Indianer Nordamerikas
Die UNWGIP (United Nations Working Group on Indigenous Peoples) definiert den Begriff indigene Völker durch ihre
- Historische Kontinuität der Urbevölkerung bis heute
- Selbstidentifikation
- Nicht-Dominanz
- Unterschied in Sprache, Kultur, Lebensraum zu den dominanten Völkern
Eine nordamerikanische Eigenart ist, dass die Zugehörigkeit eines Volkes zu einer Sprachgruppe nichts über die kulturelle Verwandtschaft dieses Volkes zu anderen Völkern der gleichen Sprachgruppe oder über räumliche Nähe der Völker aussagt.
Eine weitere mögliche Unterscheidungsart der einzelnen Stämme ist die politische Gliederung: So gibt es zum einen republikanisch organisierte Stämme (Ältestenrat, Stammesrat, Ratsfeuer, Irokesen) und monarchisch organisierte Stämme (Wampanoag, Powhatan). Das Oberhaupt eines Stammes trägt den Titel Häuptling. Im englisch beeinflussten Bereich den Titel Chief. Stämme unter französischem Einfluss hatten den Titel Sachem, die Spanier den Titel Kazike.
Geschichte
Präkolumbische Zeit
Die erste Besiedlung Nordamerikas erfolgte nach heutigem Wissensstand etwa 36.000 bis 32.000 v. Chr., während die Clovis, die lange Zeit als die ältesten Ureinwohner Amerikas galten, den Süden der USA vor ca. 12.000 Jahren bewohnten.
Die Inuit sind relativ spät in Nordamerika angekommen und werden nicht zu den Indianern gezählt.
Kolonialgeschichte
Nach der Reise von Christoph Kolumbus im Jahre 1492 nach Amerika, wanderten immer mehr Europäer nach Amerika aus. Alleine zwischen 1620 und 1770, also bis knapp vor der amerikanischen Unabhängigkeit, stieg die weisse Bevölkerung in den USA von 2'000 auf über 2,2 Millionen an. Dies führte zu Landstreitigkeiten zwischen Weissen und Indianern.
Ausrottung durch Infektionskrankheiten
Die Indianer Amerikas wurden von den Europäern, die nach Amerika auswanderten, in oft blutigen und grausamen Auseinandersetzungen von ihrem Land verdrängt. Daneben trugen viele bisher in Amerika nicht bekannte Infektionskrankheiten eine Rolle.
Teils wurden sie unbewußt oder doch unbeabsichtigt aus Europa eingeschleppt. Es gehört aber auch zu den schrecklichsten Kapiteln der Eroberung Amerikas durch die Europäer, dass diese teilweise Infektionen auch gezielt unter der Urbevölkerung verbreitet wurde, um zu töten. Dabei dürfte es sich vermutlich um den ersten Einsatz von Biologischen Waffen handeln.
- http://www.acponline.org/journals/annals/15oct97/smallpox.htm - Europäer verteilten an Indianer gezielt Textilien, in denen Pocken-Erreger waren.
- http://www.gfisher.org/ch_4__overkill.htm - Von den Europäern eingeschleppte Pocken, Tuberkulose und Geschlechtskrankheiten als einer der Gründe für die Abnahme der indianischen Bevölkerung.
- http://www.united-states-marshal.de/indianer10.html - Pocken, Cholera und Masern als Gastgeschenke ("Büchse der Pandora") der Europäer an die Ureinwohner.
- http://www.newadvent.org/cathen/07747a.htm - Von den Europäern eingeschleppte Pocken und Geschlechtskrankheiten trugen zur Dezimierung der Urbevölkerung bei.
- http://www.tolatsga.org/dela.html - Bericht über einen konkreten Plan, Indianer gezielt durch Textilien, die mit Pocken verseucht waren, auszurotten.
- http://www.interamericaninstitute.org/cook's_thesis.htm - Ausführliche Schilderung von Epidemien von Infektionskrankheiten aus Europa (einschließlich Pocken) unter den Ureinwohnern (Inkas), die es 1524 ff. den Spaniern leicht machten, Mittelamerika zu erobern.
