Goten
Anfänge
Die Goten waren ein Volk der Germanen, die ihre ersten Erwähnungen bei den antiken Schreibern Tacitus, Strabon und Ptolemaios finden. Aus deren Nachrichten ergibt sich das Bild eines Stammes mit einem für germanische Verhältnisse bemerkenswert starkem Königtum, der zur Zeitenwende nördlich des Weichselknies im Machtbereich der Markomannen siedelte. Seine Nachbarn waren die Lugier im Süden und Rugier im Norden. Die Herkunft gotischer Tradition aus dem südskandinavischen Raum gilt als möglich.
Ihre Sprache, das Gotische, ist eine der ältesten bekannten germanischen Sprachen. Auf der Insel Gotland wird heute noch eine Sprache gesprochen, die der Gotischen Sprache ähnlich ist, das Gutamål. Bis zum 16./17. Jahrhundert existierte noch das Krimgotische.
Gegen Mitte des 2. Jahrhunderts begannen die Goten südostwärts zu wandern. Ein Zusammenhang mit den etwa zeitgleich ausgebrochenen Markomannenkriegen ist denkbar. Sie tauchten dann spätestens 238 an der Nordküste des Schwarzen Meeres auf. Es begann der sogenannte Gotensturm, er fiel in die Zeit der bis dahin größten Krise des römischen Imperiums (Soldatenkaiser).
Gotensturm
238 überfallen die Goten und Carpen das römische Histros südlich der Donaumündung. Nach Plünderung der Stadt und Erpressung von Jahresgeldern ziehen sie wieder ab. Als zehn Jahre später Kaiser Philippus Arabs nach Siegen über die Carpen die Zahlung der Jahresgelder einstellte, fallen die Goten unter Cniva 250 mit mehreren Heeresgruppen nach Dakien, Thrakien, Mösien und Illyrien ein. Der mittlerweile neue Kaiser Decius wurde in mehreren Schlachten besiegt und fiel schließlich in der Schlacht bei Abrittus 251.
Der nächste Kaiser Trebonianus gestand den Goten wieder Jahresgelder zu, wurde jedoch von Aemilianus gestürzt, der die Zahlung wieder einstellte. Wieder griffen die Goten in Thrakien und Mösien an, wurden jedoch diesmal geschlagen. Nach erneutem Kaiserwechsel drangen die Goten 254 bis Thessaloniki vor. Mittlerweile waren viele Städte im Dauerkriegsgebiet stark befestigt, das Land litt unter den starken Verwüstungen.
Die Goten gingen nun (255) zu seegestützten Angriffen, zunächst im Raum des östlichen Schwarzen Meeres über, 256 wurden Pityus und Trapezunt erobert. Ab 257 durchfuhren die Goten erstmals den Bosporus und nehmen eine ganze Reihe kleinasiatischer Städte ein. Die zeite Welle begann 268, als eine große gotisch-erulische Armada unterstützt von Landstreitkräften gegen Byzanz zog, die Dardanellen durchquerte und plündernd in die Peloponnes einfiel. Claudius II. besiegte die Angreifer und nahm als erster römischer Kaiser den Ehrentitel Gothicus an.
Mit dem Ende der Krise des Imperiums unter Diokletian beruhigte sich vorerst auch die Lage an der Donau wieder. In diese Zeit fiel auch die Spaltung der Goten in die Terwingen-Vesier/Westgoten und Greutungen-Ostrogothen/Ostgoten.
Ostgoten
Die Ostgoten wohnten in einer Stadt namens Danapirstadir (Kiew).
Die Ostgoten hatten Mitte des 4. Jahrhunderts unter Ermanarich einen von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer reichenden Einflussbereich, als sie im Jahre 375 unter Herrschaft der Hunnen gerieten. Nach deren Niedergang Mitte des 5. Jahrhunderts siedelten die Ostgoten in Pannonien (im Römischen Reich), um nach nur einer Generation unter Theoderich (Dietrich von Bern in den Sagen) in Italien ein eigenes Reich zu erobern, das im 6. Jahrhundert gegen Byzanz unterlag und unterging.
