Zum Inhalt springen

Overstolzen

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 30. Dezember 2008 um 21:11 Uhr durch Wowo2008 (Diskussion | Beiträge) (Ansehen, Macht und Reichtum). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Haus der Overstolzen (1230)

Im mittelalterlichen Köln besetzten die Patrizier den Rat und viele der anderen wichtigen Positionen städtischer Verwaltung. Eine dieser sehr angesehenen, dem Adel ebenbürtigen Familien-Dynastien, waren im reichsstädtischen Köln die Overstolzen.

Definition des Namens

Der Name ist hergeleitet von „Überstolz“, „überaus“ und „stolz“ (hochgemut, von hoher Gesinnung, voller Selbstwertgefühl). Im Mittelniederdeutschen heißt es „stolt", im Mittelniederländischen „stout".

Der Name des alten Kölner Großkaufmannsgeschlechtes ist nach einer Sage auch unter den fünfzehn Familien zu finden, die von Rom in die damalige Colonia Claudia Ara Agrippinensium übergesiedelt sein sollen und sich dort dauerhaft niederließen. [1]

Overstolzen im Mittelalter

„Godescalsus Ovirstoth“ wird 1197 als ältestes Kölner Familienmitglied bezeugt. Um 1200 wandelt sich der Name zu „Ouerstoltz“, und heißt danach „de Oversburch". Oversburch oder auch „Airsbach“ war der Stammsitz des Geschlechtes, er befand sich in der südlichen Vorstadt Kölns, vor der mittelalterlichen Stadtmauer. Ein weiteres romanisches Patrizierhaus wurde zwischen 1220 und 1225 von Blithildis Overstolz innerhalb der Kölner Stadtmauer errichtet, einer Tochter des Stammvaters Gottschalk Overstolz (siehe Artikel Overstolzenhaus). 1264 erwähnt man einen „Overstolzenhof“, eine sogenannte „curia Overstolzorum“ im Bereich der heutigen „Ulrichgasse“, damals „Ulregazzen“ genannt. Weitere, spätere Formen des Namens des Geschlechtes kommen bei „Geradus Oyverstoiltz“ und „Johannes, dictus Ouerstolz“ vor.

Ansehen, Macht und Reichtum

Denkmal zur Schlacht an der Ulrepforte auf der Kölner Stadtmauer am Sachsenring

Die Patrizier Kölns scheuten keine kriegerischen Auseinandersetzungen. Am 28. November 1263 siegten sie mit ihrer Streitmacht über die Verbündeten des Erzbischofs Engelbert II. von Falkenburg, der mit Gewalt das Stadtregiment erringen wollte. Die Rivalität der Geschlechterverbände zwischen der - bisher führenden - Kaufmannsfamilie Weise und den Overstolzen wurde in der Nacht vom 14. auf den 15. Oktober 1268 (Nacht der "heiligen Mohren") entschieden. Hier versuchten die Männer des Erzbischofs an der Ulrepforte in die Stadt einzudringen. Unter der Führung der Familie Overstolz konnten die Kölner die Eindringlinge in einer blutigen Schlacht zurückschlagen. Der Kreis der politisch präsenten Familien erweiterte sich nunmehr, zugleich bildete sich eine wirtschaftlich und politisch homogene Führungsschicht zwischen 15 und 30 Familien mit Zutritt zu Schöffenkollegium, Richerzeche und Rat heraus. Als Sieger der Schlacht an der Ulrepforte vermehrte das Kölner Patriziergeschlecht der Overstolzen seinen Einfluss in der Stadt, und stellte mit Daniel Overstolz 1271 einen von vielen Bürgermeistern. Während der Schlacht von Worringen starb der als Panzerreiter gerüstete Gerhard Overstolz, als er von seinem Pferd gestiegen war und sich zu Fuß an die Spitze des Fußvolks gestellt hatte. Er brach später vor Erschöpfung zusammen und starb am 5. Juni 1288 ohne Kampfeinwirkung.

Patrizier wie die „Overstolzen“, gleichermaßen wie die anderen "edlen Geschlechter" der „Hardevust“, die „Gyr“ auch „Gir“ oder die „Unmaze“, „Cleingedank“, „von Horn“, „Aducht“, „Spiegel“, „Jude“, „Lyskirchen“, „Gryne“ (oder „Grin)“, „Birkelin“, „Quatermart“, „Hirzelin“ und „Scherfgin“ sowie andere einflussreiche Familien waren allzeit bestrebt, Reichtum zu erlangen und ihren Besitz zu vermehren, um so Macht und Ansehen zu stärken. Alle Familienoberhäupter amtierten auch als Bürgermeister der Stadt, einige davon wiederholt oder in der nächsten Generation bis über das Ende des 14. Jahrhunderts hinaus. Gleichzeitig besetzten sie die Richerzechen, das Schöffenkolleg und den Rat, wodurch sie die Stadtpolitik entscheidend mitgestalten konnten.

