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Ghetto

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Dieser Artikel handelt von Randgruppen-Bezirken; für die Filmemacherin siehe Almut Getto.


Ein Ghetto bzw. Getto ist ein Stadtviertel, in dem eine bestimmte Bevölkerungs- oder kulturell geprägte Gruppe in einer mehr oder weniger strengen Isolation zu leben gezwungen ist. Ursprünglich waren vor allem gesetzliche Zwänge gemeint, heute treten auch soziale und wirtschaftliche Zwänge in den Vordergrund.

Davon zu unterscheiden ist der Begriff Ghetto, der für Bezirke verwandt wird, in dem Minderheiten freiwillig zusammenleben, zum Beispiel Homosexuellen-Stadtviertel in San Francisco oder Straßenzüge in Berlin. Damit hängt die politische Frage zusammen, ob Integration oder sogar Assimilation immer anzustrebende Ziele sind oder im Sinne des Differenzdenkens auch Unterschiede zuzulassen oder sogar zu fördern sind.

Der Name selbst stammt von der venezianischen Insel "Ghetto", deren Namen ihrerseits wieder auf die kleine Gießerei zurückzuführen ist, die sich dort befand (Dialektbegriff ghèto von getto=Guss). Mit einem Dekret vom 29. März 1516 beschloss die Regierung der Republik Venedig, die jüdische Gemeinde dort in einem einzigen Stadtviertel zusammenzufassen.


Geschichte der jüdischen Ghettos

Juden leben in Europa seit der Antike (besonders in den Mittelmeerländern) und auch in Deutschland seit der Spätantike. Ursprünglich konnten sie fast allen Berufen nachgehen. Es wurde ihnen auch meist volle Handelsfreiheit gewährt, sie durften auch Grundbesitz erwerben. In der mittelalterlichen Stadt lebten bestimmte Gruppen von Handwerkern in einer Straße. So lebten die Juden als Händler meist zentral in der Judengasse ohne besondere Erschwerungen.

Im 13. Jahrhundert erst wurden die ersten Ghettos als abgesperrte Bezirke für Juden in Deutschland, Spanien und Portugal an den Rändern der Städte errichtet. Ghettos waren keine Armutsviertel; viele Einwohner waren wohlhabende Handwerker oder Händler.

Im Jahre 1555 ließ Papst Paul IV. das Römische Ghetto errichten und verpflichtete die Juden durch einen Kanon, in diesem besonderen Bereich zu leben.

Papst Pius V. befahl allen Grenzländern die Errichtung von Ghettos. Anfang des 17. Jahrhunderts wiesen alle Hauptstädte ein Ghetto auf (ausgenommen Livorno und Pisa). Um die Ghettos verliefen Mauern, und nachts wurden die Tore geschlossen. Oft wurden die jüdischen Ghettobewohner gezwungen, außerhalb des Ghettos bestimmte Kennzeichen zu tragen, die sie als Juden auswiesen. Die Ghettos wurden zur Gefangenschaft für ihre Bewohner, die dorthin zwangsweise umgesiedelt wurden, und sie wurden immer wieder zum Ziel von brutalen Angriffen, Raubzügen und Plünderungen.

Die Auflösung des Ghettosystems verdankt sich weitgehend der Französischen Revolution und den liberalen Bewegungen des 19. Jahrhunderts. Im Jahre 1870 war das römische Ghetto das einzige der Welt und wurde durch den italienischen König Viktor Emmanuel II. aufgelöst.

In den Jahren des Nazi-Terrors wurden so genannte Ghettos zu einem Instrument der Schreckensherrschaft. Das bekannteste Beispiel ist das Warschauer Ghetto und es gab weit über 500 dieser Sammellager als Bestandteil des Systems der Konzentrationslager. Die Lebensbedingungen waren katastrophal, die Überlebenden wurden in die Konzentrationslager verschleppt.


Soziale Ghettos

In fast allen Städten der Welt haben sich zu fast allen Zeiten die Menschen nach bestimmten Merkmalen, wie gemeinsame Sprache, Religion, Berufe oder gemeinsamer Herkunft angesiedelt. In der China, Italian oder German Town einer US-Stadt, benannt nach der Herkunft seiner (früheren) Bewohner waren diese aber frei und wohnten dort mehr oder weniger freiwillig.

In den USA werden bestimmte Wohngebiete der farbigen Bevölkerung auch als "Ghettos" bekannt. Als in den 1960er Jahren Bürgerrechtsgesetze Freizügigkeit auch den Farbigen gestatteten, setzten sich die wohlhabenderen Afroamerikaner aus den "Ghettos" in die zuvor weiß besiedelten Bezirke ab. Dies hatte ein Anwachsen der sozialen Krise in den Ghettos verbunden mit Verfall und wachsender Kriminalitätsrate zur Folge. Unvergessen ist das Lied In the Ghetto von Elvis Presley, das das Leben in den amerikanischen Ghettos beschreibt.

Selbst in Deutschland werden bestimmte Wohnviertel in Neubaugebieten aus Kritik an der damaligen Stadtplanung und den sozialen Verhältnissen "Ghettos" genannt, wenn sie überwiegend von bestimmten sozialen Schichten, Volksgruppen oder Randgruppen bewohnt werden. Auch wenn heute manche Plattenbausiedlung oder Altstadtquartier von einer sozialen oder ethnischen Minderheit bewohnt wird, es ist kein Vergleich zu den abgeschotteten Zwangverhältnissen zum Beispiel in den früheren Judenghettos, im Mittelalter und gar erst nicht während der Hitler-Diktatur.

Seit dem Ende des 20. Jahrhunderts kam eine weitere Art des Ghettos für privilegierte Menschen dazu: Zentren für die Wohlhabenden, die sogenannten Gated Communities, auch Ghettos der Reichen genannt. Diese "Ghettos" sind dadurch geprägt, dass sie sich von der Außenwelt mit Sicherheitsdiensten, Zäunen, Mauern, Alarmanlagen etc. abschirmen (z.B. in Los Angeles).


Siehe auch