Artillerietruppe von Wehrmacht und Waffen-SS
Die Artillerietruppe war eine Truppengattung des Heeres der Wehrmacht, die die artilleristischen Kräfte des Heeres zusammenfasste. Zum Einsatz kam die Artillerietruppe hauptsächlich während des Zweiten Weltkriegs von 1939 bis 1945.
Allgemeines
1939/40 umfasste die Artillerie der Wehrmacht nach Mobilmachung fast eine halbe Million Mann:
Offiziere | Beamte | Unteroffiziere | Mannschaften | Gesamt | |||
Friedensstärke | 11.430 | 1.165 | 43.036 | 275.735 | 331.366 | ||
Ersatzheer | 2.670 | 389 | 10.509 | 105.238 | 118.806 | ||
Kriegsheer | 14.100 | 1.554 | 53.545 | 380.973 | 450.172 |
Die Produktion von Geschützen ab Kaliber 7,5 cm betrug:
1940 | 1941 | 1942 | 1943 | 1944 |
6.100 | 7.200 | 12.000 | 27.250 | 41.500 |
Die Waffenfarbe der Artillerietruppe in der deutschen Wehrmacht war Hochrot.
Taktische Führungs- und Einsatzgrundsätze (Feldartillerie)

Eine Batterie der Feldartillerie[1] bestand typischerweise aus
- dem Batterie-Trupp mit dem Batteriechef im Rang Hauptmann, einem Leutnant als Beobachtungsoffizier und dem Rechentrupp,
- der Nachrichtenstaffel für Einrichtung und Betrieb der taktischen Fernmeldenetze (Fernsprech-/Feldkabelbautrupp, Funktrupps),
- der Geschützstaffel mit vier Feldhaubitzen (A-, B-, C- und D-Geschütz), geführt von einem Leutnant als Batterieoffizier und einem Oberwachtmeister, zwei Geschützzügen mit je zwei Geschützgruppen, dem Fliegerabwehrtrupp mit Fla-MG, dem Rechentrupp, einem Melder und einem Sanitäter,
- der Munitionsstaffel,
- dem Gefechtstross unter dem Batterie-Wachtmeister mit dem Schirrmeister, dem Waffen- und Geräte-Unteroffizier, einem Feldküchentrupp und dem Gepäcktross mit Rechnungsführer, Schuhmacher, Schneider und Sattler.
Einsatzablauf
Erkundung
Nach Erhalt des Einsatzbefehls durch seine Abteilung[2] nahm der Batteriechef Verbindung zum Kommandeur des ihm zugewiesenen Kampftruppenverbandes – meist einem Infanterie-Bataillon – auf, übernahm dort die Aufgabe des Artillerie-Verbindungsoffiziers und traf die notwendigen Absprachen, um seinen Unterführern die notwendigen Erkundungs- und Einsatzaufträge für zu erteilen.
Der Vorgeschobene Beobachter (VB) auf der Batterie-Beobachtungs-Stelle (B-Stelle) galt als Auge der Artillerie. Die Erkundung der B-Stelle übernahm der Batterie-Chef daher meist selbst in enger Anlehnung an die zu unterstützende Kampftruppe. Wichtig war eine beherrschende Sicht über die Hauptkampflinie sowie in die Tiefe des feindlichen Stellungsraums sowie gute Tarnung um nicht selbst entdeckt zu werden.

Die Feuerstellung wurde durch den Batterieoffizier mit einem seiner Zugführer erkundet. Dabei galten folgende Vorgaben:
- Möglichst ebene, etwa 100-150 m breite Stellung,[3]
- Anmarschweg und Stellung der direkten Feindeinsicht entzogen, möglichst Hinterhanglage,
- unregelmäßig gestaffelte Aufstellung der Geschütze,
- freies Schussfeld von ca. 500 m in Grundrichtung.
Zu Erkunden waren außerdem:
- Die Nah-B-Stelle zur Bekämpfung durchgebrochener Feindkräfte,
- die Alarmstellung für die infanteristische Nahverteidigung durch die Kanoniere,
- Stellung der Fliegerabwehr-MGs flankierend zu den Geschützen,
- Munitionsablageplatz ca. 200 m hinter der Feuerstellung mit gedeckten Wegen für die reibungslose Anschlussversorgung,
- Wechselfeuerstellung,
- Stellung des Arbeitsgeschützes, ca. 300 von der Hauptfeuerstellung entfernt.
