Orgel
Die Orgel (von griech. organon, "Werkzeug, Instrument") ist ein über Tasten spielbares Musikinstrument. Da der Klang durch Pfeifen erzeugt wird, wird sie auch Pfeifenorgel genannt. Aufgrund des Klangerzeugungsprinzips gehört die Orgel zu den Aerophonen. Neben diesen Orgeln, deren Töne durch Druckluft erzeugt werden, gibt es auch Elektronische Orgeln, die zu den Elektrophonen gehören.
Ausführungen und Aufbau

Orgeln finden sich in unterschiedlichen Ausführungen und Größen meist in Kirchen, aber auch in Konzertsälen und Privathäusern. Tragbare Kleinstorgeln bezeichnet man als Portativ (lat.: portare = tragen) und kleine transportable Orgeln als (Truhen-)Positiv (lat.: ponere = hinstellen).
Größere Orgeln setzen sich oft aus Teilwerken zusammen, denen jeweils eine eigene Tastatur (Manual bzw. Pedal) zugeordnet ist. Alle Bedienelemente und Klaviaturen sind am Spieltisch zusammengefasst, der eigentlichen Steuerzentrale, an dem der Organist das Instrument spielt. Der Organist bedient das oder die Manuale mit den Händen, während das Pedal mit den Füßen gespielt wird.
Die einzelnen Werke, sofern vorhanden, werden oft nach ihrer Lage im Instrument benannt. Das Rückpositiv befindet sich im Rücken des Spielers, oft in die Emporenbrüstung eingelassen. Das "Brustwerk" findet sich direkt vor dem Organisten über dem Spieltisch. Das Oberwerk liegt über dem Hauptwerk, und das Fernwerk liegt an einem weit von der Hauptorgel entfernten, oft versteckten Standort beispielsweise hinter einer Deckenverkleidung. Die Werke werden andererseits auch nach ihrer Funktion als Hauptwerk, Schwellwerk und Pedalwerk bezeichnet. Die Aufteilung in Werke kann, muss aber nicht am äußeren Erscheinungsbild der Orgel ablesbar sein.
Erscheinungsbild

Große Orgeln bestimmen oftmals mit der Gestaltung ihres Gehäuses und der Front (Orgelprospekt) die Wirkung des Raumes, in dem sie aufgestellt sind. In Kirchen beherrschen sie oftmals die Rückwand, aber auch Aufstellungen im Chorraum oder an einer Längswand ("Schwalbennest") sind üblich. In Konzertsälen ist die Orgel meist an der Wand über dem Orchesterpodium angebracht. Der Orgelbauer hat die schwierige Aufgabe, das Instrument akustisch möglichst optimal aufzustellen, was jedoch oftmals durch bauliche Gegebenheiten nicht möglich ist.
In der Renaissance zeigt sich die Bedeutung, die diesem optischen Aspekt beigemessen wurde, daran, dass nicht selten die Kosten für das Orgelgehäuse (mit Skulpturenschmuck, Ornamentschnitzwerk, Gemälden und Vergoldung) jene des eigentlichen Orgelwerkes überstiegen.
Technik
Alle Pfeifenorgeln sind Aerophone. Das bedeutet, dass die Tonerzeugung durch Druckluft funktioniert. Früher wurde diese Druckluft - im Orgelbau Wind genannt - durch große Blasebälge erzeugt. Der Blasebalg wird von einem oder mehreren Kalkanten getreten, wodurch neue Luft einströmt. Bei neuen Orgeln verwendet man zur Winderzeugung elektrische Gebläse. Trotzdem wird ein Balg zur Stabilisierung des Winddrucks benötigt. Von dem Balg aus wird der Wind durch Windkanäle weiter in die Windladen geleitet. Manche historische Orgeln können noch von einem Kalkanten betätigt werden, was in der Regel auch zu einem besseren Klang als bei elektrischer Winderzeugung führt.
Die Manuale heutiger Orgeln haben meist einen Tonumfang von C bis f3 oder g3, das Pedal von C bis f1, heutzutage auch bis a1. Orgeln der vergangenen Jahrhunderte haben oft einen kleineren Umfang, sehr große moderne Orgeln einen noch größeren; es gibt mittlerweile sehr viel Literatur, die einen Manualumfang bis a3, wenn nicht sogar bis c4 voraussetzt, sodass ein Beharren des Orgelbaus auf dem "Standardumfang" bis g3 zunehmend unverständlich erscheint.
