Linienförmige Zugbeeinflussung
Die Linienzugbeeinflussung (auch Linienförmige Zugbeeinflussung, Abk.: LZB) ist ein Zugsicherungssystem der Eisenbahn, bei dem die Fahrzeuge kontinuierlich überwacht werden. Sie wird vorranging auf Schnellfahrstrecken ab Geschwindigkeiten von 160 km/h eingesetzt. Ferner kann die LZB die Leistungsfähigkeit einer Strecke durch dichtere Zugfolgen erhöhen. LZB-Technik wird in Deutschland, Spanien und Österreich eingesetzt.
Einführung
Bei der Punktförmigen Zugbeeinflussung wird die Einhaltung von Signalen punktförmig überwacht. Der Triebfahrzeugführer muss hier, bei maximaler Geschwindigkeit und minimaler Sicht, zwischen Vorsignal und Signal anhalten können. Dies ist bei Geschwindigkeiten innerhalb des Regelbremswegs von 1.000 m ab 160 km/h nicht mehr gegeben. Bei der Deutschen Bahn AG ist deshalb der Einbau einer kontinuierlichen Zugbeeinflussung (LZB oder ETCS) vorgeschrieben, wenn auf Strecken mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von über 160 km/h schneller gefahren werden soll.
Bei der LZB übernimmt eine Streckenzentrale (Zentralrechner) die Überwachung der Zugfahrt. Die Streckenzentrale steht über einen im Gleis verlegten Linienleiter immer mit dem Fahrzeug in Verbindung. Über diese Verbindung melden die Fahrzeuge ihre Position und Geschwindigkeit an die Streckenzentrale. Diese berechnet für jeden Zug individuelle Fahrbefehle. Im Fahrzeug wird die Einhaltung der Fahrbefehle überwacht (genauer siehe Funktionsweise). Die LZB zeigt dem Triebfahrzeugführer die Stellung des nächsten Signals bzw. den nächsten Geschwindigkeitswechsel bis zu 10 km (bei manchen Bauarten auch mehr) im Voraus an. Diesen Vorgang nennt man "Fahren auf elektronische Sicht".
In Verbindung mit der Automatischen Fahr-Bremssteuerung (AFB) ist auf diese Weise eine vollautomatische Steuerung des Zuges möglich. Die Rolle des Triebfahrzeugführers beschränkt sich dann im Wesentlichen auf die eines Beobachters. Jedoch sind Eingriffe des Triebfahrzeugführers jederzeit möglich und haben Vorrang vor der AFB.
Entwicklung der Linienzugbeeinflussung
(unvollständig)
1970-1974 | Entwicklung und Sicherheitsnachweis |
1974-1976 | Betriebserprobung auf der Strecke Bremen-Hamburg (3 Zentralen) |
1976 | Ausbau der Strecke Hamm-Gütersloh |
1987 | Betriebsbeginn auf den Neubaustrecken Fulda-Würzburg und Mannheim-Hockenheim |
1991 | Inbetriebnahme Neubaustrecken Hannover-Fulda und Mannheim-Stuttgart (10 Zentralen) |
1998 | Inbetriebnahme Schnellfahrstrecke Würzburg-Nürnberg |
1999 | Inbetriebnahme CIR-ELKE-Pilotstrecke Offenburg-Basel (4 Zentralen) |
2002 | Inbetriebnahme Neubaustrecke Köln-Rhein-Main (4 Zentralen) |
2003 | Inbetriebnahme Ausbaustrecke Köln-Düren(-Aachen) (1 Zentrale) |
2004 | Inbetriebnahme Ausbaustrecke Hamburg-Berlin (5 Zentralen) |
2004 | Inbetriebnahme S-Bahn-München (1 Zentrale) |
Komponenten und Aufbau
Für einen LZB-Betrieb muss sowohl die Strecke als auch das Triebfahrzeug für LZB vorbereitet sein. Dazu werden die im folgenden beschriebenen Komponenten benötigt.
Streckeneinrichtungen
Linienleiterverlegung
Für die Übertragung zwischen Fahrzeug und Streckenzentrale verwendet die LZB einen im Gleis verlegten Linienleiter. Der Bereich, in dem die selbe Information übertragen wird, heißt Schleifenbereich.
Der Linienleiter wird in Schleifen verlegt. Dabei wird ein Kabel in Gleismitte, das andere im Schienenfuß verlegt. Nach 100 m werden die Kabel getauscht (gekreuzt). Dies erfolgt zur Eliminierung von elektrischen Störungen und wird vom Fahrzeug zur Ortung genutzt. Dieser Ort wird auch als Kreuzungstelle oder 100m-Punkt bezeichnet. Maximal können 126 Kreuzungstellen pro Schleifenbereich gelegt werden, wodurch sich eine maximale Länge von 12,7km pro Schleifenbereich ergibt.
