M. Butterfly
Film | |
Titel | M. Butterfly |
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Produktionsland | USA |
Originalsprache | Englisch |
Erscheinungsjahre | 1993 |
Länge | 101 Minuten |
Stab | |
Regie | David Cronenberg |
Drehbuch | David Henry Hwang |
Produktion | Gabriella Martinelli |
Musik | Howard Shore |
Kamera | Peter Suschitzky |
Schnitt | Ronald Sanders |
Besetzung | |
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M. Butterfly ist ein Filmdrama von David Cronenberg aus dem Jahre 1993 mit Jeremy Irons und John Lone in den Hauptrollen nach dem erfolgreichen Theaterstück von David Henry Hwang und seinem darauf aufbauenden Drehbuch, welche sehr lose den Fall Bernard Boursicot behandeln.
Handlung
René Gallimard, in Diensten der französischen Botschaft, ist 1964 mit seiner Frau neu in der chinesischen Hauptstadt Peking. Es ist die erste Botschaft des Westens dort [1] – Frankreich ist nicht länger Kolonialmacht. Der Botschafter kennt ihn als integren und arbeitsamen Mitarbeiter, wenn auch nicht als Leuchte oder Führungspersönlichkeit; im Kollegenkreis ist er aufgrund seiner eigenbrötlerischen Natur nicht vollständig akzeptiert.
Bei einem Empfang für ausländische Diplomaten tritt Song Liling auf, eine Diva der Peking-Oper. Sie besticht als exotische Madame Butterfly des Italieners Puccini. Er ist bezaubert und sucht sie nach der Vorstellung auf. Die in ihrem Denken überraschend neuzeitliche Song reagiert bei den Komplimenten verhalten hinter ihrem Fächer; aus dem Material würden abendländische Vorurteile und bestenfalls Fernweh sprechen, der Liebestod der orientalischen Frau sei eine Projektion und in chauvinistischem Wunschdenken begründet. Da er sich sichtlich für die Kunstform begeistert, rät sie ihm mit ihrer rauchigen Stimme, sich mit vom Westen unverdorbenem, ursprünglichem Theater auseinanderzusetzen. Später bestaunt er sie in der Peking-Oper auf der Bühne, als einziger Ausländer im Raum. Obwohl gänzlich ungewappnet, was Musik, Sprache und auch die spezifischen Eigenarten der Peking-Oper anbelangt, verliebt er sich in die Sängerin. Zuhause hat er alle Mühe, seine Frau [2] nichts von seiner veränderten Befindlichkeit merken zu lassen. Die Botschaft schätzt seinen neuen Sinn für Sitten und Gebräuche des Gastgeberlandes, er wird als schwer benötigter Experte befördert, und mit neuem Selbstvertrauen assistiert er dem Botschafter fortan in politischen Angelegenheiten von einiger Tragweite. Da er die Sachlage geheim hält, kommen keine Zweifel an seiner Neutralität und seinem Urteilsvermögen auf.
Frischverliebt hängen sie aneinander, Song zeigt sich dem Rollenverhalten entsprechend passiv und unterwürfig, Gallimard besitzergreifend und verständnisvoll. Lediglich sich vollständig unbekleidet zu zeigen, verwehrt Song ihm nach wie vor. Er berät den Botschafter dahingehend, die chinesische Bevölkerung würde die starken Amerikaner in Vietnam voraussichtlich frei walten lassen, sie mit „offenen Armen empfangen“, da sie sich „tief in ihrem Innern“ zu der westlichen Lebensart hingezogen fühlen. Der Botschafter zeigt sich von seiner in schwärmerischem Ton vorgetragenen Expertise nicht vollends überzeugt.