- http://www.mega.nu:8080/ampp/genocide.html - Etwa 2/3 der Ureinwohner in der Gegend der ersten europäischen Siedler (in Massachusetts) starben an Pocken, noch bevor Kämpfe gegen die Europäer ausbrachen. Das wurde seitens der Europäer als göttliche Fügung gedeutet.
- http://www.ouachitalk.com/apologizes.htm - Ein Europäer bekennt sich als Vertreter einer Institution, die vor Jahrzehnten u.a. durch bewußte Infektionen die indianische Urbevökerung dezimiert hatte.
Die Indianerpolitik der USA
Die Indianerpolitik der USA war gezeichnet vom Wunsch der weissen Siedler nach Land und der folglichen Unterwerfung der Indianer. Im Jahre 1763, noch vor der Gründung der USA, entstand durch den Proclamation Act erstmals ein separates Indianerterritorium, das die Indianer im Wesentlichen von den europäischen Auswanderern trennte. Das Gesetz trennte das Land entlang der Wasserscheide der Appalachen: Der westliche Teil wurde den Indianern zugeschrieben, der östliche den Weissen.
Verschiedene Faktoren trugen zur Unterwerfung der Indianer bei: Krieg, Umsiedlung, übermässig viele weisse Siedler, eingeschleppte Krankheiten, gebrochene Verträge und gezielte Ausrottung der Bison als Lebensgrundlage vieler Indianer. Das Massaker von Wounded Knee im Jahre 1890 gilt als endgültige Besiegung der Indianer; fortan lebten sie in Reservationen und waren von den Lebensmittelrationen der Weissen abhängig.
Auch nach der Unterwerfung der Indianer bereiteten diese den Weissen Probleme, alleine durch ihre Existenz und durch die Gelder, welche die Lebensmittelrationen kosteten. In verschiedenen Versuchen wollten die Weissen dieses Indianerproblem beseitigen. Nach und nach scheiterten alle Versuche: General Allotment Act, Indian Reorganisation Act und Termination. Erst mit dem Indian Self Determination Act von 1968 erhielten die Indianer ein Teil ihrer Rechte wieder zurück. Ihr Leben ist jedoch nach wie vor geprägt von Rassendiskriminierung und Armut.
siehe auch: Geschichte der USA, Geschichte Kanadas
Indigener Widerstand
1944 gründeten Indianer verschiedenster Tribes den National Congress of American Indians (NCAI), der als erste und einzige panindianische Widerstandorganisation gilt. Bereits früher waren diverse andere indianische Organisationen entstanden, die allerdings nicht bei allen Stämmen Unterstützung fanden. Der NCAI wurde zum Zwecke des besseren Schutzes der indianischen Rechte gegründet. Er verstand es als seine Aufgabe, in der amerikanischen Bevölkerung Öffentlichkeitsarbeit zum besseren Verständnis der indianischen Kultur und Situation zu leisten und sich für die Bewahrung der traditionellen kulturellen Werte einzusetzen. Der NCAI setzte sich für das Ende der Termination und für das Erstarken der Stammesregierungen ein. Bereits Ende des zweiten Weltkrieges hatte der NCAI Mitglieder aus beinahe allen Stämmen in ihren Reihen.
