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Melatonin

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Strukturformel
Allgemeines
Name Melatonin
Andere Namen

N-[2-(5-Methoxyindol-3-yl) ethyl]acetamid

Summenformel C13H16N2O2
Kurzbeschreibung

beigefarbener Feststoff[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 73-31-4
PubChem 896
DrugBank APRD00742
Wikidata Q180912
Arzneistoffangaben
ATC-Code

N05CH01

Wirkstoffklasse

Hormon

Wirkmechanismus

Ersatz des auf natürlichem Wege zu wenig produzierten Hormons

Eigenschaften
Molare Masse 232,28 g·mol−1
Schmelzpunkt

117 °C [2]

Löslichkeit

unlöslich in Wasser, löslich in Methanol[1]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung{{{GHS-Piktogramme}}}

H- und P-Sätze H: {{{H}}}
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Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Melatonin ist ein Hormon, das von den Pinealozyten in der Zirbeldrüse (Epiphyse) – einem Teil des Zwischenhirns – aus Serotonin produziert wird und den Tag-Nacht-Rhythmus des menschlichen Körpers steuert. Chemisch gesehen handelt es sich um ein Alkaloid mit Tryptamin-Struktur.

Physiologie

Allgemeines

Melatonin ist ein Metabolit des Tryptophanstoffwechsels. Es wird in der Zirbeldrüse, im Darm und in der Netzhaut des Auges gebildet und zentral pulsatil unter dem Einfluss von Dunkelheit freigesetzt. Melatoninkonzentrationen steigen in der Nacht um den Faktor zehn an, das Maximum wird gegen drei Uhr morgens erreicht – mit einer jahreszeitlich wechselnden Rhythmik. Die Sekretion wird durch Tageslicht gebremst. Die Bedeutung des Melatonins bei Jet-Lag und Schichtarbeit ist allseits anerkannt, eine Anwendung von Melatonin ist in diesem Zusammenhang umstritten. Durch Koordinierung der circadian-rhythmischen Vorgänge im Körper entfaltet es seine Wirkung als Zeitgeber. Die Melatonin-induzierte Tiefschlafphase ist ein Stimulans für die Ausschüttung des Wachstumshormons Somatotropin. Entsprechende chronische Störungen führen zur vorzeitigen Somatopause. Weitere wichtige Melatonineffekte liegen in seiner Wirkung als Antioxidans, die jedoch nicht therapeutisch genutzt werden kann. Wichtig ist auch die antigonadotrope Wirkung (Verkleinerung der Geschlechtsdrüsen) sowie das Herunterregeln vieler biologischer und oxidativer Prozesse, darauf ist insbesondere bei der Einnahme von Melatonin zu achten. Besonders eine Verringerung (aber auch eine Erhöhung) des Melatoninspiegels im Blut bewirkt Schlafstörungen oder Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus.

Biosynthese

Die Biosynthese erfolgt aus Serotonin, das aus der Aminosäure Tryptophan erhalten wird, in zwei Schritten: zunächst wird Serotonin mit Acetyl-Coenzym A N-acetyliert, als Katalysator wirkt das Enzym Serotonin-N-Acetyltransferase (AANAT). Dann wird das Produkt N-Acetylserotonin mit S-Adenosylmethionin mittels der Acetylserotonin-O-Methyltransferase methyliert. Die Reaktionen finden hauptsächlich in der Zirbeldrüse statt.

Abbau

90 % des Melatonins werden nach der Leberpassage durch Biotransformation mittels Cytochrom P450-Monooxygenasen zu 6-OH-Melatonin metabolisiert und in Form von sulfatierten (60–70 %) oder glucuronidierten (20–30 %) Derivaten über den Urin ausgeschieden.

Melatonin und Winterdepressionen

Im Winter, wenn das Tageslicht nur wenige Stunden vorhält, bleibt der Melatoninspiegel auch tagsüber erhöht. Als Folge davon können Müdigkeit, Schlafstörungen und Winterdepressionen auftreten. Als Gegenmaßnahme wird empfohlen, die kurze Phase von Tageslicht für Spaziergänge zu nutzen. Alternativ kommt auch eine Lichttherapie in Frage.