Tatsächlich ist M. Butterfly sowohl Mann, als auch Spion [3]. Alles, was sie von ihm in Erfahrung brachte, gab die Mata Hari unverzüglich an den chinesischen Geheimdienst weiter. Als so ertragreich stellte sich die Operation heraus, weil, Song zufolge: „Nur ein Mann weiß, was von einer Frau erwartet wird.“ Sie schenkt Gallimard einen Sohn – welcher von der Kommunistischen Partei geliefert wird, nach Songs monatelangem Aufenthalt im Dorf ihrer Eltern. Die „Kulturrevolution“ geht auch an der Peking-Oper nicht spurlos vorüber: Kostüme und Masken werden verbrannt, Künstler gelten als Staatsfeinde. Auch Song Liling, in ihren Reihen schon länger kritisch beäugt, muss in ein Umerziehungslager. Gallimard, der sich als junger Vater wähnt, wird in diesen Zeiten des Umbruchs nach Frankreich zurückbeordert. 1968 lebt er einsam und verkümmert in Paris. Im diplomatischen Dienst bekleidet er den Rang eines Dienstboten auf dem Motorroller. Auf den Straßen demonstrieren Studenten mit roten Fahnen und verteilen Mao-Bibeln. Eines Tages steht Song vor seiner Wohnungstür, und sie fallen sich in die Arme.
Tage später wird er wegen Spionageverdachts verhaftet. Im Gerichtssaal wird ihm Song mit kurzem Haar und im Anzug vorgeführt. Er selbst muss sich angesichts der zwanzigjährigen Liebesbeziehung fragen, wie blind Liebe denn genau macht, ob er sich nicht vor sich selbst der bewussten Fahrlässigkeit schuldig gemacht hat, und ob ihre Gefühle echt waren. „Wusste er, dass Sie ein Mann sind?“ will der Richter sichtlich angewidert wissen – Song daraufhin: „Wissen Sie, Euer Ehren, er hat nie gefragt.“ Im Gefangenentransport sprechen Gallimard und Song sich aus. Gallimard wandert als Quelle eines fremden Nachrichtendienstes ins Gefängnis, wo ihm bald ein Ruf als prominenter schillernder Vogel vorausgeht. Song wird ausgewiesen.
In einem Monolog in der Aula des Gefängnisses inszeniert sich Gallimard vor den gröhlenden Mitgefangenen, schminkt sich sorgfältig und wird selbst Madame Butterfly. Zur Arie schneidet er sich mit der Scherbe eines Spiegels die Halsschlagader auf und verblutet vor vollbesetzten Rängen.
Rezeption
- „Ein wundervoll inszeniertes und ausgezeichnet besetztes Drama“ – Lexikon des internationalen Films [4]
- „gibt sich […] von Anfang an nicht die geringste Mühe zu verheimlichen, daß sich in der Maske der Sängerin Song Liling der Schauspieler John Lone verbirgt […] Die Illusion, die sie für zwei Jahrzehnte aneinander fesselt, ist ebenso lächerlich wie erschütternd. […] Das Unglück von Cronenbergs Film besteht darin, daß er alles, was ihn inspiriert hat, mitschleppen muß: den authentischen Fall, das Broadway-Melodram, die Oper von Puccini, den Sensationsprozeß und die Kulturrevolution. So verzettelt er sich“ – Andreas Kilb, Die Zeit [5]
- „Cronenbergs Vorstellung von einer dramaturgisch brauchbaren Situation ist auch das Umwandeln eines Mannes in eine riesige Fliege […] Irons spielt mit so umfassender Hingabe, dass es unmöglich wird, seinen bizarren Standpunkt nicht zu teilen [6][…] so merkwürdig wie alle Arbeiten von Herrn Cronenberg, aber manchmal flacher und mehrdeutiger, als ihm gut tut. Herr Lones Verkörperung von Liling ist denn am wirksamsten, wenn die Unnatürlichkeit offen zutage liegt.“ – Janet Maslin, The New York Times [7]