Mit den Jahren stieg die Unzufriedenheit insbesondere unter den jüngeren Mitgliedern. Viele Indianer waren enttäuscht über das langsame Vorgehen des Kongresses. So spalteten sich 1961 der Nationale indianische Jugendrat (National Indian Youth Council – NIYC), der sich für den indianischen Nationalismus stark machte, und 1968 die Amerikanische Indianerbewegung (American Indian Movement – AIM) ab. Letztere, in den Städten entstandene Bewegung, sorgte Ende der 1960er- und anfangs der 1970er-Jahre mit ihren zum Teil recht militanten Aktionen für Schlagzeilen. 1969 besetzten AIM-Mitglieder zusammen mit Indianern verschiedener Stämme die verlassene, vor San Francisco liegende ehemalige Gefängnisinsel Alcatraz, um dort ein Zentrum für indianische Kultur sowie ein Museum einzurichten. Nach 19 Monaten brachen die Indianer ihre Besetzung ab. 1971 nahmen AIM-Mitglieder einen Teil des in den heiligen Bergen der Lakota, den Black Hills, liegenden Mount Rushmore in Besitz, um gegen die zahlreichen gebrochenen Verträge zu protestieren. Ein Jahr später zogen sie mit Mitgliedern anderer Indianerorganisationen, wie dem NIYC, im Trail of Broken Treaties nach Washington D.C. und besetzten dort für sechs Tage das Verwaltungsgebäude des Bureau of Indian Affairs BIA. 1973 fand die wohl bedeutendste Aktion statt. AIM-Mitglieder besetzten zusammen mit Sympathisanten die in der Pine Ridge Reservation (South Dakota) gelegene Ortschaft Wounded Knee. Diese war und ist für die dort lebenden Lakota von geschichtsträchtiger Bedeutung. Rund 200 bewaffnete Indianer protestierten so gegen die korrupte Stammesregierung unter Richard Wilson. Die Besetzung dauerte 70 Tage.
Der NCAI seinerseits betrieb seinen friedlichen Protest durch Reden, Pamphlets aber auch durch Unterstützung lokaler Projekte und durch das Erarbeiten von Studienprogrammen weiter. Er gewann kontinuierlich an Einfluss. Vereinte er 1970 rund 2000 Mitglieder, so waren es 1978 bereits 3000, die 154 Stämme vertraten.
Nach der Besetzung von Wounded Knee verlagerte sich der Protest der Indigenen. Viele wendeten sich von militanten Massnahmen ab und widmeten sich stattdessen juristischen Möglichkeiten. 1974 gründeten über 5.000 Vertreter von 98 indianischen Ethnien den Internationalen Indianischen Vertragsrat (International Indian Treaty Council - IITC), die heute wohl bedeutenste Widerstandsorganisation der Indianer. Ihr Ziel ist es, ihre Traditionen zu bewahren und ihre Rechte zur Selbstbestimmung zu erlangen. Noch im selben Jahr reisten Vertreter des IITC in die Schweiz, um die Gründung einer Menschenrechtsorganisation im Gastgeberland der UNO anzuregen. So entstand die Organisation Incomindios Schweiz, die indigenen Vertretern unter anderem ermöglicht, jährlich während einer Woche in Genf an der UNO ihre Probleme zu schildern und ihre Forderungen zu stellen.
Heutige Situation
Heute besitzen die Indigenen nur noch 2,3 Prozent der Fläche der USA. Viele Indianer leben jedoch in urbanen Gebieten ausserhalb der Reservationen.
Das Leben in Reservationen
Das Leben in Reservationen ist von Armut geprägt. Die Arbeitslosigkeit enorm hoch, das Gesundheitswesen schlecht und der Alkoholismus weit verbreitet. In jüngster Vergangenheit verbesserte sich die Situation in jenen Reservatinen erheblich, die mit eigenen Kasinos Millionenbeträge einspielten.
siehe auch: Indianerreservation
Das Leben in urbanen Gebieten
Insbesondere durch die Terminationspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg nahm die indianische Bevölkerung in den Städten sprunghaft zu. In den zwanzig Jahren nach 1950 sollen etwa 100'000 Indianer in die Städte gezogen sein. 1970 lebten bereits 44,6% aller registrierten Indianer in Städten, um 1990 waren es mit 54% über die Hälfte. Die bevorzugtesten Städte waren zum einen die grossen wie Los Angeles mit 30'000 Indianern, San Francisco mit 20’000 und Chicago mit 8'000 und zum anderen kleinere Städte in der Nähe der Reservationen, wie zum Beispiel Tulsa, Oklahoma City, Phoenix, Tucson, Albuquerque, Seattle, Minneapolis und Buffalo.
