Nichtanwendungserlass
Ein vom Bundesfinanzministerium veröffentlichter Nichtanwendungserlass weist die Finanzverwaltung an, die Grundsätze eines Urteils des Bundesfinanzhofes (BFH) nur in dem konkret entschiedenen Sachverhalt zu berücksichtigen und nicht auf vergleichbare Fälle analog anzuwenden. Diese Vorgehensweise findet ihre Anwendung vor allem bei Urteilen, die für den Steuerzahler günstig sind.
Die Praxis der Nichtanwendungserlasse wird von verschiedenen Seiten kritisiert, da sie - so der Vorwurf - die Rechtsprechung der Finanzgerichtsbarkeit faktisch aushebelt. In den Jahren 1998-2003 erging zu etwa jedem sechzigsten BFH-Urteil ein Nichtanwendungserlass. Ca. 80% dieser Urteile waren finanziell vorteilhaft für den Steuerzahler.
Die Bundesregierung rechtfertigt ihr Vorgehen mit der sich aus Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes ergebenden Berechtigung und Verpflichtung, die Allgemeingültigkeit der jeweiligen Urteile zu prüfen. Fiskalische Gründe seien keinesfalls das Motiv für Nichtanwendungserlasse. Diese Stichhaltigkeit dieses Arguments wird von Kritikern mit dem Hinweis darauf angezweifelt, dass es Nichtanwendungserlasse praktisch nur in der Finanzgerichtsbarkeit gibt, nicht aber in den anderen Gerichtsbarkeiten. Sofern die Bundesregierung aus dem Grundgesetz eine Verpflichtung herleite, müsse sie dieser auf alle Gebiete des Rechts nachkommen.