Zum Inhalt springen

Hermann Höfle (SS-Mitglied, 1911)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 28. April 2005 um 16:09 Uhr durch 62.134.61.23 (Diskussion) (Jugendzeit und politische Anfänge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Hermann Julius Höfle (* 19. Juni 1911 in Salzburg; † 20. August 1962 in Wien durch Selbstmord) war im Dritten Reich als SS-Sturmbannführer und Leiter der  Hauptabteilung Aktion Reinhard  zuständig für die Koordinierung dieser Aktion mit der Zivilverwaltung des Generalgouvernements, gehörte er zu den eher unbekannten, jedoch maßgeblichen Technokraten für die  Endlösung, dem millionenfachen Judenmord.


Jugendzeit und politische Anfänge

Geboren am 19. Juni 1911 in Salzburg, besuchte Hermann Höfle die Volks- und Bürgerschule und absolvierte eine dreijährige Lehrzeit für den Beruf des Automechanikers. Danach arbeitete er ein Jahr als Mechanikergehilfe und als Maschinist im Salzburger Wasserwerk. Anschließung fuhr er Taxi und gründete zwei Jahre später ein eigenes Taxiunternehmen.

Von seinem 12. bis 16. Lebensjahr hatte er dem Arbeiterverein angehört. Am 01.08.1933 trat er mit 22 Jahren in die österreichische NSDAP ein und gleichzeitig in die SS, wo er die Mitglieds-Nr. 307469 erhielt. Hier wurde er ein Jahr später Sturmgeldverwalter und Stellvertreter des Sturmführers.

Am 29.10.1933 heiratete er Berta Dühr, geboren am 25.10.1912 in Salzburg, mit der er bis Kriegsende vier Kinder hatte.

Wegen unerlaubter politischer Betätigung wurde er vom 25.05.1935 bis 01.01.1936 im Salzburger Polizeigefängnis inhaftiert.

Im Januar 1937 übernahm er die Führung des SS-Sturmbannes 1/76 und tat sich bei den antijüdischen Aktionen während der  Reichskristallnacht  am 09.11.1938 so hervor, daß er von dem als SD-Führer beim SS-Oberabschnitt Donau mit dem Aufbau einer  Zentralstelle für jüdische Auswanderung  beauftragten Adolf Eichmann, dem damals als Gauleiter von Wien tätigen Odilo Globocnik als fähiger Mitarbeiter empfohlen wurde.

Im Februar/März 1939 besuchte Höfle die SS-Führerschule München-Dachau. Die Beurteilung Höfles durch den SS-Oberführer und Leiter der SS-Führerschule München-Dachau vom 31.03.1939 fiel allerdings nicht sehr günstig für ihn aus. So wurde betont, daß Höfles Auftreten selbstbewußter werden müßte. Vor allem habe er in Anzug und Sauberkeit mehr auf sich zu halten. Für seine 27 Lebensjahre wurde sein Auftreten als zu unsicher bezeichnet, seine Persönlichkeit insgesamt als zu weich. Auch sein körperlicher Einsatz müßte aktiver und härter werden. Die geistige Regsamkeit sei noch nicht ausreichend entwickelt. Allerdings wurden ihm auch Eigenschaften wie Strebsamkeit, Bescheidenheit, Ehrlichkeit und Fleiß bescheinigt. Seine Abschlußarbeit auf der Führerschule wurde mit  kaum genügend zensiert. Danach wurde er im Sudentenland zu Aufbauarbeiten für die 99. SS-Standarte in Znaim eingesetzt.

Einsatz im Polenfeldzug

Am Polenfeldzug nahm er im 8. SS-Infanterieregiment teil. Nach dem Ende dieses Krieges fungierte er vom 10.12.1939 bis 01.09.1940 als Führer des volksdeutschen Selbstschutzes in Neu Sandez (Nowy Sacz). Vom 01.11.1940 an war er mit der Leitung des Zwangsarbeiterlagers am Bug-Graben beauftragt. Jetzt fiel auch die Beurteilung durch seine Vorgesetzten wesentlich besser aus, da nunmehr Tugenden wie leichte Auffassungsgabe für praktische Dinge, Selbständigkeit und Mäßigung in Genuß von Alkohol und Nikotin einen höheren Stellenwert erhielten als bislang.


