Motivation
Motivation (lateinisch movere = bewegen; PPP = motum) bezeichnet in den Humanwissenschaften sowie in der Ethologie einen Zustand des Organismus, der die Richtung und die Energetisierung des aktuellen Verhaltens beeinflusst. Mit der Richtung des Verhaltens ist insbesondere die Ausrichtung auf Ziele gemeint. Energetisierung bezeichnet die psychischen Kräfte, welche das Verhalten antreiben. Ein Synonym von "Motivation" ist "Verhaltensbereitschaft".
Ethologie
Der Motivationsbegriff der Ethologie wird im Artikel Handlungsbereitschaft behandelt.
Humanistische Psychologie
Motivklassifikation von Maslow
Abraham Maslow teilt die Motive in fünf Gruppen ein, die hierarchisch aufeinander bezogen sind. Maslows Theorie besagt, dass ein höheres Bedürfnis nur dann aktiviert wird, wenn die niedrigeren Bedürfnisse befriedigt sind. Die fünf Motivgruppen sind:
- Selbstverwirklichung
- Selbstachtung
- soziale Bindungen
- Sicherheit
- Physiologische Bedürfnisse
Obwohl Maslows Klassifikation empirisch kaum belegt ist, ist sie bis heute sehr populär.
Empirische Psychologie
Die empirische Psychologie erklärt Unterschiede in der Wahl von Zielen, in der Ausdauer und in der Anstrengungsbereitschaft durch das Zusammenspiel von Persönlichkeitseigenschaften, aktuellen Zuständen des Organismus und Situationsmerkmalen. Als Methoden kommen vor allem psychologische Testverfahren und Experimente zum Einsatz.
Nach lerntheoretischer Auffassung ist die Motivation abhängig vom Bedürfniszustand des Organismus in Verbindung mit entsprechenden inneren (intraorganismischen) oder äußeren Reizen. Die äußeren Reize können soziale (interorganismische; beim Menschen: interpersonelle) Signale, aber auch Merkmale unbelebter Objekte sein.
Motive
Ein Motiv bezeichnet in der Psychologie eine relativ stabile Persönlichkeitseigenschaft, die durch eine Vorliebe für bestimmte Arten von Zielen zum Ausdruck kommt. Synonym wird oft der Begriff Bedürfnis (engl. need) verwendet. Primäre Motive wie das Nahrungs- und das Kältevermeidungsmotiv, die auf physiologischen Vorgängen beruhen, werden von sekundären Motiven unterschieden, die stärker auf psychologische Prozesse zurückgehen.
Die empirisch am besten erforschten sekundären Motive sind das Leistungsmotiv, das Machtmotiv und das Anschlussmotiv. Das Leistungsmotiv ist definiert als Bedürfnis, sich mit einem Gütemaßstab auseinanderzusetzen, das Machtmotiv als ein Bedürfnis, Einfluss auf andere Menschen auszuüben, und das Anschlussmotiv als ein Bedürfnis nach positiven sozialen Beziehungen. Sekundäre Motive werden traditionell mit dem Thematischen Auffassungstest (TAT) gemessen.
Nach traditioneller Auffassung wird das Motiv einer Person durch thematisch entsprechende Anreize in der Umwelt "angeregt". Das Leistungsmotiv wird etwa dann angeregt, wenn die Person die Aussicht hat, sich mit einem Gütemaßstab messen zu können. Dies führt zu einer Motivation, den Anreiz aufzusuchen oder zu meiden.