- „Zwei fundamentale Probleme bei David Cronenbergs katastrophaler Adaption von 1993: die Untauglichkeit einer Prämisse, nach der Darsteller und Publikum nicht länger denselben Raum teilen, und die Fehlbesetzung“ – Jonathan Rosenbaum, Chicago Reader [8]
- „Das Verhältnis von Sein und Schein, die Zwangsneurosen and [sic] Projektionen der überzivilisierten Psyche haben ihn schon in seinen frühen Horrorfilmen beschäftigt. […] Kameramann Peter Suschitzky schließlich liefert mit seinen schwülromantischen, betont künstlich ausgeleuchteten Aufnahmen den theatralischen Auf- und Abgängen der Akteure das passende Umfeld: ‚Orientalische‘ Nächte in Lapislazuli-Blau, Purpurrot und Gold.“ – Sabine Horst, Frankfurter Rundschau [9]
- „erotische Antriebe sind für den Betroffenen immer ernste Sachen, mögen sie dem Betrachter auch urkomisch vorkommen.“ – Roger Ebert [11]
Chow führt aus: „Genau wegen der stereotypen Beschaffenheit können wir uns dem viel eher als Mythos nähern“ und es handle sich bei dieser Art „antiorientalistischem Diskurs“ zugleich wie oft beim Regisseur um eine ganze Dekonstruktion des Menschen. Frei nach Lacan stellt sie fest: „die wesentliche Zutat bei der Liebe ist immer die Fehlwahrnehmung“ [12].
Einzelne Kritiker hätten eher Jaye Davidson von The Crying Game [7] oder Leslie Cheung aus Lebewohl, meine Konkubine [13] in der Titelrolle für denkbar gehalten. Andreas Kilb sprach in der Zeit anlässlich des Filmes über die Vorfälle und Joyce Wadlers Enthüllungsbuch „Liaison“ prägnant von einem „Schundroman, den das Leben schrieb“. [5]
Hintergründe und Sonstiges
Bernard Boursicot wurde 1986 zu sechs Jahren Haft verurteilt. Shi Pei-Pu wurde 1987 von François Mitterrand begnadigt. [14] Boursicot überlebte den Selbstmordversuch. [15]
Das Pulitzer-Preis-nominierte und Tony-Award-dekorierte Stück von David Henry Hwang lief 777 Vorstellungen lang am Broadway im Eugene O'Neill Theatre von 1988 bis 1990, dort mit John Lithgow und B. D. Wong. [16] Bis heute wurde es in über dreißig Ländern gespielt, 1989 in London mit Anthony Hopkins in der Hauptrolle. [17]
Gedreht wurde in Budapest, in Toronto, in Paris, an der Chinesischen Mauer [18] und in Peking. [17] Der Film erlebte seine Erstaufführung in der Bundesrepublik Deutschland am 9. Dezember 1993, am 10. Juni 1994 lief er auf Video an und erstmals im Fernsehen ausgestrahlt wurde er am 29. Juni 1995 auf Premiere. [4] Box Office Mojo verzeichnet am 11. Oktober 2008 inländische Gesamteinnahmen (Total Lifetime Grosses/Domestic) von etwas weniger als 1,5 Millionen US-Dollar. [19]
Das Thema vom Schmetterling kann auch auf den Schmetterlingstraum von Zhuangzi bezogen werden.
Cronenberg selbst: „In M. Butterfly geht es ja um mehr als das Aufeinanderprallen zweier Kulturen. Es geht um die Unmöglichkeit, einen anderen Menschen wirklich zu kennen. […] Und doch erleben wir, wie Gallimard sich aus wenig mehr als aus seinem eigenen Bedürfnis und seiner Phantasie heraus eine Frau zum Lieben geschaffen hat; er kannte nur die Wunschvorstellung seines ‚Butterfly‘.“ [17]
Literatur
- Rey Chow: The Dream of a Butterfly. In: Hwa Yol Jung (Hrsg.): Comparative Political Culture in the Age of Globalization: An Introductory Anthology. Lexington Books, 2002, ISBN 0-7391-0318-0 (google.com).
