Braunbuch
Unter der Bezeichnung Braunbuch sind verschiedene Bücher über tatsächliche oder vermeintliche Tätigkeit und Vergangenheit von Nationalsozialisten vor und nach dem Zweiten Weltkrieg erschienen.
Das erst Braunbuch erschien 1933 unter dem Titel "Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitlerterror" in Paris. Treibende Kraft war Willi Münzenberg (Biographie), Leiter der IAH (Internationale Arbeiterhilfe), mächtiger Propagandist der Komintern und Gründer der Editions du Carrefour, die das Braunbuch verlegte; anonymer Autor sein Mitarbeiter Otto Katz alias André Simone. Das Braunbuch wurde in 17 Sprachen übersetzt, erreichte eine Auflage von mehreren Millionen und hatte eine große politische Wirkung. Den Hintergrund bildete der bevorstehende Reichstagsbrand-Prozess, bei dem nebem dem Hauptangeklagten van der Lubbe drei Kommunisten auf der Anklagebank saßen (Quelle: Arthur Koestler (1982), Als Zeuge der Zeit). Herausgeber war (unter der Mitwirkung von Albert Norden) Alexander Abusch.
Besonders bekannt wurde das Braunbuch, das der für Propaganda und für die Aufarbeitung der Nazi- und Kriegsverbrechen zuständige SED-Politiker Albert Norden 1965 herausgab. Der vollständige Titel lautete:
- "Braunbuch". Kriegs- und Naziverbrecher in der Bundesrepublik. Staat, Wirtschaft, Verwaltung, Armee, Justiz, Wissenschaft Hrsg. Nationalrat der Nationalen Front des demokratischen Deutschland. Dokumentationszentrum der Staatlichen Archivverwaltung der DDR. Berlin 1965
In dem Buch stellte er die Verwicklung von 1800 Politikern und führenden Beamten der Bundesrepublik Deutschland in den Nationalsozialismus dar. Die Frage der nationalsozialistischen Vergangenheit von DDR-Politikern wurde in dem Buch nicht behandelt. Das Buch stieß in der Bundesrepublik auf weitgehende Ablehnung und wurde zunächst sogar beschlagnahmt. Die Bundesregierung erklärte zunächst, die erhobenen Vorwüfe würden nicht zutreffen. Spätere unabhängige Nachforschungen ergaben dann aber, dass die meisten, wenn auch nicht alle Angaben zutrafen. (In einer Rezension von 2002 bezeichnete der Historiker Götz Aly das Buch zwar als "Propaganda", betonte aber, dass die Irrtumsquote bei den Angaben deutlich unter einem Prozent gelegen habe.) Folgen für die Beschuldigten traten allerdings nur selten ein. Allerdings sind einige Angaben und "Belege" in diesem Braunbuch wegen damals zeitaktueller politischer Propagandaaktionen gegen westdeutsche Politiker teilweise gefälscht. (Vgl. u. a. Knabe, Hubertus: Die unterwanderte Republik, Berlin 1999, zur Lübke-Affäre und dafür vom MfS gefälschter Dokumente im Braunbuch.)
2002 erschien ein Reprint der Ausgabe von 1968:
- Norbert Podewin (Hrsg.): "Braunbuch". Kriegs- und Naziverbrecher in der Bundesrepublik und in Westberlin. Staat, Wirtschaft, Verwaltung, Armee, Justiz, Wissenschaft. Edition Ost, Berlin 2002, ISBN 3360010337
- Links:
- Zusammenfassung einer Rezension in der Süddeutschen Zeitung vom 9. August 2002 von Götz Aly
- Norbert Frei: Die Achtundsechziger und der Nationalsozialismus (über den Einfluss des Braunbuchs und ähnlicher Publikationen aus der DDR auf die entstehende 68er-Bewegung)
- http://www.jungewelt.ipn.de/2002/03-23/023.php
- http://www.ila-web.de/buchbesprechungen/special2003_nazis.htm
- http://www.jungewelt.de/2002/07-15/017.php
Olaf Kappelt: Braunbuch DDR. Nazis in der DDR, 1981
Im Gegenzug erschienen auch in der Bundesrepublik ähnliche Veröffentlichungen, die die nationalsozialistische Vergangenheit von Staats- und Parteifunktionären der DDR thematisierten. Die umfangreichste von ihnen enthielt 876 Namen und nannte sich ebenfalls "Braunbuch":
- Olaf Kappelt: Braunbuch DDR. Nazis in der DDR. Reichmann Verlag, Berlin (West), 1981, ISBN 3-923137-00-1
(1997 erweitert zu einer Dissertation:
- Olaf Kappelt:Die Entnazifizierung in der SBZ sowie die Rolle und der Einfluß ehemaliger Nationalsozialisten« in der DDR als ein soziologisches Phänomen. Studien zur Zeitgeschichte, Bd.13, Verlag Dr. Kovac, Hamburg 1997, ISBN 3-86064-614-1)
1998 schrieb Jürgen Elsässer das "Braunbuch DVU", in der er die Partei DVU bloßstellte.
Im Jahr 2000 veröffentlichte Hermann Gremliza das "Braunbuch Österreich - Ein Nazi kommt selten allein", in dem er unter anderm über Jörg Haider berichtete.