Wissenschaftstheorie
Die Wissenschaftstheorie ist ein Bereich der Philosophie, der sich mit der Wissenschaft und ihrer Arbeitsweise beschäftigt. Wesentlich bei der näheren Bestimmung einer Wissenschaft ist die Frage nach ihrem Gegenstand, dem Materialobjekt, sowie nach ihrer methodischen Vorgangsweise, dem Formalobjekt. Die Wissenschaftstheorie beschäftigt sich insbesondere mit der Erkenntnistheorie, also der Frage, wie aus Beobachtung und Schlussfolgerung Erkenntnis gewonnen werden kann.
Problemstellung
Einige Kernfragen:
- Wie kommt Wissenschaft zu (neuen) Erkenntnissen?
- Welchen Status haben wissenschaftliche Erkenntnisse?
- Was zeichnet Wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn aus?
- Was setzt sich die Wissenschaftliche Methode im Gegensatz zu anderen Erkenntniszugängen (z.B. Metaphysik)ab?
- Ist wissenschaftliche Erkenntnis wahr?
Auf diese Fragen geben verschiedene Philosophen verschiedene Antworten.
Theorien
- Die in den Wissenschaften vermutlich populärste Position ist die des Kritischen Rationalismus, die von Karl Popper entwickelt und insbesondere von Imre Lakatos ausgebaut wurde. Dem Kritischen Rationalismus zufolge ist das Ziel der Wissenschaft nicht die Verifikation (wie der naive Realist behaupten würde), sondern die Falsifikation von Hypothesen durch Experimente bzw. Beobachtungen. Hypothesen und Theorien gelten solange als wahr, bis sie widerlegt werden.
- Der Wissenschaftliche Realismus lässt sich auf zwei Hauptaussagen bringen:
- Die Begriffe einer wissenschaftliche Theorie referieren auf reale Entitäten.
- Die Geschichte der Wissenschaften ist als eine Annäherung an die Wahrheit zu verstehen.
- Zentral für Thomas Kuhn ist der Inkommensurabilitätsbegriff. Wissenschaftliche Paradigmen sind inkommensurabel, also unvergleichlich; von Wahrheit kann man deswegen immer nur unter Bezugnahme auf ein bestimmtes Paradigma sprechen.
- Paul Feyerabend rief mit seinem Anything goes! die Anarchie in der Wissenschaft aus und stellte wissenschaftliche Erkenntnis auf eine Stufe mit magischer.
- Instrumentalismus (Pierre Duhem)
- Konventionalismus (Henri Poincaré, Ernst Mach)
- Neopositivismus (Rudolf Carnap, Wiener Kreis)
- Pragmatismus (John Dewey, Charles S. Peirce)
- Konstruktivismus (Paul Lorenzen)
- Operationalismus (Percy William Bridgman)
- Konstruktiver Empirismus (Bas van Fraassen)
- Struktureller Realismus (John Worrall)
- Evolutionismus (Gerhard Vollmer)
Empirische und deduktive Methoden der Erkenntnisgewinnung
Grundlegende Methoden für die Erkenntnisgewinnung sind empirische Methoden und deduktive Methoden. Bei der empirischen Methode untersucht man konkrete Erscheinungen und leitet davon allgemeine Gesetze ab (siehe auch Bottom-up). Bei der deduktiven Methode geht man umgekehrt vor: man geht von allgemeinen Prinzipien aus und versucht aus diesen konkrete Phänomene abzuleiten (siehe auch Top-down).
Geschichte der Wissenschaftstheorie
Die erste Wissenschaftstheorie liefert Aristoteles mit seiner Schrift Analytica Posteriora. Er unterteilte die Wissenschaft in drei Bereiche:
- Die theoretische Wissenschaft betrachtet das, was unabhängig vom Menschen ist und keinen äußeren Zweck außer der Erkenntnis selbst besitzt. In sie fällt vor allem die Physik und die Metaphysik.
- Die praktische Wissenschaft thematisiert das, was im Bereich der menschlichen Handlungen liegt, was aber nichts außer der Handlung selbst hervorbringt. Hierein fällt vor allem Aristoteles' Ethik und die Politik.
- Die poietische Wissenschaft untersucht das, was im Bereich der menschlichen Tätigkeiten liegt und hierbei ein Objekt hervorbringt.
Wissenschaftsforschung
Die Wissenschaftsforschung untersucht wissenschaftstheoretische Fragestellungen. Dazu werden unter Anderem im Teilgebiet der Scientometrie empirische Methoden eingesetzt. Ziele sind z. B. die Suche nach grundlegenden Strategien der wissenschaftlichen Entstehung von Wissen und die Entwicklung eines Wissenschaftsmanagements, das die herkömmliche Wissenschaft leistungsfähiger, rationeller und bezahlbarer macht.
Literatur
- Alan F. Chalmers: Wege der Wissenschaft. Einführung in die Wissenschaftstheorie, 5. Auflage, Berlin u.a. 2001
- Wilhelm K. Essler, Joachim Labude, Stefanie Ucsnay: Theorie und Erfahrung. Eine Einführung in die Wissenschaftstheorie. Alber, Freiburg 2000. ISBN 3-495-47972-4
- Paul Feyerabend: Wider den Methodenzwang ISBN 3518281976
- Sandra Harding: Das Geschlecht des Wissens. Frauen denken die Wissenschaft neu Campus, Frankfurt/Main; New York 1994. ISBN 3-593-35049-1
- Thomas S. Kuhn: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen ISBN 3-518-27625-5
- Karl R. Popper: Logik der Forschung ISBN 3161462343
- Gerhard Vollmer: Wieso können wir die Welt erkennen?. Neue Beiträge zur Wissenschaftstheorie. Hirzel, Stuttgart 2003. ISBN 3-7776-1147-6
Siehe auch
- Erkenntnistheorie
- Logik
- Wissenschaft
- Methodologie
- Konstruktive Wissenschaftstheorie
- Wissenschaftssoziologie
- Wissensmanagement
- Innovationsforschung
Weblinks
- Gesellschaft für Wissenschaftsforschung
- http://hub.ib.hu-berlin.de/~wumsta/sssterma.html - Zum Terminus "Wissenschaftsforschung"