Melatonin und Schlafprobleme

Ein zu niedriger Melatoninspiegel kann mit Schlafstörungen einhergehen. Mit zunehmendem Alter produziert der Körper weniger Melatonin, die durchschnittliche Schlafdauer nimmt ab und Schlafprobleme treten gehäuft auf. Auch bei Schichtarbeit und bei Fernreisen (Jetlag) kann der Melatoninhaushalt durch die Zeitumstellung gestört werden.

Erholsamer Schlaf ist wichtig für ein funktionierendes Gedächtnis. Einer der Gründe dafür könnte der Einfluss von Melatonin auf den Hippocampus sein. Diese Region im Gehirn ist wichtig für das Lernen und Erinnern. Durch die Wirkung von Melatonin ist die neurophysiologische Grundlage von Lernen und Gedächtnis, die synaptische Plastizität, einem deutlichen Tag-Nacht-Rhythmus unterworfen.

Melatonin-Präparate

Eine Melatoninsubstitution sollte nur nach klarer Indikationsstellung erfolgen.

Situation in den USA und Kanada

In den USA ist Melatonin seit 1994 frei verkäuflich und als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich. Die Präparate sind dort sehr populär. So wurde 1995 in Kalifornien mehr Geld für Melatonin-Präparate ausgegeben als für Aspirin. Die Mittel werden in den USA stark beworben, und es werden ihnen unterschiedlichste - teilweise sehr fragwürdige - Heilwirkungen zugeschrieben:

Diese Wirkungen sind jedoch nicht belegt und es existieren keine kontrollierten Studien dazu. Im Gegensatz zu Medikamenten unterliegen Nahrungsergänzungsmittel wesentlich weniger strengen Auflagen durch die FDA. Medikamente müssen vor ihrer Zulassung ihre Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nachweisen. Bei Nahrungsergänzungsmitteln ist die Beweispflicht umgekehrt. In Kanada ist dieser Wirkstoff seit einiger Zeit zugelassen und als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich.

Situation in Deutschland und der EU

In Deutschland, wo es keine entsprechenden Ausnahmeregelungen für Nahrungsergänzungsmittel gibt, ist Melatonin wegen des bislang fehlenden Unbedenklichkeitsnachweises nicht frei verkäuflich im Handel. Über das Internet und im Versandhandel sind Melatonin-Präparate jedoch nahezu beliebig erhältlich.
Am 29. Juni 2007 erteilte die EMEA der Firma Neurim Pharmaceuticals die Zulassung von Circadin® in der gesamten EU. Circadin® enthält 2 mg Melatonin in retardierter Form und wird als Monopräparat zur kurzfristigen Behandlung der primären Insomnie (schlechte Schlafqualität) bei Patienten ab 55 Jahren angewendet.

Hinweise zur Melatonin-Einnahme

Melatoninpräparate sollten nur bei dauernder Schlaflosigkeit und unter Anleitung eines Facharztes (Neurologe) eingenommen werden. Selbstmedikation ist wenig sinnvoll und im ungünstigsten Fall sogar riskant. Einzelberichte beschreiben einen positiven Effekt von Melatonin in der Cluster-Kopfschmerz Prophylaxe [3]. Vor dem Verschreiben und dem Verabreichen von Melatonin sollte der endogene Melatoninrhythmus überprüft werden. Dies kann im Krankenhaus durch Blutentnahmen erfolgen, wobei hier der Aufwand und die Kosten beträchtlich sind, zumal Melatonin nicht in allen Labors routinemäßig bestimmt wird. Alternativ können die Melatoninwerte nicht-invasiv (ohne Blutentnahme) aus dem Speichel bestimmt werden, da im Speichel ca. 1/3 der Werte im Blut vorhanden sind. Ein solcher Speicheltest für Melatonin kann auch zuhause durchgeführt werden.[4] Die Kosten für das Bestimmen von Melatonin und auch die Kosten für Melatoninpräparate werden zurzeit nur von wenigen Kassen übernommen. In jedem Fall ist es sinnvoll, die Kassen vorher zu fragen, wenn man nicht die Kosten selbst tragen möchte.

Die Dosis liegt bei circa 1 bis 3 Milligramm pro Tag. Ab dem Alter von 60 Jahren sollten 6 mg eingenommen werden. Melatonin darf nicht zusammen mit MAO-Hemmern eingesetzt werden.