Westgoten
Terwingen
Gegen Ende des 3. Jahrhunderts begannen die Terwingen, die den Quellen jener Zeit als westlicher Teil der Goten gelten, das von den Römern aus strategischen Gründen aufgegebene Dakien zu besiedeln. Bis kurz vor Beginn der Hunnengefahr blieb die Situation, bis auf gelegentliche Raubzüge kleiner terwingischer Scharen, ruhig. Mit der Ära Athanarichs verschärften sich jedoch ab 365 die römisch-terwingischen Auseinandersetzungen. Athanarich wurde 369 vom oströmischen Kaiser Valens entscheidend geschlagen. Die mittlerweile begonnene Christianisierung der Terwingen (hervorzuheben ist hier besonders Wulfila) führte zu Christenverfolgungen und der Bildung einer Opposition unter dem zum Arianismus übergetretenen Fritigern gegen Athanarich.
Obwohl Fritigern von Valens unterstützt wurde, behielt Athanarich vorerst die Oberhand. Dies änderte sich jedoch mit dem Anwachsen der Hunnengefahr, die Athanarich nicht abwenden konnte. Große Teile der Terwingen flohen 376 unter Fritigern mit Erlaubnis der Römer unter chaotischen Bedingungen ins Reich. Die logistischen Probleme der Römer führten immer wieder zur Revolten und militärischen Konflikten während des Jahres 377. Sie mündeten schließlich in der Schlacht bei Adrianopel 378, bei der die Römer vernichtend geschlagen wurden (Tod des Valens).
Unter dem neuen oströmischen Kaiser Theodosius I. erhielten die Terwingen 382 den ersehnten Föderatenvertrag. Sie wurden in Thrakien und Mösien angesiedelt und wurden dort zum Staat im Staate.
Westgoten
Unter Alarich erklärten sich die Goten für unabhängig und zogen nach einem Siegeszug durch den Balkan und Griechenland in Italien ein. Im Jahre 410 eroberten sie Rom, zogen nach Süditalien und dann nach Südfrankreich (Gallien) weiter. Dort siedelten sie um das heutige Toulouse ("Tolosa") und waren wichtige Bündnispartner der Römer gegen die vordringenden Hunnen und Ostgoten.
Mit dem Untergang des Weströmischen Reiches im Jahre 476 wurde das Tolosanische Reich der Westgoten eigenständig und reichte in der Zeit seiner größten Ausdehnung bis nach Spanien und Mittelfrankreich (an der Loire).
Gegen die vordringenden Franken unter Chlodwig I. verloren die Westgoten unter Alarich II. weitgehend ihre französischen Länder und waren danach auf die Iberische Halbinsel und einen schmalen, aber wertvollen Streifen an der französischen Mittelmeerküste eingeschränkt. 511 gerieten sie unter ostgotische Herrschaft: Theoderich, die westgotische Anarchie ausnutzend, erklärte sich zu ihrem König. Nach dessen Tod 526 wurden sie endgültig von den Franken auf die Halbinsel zurückgedrängt.
König Leowigild gelang es die Halbinsel völlig unter westgotische Kontrolle zu bringen, er besiegte die Sueben im Norden und die verbliebenen Oströmer im Süden.
Die folgenden Jahrhunderte waren wesentlich geprägt von Auseinandersetzungen um die Thronfolge. Aus dem alten germanischen Heerkönigtum hatte sich ein Wahlkönigtum entwickelt, es konkurrierten mächtige Adlige und Militärs um die Krone. Das jeweilige Königshaus versuchte dagegen eine Erbmonarchie durchzusetzen. Ein weiterer Machtfaktor war die katholische Kirche. Auf dem III. Konzil von Toledo 589 wurde der Katholizismus Reichsreligion, womit der Arianismus endgültig verdrängt wurde.
710 wurde Roderich zum König gewählt, seine Konkurrenten riefen die Mauren zu Hilfe. Diese schlugen ihn 711 unter Tarik in der Schlacht am Guadelete (Tod Roderichs). Mit diesem Datum endete das letzte gotische Königreich. Die geschlagenen Westgoten organisierten unter Pelagius in Asturien den Widerstand gegen die Mauren; es begann die Geschichte der Reconquista.
Was bleibt?
Die Westgoten in Asturien wurden zum Teil der spanischen Geschichte, der spanische König trägt noch heute den Titel "Prinz von Asturien".
Das berühmteste Artefakt der Goten ist sicher der Codex Argentus, die Silberbibel, geschrieben mit Silber- und Goldtinte auf Pergamentseiten die mit dem Rot der Purpurpuschnecke gefärbt wurden: ein unendlich wertvolles Manuskript. Es liegt heute in Uppsala.
Literatur
- Herwig Wolfram: Die Goten C.H. Beck 2001, ISBN 3406337333
siehe auch: Jordanes