Die Windlade ist das Herzstück der Orgel. Sie ist ein großer Kasten, auf dem die Pfeifen stehen. Im Kasten befindet sich die Druckluft. Vom Spieltisch werden die Bewegungen der Tasten mechanisch, pneumatisch oder auch elektrisch an die Windlade geleitet. In der Windlade befinden sich unter den Pfeifen Ventile, die sich durch das Drücken der Tasten öffnen. Die Druckluft kann jetzt aus der Windlade durch einen Absperrschieber, mit dem die einzelnen Register ein- und ausgeschaltet werden können, oder durch ein weiteres Ventil in die Pfeife strömen und diese zum Klingen anregen. Es gibt verschiedene Bauformen von Windladen. Grundsätzlich unterscheidet man - je nach Reihenfolge der Ventile für Töne und Register - zwischen Tonkanzellenladen (Schleiflade, Springlade) und Registerkanzellenladen (Kegellade, Taschenlade, Membranlade). Bei modernen Orgeln kommt in aller Regel die Schleiflade zum Einsatz.
Der Hauptwerkstoff für den Bau einer Orgel ist Holz. Aus Holz werden das Gehäuse, die Windladen, die Tasten und ein Teil der großen Pfeifen gefertigt. Bei mechanisch gesteuerten Instrumenten findet Holz oft auch für die Mechanik Verwendung. Für die Metallpfeifen kommen meist Zinn-Blei-Legierungen zum Einsatz (Sn-Pb), manchmal auch Zink oder Kupfer. Die weißen Tasten wurden früher mit Elfenbein, heute mit Rinderknochen belegt, die schwarzen mit Ebenholz. Die Belegung der Tasten erfolgt(e) häufig umgekehrt der Belegung beim Klavier, das heißt, die Untertasten sind schwarz und die Obertasten sind weiß.
Register
Eine Orgel hat mehrere Pfeifenreihen, die auch Ranks genannt werden. Ein Rank besteht immer aus mehreren Orgelpfeifen gleicher Bauart und Klangfarbe. In der Regel ein, manchmal auch mehrere Ranks werden zu einem Register zusammengefasst, das vom Spieltisch aus an- und abgeschaltet werden kann. Die Bedienung der Register erfolgte früher meist über Manubrien genannte Knäufe, die man zum Einschalten herausziehen und zum Abschalten wieder hineinschieben musste; daher rühren die Bezeichnungen 'Ziehen' und 'Abstoßen' für das Ein- und Ausschalten von Registern. Daneben gibt es auch horizontal oder vertikal zu verschiebende Hebel, Wippen, Zungen oder Drucktasten. Die Register können verschiedene Tonhöhen haben, wobei die Tonhöhe durch die Länge der tiefsten Pfeife in Fuß (1 Fuß = 30 cm) angegeben wird (16', 8', 4', 2 2/3', 2', 1 1/3', 1'):
32' = zwei Oktaven tiefer als notiert (mit ~ 18 Hz die untere Hörgrenze des Menschen erreichend) 16' = eine Oktave tiefer als notiert 8' = normale Tonhöhe (keine Transposition: a1 = 440Hz) 4' = eine Oktave höher 2 2/3' = eine Oktave und eine Quinte höher 2' = zwei Oktaven höher 1 3/5' = zwei Oktaven und eine Terz höher 1 1/3' = zwei Oktaven und eine Quinte höher 1 1/7' = zwei Oktaven und eine Septime höher 1' = drei Oktaven höher (erreicht mit ~ 14 kHz fast die obere Hörgrenze)
Die verschiedenen Tonlagen bilden die Obertonreihe ab. Durch Kombination eines Grundregisters (in der Regel 8'-Lage) mit einem oder mehreren Obertonregistern oder Aliquoten (z. B. 2 2/3' oder 1 3/5') werden zusätzliche Obertöne hinzugefügt oder verstärkt. Damit wird mit der Orgel so etwas wie eine additive Klangsynthese möglich, mit dem Unterschied, das die einzelnen Komponenten keine Sinustöne sind und daher selbst Obertöne enthalten.