Alternativen

Gerade bei Schlafproblemen kann man jedoch auch die Wirkung der natürlichen, körpereigenen Melatoninbildung nutzen:

  1. Zum Einschlafen den Raum abdunkeln
  2. Lichttherapie
  3. Um besser aus dem Bett zu kommen, das Licht anmachen. Man kann auch eine Lampe an eine Zeitschaltuhr anschließen und so einen geräuschlosen „Melatonin-Wecker“ bauen.

Melatonin-analoge Medikamente

Der Arzneistoff Agomelatin besitzt eine dem Melatonin ähnliche chemische Struktur. Im Unterschied zu Melatonin weist Agomelatin neben einer Affinität zu den Melatonin-Rezeptoren vom Typ MT1 und MT2 auch antagonistische Eigenschaften am Serotonin-Rezeptor 5-HT2c auf. Nachdem ein erster Zulassungsantrag im Jahr 2006 bei der EMEA gescheitert war, wurde 2007 ein neuer Antrag auf Zulassung gestellt.

Geschichte

Franz Waldhauser entdeckte 1990, dass Melatonin als Medikament die frühen Schlafphasen verkürzt und den REM-Schlaf verlängert.

Wissenschaftliche Bewertung

Es gibt verschiedene Studien, die die Wirksamkeit von Melatonin bei Jetlag-Symptomatik untersucht haben. Die Daten sind jedoch recht unterschiedlich. Eine große Metaanalyse, publiziert in einem Cochrane Review [5], deutet auf eine signifikante Wirksamkeit von Melatonin in einer Dosierung von 0,5 bis 5 mg bei Jetlag-Symptomen hin. In all diesen Dosierungen hat Melatonin eine ähnliche Wirksamkeit. Allerdings ist die Zeit bis zum Einschlafen unter 5 mg am kürzesten. Die Wirkung ist umso größer, je mehr Zeitzonen überquert werden und bei ostwärts gerichteten Flügen ausgeprägter als bei westwärts gerichteten. In diesen Studien wurden subjektive Parameter des Schlafes untersucht, aber auch andere Symptome wie Tagesmüdigkeit und Wohlbefinden. Eine andere Metaanalyse [6] konnte keinen signifikanten Vorteil von Melatonin bei Jetlag-Symptomatik feststellen. Hier zeigte sich keine signifikante Verkürzung der Einschlafzeit bei Schlafstörungen infolge Schichtarbeit. Auch die Gesamtschlafdauer konnte nicht deutlich verlängert werden. Ferner zeigte die Untersuchung, dass Wechselwirkungen mit Antithrombosemitteln und Antiepileptika möglich sind. Eine kurzzeitige Melatonineinnahme (< 3 Monate) hat keine schädlichen Folgen. Kritisiert an dieser Metaanalyse wurde die Auswahl der Studien (nur Kurzzeitanwendung, Dosierung, gewählte Endpunkte).

Einzelnachweise

  1. a b c d Sicherheitsdatenblatt Merck
  2. a b Eintrag in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM) (Seite nicht mehr abrufbar)
  3. Leitlinie Cluster-Kopfschmerz und trigeminoautonome Kopfschmerzen der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. In: AWMF online (Stand 10/2005)
  4. Bioclocks-Laboratories
  5. Herxheimer A, Petrie KJ (2001): "Melatonin for the prevention and treatment of jet lag." In: "Cochrane Database Syst. Rev." 1: CD001520
  6. Buscemi, N.et al. (2006): Efficacy and safety of exogenous melatonin for secondary sleep disorders and sleep disorders accompanying sleep restriction: meta-analysis. In: British Medical Journal. Bd. 332, S. 385-393. PMID 16473858

Literatur

  • Arendt J, Touitou Y: Melatonin and the Pineal Gland: From Basic Science to Clinical Application Elsevier Science 1993, ISBN 0-4448-9583-3 (wissenschaftliches Standardwerk zu Melatonin)
  • Susan M. Webb, Manuel Puig-Domingo: Role of melatonin in health and disease. Clinical Endocrinology (1995) 42, 221-234.
  • Arnold Hilgers, Inge Hoffmann: Melatonin. Mosaik Verlag, München 1996, ISBN 3-5761-0622-7