Die „Overstolzen“ gehörten zu den Großgrundbesitzern, waren mit solchen verwandt und spalteten sich mit der Zeit in mehrere Linien auf. In diesen Verzweigungen kam es durchaus auch zu nicht standesgemäßen Ehen. Auch blieben sie bei all ihren ehrgeizigen Bestrebungen der Arbeit ihrer Vorfahren, der „Gewandschneiderei“ treu.

Heinrich (* um 1180 Köln, † zwischen 1238 und 1246 Köln) und sein Bruder Gottschalk Overstolz (* um 1140 Köln, † 1214 Köln) errichteten insgesamt 16 an einer lang gezogenen Straße stehende und den Overstolzen gehörende Häuser. Die Straße wurde im Volksmund "Unter sechzehn Häusern" genannt, durch Umformung entstand der heutige Name der Bankenmeile "Unter Sachsenhausen"[2].

Noch im Jahre 1324 konnte Werner Overstolz, ein früher Bürgermeister, außerdem Schöffe und „Herr des engern Rats“, wie seine Ahnen 100 Jahre zuvor, persönlich „Gewand“ (auswärtige Tuche) feilbieten. Das innerpolitische Leben des reichsstädtischen Köln wurde durch die „Overstolzen“ beeinflusst. Als führendes Geschlecht innerhalb der Kölner Patrizierfamilien behauptete es sich nicht nur während der Zwistigkeiten im 13. Jahrhundert unter den „edlen Häusern“, sondern bis zum ausklingenden Mittelalter. Ein weiterer Werner Overstolz veröffentlichte um 1440 im Overstolzenbuch die Geschichte seiner Familie, die er stolz bis auf die Römer unter Trajan zurückführte, der in Köln zum Kaiser ausgerufen worden war. Damals galt diese Überlieferung, die auch in der Kölner Chronik Agrippina des Heinrich van Beeck von 1472 aufgeführt wird, noch als wahr[3].

Heutige Zeit

Heute erinnert die zwischen dem Sachsenring und der Volksgartenstraße verlaufende Overstolzenstraße in der Kölner Neustadt-Süd an die Familie der Overstolzen.

Die Schreinsbücher (Grundbücher des Mittelalters) zeugen von mindestens 18 „Overstolz“ genannten Häusern in unterschiedlichen Stadtteilen. Ein einziges verbliebenes Overstolzenhaus in der Rheingasse 8–12, nahe dem Heumarkt zeugt noch von der vergangenen Pracht mittelalterlicher Bauwerke der Kölner Patrizier.

Das um 1320 entstandene Allerheiligenfenster des Kölner Doms besteht aus acht einzelnen Scheiben, den sog. Feldern. Das Fenster gehört zu den ungewöhnlichsten Schöpfungen der Kölner Glasmalerei des 14.Jahrhunderts. Es zeigt über einem bestirnten blauen Himmelssegment und zwei Wappen der Familie Overstolz in acht segmentbogigen Rängen Reihen von Heiligen, ein Abbild der himmlischen Hierarchie[4].

Zudem hat die ehemalige Kölner Zigarettenfirma Haus Neuerburg ihre Marke Overstolz nach diesem Geschlecht benannt. Die Marke gibt es heute noch.

Der Kölner Autor Frank Schätzing schrieb 1995 mit Tod und Teufel einen historischen Köln-Krimi, in dem der tödliche Sturz des ersten Kölner Dombaumeisters Meister Gerhard Auftakt einer geheimen Verschwörung der Patrizierfamilie der Overstolzen bildet. Das Buch gibt es mittlerweile auch als Hörbuch und Hörspiel.

In der Overstolzengesellschaft haben sich engagierte Kölner Bürger zusammengeschlossen, um das Museum für Angewandte Kunst (Köln) zu fördern.

Literatur/Quellen

  • Reinhold Neven DuMont : Gebrauchsanweisung für Köln, Piper Verlag, München 2004, ISBN 349227532

Einzelnachweise

  1. Koehlhoffsche Chronica van der hilligen stat van Collen (1499)
  2. KBS Köln-Straßen
  3. Robert Meier: Kölner Geschichtsschreibung im 15. Jahrhundert, Vortrag der Kölnpreisträger, in Universität im Rathaus, Bd. 5, 1996/97, S. 81
  4. "Das Allerheiligenfenster im Kölner Dom", Lauer/Jägers/Berkenkopf; in: "Zeitschrift für Kunsttechnologie und Konservierung", 1988, ISSN: 0931-7198