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Berufskrankheiten-Verordnung

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Basisdaten
Titel: Berufskrankheiten-Verordnung
Abkürzung: BKV
Art: Bundesrechtsverordnung
Geltungsbereich: Bundesrepublik Deutschland
Rechtsmaterie: Sozialrecht
Erlassen am: 31. Oktober 1997 (BGBl. I S. 2623)
Inkrafttreten am: 1. Dezember 1997
Letzte Änderung durch: Verordnung vom 5. September 2002 (BGBl. I S. 3541)
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten.

Die deutsche Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) ist eine Rechtsverordnung der Bundesregierung. Sie enthält die Liste der anerkannten Berufskrankheiten. Außerdem verpflichtet sie die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, Maßnahmen dagegen zu ergreifen, dass bei versicherten Personen Berufskrankheiten entstehen, wiederaufleben oder sich verschlimmern.

Regelungsbereiche

Die Verordnung besteht aus sieben (früher: acht) Paragraphen und einer Anlage. Ermächtigungsgrundlage der Verordnung ist § 9 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII).

Die Verordnung gilt ausschließlich für Berufskrankheiten und so genannte Wie-Berufskrankheiten, nicht hingegen für Arbeitsunfälle und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren.

Anerkannte Berufskrankheiten

Definition

§ 1 definiert die Begriff der Berufskrankheit. Eine Berufskrankheit ist eine Krankheit, die

  1. in der Anlage zur BKV (Berufskrankheitenliste) als Berufskrankheit bezeichnet ist und
  2. eine versicherte Person infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit erleidet.

Erkrankungen, die nicht in der Berufskrankheitenliste aufgeführt sind, gelten deshalb grundsätzlich nicht als Berufskrankheiten; auch dann nicht, wenn sie nachweislich durch die berufliche Tätigkeit bedingt sind.

Umgekehrt genügt es jedoch auch nicht, dass jemand an einer in der Berufskrankheitenliste genannten Krankheit, z. B. an Lärmschwerhörigkeit, leidet. Die Krankheit muss durch die berufliche bzw. versicherte Tätigkeit verursacht sein.

Berufskrankheitenliste

Die Anlage zur BKV listet die anerkannten Berufskrankheiten systematisch auf. Jede Berufskrankheit ist mit einer vierstelligen Nummer gekennzeichnet. Die erste Ziffer der Nummer bezeichnet die Gruppe, die zweite Ziffer die Untergruppe. Derzeit unterscheidet die Anlage folgende sechs Gruppen:

  1. durch chemische Einwirkungen verursachte Krankheiten (drei Untergruppen)
  2. durch physikalische Einwirkungen verursachte Krankheiten (vier Untergruppen)
  3. durch Infektionserreger oder Parasiten verursachte Krankheiten sowie Tropenkrankheiten (keine Untergruppen)
  4. Erkrankungen der Atemwege und der Lungen, des Rippenfells und Bauchfells (drei Untergruppen)
  5. Hautkrankheiten (keine Untergruppen)
  6. Krankheiten sonstiger Ursache (keine Untergruppen)

Die dritte und vierte Ziffer jeder Nummer dient der Systematisierung innerhalb der jeweiligen Untergruppe. Auf die Nummer folgt die amtliche Definition der jeweiligen Berufskrankheit.

Beispiel: 4106 Erkrankungen der tieferen Atemwege und der Lungen durch Aluminium oder seine Verbindungen

Allen in der Anlage aufgeführten Krankheiten ist gemeinsam, dass sie „nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind“ (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Krankheiten, die (noch) nicht in die Anlage aufgenommen sind, die aber diese Kriterien erfüllen, können unter Umständen als „Wie-Berufskrankheiten“ gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII anerkannt werden.