Langschleifentechnik: Der Schleifenbereich besteht aus einer einzigen Schleife, die von einem Fernspeisegerät gespeist wird. Dieses ist ungefähr in der Schleifenmitte positioniert. Die Verbindung zur Streckenzentrale wird mit einem 4-Draht-Kabel hergestellt. Nachteil dieser Verlegeart ist, das bei einem Ausfall des Fernspeisegerätes oder der Unterbrechung des Linienleiters der ganze Schleifenbereich ausfällt.

Kurzschleifentechnik: Bei der Kurzschleifentechnik werden die Schleifenbereiche in einzelnen Schleifen von maximal 300m Länge verlegt. Die Speisung der Kurzschleifen erfolgt parallel, so dass in einem Schleifenbereich in allen Kurzschleifen die gleiche Information übertragen wird. Die Verbindung zwischen Fernspeisegerät und Streckenzentrale wird ebenfalls mittels eines 4-Draht-Kabels hergestellt, an dem alle Speisegeräte eines Schleifenbereichs angeschlossen werden. Vorteil der Kurzschleifentechnik ist die höhere Ausfallsicherheit, bei einer Unterbrechung des Linienleiters fällt maximal ein 300m langes Teilstück aus. Diese Unterbrechung kann vom Fahrzeug überbrückt werden.
Topologie

Für die Ausrüstung einer Strecke mit LZB stehen pro Streckenzentrale 16 Schleifenbereiche zur Verfügung. Diese können je nach Streckengegebenheiten parallel und/oder hintereinander angeordnet werden. Für mit LZB ausgerüstete Überholungen werden eigene Schleifenbereiche benötigt (siehe Bild). Bei Bedarf werden weitere Streckenzentralen eingesetzt. Benachbarte Streckenzentralen heißen Nachbarzentralen.
Rein theoretisch kann mit einer Streckenzentrale 101,6 km zweigleisige Strecke (ohne Überholungen) ausgerüstet werden.
Streckengeräte
Streckenseitig werden im Wesentlichen folgende Einrichtungen benötigt:
- LZB-Streckenzentrale
Der Kern der LZB-Streckenzentrale besteht aus einem 2 aus 3 Rechnersystem, welches die Fahrbefehle für die Fahrzeuge berechnet. Über spezielle Modemverbindungen wird die Verbindung zwischen Fernspeisegeräten, Nachbarzentralen und Stellwerken unterhalten. Die Verbindung zu Elektronischen Stellwerken (ESTW) erfolgt über eine LAN-Koppelung.
- Fernspeisegeräte (bei Kurzschleifentechnik Kurzschleifenfernspeisegeräte KFS)
Geräte zur Einspeisung in den Linienleiter. Bei Kurzschleifentechnik wird die gleiche Information von allen KFS eines Schleifenbereichs empfangen und in die Kurzschleifen eingespeist.
- Voreinstellungsgeräte oder Anfangsgeräte (VE-Geräte, A-Geräte)
Geräte für die Erzeugung von Voreinstelltelegrammen in den Voreinstellschleifen.
- Verstärker und Potentialtrennschränke
Wegen der teils großen Entfernung zwischen Streckenzentrale und Fernspeisegeräten ist zum einen eine Verstärkung der Signale, zum anderen eine galvanische Trennung zur Eliminierung von Störsignalen erforderlich.

- Linienleiterschleifen im Gleis
Die Linienleiterschleifen werden mit einem stabilen, einadrigen Kabel verlegt, das den Witterungseinflüssen widersteht. Es ist kein Koaxialkabel (siehe Bild).
- Zusätzliche LZB-Signalisierung (v.a. LZB-Blockkennzeichen, Bereichskennzeichen)
LZB-Blockkennzeichen werden an den Stellen montiert, an denen ein LZB-Block zu Ende ist. Bereichskennzeichen signalisieren den Übergang in den nächsten Schleifenbereich.
