Der Process
Der Process ist ein unvollendeter, 1925 postum als Fragment veröffentlichter Roman Franz Kafkas. Teilweise werden auch die Schreibweisen Der Prozeß, Der Prozess oder Der Proceß verwendet, die jedoch nicht auf Kafka zurückgehen.
Handlung
Es geht um den Protagonisten Josef K., der eines Morgens (an seinem 30. Geburtstag) in seinem Zimmer aufwacht und anstatt von der Haushaltshilfe, die sonst täglich sein Frühstück bringt, von zwei Männern überrascht und festgehalten wird.
Diese beiden, nicht sonderlich auskunftsreichen Zeitgenossen teilen ihm mit, dass er ab diesem Zeitpunkt verhaftet sei. Die beiden Männer geben an, von einer der Behörden zu kommen, könnten und dürften ihm aber nicht sagen, weswegen er verhaftet sei.
Trotz seiner Verhaftung darf er sein Leben in Freiheit fortführen, da keinerlei Fluchtgefahr bestünde. Josef K. nimmt zunächst einen üblen Scherz seiner Kollegen an. Im Laufe der Zeit bemerkt er jedoch, dass dies nicht der Fall ist. Er wird zu Gerichtsverhandlungen vorgeladen, bekommt Besuche an seinem Arbeitsplatz und wird zu Hause angerufen.
Doch sind dies keine normalen Gerichtsverhandlungen und auch keine normalen Behörden. Er erfährt nirgends und von niemandem, weswegen er eigentlich der Schuld bezichtigt wird. Des weiteren befinden sich die Gerichtsräume in den Dachböden von mehrstöckigen Häusern, was anscheinend nur ihm nicht bekannt ist. Immer tiefer wird er in die Gerichtsverhandlungen hineingezogen, obwohl er gerade das Gegenteil beabsichtigte.
Gegen seine Hinrichtung leistet er keinerlei Widerstand mehr, er spielt sogar mit dem Gedanken selbst Hand anzulegen. Seine beiden Scharfrichter gaben ihm die Möglichkeit sich selbst umzubringen, aber diese Genugtung wollte er ihnen nicht gönnen.
Hintergrund
Franz Kafka konnte das Buch nicht vollenden. Max Brod, ein sehr guter Freund, veröffentlichte sein fragmentarisches Werk, obwohl Kafka es in seinem Testament zur Vernichtung bestimmte.
Interpretation
Kafkas Werke kann man mit dem Hintergrund eines strengen, allgegenwärtigen Vaters und seiner Position als Mitglied der deutsch-jüdischen Minderheit sehen. Möglicherweise schrieb Kafka viele seiner Werke als Ausdruck einer Bedrückung durch seine Umwelt in regelrechten Schreibanfällen. Eine eindeutige, neutrale Interpretation „Des Processes“ ist schwierig. „Der Process“ wurde auf unterschiedlichste Art und Weise gedeutet, unter anderem: antikapitalistisch (= kommunistisch, sozialistisch) und religiös. Die beklemmende Lage des gutgläubigen Josef K.s, der einer fremden, bösen Welt ausgesetzt ist, steht jedoch immer im Vordergrund.
Die Frage der Schuld
Franz Kafka verlegt im „Process“ die Frage der Schuld statt ins Empirische ins Metaphysische. Josef K. mag sich vielleicht am Anfang noch fragen, wofür er denn überhaupt verhaftet wird, doch diese Frage gerät immer mehr in den Hintergrund; sie ist unwichtig. Es liegt nicht in seiner Macht, über sich selbst urteilen zu können. Kafka selbst verehrte und fürchtete sich vor den mächtigen Autoritäten. Das ist auch im „Process“ stark spürbar. Die Hierarchie des mysteriösen Gerichtes reicht für den Menschen unvorstellbar weit. Doch nicht nur im Gericht ist sie vorhanden: Die allmächtigen Advokaten werden erwähnt und Josef K. wird in der Bank vom stellvertretenden Direktor auf übelste Art konkurrenziert. Der Roman kritisiert die Form der Hierarchie, das Streben des Menschen nach oben. Im Kapitel „Der Prügler“ werden die beiden Wächter, die Josef K. verhaftet hatten, gepeinigt. Sie empfinden die Strafe natürlich nicht als gerecht, sondern als entwürdigend und flehen Josef K. an, sie zu befreien. Der Wächter Willem sagt: „Kann man das Gerechtigkeit nennen? (...) wir hatten Aussicht, vorwärtszukommen und wären gewiß bald auch Prügler geworden (...).“ Dies zeigt, dass er selbst sich sehnt, aufzusteigen und selbst Prügler zu werden, eine mächtigere Stellung zu erreichen und dass er als Prügler mit den Bestraften auch kein Erbarmen hätte.