Maßnahmen gegen Berufskrankheiten

§ 3 Abs. 1 verpflichtet die Unfallversicherungsträger zu Maßnahmen, um drohenden Berufskrankheiten entgegenzuwirken bzw. um zu verhindern, dass bestehende Berufskrankheiten sich verschlimmern oder dass ausgeheilte Berufskrankheiten wieder aufleben (so genannte Paragraf-3-Maßnahmen). Voraussetzung ist, dass eine konkrete individuelle Gesundheitsgefahr für eine versicherte Person besteht, die größer ist als die Gefahr, der andere Versicherte mit vergleichbaren Tätigkeit ausgesetzt sind.[1] Besteht diese erhöhte individuelle Gefahr, so kommen insbesondere folgende Maßnahmen in Betracht:

  • technische und organisatorische Maßnahmen, z. B. Ersatz gefährlicher Arbeitsstoffe durch ungefährliche
  • persönliche Schutzmaßnahmen, z. B. Hautpflegemittel
  • medizinische Maßnahmen, z. B. Kuraufenthalt

Kann die Gefahr trotz dieser Maßnahmen nicht beseitigt werden, so muss der Unfallversicherungsträger darauf hinwirken, dass der betroffene Versicherte die gefährdende Tätigkeit unterlässt. (Einige Berufskrankheiten, z. B. Hauterkrankungen, können nur anerkannt werden, wenn die versicherte Person die schädigende Tätigkeit aufgibt; man spricht dann vom „Unterlassungszwang“.)

Übergangsleistungen

§ 3 Abs. 2 regelt, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe Übergangsleistungen gewährt werden. Übergangsleistungen i. S. der Berufskrankheiten-Verordnung sind einmalige oder wiederkehrende Geldzahlungen. Sie werden an versicherte Personen geleistet, welche die gefährdende Tätigkeit unterlassen, weil ihnen mit den herkömmlichen Präventionsmaßnahmen nicht geholfen werden kann (§ 3 Abs. 2 Satz 1). Die Übergangsleistungen sollen wirtschaftliche Nachteile ausgleichen, die den Versicherten auf Grund der Tätigkeitsaufgabe entstehen, z. B. Einkommensverlust durch Berufswechsel.

Die Übergangsleistung als Einmalzahlung darf höchstens dem Betrag einer Jahresvollrente entsprechen (§ 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1). Alternativ kann die Übergangsleistung auch durch monatlich wiederkehrende Zahlungen erfolgen. In diesem Fall darf die monatliche Zahlung höchstens ein Zwölftel der Jahresvollrente betragen. Zeitlich sind wiederkehrende Zahlungen auf längstens fünf Jahre begrenzt (§ 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2).

§ 3 Abs. 2 S. 3 bestimmt, dass Renten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht auf die Übergangsleistungen angerechnet werden. Durch diese Nichtanrechungsklausel soll Versicherten, die bereits eine Berufskrankheitenrente beziehen, ein zusätzlicher finanzieller Anreiz zur Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit gegeben werden.

Weitere Regelungen

§ 2 betrifft den Versicherungsschutz für Seeleute. Jene sind auch dann gegen Tropenkrankheiten und Fleckfieber versichert, wenn sie nicht an Bord oder im Hafen arbeiten, sondern sich auf Landgang befinden.

§ 4 regelt, wie die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen, die Gewerbeärzte, am Verfahren zur Feststellung von Berufskrankheiten mitwirken. Die Gewerbeärzte sollen durch die Mitwirkung ihren Sachverstand in das Verfahren einbringen und dabei ihre ärztlichen Erkenntnisse über gewerbliche Risikobereiche erweitern. Sie können dazu so genannte Zusammenhangsgutachten erstellen. Der Begriff des Zusammenhangsgutachten sowie die Höhe der dafür zu zahlenden Gebühren (derzeit 200 Euro) sind in § 5 bestimmt.

§ 6 enthält in den Absätzen 1 bis 4 vier verschiedene Rückwirkungsklauseln. Diese Klauseln betreffen Berufskrankheiten, die durch frühere Änderungsverordnungen in die Berufskrankheiten-Verordnung aufgenommen worden sind. § 6 Abs. 5 Satz 1 legt fest, dass Berufskrankheiten auch dann noch rückwirkend anerkannt werden können, wenn über sie bereits bindend durch Verwaltungsakt oder rechtskräftig durch Gerichtsurteil entschieden worden ist. Bindungswirkung und Rechtskraft werden also aus Gerechtigkeitsgründen durchbrochen. Sozialleistungen (z. B. Verletztenrente) werden jedoch rückwirkend längstens für vier Jahre erbracht (§ 6 Abs. 5 Satz 2).