In Sichtbereich der Geschütze wurde der Richtkreis aufgebaut und nach Lage und Richtung für das spätere Einrichten der Geschütze vermessen. Die Positionen der einzelnen Geschütze wurden durch das Erkundungskommando mit in Grundrichtung ausgerichteten Geschützflaggen markiert.
Der Batterie-Wachtmeister erkundete die Protzenstellung für die Abstellung der Zugfahrzeuge, den Batterietross und den Aufbau der Feldküche.
Herstellen der Wirkungsbereitschaft
Rasche Herstellung der Wirkungsbereitschaft galt als entscheidend: „Die sicherste Grundlage des Erfolges ist der Vorsprung in der Gefechtsbereitschaft. Die Artillerie muss schneller feuerbereit sein als die feindliche“[4]
Bis zur Eröffnung des Feuerkampfes galt aus Tarnungsgründen meist Funkverbot.
Unmittelbar nach der Erkundung begann daher der Fernsprechtrupp mit dem Aufbau der überlebenswichtigen Feldkabelverbindung zwischen B-Stelle und Batterie, zum Gefechtsstand der Infanterie und dem Abteilungsgefechtstand der Artillerie.
Der VB-Trupp
- nahm Verbindung zum örtlichen Führer der Kampftruppe auf
- bezog gedeckt die befohlene B-Stelle,
- baute das Scherenfernrohr auf und richtete es ein,
- tarnte die Stellung,
- stellte die Fernmeldebereitschaft her,
- und nahm die Geländeorientierung vor.
- Dabei erfasste er markantesten Geländepunkte auf der mit einem UTM-Gitter versehenen Schießkarte (1:25000 oder 1:50.000),
- fertigte eine Beobachtungs-Skizze an,
- und meldete die nicht eingesehenen Räume an den Batteriechef zur weiteren Beurteilung, für welche Geländeabschnitte zusätzliche Maßnahmen zur Überwachung befohlen werden mussten.

Die Geschützstaffel bezog nun die erkundete Feuerstellung:
- Die Geschütze wurden an den markierten Positionen „abgeprotzt“ und im Mannschaftszug in Stellung gebracht,
- durch die Geschützmannschaften grob in Grundrichtung ausgerichtet
- und durch die Ladekanoniere (K3, K4) mit Hilfe der Erdsporne festgelegt.
- Die Richtkanoniere (K1, K2) richteten Rohr und Richtanlage mit der Libelle zunächst ebenerdig aus,
- dann richtete der K1 das Rundblickfernrohr auf den Richtkreis,
- der Ladekanonier (K3) eilte zum Richtkreis, um von dort die für sein Geschütz gemessenen Richtungswerte (Teilring, Geländewinkel (Libelle) und Erhöhung) zu notieren.
- der zweite Ladekanonier (K4) pflockt die rot-weiß markierten Richtungsstangen für die spätere Festlegung des Geschützes aus
- Die Munitionskanoniere (K5, K6) entluden die Munitionsprotzen
- und legten ca. 10-20 m rückwärts des Geschützes die Treibladungen sowie die Granaten und Zünder bereit. Danach verließen die Protzen die Geschützstaffel und bezogen die Protzenstellung.
- Der Geschützführer ließ Geschütz und Marschspuren tarnen, überprüfte die Einrichtung des Geschützes und meldete die Wirkungsbereitschaft.
Sobald das erste Geschütz eingerichtet und die Fernmeldeverbindung aufgebaut war, meldete die Feuerstellung „Wirkungsbereitschaft“.
Feuerkampf

Nach Freigabe des Feuerplans mit Vorgaben für Feueraufträge[5]Zielpunkte und Sperrfeuer durch den Batteriechef begann der VB nun das Einschießen der Batterie. Er ortete dabei die Einschießpunkte oder Feindziele nach Lage, Höhe und Beobachtungsrichtung und übermittelte die Daten als Feuerbefehl[6] an die Geschützstellung.
In der Feuerstellung ermittelten die Rechner[7] die tatsächliche Schussentfernung und -richtung und setzten diese mit Hilfe von Schusstafel und Wettermeldung („Barbara-meldung“) als Feuerleitstelle in Feuerkommandos für die Geschütze um.[8]. Auf den Alarmruf „Feuerkommando“ eilten die Kanoniere nun an die Geschütze, richteten die Rohre entsprechend dem durchgegebenen Feuerkommando aus, schraubten die befohlenen Zünder auf, luden Geschoss und Treibladung und signalisierten die Feuerbereitschaft.