Josef K. und seine Umwelt
Bis zum Schluss, sogar noch kurz vor seiner Hinrichtung, hofft Josef K. auf Hilfe von außen, weil er selbst nicht fähig ist, zu erkennen, dass es bei der Frage um seine Schuld um Tod oder Leben geht. Josef K. wird mit einer abweisenden, vertröstenden Welt konfrontiert. Wie in der Türhüterlegende der Mann vom Lande die Hilfe von Flöhen sucht, sucht Josef K. die Hilfe von Frauen, einem Maler, Rechtsanwälten, die ihren Einfluss nur vortäuschen und ihn vertrösten, auch wieder wie der Türhüter den Mann vom Lande, der des Mannes Geschenke akzeptiert, aber nur, um ihn zu vertrösten und ihn in der Illusion zu lassen, dass seine Taten ihm förderlich seien.
„Der Process“ als humoristische Geschichte
Die Freunde Franz Kafkas erzählten, dass Kafka beim Vorlesen aus „Der Process“ vielfach laut herauslachen musste. Deshalb liegt es nahe, im „Process“ - mag sein Kern so ernst und düster sein wie nur möglich -, auch seine humoristische Seite zu suchen. Und tatsächlich offenbart sich dem Leser so manche so beklemmende Situation, deren einziger Ausweg der Humor ist. Oberflächlich gesehen lässt sich gut darüber lachen, dass ein empirisch gesehen unschuldiger, harmloser Mann wie Josef K. von einem ungenannten Gericht einfach verhaftet wird, ohne wirklich verhaftet zu werden.
Editionen
Da Kafka das Werk nicht abgeschlossen hatte, war es nicht zur Veröffentlichung vorbereitet. Weil Kafka die Kapitel nicht geordent hat, ist es auch unmöglich eine richtige Reihenfolge der Kapitel herzustellen. Aufgrund des fragmentarischen Charakter des Textes wurden verschiedene Editionen herausgegeben.
Ausgabe von Brod
Die erste Ausgabe trug den Titel Der Prozeß und erschien 1925 im Berliner Verlag „Die Schmiede“. Das Werk wurde von Kafkas Freund Max Brod heraugegeben. Brod legte dabei die Reihenfolge der Kapitel fest. Dabei berief er sich auf seine Erinnerung, denn Kafka hatte ihm Teile des Werkes vorgelesen. Kapitel, die Brod unvollendet erschienen, hat er erst in späteren Auflagen im Anhang veröffentlicht.
Kritische Ausgabe
Eine leicht modifizierte Kapitelreihenfolge bietet die Edition mit dem Titel Der Prozess, die im Rahmen der Kritische Ausgabe der Werke 1990 erschienen ist. Diese Ausgabe wurde von J. Born und anderen herausgegeben und erschien bei Fischer.
Historisch-Kritische Ausgabe
Innerhalb der Historisch-Kritischen Ausgabe von Roland Reuß in Zusammenarbeit mit Peter Staengle ist die dritte wichtige Edition mit dem Titel Der Process erschienen. In dieser Ausgabe von 1997 wird keine Reihenfolge der Kapitel hergestellt und es wurden die Kapitel in 16 einzelnen Heften veröffentlicht.
Ausgaben
Es ist bedeutsam, welche Edition man wählt. Daher erfolgt die Auflistung nach den verschiedenen Editionen. Die Gründe dafür sind im Abschnitt Editionen nachzulesen.
- Historisch-kritische Ausgabe:
Stroemfeld Verlag, 16 einzeln geheftete Entwurfs-Kapitel im Schuber zusammen mit Franz Kafka-Heft 1 und CD-ROM. Über 300 Handschriften-Faksimiles ISBN 387877494X
- Kritische Ausgabe:
Fischer Verlag, gebunden ISBN 3100381319
Unbekannte Ausgabe:
- Aufbau, Taschenbuch ISBN 3746616158
- dtv, Taschenbuch ISBN 3423026448
- Langenscheidt, broschiert ISBN 358063335X
- Probst, gebunden ISBN 3935718942
- Saur, gebunden ISBN 3598800096
- Schöningh, broschiert ISBN 3140223625
- Suhrkamp, broschiert ISBN 3518393375
- Vitalis, gebunden ISBN 3899190521
Verfilmungen
- Der Prozess, 1963 von Orson Welles
- Kafka, 1991 von Steven Soderbergh (Film der Teile von Kafka Leben mit Elementen aus Der Process, Das Schloß und anderen Texten vermischt)
- Der Prozess, 1993 von David Hugh Jones
- Am Ende des Ganges, 1999 von Michael Muschner (Kurzfilm)
Weblinks
- Vollständiger Text des Romans
- Interpretation
- Kurze Inhaltsangabe und knappe Interpretation
- Dieter Schrey: „Franz Kafka, ‚Der Prozess‘ – Die Selbstinszenierung der Geburt als Tod“ Leicht verständliche Interpretation
- Verschiedenes
- www.christian-eschweiler.de.vu Webseite zur Edition von Der Process durch Eschweiler