Moderne Motivklassifikationen
Reiss-Modell
McDougall hatte 1932 eine Liste von 18 Basismotiven vorgeschlagen. Es folgten weitere Ansätze verschiedener Autoren mit Listen relevanter Motive in der Humanpsychologie. Erst die Arbeit des amerikanischen Motivationsforschers Steven Reiss, Prof. Dr. für Psychologie und Psychiatrie an der State Universität in Ohio, basiert jedoch auf einer umfangreichen empirischen Absicherung, die das menschliche Verhalten auf 16 relevante Lebensmotive zurückführt. Nach der im Jahr 2000 veröffentlichten Untersuchung mittels Befragung von über 6.000 Männern und Frauen aus den USA, Kanada und Japan entwickelte er eine komplexe, nicht hierarchische Odnung der Grundmotive des Menschen, die anschließend relativ populär geworden ist:
- Macht (Streben nach Erfolg, Leistung, Führung)
- Unabhängigkeit (Streben nach Freiheit, Autarkie)
- Neugier (Streben nach Wissen und Wahrheit)
- Anerkennung (Streben nach sozialer Akzeptanz, Zugehörigkeit und positiven Selbstwert)
- Ordnung (Streben nach Stabilität, guter Organisation)
- Sparen (Streben nach dem Anhäufen materieller Güter)
- Ehre (Streben nach Loyalität und charakterlicher Integrität)
- Idealismus (Streben nach sozialer Gerechtigkeit und Fairness)
- Beziehungen (Streben nach Freundschaft, Kameradschaft, Humor)
- Familie (Streben nach eigenen Kindern, Familie)
- Stand (Streben nach Reichtum, social standing)
- Rache (Streben nach Konkurrenz, Kampf, Vergeltung)
- Romantik (Streben nach erotischem Leben, Sexualität und Schönheit)
- Ernährung (Streben nach Essen und Nahrung)
- Körperliche Aktivität (Streben nach Fitness und Bewegung)
- Ruhe (Streben nach Entspannung und emotionaler Sicherheit)
Haben Partner beispielsweise ungefähr die gleichen Einstellungen zu den meisten dieser Lebensmotive, passen sie am besten zusammen. Die Zeitschrift "Psychologie Heute" (Andreas Huber) schrieb im März 2001 dazu: "Das neue Motivations- und Persönlichkeitsmodell wurde von namhaften amerikanischen Psychologen als "bahnbrechend" beurteilt. Das Konzept soll nun an mehreren US-Universitäten weiter untersucht und praktisch erprobt werden, auch an der renommierten Harvard-Universität hat sich eine Arbeitsgruppe zur Erforschung des "Reiss-Profils" gebildet."
Neurolinguistische Programmierung
Etwa 40 weitere Motivatisonstrategien hat die Neurolinguistische Programmierung in den vergangenen 30 Jahren hervorgebracht. Diese können eindimensional, also jedes für sich, oder mehrdimensional, also in Kombination miteinander verwendet werden, finden jedoch in der universitären Standardliteratur kaum Erwähnung. Im Bereich der Arbeits- und Organisationspsychologie greifen Personalentwickler mitunter jedoch auf die sog. "Meta-Programme" zurück.
Neuere Motivationstheorien
Erwartungs-mal-Wert-Modelle
Seit der sog. Kognitiven Wende wird Motivation oft als eine multiplikative Verknüpfung von Erwartung und Wert konzipiert. Gemäß diesen Erwartungs-mal-Wert-Modellen geht Motivation auf die Erwartung bestimmter Handlungsergebnisse und Handlungsfolgen sowie auf deren (positive oder negative) Bewertung zurück.
Primär- und Sekundärmotivation
In der Pädagogik wird unterschieden zwischen Primärmotivation (intrinsisch) und Sekundärmotivaton (extrinsisch).
Als primär oder intrinsisch wird demnach die von innen kommende Motivation bezeichnet, also Antrieb aus Interesse oder Drang zu der Sache an sich (z.B. der angeborene Trieb etwas zu lernen, einer befriedigenden Tätigkeit nachzugehen oder sich fortzupflanzen). Die Forschung zur autotelischen oder intrinsischen Motivation hat gezeigt, dass der Anreiz für eine Handlung nicht nur in einer erwarteten äußeren (extrinsischen) Belohnung, sondern auch in positiven Erfahrungen während der Tätigkeit selber bestehen kann. Ein solcher Tätigkeitsanreiz kann unter anderem das Flow-Erleben sein.
Die sekundäre oder extrinsische Motivation beruht dem gegenüber auf dem Streben nach Belohnung bzw. Anerkennung respektive der Bemühung eine Bestrafung zu vermeiden (je nach Richtungs-sort, siehe Meta-Programme). Diese Motivation ruft häufig nach immer höherer Belohnung und kann unter Umständen sogar destruktiv wirken: 'Ich lasse mich doch nicht zwingen!' Oder: 'Ich wollte ihr/ihm doch eine Freude machen und jetzt zahlt er dafür!' Extrinsische Belohnungen können unter Umständen die Motivation schmälern, wenn bereits intrinsische Motivation vorhanden war. Dies wird als Korrumpierungseffekt bezeichnet. Intrinsische Motivation kann durch das Erleben von Autonomie, von eigener Kompetenz und von positiven sozialen Beziehungen gefördert werden.
Wenn immer möglich, sollte versucht werden die Primärmortivation zu fördern. Dies wird zum Beispiel durch gezieltes Nachfragen der inneren Visionen ermöglicht und durch Übertragung von Kompetenzen oder Vorbilder bzw. durch das Schaffen einer geeigneten Lernumgebung (Montessori-Pädagogik). In der Arbeitspsychologie gilt verkürzt: Der richtige Mann am richtigen Platz.