Einen leichteren Überblick über die harmonischen Verhältnisse ermöglicht die Darstellung der Fußlage als echter Bruch, also etwa 8/3' statt 2 2/3'. Hier kann man sofort ablesen, dass es sich um den 3. Teilton, basierend auf einem 8'-Grundregister handelt.
Die Register unterscheiden sich außer der Tonhöhe (Fußlage) auch durch ihre Bauart und damit durch Tonansatz, Obertonanteil (Klangfarbe) und Lautstärke. Die beiden Hauptgruppen sind:
Zungenpfeifen (auch Lingualpfeifen): Tonerzeugung durch eine schwingende Metallzunge (ähnlich wie bei einer Mundharmonika), Tonverstärkung und -formung durch einen aufgesetzten Resonanzbecher. Die Tonhöhe wird durch die schwingende Länge der Metallzunge bestimmt, die Länge des (Resonanz-)bechers beeinflusst nur die Klangfarbe und Lautstärke.
Lippenpfeifen (auch Labialpfeifen): Tonerzeugung wie bei einer Blockflöte: Luft strömt aus einem schmalen Spalt am Unterlabium aus, trifft auf das scharfkantige Oberlabium und erzeugt dort ein Frequenzgemisch (Rauschen). Aus diesem Gemisch werden durch den darübersitzenden Resonanzraum (Körper) bestimmte Frequenzen verstärkt (Grundton und ausgewählte Obertöne). Die Länge der Resonanzröhe bestimmt die Tonhöhe der Pfeife, während Lautstärke und Obertonmischung von der Höhe des Aufschnitts (= Abstand zwischen Ober- und Unterlabium), von der Mensur (= Durchmesser der Pfeife) sowie von der Tatsache abhängen, ob die Pfeife oben offen oder verschlossen ("gedackt") ist. Gedackte Pfeifen ergeben einen um eine Oktav tieferen Ton als offene Pfeifen gleicher Länge, haben aber ein weniger reichhaltiges Obertonspektrum, ihr Klang ist daher dunkel und dumpf.
Die Zusammenstellung der Register einer Orgel, also welche Klangfarben eine Orgel enthält, nennt man Disposition einer Orgel. Sie wird vom Orgelbauer beim Erstellen des Instrumentes mit dem Auftraggeber abgesprochen.
Gebrauch der Register
Durch planvolles Kombinieren verschiedener Register, die so genannte Registrierung, können unterschiedliche Klangfarben und Lautstärken eingestellt werden.
Die Kunst des Organisten besteht darin, aus dem vorhandenen Klangbestand eine Registrierung zu finden, die der zu spielenden Musik am besten entspricht. Die Suche des Organisten nach der "richtigen" Registrierung für ein Stück wird durch folgende Faktoren beeinflusst:
- jede Epoche bevorzugte ein jeweils eigenes, spezielles Klangbild, das man als Organist kennt. Man kann daher nicht auf jedem Instrument jedes Stück wirklich gut spielen
- trotz der Möglichkeit einer gewissen "Typisierung" gibt es keine zwei gleichen Orgeln, da jedes Instrument in Größe und Ausführung genau an den Raum, in dem es steht, angepasst ist.
Die Barockzeit (17. - 18. Jh.) bevorzugte kleinfüßige Register und kurzbecherige Zungenstimmen (sogenannte Regale), der Klang von Barockorgeln ist daher hell und farbig. Die Romantik (19. - Anfang 20. Jh.) bevorzugte Register in 16'- und 8'-Tonlage, darunter auch offene Lippenpfeifen mit sehr enger Mensur (sogenannte Streicher) oder sehr weiter Mensur (Flöten) sowie Zungenstimmen mit voller oder doppelter Becherlänge, der Klang romantischer Orgeln ist daher gravitätisch und orchestral orientiert.
Spielhilfen
Spielhilfen sind zusätzliche Funktionen, die es dem Organisten gestatten, das Spiel zu beeinflussen.
