Neutralität des Geldes
Die Neutralität des Geldes ist ein Begriff aus der Volkswirtschaftstheorie. Nach klassischen und neoklassischen Vorstellungen besteht eine Dichotomie (griech. Zweiteilung) zwischen dem realen und monetären Sektor der Volkswirtschaft. Störungen, die im monetären Sektor auftreten, übertragen sich nicht auf den realwirtschaftlichen Bereich.[1]
Unter neoklassischen Vorstellungen versteht man hier die Analyse der Verteilung der Güter auf die Konsumenten bei gegebener Faktormenge und das Problem der Allokation. [1]
Weiterführende Definition
Da eine Zweiteilung zwischen dem realen und monetären Sektor besteht, ist Geld hinsichtlich der realwirtschaftlichen Größen neutral, da es nur die Tauschmittelfunktion erfüllt. Es wird somit die Höhe des realen Volkseinkommens und die der relativen Preise der Güter und Faktoren durch reale Vorgänge festgelegt.[1] D.h., bei einem proportionalen Anstieg der nominalen Preise und Löhne werden keine realwirtschaftlichen Veränderungen erzeugt.[2]
In der makroökonomischen Theorie sind zur Erklärung, wie sich die Veränderung der nominalen Geldmenge auf die nominalen Variablen auswirkt, zwei wesentliche Grundgedanken entwickelt worden:
Der erste Ansatz, die sog. „Neue Klassische Makroökonomie“, leitet die Nichtneutralität des Geldes auf vollkommenen Märkten, d.h., Unternehmer und Individuen verhalten sich gewinn- bzw. nutzenmaximierend, ab. Da die Wirtschaftssubjekte ihren Nutzen maximieren möchten, jedoch nur über unvollkommene Informationen verfügen, kommt es vor, dass diese eine relative Preiserhöhung zu ihren Gunsten mit einer generellen Preiserhöhung verwechseln und dies erst später bemerken, indem sie ihre Produktion an dem wahren Relativpreisverhältnis ausrichten.[2]
Der zweite Ansatz erfasst im Wesentlichen die makroökonomischen Modelle keynesianischer Provenienz (Herkunft, Abstammung, Ursprung). Eine Erhöhung der nominalen Geldmenge führt in diesem Modell zu einem unterproportionalen Anstieg des Preisniveaus. Hierbei kommt es zu einer Ausdehnung des gesamtwirtschaftlichen Güterangebots und der gesamtwirtschaftlichen Güternachfrage, da ein Rückgang des Reallohnsatzes und ein Anstieg der realen Geldmenge stattfindet.[2]
Neutralität des Geldes nach Friedrich v. Hayek
Eine der allgemeinsten Definitionen der Geldneutralität geht auf Friedrich v. Hayek (1933) zurück: „Ein Geld ist dann neutral, wenn die Geldsphäre keinen Einfluss auf die Gütersphäre hat.“ Laut Hayek müssen dazu mindestens die folgenden Bedingungen erfüllt sein:
1. Quantitative Neutralität: Die Geldmenge hat keinen Einfluss auf die realen Größen einer Volkswirtschaft.
2. Zeitneutralität: Das Geld hat keinen Einfluss auf die individuellen Zeitpräferenzen der Wirtschaftssubjekte.
3. Verteilungsneutralität: Das Geld selbst hat keinen Einfluss auf die Primärverteilung des Volkseinkommens.[3]
Neutralität des Geldes nach John M. Keynes
Die moderne Theorie zur Geldnachfrage begründete John M. Keynes. Der 1883 in Cambridge, England, geborene Sohn eines Ökonomieprofessors entwarf mit Hilfe anderer Ökonomen sein Hauptwerk zur „Allgemeinen Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes“ und veröffentlichte dies 1936. Nach seiner Auffassung führen flexible Preise und Löhne nicht automatisch zur Vollbeschäftigung.