Weblinks
- Vorlage:IMDb Titel
- Vorlage:Rottentomatoes
- M. Butterfly bei Metacritic (englisch)
- Presseheft bei www.davidcronenberg.de
- Denis Seguin: Sex With Dave – David Cronenberg on the making of M. Butterfly aus Eye Magazine bei www.davidcronenberg.de (englisch)
- Joyce Wadler: The True Story of M. Butterfly; The Spy Who Fell in Love With a Shadow in The New York Times (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ Monsieur Butterflv [sic]. In: Die Zeit. ZEIT ONLINE, 26. November 1993, abgerufen am 10. Oktober 2008 (ZEIT ONLINE 48/1993 S. 94).
- ↑ vgl. lue: Männer unter sich: „M. Butterfly“ als Film. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 9. Dezember 1993, abgerufen am 12. Oktober 2008 (bei www.davidcronenberg.de): „verschwindet […] ohne Aufhebens und Erklärung“
- ↑ Formulierung von R. Ebert.
- ↑ a b Filmdienst: M. Butterfly. In: Kabeleins Filmlexikon. SevenOne Intermedia GmbH, abgerufen am 10. Oktober 2008.
- ↑ a b Andreas Kilb: Verwirrung der Gefühle. In: Die Zeit. ZEIT ONLINE, 10. Dezember 1993, abgerufen am 10. Oktober 2008 (ZEIT ONLINE 50/1993 S. 64;66;68).
- ↑ Ebenso: Chris Hicks: M. Butterfly. In: Deseret News. 15. Oktober 1993, abgerufen am 10. Oktober 2008 (englisch): „it's impossible not to believe that he believes it“
- ↑ a b Janet Maslin: M. Butterfly (1993) – Seduction and the Impossible Dream. In: The New York Times. 1. Oktober 1993, abgerufen am 10. Oktober 2008 (englisch): „Cronenberg's idea of a dramatically viable situation is a man's metamorphosing into a giant fly […] Mr. Irons performs with such complete conviction that it becomes impossible not to understand his character's bizarre point of view […] as idiosyncratic as Mr. Cronenberg's work always is, is sometimes too flat and ambiguous for its own good. Mr. Lone's portrayal of Liling is most effective when its unnaturalness is clear“
- ↑ Jonathan Rosenbaum: M. Butterfly. In: Chicago Reader. Abgerufen am 11. Oktober 2008 (englisch): „The fundamental problems with David Cronenberg's disastrous 1993 adaptation […] are twofold: the unsuitability of such a premise for film, where the actors and audience no longer share the same space, and the miscasting“
- ↑ Sabine Horst: Leidenschaftsdrama mit Jungfrauen-Geburt. In: Frankfurter Rundschau. 9. Dezember 1993, abgerufen am 12. Oktober 2008 (bei www.davidcronenberg.de).
- ↑ Todd McCarthy: M. Butterfly. In: Variety. 10. September 1993, abgerufen am 11. Oktober 2008 (englisch): „nothing manages to disguise the unfortunate feel of artifice“
- ↑ Roger Ebert: M. Butterfly. In: http://rogerebert.suntimes.com. 8. Oktober 1993, abgerufen am 11. Oktober 2008 (englisch): „erotic impulses are always completely humorless to those who hold them, even though they might seem hilarious to the observer“
- ↑ Chow, S. 111 f., S. 114, S. 116.
- ↑ Richard Corliss: Betrayal in Beijing. In: Time. 4. Oktober 1993, abgerufen am 11. Oktober 2008 (englisch).
- ↑ Reuters: France Pardons Chinese Spy Who Pretended to Be Woman. In: query.nytimes.com. 10. April 1987, abgerufen am 12. Oktober 2008 (englisch).
- ↑ Wadler, siehe Weblinks.
- ↑ M. Butterfly. In: Internet Broadway Database. The Broadway League, abgerufen am 11. Oktober 2008 (englisch).
- ↑ a b c Presseheft, siehe Weblinks.
- ↑ IMDb, siehe Weblinks.
- ↑ M. Butterfly. In: Box Office Mojo, LLC. Abgerufen am 11. Oktober 2008 (englisch).