Einsatz beim SS-und Polizeiführer im Distrikt Lublin im Rahmen der Aktion Reinhard

Am 01.09.1940 wurde Höfle nach Lublin versetzt, um dort für den ihm schon bekannten Odilo Globocnik, als dem  SS-und Polizeiführer im Distrikt Lublin  zu arbeiten. Zu seinen Tätigkeiten gehörten die Liegenschaftsverwaltung, die Leitung verschiedener Zwangsarbeiterlager, die Einrichtung von SS- und Polizeistützpunkten im Distrikt Lublin und Mithilfe beim Ausbau die SS-Ausbildungslagers für  fremdvölkisches  Personal in Trawniki. In Lublin wohnte und arbeitete Höfle in der Julius-Schreck-Kaserne, dem ehemaligen Stefan Batony Kolleg, in der Pieradzkriego Straße 17, die als Hauptquartier der Aktion Reinhard diente.

Mit der Beauftragung Globocniks zum Leiter der Aktion Reinhard durch den Reichsführer-SS Heinrich Himmler am 13.10.1941, wurde Höfle dessen  Judenreferent . Als solcher war er schon von Beginn an in die Planungen zur fabrikmäßigen Tötung der Juden im Generalgouvernement eingeweiht. Ihm oblag die Koordination dieser monströsen Mordaktion mit der Zivilverwaltung des Generalgouvernemens unter deren Chef Dr. Hans Frank, die Räumung der Ghettos im Generalgouvernement, die Koordination und die Abfolge der der den einzelnen Vernichtungslager zuzuführenden Transporte und die Verwertung des Eigentums der Opfer. Hierzu wurde im  alten Flughafen  in der Lubliner Chopinstraße27 ein Lager für die Kleider und die bewegliche Habe eingerichtet. In einer Zentralkartei wurden akribisch die Werte für Edelsteine und Devisen vom SS-Sturmbannführer Wipper erfaßt, während die Kleidungsstücke, Schuhe usw. von Höfle registriert wurden.

Die Verpflichtung zur Verschwiegenheit der an der Aktion Reinhard beteiligten Einsatzkräfte wurde von Höfle durchgeführt. Hierzu war ein Formblatt zu unterschreiben, in dem es u.a. hieß:

 Durch SS-Hauptsturmführer Höfle als Leiter der Hauptabteilung  Einsatz Reinhard  bei SS-und Polizeiführer im Distrikt Lublin bin ich eingehend unterrichtet und belehrt worden, daß ich unter keinen Umständen an Personen, die außerhalb des Kreises der Mitarbeiter im  Einsatz Reinhard  stehen, die Vorkommnisse bei der Judenumsiedlung mündlich oder schriftlich berichten darf .... daß die Vorgänge bei der Judenumsiedlung Gegenstand einer  Geheimen Reichssache  sind .... Mir ist bekannt, daß die Pflicht zur Geheimhaltung auch nach meinem Ausscheiden aus dem Dienst weiterbesteht. 

Die Aktion Reinhard begann Mitte März 1942 mit der Räumung der Ghettos in Lemberg und Lublin, nachdem am 16.03.1942 eine gemeinsame Besprechung zwischen SS und Polizei sowie Zivilverwaltung in Lublin stattgefunden hatte, an der auch Höfle teilgenommen hatte. Schon am nächsten Tag wurden 3000 Juden im Vernichtungslager Belzec vergast. Ab Mai 1942 wurde das Vernichtungslager Sobibor in  Betrieb  genommen und ab Juli 1942 Treblinka.

Am 22.07.1942 wurde mit der Räumung des größten Ghettos im Generalgouvernement, dem von Warschau, begonnen. Hier sowie bei den Räumungen und dem Abtransport in die Vernichtungslager aus den Ghettos Bialystok, Mielec, Lublin und Rzeszow wirkte Höfle als Organisator maßgeblich mit und ließ arbeitsfähige Juden in Lublin für die in diesem Bereich befindlichen Zwangsarbeiterlager selektionieren. Auch organisierte er den Empfang von Transporten aus dem KZ Theresienstadt und aus der Slowakei. Bei einem Besuch in Belzec und Treblinka begleitete er Adolf Eichmann.

Im  Stellenbesetzungsplan des Stabes des SS-und Polizeiführers im Distrikt Lublin in Personalunion mit Arbeitsstab der Allgemeinen SS im Distrikt Lublin  ist Höfle unter seiner SS-Nr. 307469 als  Referent für Judenangelegenheiten (Sonderaktion Reinhard)  aufgeführt. In der Personalaufstellung des  SS- und Polizeiführers im Distrikt Lublin SS-Gruppenführer Odilo Globocnik 1940   Juli 1943  wird Höfle als  Stabsführer im engeren Stab  bezeichnet. Die Personalaufstellung von Globocniks Nachfolger in Lublin, SS-Gruppenführer Jakob Sporrenberg, vom August 1943 bis 22.07.1944, übernimmt diese Beschreibung der Funktion von Höfle.