Fahrzeugausrüstung
Die fahrzeugseitige Ausrüstung für den LZB-Betrieb besteht in Deutschland aus folgenden Komponenten:
- LZB-Fahrzeugrechner (redundantes 2 von 3 Rechnersystem)
Die aus drei parallel arbeitenden Rechnern bestehende Rechnereinheit bildet durch einen programmgesteuerten Datenvergleich ein sicherungstechnisches Schaltwerk. - Stromversorgung
Die Stromversorgung ist redundant aufgebaut und wird von Fahrzeugrechner überwacht. - Sende-/Empfangsantennen
Die Antennen des Fahrzeuges sind ebenfalls redundant ausgelegt, es gibt je 2 Sende- und 4 Empfangsantennen (2Paar). - Wegsensorik
Für die Weg- und Geschwindigkeitsmessung werden zwei Rad-Sensoren (Wegimpulsgeber) und ein Beschleunigungsmesser verwendet. - Bremswirkgruppe
Über die Bremswirkgruppe wird als Sicherheitsreaktion die Hauptluftleitung entlüftet. - Zugdateneinsteller
Am Zugdateneinsteller werden alle relevanten Daten des Zuges eingegeben. - Modulare Führerstandsanzeige (MFA)
Die modulare Führerstandsanzeige gibt dem Triebfahrzeugführer einen vollständigen Überblick über die vorausliegende Strecke.
Funktionsweise
Ortung
Wie schon oben beschrieben werden die Linienleiter nach ca. 100m gekreuzt, d.h. der in der Mitte verlegte Linienleiter wird mit dem am Schienenfuß verlegten Linienleiter vertauscht. Zwei Kreuzungsstellen begrenzen in der LZB einen Fahrort, im folgenden Grobort genannt. Groborte werden in Zählrichtung von 1 beginnend aufwärts gezählt, gegen Zählrichtung von -1 (255) abwärts. Je Schleifenbereich sind maximal 127 Groborte möglich, welche in Zählrichtung dann die Nummern 1 bis 127, gegen Zählrichtung die Nummern -1 (255) bis -127 (129) haben.
Das Fahrzeuggerät unteilt über die Wegsensorik die Groborte nochmals in 8 Feinorte (0 bis 7) mit einer Länge von 12,5m. Um Toleranzen in der Wegsensorik und bei der Linienleiterverlegung auszugleichen, nutzt das Fahrzeuggerät die Phasensprünge der Kreuzungsstellen für die Fahrortzählung. Mit Erkennen der Kreuzungsstelle wir der Feinortzähler auf 0 gesetzt und der Grobortzähler entsprechend der Fahrrichtung weitergezählt. Der in Zählrichung letzte Feinort wird entsprechend verlängert oder verkürzt.
Aufnahme in die LZB
Voraussetzung für die Aufnahme in die LZB ist eine funktionsbereite LZB-Ausrüstung des Fahrzeugs.
Fährt ein entsprechender Zug in einen mit Linienleiter ausgerüsteten Bereich, so wir er nur dann in die LZB-Führung aufgenommen, wenn der Fahrzeugrechner einen Wechsel der Bereichskennung erkennt. An definierten Einfahrstellen wird der Wechsel der Bereichskennung durch Voreinstellschleifen vorbereitet. In den Voreinstellschleifen werden fest parametrierte Voreinstelltelegramme übertragen, die die notwendigen Informationen (Fahrortnummer, Fahrtrichtung, Übergang zum Linienleiter am 50 oder 100m-Punkt) des Einfahrortes übermitteln. Mit dem Erreichen des eigentlichen LZB-Bereichs empfängt das Fahrzeug die Aufruftelegramme der Zentrale für den Einfahrort und antwortet mit dem angeforderten Rückmeldetelegramm. Daraufhin beginnt sendet die Zentrale Kommandotelegramme an das Fahrzeug. Das Fahrzeuggerät wird in der Regel erst beim Passieren des nächsten Signals hell geschaltet.
Fährt ein Fahrzeug ohne eine Voreinstellschleife zu passieren in einen LZB-Bereich, so erfolgt die Aufnahme in die LZB erst hinter dem nächsten Bereichskennzeichenwechsel (BKW mit Grundstellung).
Betrieb
Im Betrieb sendet die Zentrale Aufruftelegramme mit den Führungsgrößen (Bereichskennung, Fahrortnummer, Fahrtrichtung, Bremskurve und den Zielinformationen) an das Fahrzeug. Das Fahrzeug übermittelt im Antworttelegramm seine Zugdaten (Fahrortquittung, Bremscharakter, Feinort und Geschwindigkeit). Aus den gemeldeten Fahrzeugdaten, den vom Stellwerk übermittelten Streckenzustand (Weichen-/Signalstellungen) und den in der Zentrale hinterlegten Streckenprofilen ermittelt die Zentrale die Fahrkommandos und übermittelt diese mit dem nächsten Aufruftelegramm an das Fahrzeug. Hier werden diese im Führerstand signalisiert. Jeder Zug wird, abhängig von der Anzahl der LZB-geführten Züge, zwei- bis fünfmal pro Sekunde aufgerufen.