Motivation und Kausalattribution
Die Attributionstheorie hat gezeigt, dass die zugeschriebene Lokation und Stabilität von Erfolg und Misserfolg eigener Handlungen die affektiven Handlungsfolgen sowie die Erwartung zukünftigen Erfolgs beeinflusst. Wird Misserfolg etwa auf mangelnde Fähigkeit zurückgeführt, so sind negative Affekte und die Erwartung weiteren zukünftigen Misserfolgs die Folge.
Rubikon-Modell
Ein einfache eindimensionales Motivationsmodell bezeichnet eine "Schwellenmotivation" beim Überschreiten einer imaginären Grenze. Diese "Rubikon-Motivatonsstrategie" erhielt ihren Namen vom Angriff Gaius Julius Cäsars gegen Rom zu Zeiten des Bürgerkrieges. Als er mit seinem Heer den Fluss Rubikon überschritt (Alea iacta est!), gab es für sie kein Zurück mehr. Das war allen Soldaten klar und ging als "Motivationskonzept" in die Psychologie ein. Das entsprechende Rubikon-Modell der Handlungsphasen von Heinz Heckhausen teilt den Handlungsstrom in vier Phasen ein, die mit
- Abwägen
- Planen
- Handeln und
- Bewerten
bezeichnet werden. Besonderes Gewicht liegt auf der Unterscheidung der Phasen des Abwägens und des Planens, die durch die Intentionsbildung getrennt sind. Während vor der Intentionsbildung Informationen über Erwartung und Wert von Handlungsergebnissen und Handlungsfolgen unvoreingenommen berücksichtigt werden, ist die Informationsverarbeitung nach der Intentionsbildung parteiisch auf die Erhaltung und Realisierung der Intention ausgerichtet. Dies führt Heckhausen auf volitionale Prozesse zurück.
Ein- und Mehrdimensionale Motivationsmodelle
In der Neurolinguistischen Programmierung werden eindimensionale von mehrdimensionalen Modellen unterschieden. Ein Beispiel für ein eindimensionales Modell ist die Unterscheidung von Primär- und Sekundärmotivation.
Die etwas komplexeren mehrdimensionalen Modelle greifen auf bekannte ein- oder zweidimensionale Modelle zurück und kombinieren diese in einer Matrixübersicht, zumeist mit zwei Betrachtungsebenen zu je zwei polaren Ordnungsbegriffen.
Beispiele:
X-Achse:
- Kundenorientierung / Sachorientierung
Y-Achse:
- Abschlussorientierung / Beratungsorientierung
oder:
X-Achse:
- Social standing/ Idealismus
Y-Achse:
- Primärmotivation / Sekundärmotivation
Je nachdem, welche Prägung vorliegt, bildet die jeweilige Motivationsstrategie das Probanden ein bestimmtes Flächendiagramm in dieser Matrix ab.
Anwendungen der Motivationspsychologie
Die Erkenntnisse der Motivationspsychologie spielen in folgenden angewandten Bereichen eine Rolle:
- Soziale Beziehungen: Generell bilden die individuellen Motivationsstrategieen der Menschen eine wesentliche Grundlage für das subjektive Empfinden von Sympathie und Antipathie. Liegen ähnliche Bedürfnislagen vor, finden sich leicht Partnerschaften.
- Arbeits- und Organisationspsychologie: Die Motivation der Mitarbeiter ist häufig ein entscheidender Faktor für die Produktivität einer Firma oder Behörde.
- Gesundheitspsychologie: Motivationale Faktoren haben Einfluss auf präventives Gesundheitsverhalten und auf die Compliance.
- Klinische Psychologie: Motivationale Faktoren werden zur Erklärung psychischer Störungen, z.B. der Depression, herangezogen.
- Pädagogische Psychologie: Die Motivation von Schülern und Lehrern hat Auswirkungen auf den Schulerfolg.
- Sportpsychologie: Die Motivation von Sportlern hat Auswirkungen auf die Leistung.
- Lernen durch Lehren: Bedürfnistheoretisch begründete Unterrichtsmethode
Literatur
- Heckhausen, Heinz: Motivation und Handeln, 1989, Berlin: Springer, ISBN 3540507469
- Kehr, Hugo: Motivation und Volition, 2004, Göttingen: Hogrefe, ISBN 3801718212
- Maier, Corinne: Die Entdeckung der Faulheit, 2005, ISBN 3442301130
- Rheinberg, Falko: Motivation, 2004, 5. Auflage, Stuttgart: Kohlhammer. ISBN 3170184644
- Sprenger, Reinhard K.: Mythos Motivation. Wege aus einer Sackgasse, 1997, 12. Auflage, Frankfurt a.M.: Campus. ISBN 3593344998