Keynes zeigte, dass bei Unterbeschäftigung Produktion und Beschäftigung in einer Volkswirtschaft durch die Nachfrage nach Gütern begrenzt wird, während ihre von der herrschenden Theorie betonte Begrenzung durch die vorhandenen Ressourcen und ihren effizienten Einsatz nur bei Vollbeschäftigung gilt. Für die Bestimmung der Güternachfrage sind die Kreislaufzusammenhänge zentral und für die Investitionsentscheidungen spielen die Unsicherheit der Zukunft und die Erwartungen eine viel größere Rolle als in der herrschenden Theorie angenommen. Außerdem erhält die Geld- und Fiskalpolitik einen hohen Stellenwert. Diese „Keynes’sche Revolution“ stieß weltweit auf große Resonanz, die zwischen enthusiastischer Zustimmung und schroffer Ablehnung variierte und bestimmte für Jahrzehnte die Diskussion über gesamtwirtschaftliche Fragen.[4]
Die keynesianische Geldnachfragetheorie
Keynes unterscheidet drei Motive für die Geldnachfrager im IS/LM-Modell, wobei er von einer strikten Trennung der Einflussfaktoren einzelner Teilgeldnachfragefunktionen ausging:
1. Das Umsatzmotiv als Geldnachfrage zum Zwecke der Finanzierung von Transaktionsmitteln, wobei der Bedarf an Geld für Umsatzzwecke vom Transaktionsvolumen abhängig ist. [5]
2. Das Vorsichtsmotiv als Geldnachfrage zum Schutz vor dem Risiko der Illiquidität, da der Konsument keine Aussage über Ein- und Auszahlungen bzgl. der Höhe und der Zeit machen kann.[5]
3. Das Spekulationsmotiv als Geldbedarf im Finanzsektor.[5]
Die postkeynesianische Geldnachfragetheorie
Eine Erweiterung der keynesianischen Theorie von Keynes erfolgte durch James Tobin und William Baumol, da hier der für die Verwischung der Grenzen zwischen Transaktionskasse und Spekulationskasse verantwortliche Faktor, der Zinssatz, in beiden Teilnachfragen, nämlich die Spekulationskasse und die Transaktionskasse, eingeht.[5]
Bezug zum AS/AD-Modell
Die neoklassische Behauptung, sinkende Preise und Löhne führten zu mehr Beschäftigung, wird oft mittels des AS/AD-Modells abgeleitet und durch eine steigende gesamtwirtschaftliche Angebotskurve und einer fallenden gesamtwirtschaftlichen Nachfragekurve dargestellt.
Aus der Grafik lässt sich folglich ableiten, dass bei einer geringeren Nachfrage im Vergleich zum Angebot eine Senkung des Preisniveaus ausreicht, damit beide Kurven bei einer höheren Produktion zum Ausgleich kommen.[4]
Das kurzfristige Gleichgewicht liegt im Schnittpunkt der beiden Funktionen, also in Punkt A, da sich hier alle Märkte im AS-AD-Gleichgewicht befinden. In Punkt B verläuft die aggregierte Angebotskurve, denn es gilt: und .
Kritik
Geld ist nach Karl Marx und Keynes von Anfang an ein notwendiger Bestandteil des kapitalistischen Wirtschaftssystems und damit auch für die Produktionssphäre relevant – es ist nach der Geld- und Kredittheorie von Marx sowie auch von Keynes alles andere als neutral.[7]
Von der Seite der Österreichischen Schule wird eingeworfen, dass - wie der sogenannte Cantillon-Effekt zeigt, die Erstbesitzer von neugeschaffenem Geld stärker davon profitieren als spätere Besitzer, da da erstere noch zu alten Preisen einkaufen können, letztere aber das neue Geld erst zu den hohen Preisen nutzen können. Da zu Richard Cantillons Zeit Geld noch aus Gold und Silber bestand, sah er die Minenbesitzer und deren Umfeld als Begünstigte einer Geldmengenerweiterung, heutzutage ließe sich dieser Umstand auf Banken und bankennahe Kreise übertragen.
Einzelnachweise
- ↑ a b c Vgl. Gablers Wirtschaftslexikon, Band L-O, 16. Auflage, Wiesbaden 2005.
- ↑ a b c Vgl. Müller, Jens: Unvollkommene Güter- und Arbeitsmärkte in makroökonomischen Modellen, Band 33, Hamburg 1997, S. 13 f.
- ↑ Vgl. Olah, Norbert: Die soziale Frage: Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit Abgerufen: 25. März 2008.
- ↑ a b Vgl. Von der neoklassischen Synthese zur AS/AD-Analyse Abgerufen: 25. März 2008.
- ↑ a b c d Vgl. Borchert, Manfred: Geld und Kredit, 8. Auflage, Oldenbourg 2003, S. 116 ff.
- ↑ In Anlehnung an Blanchard/Illing: Makroökonomie, 3. Auflage, München 2004, S. 213 f.
- ↑ Vgl. Bin Hahn, Young: Die Geldtheorie von Marx und Keynes Abgerufen: 25. März 2008.
Literaturverzeichnis
- Blanchard/Illing: Makroökonomie. 3. Auflage, München 2004, ISBN 3-8273-7051-5.
- Manfred Borchert: Geld und Kredit. 8. Auflage, Oldenbourg 2003, ISBN 3-486-27420-1.
- Gablers Wirtschaftlexikon. 16. Auflage, Wiesbaden 2005, ISBN 3-409-10386-4.
- Jens Müller: Unvollkommene Güter- und Arbeitsmärkte in makroökonomischen Modellen. Band 33, Hamburg 1997, ISBN 3-86064-609-5.
Weblinks
- www.fu-berlin.de - Digitale Dissertation von Young Bin Hahn
- www.keynes-gesellschaft.de