Erkennt das Fahrzeuggerät eine oder zwei Kreuzungsstellen nicht, so wird über die Wegsensorig am 100 m-Punkt eine Kreuzungsstelle simuliert. Wird die darauffolgende Kreuzungsstelle erkannt, dann kann unter LZB-Führung weitergefahren werden. Werden drei hintereinanderliegende Kreuzungsstellen nicht erkannt, dann fällt das Fahrzeug aus der LZB-Führung.
Telegrammtypen
Aufruftelegramm
Das Aufruftelegramm wird mit einer Übertragungsrate von 1.200 Baud von der Zentrale zum Fahrzeug gesendet und hat eine Länge von 83,5 Bit, wobei in den Kopfdaten zur Synchronisation ein Bit mit einer Länge von 1,5 Bit übertragen wird. In den Nutzdaten übertragen:
- Adresse (Bereichskennung und Fahrortnummer)
- Sicherheitsinformationen (Fahrtrichtung, Bremskurvenform und -nummer)
- Bremsinformationen
- Zielinformation (Entfernung und Zielgeschwindigkeit)
- Anzeigeinformationen (Signal- und Zusazinformatione)
- Hilfsinformationen (Typ des Rückmeldetelegramms, Teil-/Ganzblock)
Rückmeldetelegramme
Rückmeldetelegramme werden vom Fahrzeug zur Zentrale mit einer Übertragungsrate von 600 Baud gesendet. Die Telegramme haben eine Länge von 41 Bit. Im folgenden werden die Nutzinhalte aufgeführt:
Telegrammtyp 1
- Telegrammtyp
- Fahrortquittung
- Bremscharakter (Bremsart und Bremsvermögen)
- Feinort
- Geschwindigkeit
- Betriebs- und Diagnosemeldungen
Telegrammtyp 2
- Telegrammtyp
- Fahrortquittung
- Bremscharakter (Bremsart und Bremsvermögen)
- Feinort
- Maximale Geschwindigkeit des Zuges
- Zuglänge
Telegrammtyp 3
- Kennzeichen der Bahnverwaltung
- Zugnummer
Telegrammtyp 4
- Baureihe
- Seriennummer
- Zuglänge
Strecken
Gegenwärtig sind folgende Strecken der Deutschen Bahn mit LZB-Kabeln ausgestattet und damit für einen Betrieb mit mehr als 160 km/h zugelassen:
- Klecken — Bremen-Oberneuland
- Dreye — Bohmte (zw. Bremen und Osnabrück)
- Lengerich (Westf.) — Münster (Westf)
- Hamburg-Harburg — Hannover
- Lehrte — Stendal — Berlin-Spandau
- Hannover — Bückeburg
- Dortmund — Hamm (Westf) — Bielefeld (mit Ausnahme des Bahnhofs Hamm)
- Hamm (Westf) — Soest — Paderborn
- Duisburg — Köln (mit Ausnahme des Bahnhofs Düsseldorf Hbf)
- Hailer — Meerholz — Wolfgang (Kr Hanau) (zw. Frankfurt am Main und Fulda)
- Köln — Montabaur — Limburg a.d. Lahn — Zeppelinheim bei Frankfurt/Main
- Köln — Düren (bzw. Köln und Aachen)
- Hannover — Würzburg
- Hildesheim — Abzw. Sorsum (an der Strecke Hannover — Würzburg)
- Neustadt an der Aisch — Iphofen (zw. Nürnberg und Würzburg)
- Zeppelinheim bei Frankfurt/Main — Mannheim
- Mannheim — Karlsruhe
- Mannheim — Stuttgart-Zuffenhausen
- München — Augsburg
- Augsburg — Donauwörth
- Westheim — Dinkelscherben (zw. Augsburg und Ulm)
- Wurzen — Bornitz (zw. Leipzig und Dresden)
- Rastatt Süd — Basel Badischer Bf. (ab Offenburg max. 160 km/h)
Die Strecke Offenburg — Basel ist mit der erweiterten Linienzugbeeinflussung CIR-ELKE ausgestattet. Gefahren wird auf diesem Abschnitt max. 160 km/h. Desweiteren wird CIR-ELKE auf den Strecken Köln — Rhein/Main, Köln — Düren sowie Hamburg — Berlin eingesetzt.