Bei den Registerzügen eingeordnet ist der Tremulant (von ital. tremolo). Er variiert periodisch den Winddruck und sorgt so für ein Schwingen des Tones. In neuerer Zeit ist die Schnelligkeit der Schwingung oft einstellbar. Der Tremulant wirkt auf alle Register des Werks, in dem er eingebaut ist, bei alten Orgeln gibt es manchmal auch einen Tremulanten für die gesamte Orgel.
Schwellkästen können den Ton des in ihnen angebrachten Schwellwerkes durch das Schließen von Jalousien dämpfen.
Koppeln erlauben das gleichzeitige Spiel von verschiedenen Werken auf einer Tastatur bzw. das Spiel der Manualregister im Pedal. So ist es möglich, die Register verschiedener Manuale zugleich zu spielen und so eine größere Lautstärke aber auch zusätzliche Kombinationsmöglichkeiten zu erreichen. Okatvkoppeln lassen die angeschlagenen Töne eine Oktave höher oder tiefer mitklingen. Die Melodiekoppel oktaviert jeweils nur den höchten Ton, die Basskoppel nur den tiefsten Ton. Oktav-, Melodie- und Basskoppeln sind heute selten anzutreffen, man findet sie in erster Linie bei romantischen Orgeln.
Registrierhilfen
Vor allem Orgeln der Romantik verfügen häufig über Feste Kombinationen. Damit lassen sich vom Orgelbauer festgelegte Registerkombinationen auf Knopfdruck abrufen. Meist nach Lautstärkegraden abgestuft, etwa "p", "mf", "f", "ff".
Moderne Orgeln haben programmierbare Setzermechanismen, mit denen sich komplexe Klangfarbenwechsel auf Knopfdruck realisieren lassen. Sie sind frei programmierbar und damit wesentlich flexibler einsetzbar als Feste Kombinationen und haben diese vollständig abgelöst.
Für romantische Orgelmusik gibt es den Registerschweller (Generalcrescendo, Walze, Rollschweller), der die Register der Reihe nach einschaltet, bis alle Register erklingen (Tutti = alle).
Weitere Registrierungshilfen sind die vor allem im französischen und italienischen Orgelbau vorkommenden Sperrventile oder Einführungstritte, mit denen sich bestimmte Gruppen von Registern gemeinsam zu- oder abschalten lassen.
Geschichte
Orgeln gab es bereits in vorchristlicher Zeit im Orient. Auch die Römer hatten Orgeln. So wurde bei archäologischen Ausgrabungen in der Nähe von Budapest, dem früheren Pannonien, eine Orgel aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. gefunden.
Abgeleitete Begriffe
Begrifflich von der Orgel abgeleitet sind
- die Duftorgel, ein Gerät zur Erzeugung von Gerüchen
- die Lichtorgel, eine Vorrichtung zum Erzeugen rhythmisch aufleuchtender Lichtkegel
- die Wasserorgel, eine Einrichtung, mit der eine größere Anzahl von Wasserfontänen erzeugt wird
- die Stalinorgel, ein Raketenwerfer.
Siehe auch
Aliquot, Barkerhebel, Drehorgel, Kinoorgel, Disposition (Orgel), Farbenorgel, Hammond-Orgel, Mixtur, Orgelbaumeister, Orgelmusik, Orgelpositiv, Portativ, Regal, Registratur, Synthesizer, Windlade, Wind (Orgel).
Weblinks
- Orgelmuseum Borgentreich: www.gdo.de/museen/borgentreich.html
- Das Mecklenburgische Orgelmuseum Malchow: http://www.gdo.de/museen/malchow.html
- Das Orgelbaumuseum Schloß Hanstein in Ostheim vor der Rhön: [http:www.gdo.de/museen/ostheim.html/ www.gdo.de/museen/ostheim.html]
- Orgelmuseum Franziskanerkirche Kelheim: www.orgelmuseum-kelheim.de
- Orgel ART Museum Rhein-Nahe, Windesheim: www.orgel-art-museum.de
- Die Silbermann-Orgel zu Crostau: www.silbermannorgel-crostau.de
- Die Gesellschaft der Orgelfreunde
- Rechner für Orgel-Mensuren und Frequenzverhältnisse
- Encyclopedia of organ stops: [1]