Die Einsatzfreude Höfles wurde schließlich am 20.04.1943 mit der Verleihung des Kriegsverdienstkreuzes I. Klasse mit Schwestern belohnt.

Teilnahme an der Aktion Erntefest

Auch nachdem Globocnik im September 1943 nach Triest als  Höherer SS- und Polizeiführer Adriatisches Küstenland  versetzt wurde und die Aktion Reinhard im November 1943 endete, blieb Höfle noch weiterhin in Lublin und wirkte hier wiederum bei der Aktion Erntefest mit, der an zwei Tagen durchgeführten Massenerschießung von Juden aus den Zwangsarbeiterlagern im Distrikt Lublin.

Am 15.02.1944 wurde Höfle in das KZ Sachsenhausen versetzt und dort von diesem Tage an bis 07.03.1944 zu Dienstleistung dem SS-Totenkopf-Wachbataillon Sachsenhausen zugeteilt. Ab 08.03.1944 bis 17.03.1944 war er als 1. Schutzhaftlagerführer tätig. Hier war man jedoch mit seinen Leistungen nicht zufrieden. Nach einer Zwischenbeurteilung des Lagerkommandanten vom 17.03.1944 zeigte er sich den Anforderungen, die an den Führer der Wachtruppe gestellt werden müssen nicht gewachsen. Trotzdem wurde ihm mit Wirkung vom gleichen Tage das Eiserne Kreuz II. Klasse verliehen. Mit Wirkung vom 13.06.1944 wurde er zum Fachführer der Waffen-SS beim SS-Hauptamt, Fachgruppe  Erfassung  ernannt. Damit verbunden war seine Versetzung zum SS-Hauptamt.

Die letzten Tage der Niederlande unter deutscher Besetzung erlebte Höfle Anfang September 1944 in Brüssel.


Nach Ende des Krieges

Nach Kriegsende wurde er am 31.05.1945 auf der Möslacher Alm am Weißensee in Kärnten, wo er sich zusammen mit Globocnik und seinen Kameraden, den SS-Sturmbannführern Ernst Lerch und Georg Michalsen versteckt hatte, von den Engländern gefangen genommen. Nach zwei Jahren in britischen Internierungslagern wurde Höfle im August 1947 aus dem Lager Wolfsberg in Kärnten entlassen und der österreichischen Justiz übergeben. Am 30.10.1947 wurde er auf  Gelöbnis  entlassen und arbeitete wieder in seinem Beruf als Automechaniker in seiner Geburtsstadt Salzburg.

Als am 09.07.1948 Polen seine Auslieferung beantragte, floh er nach Italien. Dort lebte er unter falschem Namen bis 1951. Danach kehrte er nach Österreich zurück um sodann in die Bundesrepublik überzusiedeln. Hier wurde er kurzzeitig als Informant des Abwehrdienstes der US-Armee   CIC   eingesetzt.

Im Januar 1961 erfolgte seine erneute Festnahme in Salzburg. Kurz vor Beginn seines Prozesses erhängte sich Höfle am 21.08.1962 in einem Wiener Gefängnis.

Im Jahre 2000 gab der britische Geheimdienst bislang unter Verschluß gehaltene Unterlagen frei. Darunter befand sich auch ein Funkspruch Höfles vom 11.01.1943 an Eichmann im Reichssicherheitshauptamt (RSHA), der von den Briten entschüsselt worden war, jedoch lediglich eine Liste von Zahlen, die zusammen eine Summe von 1.274.166 ergaben, umfaßte. Erst nach Freigabe dieses Funkspruches konnte dessen Bedeutung erkannt werden. Die übermittelte Summe stellt die Zahl der bis zum 31.12.1942 in den Vernichtungslagern des Generalgouvernements getöteten Juden dar. Neben dieser Jahresbilanz waren alle 14 Tage Meldungen über den Stand der im Rahmen der Aktion Reinhard  umgesiedelten , d.h. getöteten Juden, an das Referat IV B 4 von Adolf Eichmann im RSHA zu senden.

Anmerkung zum Namen

In der Literatur wird Höfle oft mit Hans Höfle bezeichnet, so bei Dominique Venner(1), Martin Broszat und Gerald Reitlinger. Die entsprechenden Akten bzw. Fragebogen der SS zeigen jedoch eindeutig, daß die korrekten Vornamen Hermann Julius lauten.

Literatur

  • Wulf, Josef: Das Dritte Reich und seine Vollstrecker, Berlin 1961, arani-Verlags-GmbH, München 1978, K. G. Saur Verlag KG, ISBN 3-598-04603-0
  • (1) D. Venner, Söldner ohne Sold, Wien 1974