Die staatlich geförderte Umsiedlung in Städte hatte offiziell den Zweck, die Arbeitslosenquote in den Reservationen zu verringern. Dieses Ziel wurde nicht mal annähernd erreicht. Abgenommen hat dafür die Arbeitslosenquote der indianischen Bevölkerung in den Städten. Zwischen 1950 und 1970 sank sie von 15,1% auf 9,4%. Die Abnahme der Arbeitslosenquote ging einher mit einer Verbesserung der Ausbildung. Gegenüber den Reservationen lag das Lohnniveau in den Städten höher. Dieser Unterschied vergrösserte sich weiter im Laufe der Jahre. Im Jahre 1949 machte das mittlere Einkommen der Reservationsindianer rund 80% desjenigen des städtischen Indianers aus. Zwanzig Jahre später verdienten die Reservationsindianer nur noch 57% ihrer städtischen Volksgenossen. Damit lag das Einkommen der städtischen Indianer ungefähr auf dem Niveau desjenigen der schwarzen Männer. Ebenfalls weniger gravierend als in den Reservationen ist die Sterblichkeitsrate, dies vor allem dank einer besseren gesundheitlichen Versorgung. Jedoch ärger ist der Alkoholkonsum, obwohl dieser in den Reservationen bereits ein grosses Problem darstellt. Markant ist auch die geringere Kinderzahl pro Frau in den Städten. Hatte um 1980 eine Frau in den Reservationen durchschnittlich 5,3 Kinder, waren es zur selben Zeit in der Stadt nur 3,7 Kinder.
Nicht alle Indianer kommen mit der weissen Welt gleich gut zurecht. Zu Beginn der Terminationspolitik kehrten rund drei Viertel aller Umsiedler in die Reservationen zurück, später nur noch etwa die Hälfte. Für eine Rückkehr sprechen vor allem persönliche und ökonomische Gründe.
Obwohl städtische Indianer wohl ebenso mittellos sind, wie die in Ghettos lebenden Schwarzen, gibt es keine eigentlichen Indianerghettos. Vielmehr leben die Indianer über die ganze Stadt verteilt wie in Seattle oder sind in einem Gebiet im Herzen der Stadt angesiedelt, wie dies in Minneapolis der Fall ist. Dort ist das Indianerviertel zwar als ‚Red Ghetto’ bekannt, ist allerdings nicht mit den schwarzen Ghettos vergleichbar, die meist am Stadtrand liegen. Egal wie die Verteilung der Indianer in den Städten aussieht, den allermeisten städtischen Indianern ist das Wohnen in ärmeren Stadtvierteln gemein. So leben gemäss 19% aller städtischen Indianer in überfüllten Wohnungen, während dieser Anteil bei der gesamten US-Bevölkerung nur gerade bei 7% liegt. Der starke Alkoholkonsum verwickelt die Indianer vielmals in grosse Probleme. Insbesondere führt er zu zahlreichen Verhaftungen wegen Delikten unter Alkoholkonsum. Tatsächlich gelten Bars in den Städten zu den beliebtesten Treffpunkten.
Sprachgruppen
Man unterscheidet bei den nordamerikanischen Ureinwohnern eine Reihe verschiedener Sprachgruppen. Dabei weichen die wissenschaftlichen Abgrenzungen der Sprachen und Sprachgruppen voneinander z.T. erheblich ab.
- Inuit, in Alaska, Nordkanada (Nunavut), Grönland
- Athapasken (Na-Dene-Sprachen - als einzige indianische Sprachgruppe gibt es Anzeichen für genetische Beziehungen zu den asiatischen Sino-Tibetischen Sprachen. Die Na-Dene-Sprachgruppe wird daher von einigen Wissenschaftlern nicht als Amerindisch (Indianersprache) bezeichnet.
- Algonkin-Sprachen
- Salish-Sprachen
- Wakash
- Muskogee-Sprachen
- östliche Gruppe:
- Alabama (Sprache), Texas, in Oklahoma ausgestorben
- Koasati
- Muskogee (Dialekte: Seminolische Sprache, Creek), in Alabama, Florida und Oklahoma
- Mikasuki
- westliche Gruppe:
- östliche Gruppe:
- Tunica
- Coahuilteca
- Sioux-Sprachen
- Irokesische Sprachen
- Mitglieder des Irokesenbundes:
- Mohawk
- Oneida
- Onondaga
- Cayuga
- Seneca (Volk)
- Tuscarora (ab ca. 1722 im Irokesenbund)
- Huronen
- Wenro
- