Justinian I.

Justinian I., genannt "der Große" (*ca. 482 in Tauresium † 14. November 565 in Konstantinopel) war oströmischer bzw. byzantinischer Kaiser von 527 bis 565.
Justinian gilt als einer der bedeutendsten Herrscher der ausgehenden Spätantike. Seine Regierungszeit markiert eine wichtige Stufe des Übergangs von oströmischer hin zu byzantinischer Geschichte und somit den Übergang von römischer Tradition zu byzantinischer Regierung. Im Zuge dieser Entwicklung wurde 542 vom Kaiser etwa das altrömische Amt des Konsuls aus Kostengründen (?) abgeschafft. Auch die noch stärker hervortretende Sakralisierung des Kaisertums zerstörte die letzten Reste der vom Prinzipat geschaffenen Illusion, dass der Kaiser nur ein primus inter pares sei. Heftige Kritik an der Politik Justinians äußerte allerdings bereits der Historiker Prokopios von Caesarea, dessen Werke die wichtigste Quelle für die Zeit Justinians darstellen.
Allgemeines zur Person Justinians
Flavius Petrus Sabbatius Justinianus war ein ungefähr 482 geborener Bauernsohn thrakischer Herkunft (und nicht, wie manchmal behauptet, slawischer, da der Name Sabbatius thrakischen Ursprungs ist) aus dem Dorf Tauresium bei Skopje. Seine Muttersprache war das Lateinische, was wohl mit ein Grund für seine starke "Westorientierung" war. Justinian war ein Neffe des Kaisers Justin I., der im kaiserlichen Heer Karriere gemacht hatte und schließlich zum Kaiser gewählt wurde. Schon zu Lebzeiten seines Onkels, der ihn früh als Nachfolger einsetzte (dabei ist aber zu beachten, dass das Kaisertum formal nicht erblich war) und vermutlich adoptierte, beherrschte Justinian offenbar die Reichspolitik. Im April 527 wurde er zum Mitkaiser erhoben, im August dann nach Justins Tod zum Alleinherrscher. Er war verheiratet mit der Kaiserin Theodora I. und blieb kinderlos. Justinian I. starb am 11. oder 14. November 565 in Konstantinopel.
Außenpolitik
Justinians Politik strebte offenbar die Wiederherstellung der Macht des Kaiserreiches über die spätantike Ökumene nach römischem Vorbild an (Restauratio imperii). Ob diese bereits von langer Hand geplant war oder erst nach nach den Erfolgen von Justinians Feldherr Belisar über die Vandalen 534 zu einer Ausprägung der justinianischen Politik wurde, ist in der Forschung umstritten. Unter Justinian, der als letzter Kaiser Latein als Muttersprache sprach, wurden große Teile des alten Römischen Imperiums zurückerobert und Byzanz wurde ein Weltreich. Die Kriege Justinians wurden vom Historiker Prokopios von Caesarea in seinem Geschichtswerk (Bella) eingehend geschildert.
Perserkriege
Der Krieg gegen die persischen Sassaniden war ein Erbe aus der Regierungszeit seines Vorgängers Justin I. Der Kriegsschauplatz erstreckte sich dabei vom Kaukasus (vor allem in Armenien und um die wichtige Festung Petra am Schwarzen Meer, wo Justinians General Sittas bis zu seinem Tod 539 sehr erfolgreich operierte), bis nach Mesopotamien. In Mesopotamien konnte Belisar 530/531 als Magister militum per Orientem erste Erfolge erzielen (bei Dara), musste aber auch Niederlagen erleiden (wie bei Callinicum). Mit dem sassanidischen König Chosrau I. schloss Justinian 532 einen von hohen (aber einmaligen) Zahlungen an die Perser begleiteten Waffenstillstand, den so genannten "ewigen Frieden". Diese Ruhe im Osten machte erst Justinians Westpolitik einer Restauratio imperii möglich, da die Ressourcen Ostroms bereits stark beansprucht waren.
540 brachen die Kämpfe allerdings erneut aus (laut Prokopios von der Sorge Chosraus ausgehend, dass ein erneuertes Römerreich stärkere Ressourcen gegen Persien mobilisieren könnte; eventuell spielte auch ein ostgotisches Bündnisangebot eine Rolle - überdies brach um diese Zeit die Macht der Hephtaliten, die Persien bedroht hatten, zusammen). Justinian scheint bereits 539 von den Angriffsplänen gewusst zu haben, konnte aber nicht rechtzeitig Truppen an den Euphrat entsenden. Die größte Katastrophe für die Römer war zweifellos die Eroberung, Plünderung und anschließende Zerstörung der Weltstadt Antiochia in Syrien, wobei Chosrau gewaltige Schätze (auf die es ihm wohl vor allem ankam) und zahlreiche Gefangene nach Persien überführte, wo sie in einer eigenen Stadt angesiedelt wurden. Die ohnehin zu kleine oströmische Armee (die Mannschaftsstärke betrug laut Agathias nur etwa 150,000 Mann, aber diese Angabe muss mit Vorsicht behandelt werden) musste nun einen Zweifrontenkrieg führen: gegen die Ostgoten in Italien und gegen die Perser im Osten. Überdies war der Balkanraum durch Plünderungszüge der Avaren und Slaven bedroht.
Der wichtigste Streitpunkt und ein Zentrum der Kampfhandlungen zwischen Römern und Persern war vor allem Lazika, ein kleines Königreich am Schwarzen Meer, identisch mit dem früheren Kolchis. Der Krieg sollte bis 561/62 andauern (unterbrochen von einem Waffenstillstand, der sich bezeichnenderweise nicht auf Lazika bezog) und die Ressourcen Ostroms stark strapazieren. Da sich bald ein militärisches Patt entwickelte und sich die Perser um 560 mit einem neuen Feind, den Türken, konfrontiert sahen, waren sie 562 zum Frieden mit den Römern bereit und überließen diesen Lazika - Justinian hatte die Ostgrenze also letztlich doch halten können, wenngleich er nun den Persern jährlich "Tribut" zahlen musste.
Vandalenkrieg
Der Krieg gegen das Vandalenreich in Nordafrika (etwa deckungsgleich mit dem modernen Tunesien, siehe auch Africa) begann ursprünglich als eine Strafexpedition. Der dem Katholizismus nicht feindlich gesonnene arianische König Hilderich war abgesetzt und durch Gelimer ersetzt worden. Justinian bestand nun auf die Wiedereinsetzung Hilderichs, was aber strikt abgewiesen wurde. Den Charakter eines regelrechten Eroberungskampagne erhielt der Feldzug wohl erst im Nachhinein.
Belisar begann schließlich in den Jahren 533/34 mit einem nur ca. 15,000 Mann starken Heer den Feldzug, der innerhalb kürzester Zeit abgeschlossen war. Hilfreich dabei war, dass der Vandalenkönig Teile seiner Streitkräfte nach Sardinien beorderte, um eine dortige Revolte niederzuschlagen, und auch nicht mit einem Angriff der Oströmer gerechnet hatte. Belisar besiegte die Vandalen bei Ad Decimum und Tricamarum. Am 15. September 533 fiel Karthago. Belisar nahm auch den Vandalenkönig Gelimer gefangen und führte ihn bei seinem "Triumphzug" durch Konstantinopel. Vermutlich entstand erst jetzt der Plan, auch Italien wieder der direkten kaiserlichen Herrschaft zu unterwerfen. Allerdings kam es in Africa schon bald wieder zu Kämpfen mit den Berbern, die einen ständigen Unruheherd darstellten, und auch zu mehreren Meutereien der oströmischen Garnisonstruppen. Doch letztlich erlebte Africa um 600 offenbar noch einmal eine bescheidene Blüte und blieb immerhin bis 698 römisch.
Gotenkriege
Die Kämpfe in Italien gegen die Ostgoten erwiesen sich als langwieriger als erwartet. Hintergrund für das Eingreifen Ostroms bildeten die Intrigen und Thronkämpfe nach dem Tod Theoderichs des Großen. Seine Tochter Amalasuntha suchte eine Anlehnung an Byzanz, während Theoderichs Neffe Theodahat seine eigene Position stärken wollte. Nach dem Tod von Amalasunthas jungem Sohn gelang es Theodahat die Königswürde zu erlangen. Die Spannungen führten schließlich 535 zum offenen Krieg. Ein oströmischer Angriff auf Dalmatien scheiterte, während Belisar Sizilien und bald darauf Neapel einnehmen konnte. Theodahat versagte vollkommen, worauf er von Witichis abgelöst wurde. Dieser organisierte den Widerstand recht erfolgreich, verlor aber Ende 536 Rom an Belisar. Versuche, die Stadt wieder zu erobern scheiterten. Es kam zu schweren Kämpfen, die sehr wechselhaft verliefen und für die Bevölkerung Italiens mit großen Lasten verbunden waren. So wurde das von oströmischen Truppen eroberte Mailand 538 von den Ostgoten grausam zurückerobert; zudem kam es zu Hungersnöten im Land.
Im Mai 540 fiel das von Belisar belagerte Ravenna. Ostgotische Adlige hatten ihm die Kaiserwürde im Westen angeboten, und Belisar war darauf eingegangen. Die Stadt fiel und Witichis wanderte in die Gefangenschaft, wo er 542 im Range eines Patricius verstarb. Ob Belisar die Kaiserwürde nur zum Schein annahm ist unklar, aber wohl am wahrscheinlichsten. Dennoch erweckte dies den Argwohn Justinians, der seinen Generälen ohnehin nie recht traute.

Durch die hohen Steuerlasten kam es in Italien jedoch bald darauf zu Aufständen, wobei sich der 542 in Pavia zum neuen König erhobene Totila (eigentlich Baduila), als ein kluger Stratege erwies (Propagandakampagne, Bau einer Flotte). Nur kleine Truppenteile wurden Belisar, der 544 wieder das Kommando des italischen Kriegsschauplatzes übernommen hatte, zur Niederschlagung der Rebellion zur Verfügung gestellt, da Justinian seinem besten General nicht recht vertraute. Der so genannte zweite Gotenkrieg (541/42 bis 552) erwies sich als noch härter als der vorangegangene. Ende 546 fiel Rom an Totila, der es jedoch bald darauf wieder verlor. Die Kämpfe erstreckten sich über ganz Italien und wurden mit großer Grausamkeit geführt. 549 wurde Belisar, dem Prokopios von Caesarea während des Feldzuges zahlreiche Versäumnisse vorwarf, abberufen und durch seinen Konkurrenten Narses ersetzt. Totila nahm derweil 550 Rom ein zweites Mal ein, konnte sich aber nicht behaupten. Dieser Krieg ruinierte auch die wohlhabende weströmische Senatsaristokratie, die bis dahin ein Träger der antiken Kultur gewesen war. Zum Ende des Jahrhunderts sollte der Senat dann aus den Quellen verschwinden.
Narses gelang es Anfang Juni 552, das wieder gotische Ravenna zu erobern und bald darauf die Goten unter Totila bei Busta Gallorum zu schlagen; Totila fiel dabei, womit das gotische Heer seinen Strategen verloren hatte. Unter Teja stellten sich die Goten im Oktober 552 wohl am Vesuv noch einmal zum Kampf, den sie aber ebenfalls verloren. Einzelne gotische Garnisonen konnten sich noch einige Jahre halten, der Krieg war damit jedoch entschieden.
Italien wurde wie zuvor Africa wieder einem römischen Praefectus praetorio unterstellt; das Land jedoch war verwüstet. Die Pragmatische Sanktion, mit der es 552 wieder ins Imperium Romanum eingegliedert wurde, schaffte fast alle Ämter ab, die zuvor von weströmischen Senatoren besetzt worden waren, und trug damit noch zusätzlich zum Verschwinden dieser Aristokratie bei. Bald nach Justinians Tod fielen die Langobarden in Italien ein - eventuell im Zusammenhang mit einem gescheiterten Versuch des Narses, sie als Foederaten anzusiedeln - und nahmen es zum größeren Teil in Besitz. Ravenna fiel aber erst 751 in ihre Hände.
Sonstige Außenpolitik
Der Balkan kam, was an sich nicht ungewöhnlich war, während der ganzen Regierungszeit Justinians nicht zur Ruhe. Immer wieder fielen Bulgaren und Hunnen ein, da das Festungssystem sich aufgrund der mangelnden Mannschaftsstärke als nicht ausreichend erwies, um die Sicherheit Thrakiens zu gewährleisten. Ab etwa 560 gingen die Slawen langsam zur dauerhaften Landnahme über.
In Spanien konnte Justinian 552 in Folge von inneren Wirren im Westgotenreich dessen südliche Region um Córdoba und Gibraltar in Besitz nehmen. Dieser Raum blieb knapp 80 Jahre oströmisch.
Es gelang außerdem, Kontakte mit dem christlichen Äthiopien zu knüpfen, welches im Jemen intervenierte, sehr zum Verdruss der Sassaniden, die in dieser Region eigene Interessen verfolgten. Aus dem Kaiserreich China konnten Seidenraupen eingeführt werden, was sich später zu einem wichtigen finanziellen Faktor entwickelte. Mit den Franken und Hunnen kam es immer wieder zu Kämpfen, die aber nicht entscheidend waren.
Innenpolitik
Allgemeines
Justinian war ein "schlafloser Kaiser", der sich um viele Belange persönlich kümmerte. Seine Rechtskodifikation war bahnbrechend und sollte bis in die Neuzeit nachwirken. Allerdings musste er auch Rückschläge wie den unten besprochenen Nika-Aufstand hinnehmen. Seinen Berater Johannes der Kappadokier musste er 541 fallen lassen, da dessen Macht von dem Kaiserpaar, aber vor allem von Theodora, als Gefahrenfaktor eingestuft wurde. Justinian sorgte sich auch um die Städte und die Provinzverwaltung und, vor allem in seiner zweiten Regierungshälfte, um theologische Fragen.
Allerdings belasteten die Kriege die Staatsfinanzen. Dies, die ungebremste Bauwut und die Folgen der Pestepidemie, sorgen für immer höhere Belastungen, was schließlich zu einer teilweisen Verelendung der Bevölkerung führte.
Nika-Aufstand
Das innenpolitisch markanteste Ereignis seiner Regierungszeit war der so genannte Nika-Aufstand in Konstantinopel im Jahre 532, bei dem die Zirkusparteien der Blauen und Grünen verärgert durch Justinians Bestrebungen ihre Macht einzuschränken, sich zusammenschlossen und einen Gegenkaiser ausriefen. Während Justinian die Lage als verloren ansah, weigerte sich (nach Prokopios) Justinians Frau Theodora, eine ehemalige Zirkusartistin, aus der Hauptstadt zu fliehen. Durch Verhandlungen des Hofkämmerers Narses mit den Aufständischen und durch Belisars Einfall mit kaisertreuen Truppen ins Hippodrom, wo sich die Aufständischen versammelt hatten, konnte der Aufstand blutig niedergeschlagen werden.
Die Pest und ihre Folgen
Seit 541 tobte die Pest im ganzen Reich, woran wohl auch Justinian selbst erkrankte und sein wichtigster Jurist Tribonian sogar verstarb. Die Folgen waren weitreichend: Es kam zu Hungersnöten, und es entwickelte sich eine Endzeitstimmung, die durch andere Faktoren wie Kriege und zahlreiche Erdbeben noch verstärkt wurde. Vielleicht als Folge der Katastrophen wandte sich Justinian verstärkt theologischen Fragen zu. Es kam zu einer Zäsur in seiner Regierungszeit, seine Politik war, auch bedingt durch die Rückschläge in den Kriegen, weit weniger dynamisch als zu Beginn.
Rechtskodifikation
Eine der größten Leistungen Justinians war die Kodifikation des römischen Rechts. 529 wurde der aus früheren privaten und öffentlichen Sammlungen kompilierte Codex Justinianus veröffentlicht, 533 erschienen die Digesten (auch Pandekten genannt), eine Sammlung von Schriften römischer Juristen, die neben kaiserlichen Gesetzen die zweite Gruppe geltenden Rechts darstellten. Im selben Jahr wurden auch die Institutionen veröffentlicht, eine Art juristisches Lehrbuch. Den Abschluss dieses Corpus Iuris Civilis bildete eine Novellensammlung, in der die nach Erscheinen des Codices veröffentlichten Verordnungen Aufnahme fanden.
Bautätigkeit

Justinian entfaltete eine rege Bautätigkeit, unter anderem ließ er die Hagia Sophia nach einem Brand und später ein zweites Mal nach einem Erdbeben wieder errichten. Auch Antiochia wurde nach einem schweren Erdbeben und der Eroberung durch die Sassaniden 540 wieder aufgebaut. Das Festungssystem wurde stark erweitert, hielt jedoch dem Ansturm der Slawen bzw. der Sassaniden nicht stand. Des weiteren wurde auf seine Anweisung hin die Stadt Justiniana Prima prächtig ausgebaut (entweder handelt es sich dabei um seinen Heimatort, oder um einen in der Nähe liegenden Ortschaft, moderner Name Caricin Grad). Die Bautätigkeiten konnten zudem nur durch fließende Steuern finanziert werden. Die hohe fiskalische Belastung war mit ein Auslöser für den Nika-Aufstand 532.
Religionspolitik
In der Kirche seiner Zeit spielte Justinian eine dominierende Rolle. Justinian verfasste selbst theologische Traktate und leitete Kirchenversammlungen. Eifrig um Christianisierung bemüht, ließ er 529 die Akademie in Athen, einen Hort paganer neuplatonischer Philosophie, schließen - vermutlich um damit den Einfluss des Heidentums auf Wissenschaft und Bildung zurückzudrängen. In der Frage innerkirchlicher Häresien scheiterten Justinians Ausgleichsbemühungen, seine Verurteilung der monophysitischen Lehre, welcher unter anderem selbst Kaiserin Theodora folgte, verschärfte nur die schon existierenden Spannungen zwischen den monophysitischen Kirchen Syriens und Ägyptens und der antimonophysitisch, bzw. chalcedonensisch eingestellten römischen und byzantinischen Kirche.
Justinian ging auch gegen die Heiden vor, vor allem im südlichen Ägypten. Seine harte Religionspolitik führte im Sommer 529 zu einem Aufstand der Samaritaner, einer Splittergruppe des Judentums, in Palästina, der blutig niedergeschlagen wurde. Im Jahre 534 erließ Justinian Gesetze, welche die Rechte der jüdischen Minderheit einschränkten. Der Kaiser persönlich war fromm und ein überzeugter Anhänger der orthodoxen Kirche, der auch als Kaiser die strengen Fastenzeiten strikt einhielt. Der von Justinian verfasste Hymnus, "O einzig-gezeugter Sohn und Wort Gottes" gehört bis heute zur Liturgie der orthodoxen Kirche.
Justianian verfasste das "Liber adversus Origenem" und führte in zehn Punkten nicht-orthodoxe Lehren von Origenes auf, die am lokalen Konzil von Konstantinopel 543 verurteilt wurden. Dies war der Ausgangspunkt des erbittert geführten Dreikapitelstreits.
Er war es auch, der 553 das zweite Konzil von Konstantinopel einberief, das als das Fünfte Ökumenische Konzil in die Geschichte einging, jedoch einen Ausgleich mit den Monophysiten nicht erreichte. Kurz vor seinem Tod entfernte sich der Kaiser dann durch die Propagierung des Aphtartodoketismus selbst wieder von der Orthodoxie.
Grundriss der Rezeptionsgeschichte
Die Bewertung der Regierungszeit Justinians als ein goldenes Zeitalter der Spätantike, wie es noch für die ältere Forschung typisch gewesen ist, wird in der modernen Forschung teilweise in Frage gestellt. Gerade im außenpolitischen Bereich, wo die Erfolge überwiegend nur kurzfristiger Natur waren, aber auch in der Innenpolitik. Tatsächlich hatten die langen Kriege Ostrom erschöpft und zu einem Aderlass an Ressourcen geführt. Die Bewertung seiner Restaurationspolitik ist aber auch heute noch umstritten. Ostrom war am Ende seiner Regierungszeit zweifellos die Vormacht im Mittelmeer, ganz nach dem antiken Reichsideal, allerdings erkauft mit hohen Opfern. Vgl. dazu Vorlage:Lit und Vorlage:Lit. Dennoch brach Justinians Werk erst nach einigen Jahrzehnten endgültig zusammen, und aus dem Oströmischen Reich wurde Byzanz. Kritik am Kaiser hatten aber bereits Zeitgenossen geübt, hier vor allem Prokop in seiner Geheimgeschichte. Dabei ist nach wie vor die Frage zu klären, ob Justinians Politik sich tatsächlich wesentlich von der seiner Vorgänger unterscheidet, und ob sein Agieren nicht in vielem nur als Pragmatismus zu erklären ist.
Einen guten Überblick bezüglich der eschatologischen Erwartungen im "Zeitalter Justinians" (z.B. im Hinblick auf die Pestepidemie und mehrere Naturkatastrophen) gibt Vorlage:Lit. Inwiefern die enttäuschten Parusieerwartungen der Jahre um 500 aber tatsächlich auch für die Zeit um 540 von Bedeutung waren und ob die Quellen, die Meier anführt, wirklich repräsentativ sind, bedarf durchaus noch der weiteren Diskussion.
In theologischen Fragen näherte sich Byzanz unter Justinian bereits dem Mittelalter an. Man wirft Justinian vor, zu einer Verhärtung der Fronten beispielsweise im Zusammenhang mit den Monophysiten beigetragen und somit indirekt die Kraft des Reiches geschwächt zu haben. Der Kaiser selbst, der eine enge Verknüpfung von Kaisertum und Kirche anstrebte, wollte wohl eher das Reich durch eine gemeinsame Religion/Konfession stärken - und wie für die Spätantike typisch, war dabei die Frage nach dem "richtigen" Dogma von entscheidender Bedeutung.
In der orthodoxen Kirche wird Justinian ebenso wie seine Frau Theodora I., der allerdings monophysitische Neigungen nachgesagt wurden, als Heiliger verehrt. Sein Gedenktag ist sein Todestag, der 14. November
Fazit
Justinian ist bis in die jüngste Vergangenheit hinein als eine der leuchtendsten Herrscherfiguren der Spätantike gefeiert worden, und fraglos zählt er neben Diokletian und Konstantin zu den wichtigsten spätrömischen Kaisern. Problematisch scheint jedoch eine grundsätzliche Bewertung zu sein. Unter Justinian wurden die letzten Reste der alten römischen Volkssouveränität (die allerdings schon lange nur mehr auf dem Papier existierte) beseitigt und durch ein konsequentes Gottesgnadentum ersetzt. Allerdings blieb die schweigende Zustimmung (das silention) der Vertreter von Volk und Heer auch unter Justinian unverzichtbare Legitimation der kaiserlichen Herrschaft. In Italien gingen die eroberten Gebiete nach 568 bis auf einige Randgebiete wieder verloren. Im Osten musste das Reich um das nackte Überleben kämpfen und sich den Frieden teuer erkaufen. Dazu erwies sich gerade die Pestepidemie als verheerend. Große Teile des Reiches wurden entvölkert, die finanzielle Kraft dadurch ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen. Allerdings trug der Kaiser an diesen Katastrophen nur teilweise eine Mitschuld.
In den Bereichen der Jurisprudenz und der Religionspolitik war Justinian wegweisend, außenpolitisch waren seine Erfolge jedoch nur kurzfristiger Natur; die von ihm offenbar angestrebte Restauratio imperii war auf Sand gebaut und das Werk zerfiel bereits kurz nach dem Tod des Kaisers. Allerdings erlebte die spätantike Kultur unter Justinian noch einmal eine Nachblüte; Prokopios von Caesarea, Agathias und Coripp verfassten bedeutende Werke in klassischer Tradition. Die Städte des oströmischen Reiches scheinen zumindest bis zur Pest - an der der Kaiser natürlich keine Schuld trug - ebenfalls bis zu einem gewissen Grad floriert zu haben.
Eine Zäsur ist wohl in den 40er Jahren zu sehen. War die Zeit vorher von Dynamik gekennzeichnet (Rechtskodifikation, Bautätigkeit, Restaurationspolitik), folgte nun eine gewisse Agonie, auch bedingt durch die Katastrophen der Pest, der andauernden Kriege im Westen und Osten - zumindest ist dies die Kernthese der vielbeachteten Monographie von Mischa Meier. Allerdings gelangen zwei spektakuläre aussenpolitische Erfolge - der Sieg über die Ostgoten und die teilweise Eroberung Spaniens - noch am Anfang der 550er Jahre, so daß man den Einschnitt der Jahre um 542 vielleicht nicht überbewerten sollte.
In der Zeit Justinians wurde in vielen Bereichen der Weg für das byzantinische Reich bereitet, auch wenn dies noch ein langer Prozess war. Insbesondere zu Beginn seiner Regierung war das Reich noch spätrömisch, zum Ende hin sind frühbyzantinische Züge (gerade im religiösen Bereich) deutlich zu erkennen. Die Verwaltung des Reiches hielt allerdings zumeist noch an der typisch spätantiken Teilung von militärischer und ziviler Gewalt fest. Ein Wechsel deutete sich bereits an, doch der endgültige Bruch mit den antiken Traditionen erfolgte erst Anfang des siebenten Jahrhunderts.
Die Regierungszeit Justinians stellt eine Phase des Übergangs der Alten Welt zum Mittelalter dar; seine Restaurationspolitik erweckte zudem ein letztes Mal den Traum des Imperium Romanums zum Leben. Ein Friedensfürst war er allerdings nicht, zumal seine Regierungszeit für die Bevölkerung mit schweren Lasten verbunden und von einer eher intoleranten Religionspolitik (das Ziel, das Reich religiös zu einen, erreichte Justinian damit allerdings so wenig wie seine Vorgänger) geprägt war.
Zeittafel
- 481/482 Geburt Justinians.
- 1.8.527 Justinian übernimmt die Alleinherrschaft über Ostrom.
- 528 - 534 Entstehung des später sogenannten Corpus Iuris Civilis.
- 529/530 Aufstand der Samaritaner in Palästina.
- 531/532 Abschluß des "Ewigen Friedens" mit Chosrau I. von Persien.
- 532 Nika-Aufstand, Religionsgespräche zwischen den Chalkedoniern und Monophysiten in Konstantinopel.
- 533/534 Eroberung des Reiches der Vandalen.
- 535 - 540 Erster Krieg gegen die Ostgoten.
- 536 Verfolgung von Monophysiten.
- 536/537 Mehrmonatige Sonnen- und Mondverfinsterung mit unbekanntem Auslöser (evtl. Vulkanausbruch) im gesamten Mittelmeerraum. Klimaveränderungen und Ernteausfällen sind die Folge.
- 537 Vollendung der Hagia Sophia.
- 539/540 Bulgareneinfall in Griechenland mit schweren Verwüstungen.
- 540 Einfall der Perser in das römische Gebiet mit der Zerstörung Antiocheias.
- 540 - 562 Krieg gegen die Perser.
- 541/542 Pest im ganzen Reich, Hungersnöte in den folgenden Jahren.
- 541/552 Zweiter Krieg gegen die Ostgoten.
- 548 Tod Kaiserin Theodoras.
- 549 Aufdeckung einer Verschwörung gegen Justinian.
- 551 Schwere Erdbeben erschüttern Mittelgriechenland und den östlichen Mittelmeerraum.
- 552 Narses besiegt die Ostgoten bei den Busta Gallorum und am Mons Lactarius
- 552 Eroberung von Gebieten im westgotischen Spanien.
- 553 Verurteilung der Drei Kapitel im zweiten Konzil von Konstantinopel.
- 557 Schweres Erdbeben in Konstantinopel, Kuppel der Hagia Sophia stürzt ein.
- 558 Die Pest wütet ein zweites Mal in Konstantinopel.
- 559 Belisar schlägt einen Bulgareneinfall vor den Toren Konstantinopels zurück.
- 562 Aufdeckung einer Verschwörung gegen Justinian, Neueinweihung der Hagia Sophia. Frieden mit den Sassaniden.
- 14.11.565 Tod Justinians.
- 568 Das oströmische Italien geht zu großen Teilen an die Langobarden verloren.
Siehe auch
Literatur
Primärquellen
Die wichtigste Quelle zur Regierungszeit Justinians I. stellen die Werke des Prokopios von Caesarea dar, wobei dessen "Geheimgeschichte" hingegen mit äußerster Vorsicht zu lesen ist, da in dieser stark polemisiert wird. An Prokop schließt Agathias an, ohne jedoch dessen Niveau zu erreichen. Des Weiteren sei unter anderem auf Johannes Malalas hingewiesen. Eine wichtige Quelle ist auch das so genannte Corpus Iuris Civilis, zumal vor allem in den Vorreden Justinians Herrschaftsauffassung greifbar wird.
- Corpus Iuris Civilis, diverse Editionen, z.B. ISBN 3825217647.
- Prokopios: Werke gr.-dt. (Bücherei Tusculum), 5 Bde., hrsg. von Otto Veh, München 1961 ff.
Sekundärliteratur
- Klaus Bringmann: Justinian, in: M. Clauss (Hrsg.): Die römischen Kaiser, 2. Aufl., München 2001, S. 431-450. ISBN 3406472885. Informative biographische Skizze.
- John B. Bury: The later Roman Empire, 2 Bde, New York 1958 (Nachdruck von 1923), Bd.1 ISBN 0486203980 Bd. 2 ISBN 0486203999. Älteres Standardwerk, aber immer noch sehr empfehlenswert. Besonders Bd. 2, wo ausführlich die Regierung Justinians beleuchtet wird. Es findet sich dort auch ältere Literatur.
- Averil Cameron u.a. (Hrsg.): The Cambridge Ancient History, Bd. 14, 2. neugestaltete Aufl., Cambridge 2000, besonders S. 63 ff. ISBN 0521325919. Englisches Standardwerk zur Spätantike. Sehr empfehlenswert, gerade für den sozial-kulturellen Hintergrund. Dort auch weiterführende Literatur größtenteils jüngeren Datums.
- J.A.S. Evans: The Age of Justinian. The Circumstances of Imperial Power, London und New York, 1996. ISBN 0415237262 Neuere Biographie, die gut und zuverlässig informiert.
- J.A.S. Evans: The Emperor Justinian and the Byzantine Empire, Greenwood Guides to Historic Events of the Ancient World, Westport/Conn. 2005. Vor allem aufgrund des Anhangs mit ausgesuchten, ins Englische übersetzten Quellen hilfreich.
- Ralph-Johannes Lilie: Byzanz - Das zweite Rom, Berlin 2003, ISBN 3886806936. Momentan die beste deutschsprachige Gesamtdarstellung zu Byzanz. Auf dem neuesten Stand der Forschung. Justinian wird aber nur knapp behandelt.
- Mischa Meier: Justinian. Herrschaft, Reich und Religion, Beck Wissen, München 2004, ISBN 3406508324. Knappe, aber dennoch sehr informative Biographie. Zudem stark problemorientiert und gut lesbar, die Beurteilung des Kaisers ist aber vielleicht zu negativ.
- Mischa Meier: Das andere Zeitalter Justinians, Göttingen 2003, ISBN 3525252463. Detaillierte, umfangreiche Studie, die von einem interessanten Ansatz die Regierungszeit Justinians beleuchtet (Katastrophenangst und Endzeiterwartungen der Bevölkerung). Für Laien ohne Vorkenntnisse allerdings nicht unproblematisch zu lesen, zudem bedürfen viele Thesen noch eingehenderer Diskussion.
- Bedingt können immer noch Berthold Rubin, Das Zeitalter Justinians, Bd. 1, Berlin 1960 (2. Band aus dem Nachlass herausgegeben) und Robert Browning, Justinian and Theodora, 2. Aufl., London 1987 herangezogen werden. Beide sind allerdings nicht mehr greifbar.
- Cesaretti, Paolo: Theodora. Düsseldorf/Zürich: Artemis & Winkler Verlag, 2004.
Weblinks
Auszüge aus Prokops Werken
- Zum Nika-Aufstand (eng.)
- Zur Ausbruch der Pest (eng.)
- Prokops Geheimgeschichte in einer englischer Übersetzung.
Allgemeine Links zu Justinian
- Fachwissenschaftliche Kurzbiographie aus "De Imperatoribus Romanis" (eng.); dort auch weitere Quellen- und Literaturangaben.
- Deutsche Kurzbiographie aus "Imperium Romanum".
- "Justinian on the Net"
- Älterer Lexikonartikel (Britannica 1911)
- Das bekannte Mosaik des Kaisers und seiner Frau Theodora aus San Apollinare Nuovo.
Vorgänger und Nachfolger
Vorgänger: |
Nachfolger: |
Personendaten | |
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NAME | Justinian I. |
ALTERNATIVNAMEN | der Große |
KURZBESCHREIBUNG | byzantinischer Kaiser von 527 bis 565 |
GEBURTSDATUM | ca. 482 |
GEBURTSORT | Tauresium |
STERBEDATUM | 14. November 565 |
STERBEORT | Konstantinopel |