In der B-Stelle befahl der VB das Abfeuern, zählte die Sekunden bis zum errechneten Aufschlagszeitpunkt, ortete den Aufschlag und meldete entsprechende Korrekturen an die Feuerleitstelle, wobei er durch Weit- und Kurzschüsse den Zielpunkt immer enger "eingabelte", bis das Feuer im Ziel lag.
Je sicherer die Schießgrundlagen, desto größer war die Wirkung durch zielgenaue und überraschende Feuerüberfälle. Voraussetzung dafür war die eng aufeinander abgestimmte Zusammenarbeit aller Teileinheiten der Batterie:
- die genaue Zielortung und sichere Korrekturen des VB,
- die exakte Vermessung der Feuerstellung durch das Erkundungskommando,
- die korrekte Berechnung von Erhöhung und Seitenrichtung unter Einbeziehung der ballistischen Einflüsse mittels Wettermeldung und Schusstafel durch die Feuerleitrechner,[9]
- die präzise Einrichtung der Geschütze durch die Kanoniere.

Für die Führung des Feuerkampfes waren außerdem die Fernmeldeverbindungen von entscheidender Bedeutung, so dass die Fernsprechsoldaten im Gefecht häufig als Störungssucher unterwegs waren, wenn heftiges Feindfeuer die Kabelverbindungen beschädigt hatte.
Nach dem Einschießen der Geschütze befahl der VB „Feuerpause“, wobei die Geschütze auf die Grundrichtung oder ggfs. befohlene Sperrfeuerwerte einschwenkten.
Der VB beobachtete das Gefechtsfeld, hielt ständige Verbindung zum örtlichen Führer der Kampftruppe, gab Lage- und Zielmeldungen an den Chef und den Abteilungsgefechtsstand weiter und übermittelte nach Freigabe des Feuers auf Feindziele seine Feuerkommandos an die Batterie. Bei überraschenden Feindangriffen konnte die Kampftruppe auch selbst per Signalpatrone das sofortige Sperrfeuer der Batterie auslösen, bis der VB die Führung des Feuerkampfes übernahm.
Die Feuerstellungen der Artillerie bildeten bei Feindeinbrüchen häufig die letzte Auffangstellung. Die Kanoniere eröffneten dann unter dem Befehl des Batterieoffiziers den Feuerkampf im direkten Richten und bekämften mit Sprenggeschossen feindliche Infanterie oder mit Hohlladungsgeschossen feindliche Panzer.
Im Ausnahmefall wurden vorab einzelne Geschütze bis zur HKL vorgezogen, um Punktziele im direkten Schuss zu bekämpfen.
Hauptwaffensysteme (Auswahl)[10]
Feldartillerie
-
10,5 cm le.F.H. 18 in Russland, Ende 1941
-
15 cm s.F.H. 18 bei Kursk, Juni 1942
-
21-cm-schwerer Mörser 18 einer Küstenbatterie am Polarkreis, Lappland 1941
- leichte Feldhaubitze 10,5cm (le.F.H.18)
- schwere Feldhaubitze 15 cm (s.F.H. 18)
- schwere Feldkanone 15 cm (s.F.K. 18)
- 21 cm Mörser 18
-
Eine Batterie "Wespen" in Feuerstellung, "Unternehmen Zitadelle" bei Pokrowka, Sommer 1943
-
Besatzung einer "Hummel" beim Laden, Ostfront Sommer 1943
-
Eine Batterie "Hummeln" in Feuerstellung, südl. Ostfront, 1943
-
eine getarnte Selbstfahrlafette »Grille« (15cm Infanterie-Geschütz 33 auf Panzer 38 (t)), Italien 1943
- Panzerhaubitze Wespe 10,5 cm le.F.H.18 auf PzKw II Fahrgestell (Sd.Kfz. 124)
- Panzerhaubitze Hummel 15 cm s.F.H.18/1 auf Gw III/IV (Sd.Kfz. 165)
- Panzerhaubitze Heuschrecke (Sd.Kfz. 165/1)
- 12,8cm Selbstfahrlafette L/61 Sturer Emil" 15 cm s.F.H.18/1 auf Gw III/IV – Sd.Kfz. 165)
- schwere Mörser auf Selbstfahrlafette (Ger. 40/41)
Sturmartillerie
-
