch.

Die Graffitiforscher gehen von der Annahme aus, dass Graffiti eine Menetekel-Funktion erfüllen und als politisches Thermometer angesehen werden können, sofern transpersonale Zusammenhänge eine Rolle spielen. Dies ist besonders in politisch unsicheren Zeiten von Bedeutung.

Zitat

Mit dem Graffiti bricht in einer Art von Aufstand der Zeichen das linguistische Ghetto in die Stadt ein. (...)

Insurrektion, Einbruch in das Urbane als Ort der Reproduktion und des Codes - auf dieser Ebene zählt nicht mehr das Kräfteverhältnis, denn das Spiel der Zeichen beruht nicht auf Kraft, sondern auf Differenz; vermittels der Differenz also muss es attackiert werden. (...) Es genügen tausende mit Markers und Sprühdosen bewaffnete Jugendliche, um die urbane Signalethik durcheinanderzubringen, um die Ordnung der Zeichen zu stören.

(Der Philosoph Jean Baudrillard in KOOL KILLER oder Der Aufstand der Zeichen)

Literatur

  • Reisser, Mwinkand, Behrend: DAIM - daring to push the boundaries getting-up/reisser, Hamburg 2004 ISBN 3-00-014155-3
  • H. Chalfant, J. Prigoff: Spraycan Art. Thames and Hudson, London 1987 ISBN 0-50027-469-X
  • M. Cooper, H. Chalfant: Subway Art. Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2002 (Neuauflage) ISBN 3-89602-422-1
  • Odem, J. Deppe: Odem On The Run. Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2003
  • C. Castleman: Getting Up. The MIT Press, 1984 ISBN 0-26253-051-1
  • Peters, Reisser, Zahlmann: Urban Discipline 2002, Graffiti-Art (Ausstellungskatalog), 2002 ISBN 3-00-009421-0
  • M. Todt, Bernhard van Treeck: Hall of Fame. Edition Aragon, 1995 ISBN 3-89535-430-9

Zeitungen

  • 14K (Schweiz) Erstes deutschsprachiges, zweites europäisches und weltweit drittes HipHop-Magazin. Erscheint ab Mai 1988 regelmäßig bis April 1998. Fünf Jahre später, 2003, beginnt eine Zusammenarbeit mit dem Zürcher Graffiti-Magazin RaZHia, aus dem die Site Zeecity.com ... hervorgeht.

Siehe auch

Besondere Formen des Graffiti