§ 7 regelte ursprünglich die Berufskrankheitenanzeige durch Unternehmer, Ärzte und Zahnärzte. Dazu verwies die Vorschrift auf verschiedene Vorschriften der Berufskrankheiten-Verordnung vom 20. Juni 1968. § 7 wurde zum 1. August 2002 aufgehoben. Seitdem richtet sich die Anzeige von Berufskrankheiten nach der Unfallversicherungs-Anzeigeverordnung.

§ 8 bestimmt, dass die Verordnung zum 1. Dezember 1997 in Kraft tritt und dass die Berufskrankheiten-Verordnung vom 20. Juni 1968 (BGBl. I S. 721) zum selben Zeitpunkt außer Kraft tritt.

Änderungen der Verordnung

Die Berufskrankheiten-Verordnung von 1997 wurde mehrfach geändert, zuletzt durch die Verordnung zur Änderung der Berufskankheiten-Verordnung (BKV-ÄndV) vom 5. September 2002 (BGBl. I S. 3541). Die BKV-ÄndV fügte der Anlage zur BKV die neuen Berufskrankheiten 2106 Druckschädigung der Nerven und 4114 Lungenkrebs durch die Einwirkung von kristallinem Siliziumdioxid (SiO2) bei nachgewiesener Staublungenerkrankung (Silikose oder Siliko-Tuberkulose) hinzu. Zudem ergänzte sie § 6 um eine Rückwirkungsregelung für die Fälle, in denen versicherte Personen bereits vor dem In-Kraft-Treten der BKV-ÄndV an einer dieser Krankheiten litten.

Die nächste Änderung der BKV wird für 2009 erwartet. Auf Grund der Empfehlungen des Ärztlichen Sachverständigenrats – Sektion Berufskrankheiten – beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales werden voraussichtlich folgende Krankheiten als neue Berufskrankheiten in die Verordnung aufgenommen:

Frühere Berufskrankheitenverordnungen

Durch die Verordnung über Ausdehnung der Unfallversicherung auf gewerbliche Berufskrankheiten vom 12. Mai 1925 (RGBl. I S. 69) wurden erstmals beruflich verursachte Erkrankungen als Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung anerkannt. Die Anlage zu dieser Verordnung enthielt elf Berufskrankheiten. 1929 wurde sie durch eine neue Verordnung ersetzt. Die Zahl der Berufskrankheiten erhöhte sich auf 22; die zweite Verordnung galt auch für nicht-gewerbliche Unternehmen. Die Dritte Verordnung über Ausdehnung der Unfallversicherung auf Berufskrankheiten vom 16. Dezember 1936 (RGBl. I S. 1117) kannte bereits 26 verschiedene Berufskrankheiten. Sie wurde 1943, 1952, 1961 und 1968 durch vier Verordnungen geändert; die Berufskrankheitenliste wurde erweitert. Die Verordnung zur Änderung der Siebten Berufskrankheiten-Verordnung vom 8. Dezember (BGBl. I S. 3329) führte dann das bis heute geltende Prinzip der vierstelligen Berufskrankheitennummer sowie die Bezeichnung Berufskrankheiten-Verordnung (ohne Nummer) ein. 1997 wurde die – mit Änderungen – seit 1936 bestehende Verordnung dann durch die jetzt geltende Berufskrankheiten-Verordnung ersetzt.

Literatur

  • Gerhard Mertens, Stephan Brandenburg: Die Berufskrankheitenverordnung (BKV). Handkommentar aus rechtlicher und medizinischer Sicht für Ärzte, Versicherungsträger und Sozialgerichte. Erich Schmidt Verlag. Berlin 2009. ISBN 978-3-503-01497-2.
  • Otto Blome: Die „neue“ Berufskrankheiten-Verordnung (BKV). In: Die BG 1998, S. 360 ff.

Einzelnachweise

  1. Bundessozialgericht, Entscheidung vom 16. März 1995, 2 RU 18/94.