Das StuG III blieb bis Kriegsende die Standardwaffe der Sturmartillerie, StuG III beim dem Vormarsch in Russland 1941
-
Blick aus dem Turm eines StuG III auf Stalingrad, September 1942
-
Ab 1943 wurden die Sturmgeschütze mit zusätzlichen Seitenblechen gepanzert. StuG III an Ostfront 1943
-
Erbeutete italienische Sturmgeschütze des Typs Semovente wurden als StuG M42(i) von der Wehrmacht übernommen
- Sturmgeschütz III (Sd.Kfz. 142, 142/1 StuG III)
- Sturmhaubitze 42 (Sd.Kfz. 142/1 StuH 42)
- Sturmpanzer IV „Brummbär“ (Sd.Kfz. 166)
- Sturmgeschütz IV (Sd.Kfz. 163 StuG IV)
- Der Sturmtiger, das schwerste Sturmgeschütz welches in den Einsatz gelangte
- Das StuG M42(i) war die von den Italienern übernommene Semovente 75/18)
-
Montage eines schweren Wurfrahmens 40 an Sd.Kfz. 251 der 24. Panzerdivision und Beladen mit Wurfkörpern, Woronesch, Sommer 1942
-
Leichter Zugkraftwagen 1 t (Sd.Kfz. 10) mit schwerem Wurfgerät 41, Ostfront 1942
-
Laden eines 15 cm Nebelwerfers, Ostfront, Sommer 1942
-
Abfeuern eines Raketenwerfers (schweres Wurfgerät 41) mit 28-cm-Wurf-Körper-Spreng gegen Aufständische in Warschau 1944
- Nebelwerfer 35
- Nebelwerfer 40
- 15 cm Nebelwerfer 41
- 21 cm Werfer 42
- schweres Wurfgerät 40 (Holz)
- schweres Wurfgerät 40 (Stahl)
- schweres Wurfgerät 40 (Stahl)
- Nebelwerfer 35
Anmerkungen
- ↑ Beispiel einer Batterie mit leFH 10,5 cm mot KStN 434 vom 1.10.1939
- ↑ das Artillerie-Regiment einer Infanterie-Division der Wehrmacht verfügte über drei Abteilungen, jede Abteilung über drei Batterien
- ↑ bei schweren Batterien 130 – 180 m
- ↑ HDv 200/5 „Die Führung der Artillerie“
- ↑ typische Feueraufträge an die Artillerie waren im Rahmen des Feuerplans
- das Niederhalten feindlicher Kräfte oder das Blenden oder Ausschalten feindlicher Beobachtung-Stellen über einen vorgegebenen Zeitraum,
- das Zerschlagen von feindlichen Feuerstellungen, Truppenansammlungen oder Angriffsbereitstellungen,
- das Stören von Transport- und Nachschublinien,
- das Zerstören von Bunkern, Feldbefestigungen oder anderen Punktzielen,
- das Überwachen von Geländeabschnitten,
- das allgemeine Bekämpfen erkannter Feindziele,
- das Abriegeln feindlicher Angriffsverbände
- ↑ Zielmeldung und der Feuerbefehl enthielten
- Beobachtungsrichtung (Sehstreifen)
- Koordinaten (Planzeiger)
- Zielhöhe
- Zielbeschreibung
- Munitionseinsatz (in Schuss oder Gruppen)
- Munitionsart (Spreng-, Brand-, Nebelgranaten)
- Zünderart (Aufschlag- oder Zeit-/Doppelzünder)
- Feuerart (Einzelschuss, Feuerschlag oder Salve)
- ↑ zu Beginn des Krieges waren die Rechner z.T. noch in der B-Stelle eingesetzt, erst im Laufe des Krieges erfolgte zunehmend die Einrichtung von Feuerleitstellen in der Feuerstellungen
- ↑ ein Feuerkommando enthielt
- den „Teilring“, d.h. die Richtung der Waffe,
- den Erhöhungs- oder Aufsatzwinkel,
- die Libelle (den Geländewinkel),
- die Zahl der Treibladungen,
- Geschossart,
- Zünder und
- Zünderstellung
- ↑ Die Einrichtung regelrechter Feuerleitstellen in den Feuerstellungen ergab sich erst im Laufe des Krieges
- ↑ neben den aufgeführten Geschützen kamen zahlreiche unterschiedliche Beute-Geschütze zum Einsatz
Literatur
- Engelmann, Joachim/Scheibert, Host: Deutsche Artillerie 1934-1945, Limburg 1974
- HDv 200/5 „Die Führung der Artillerie“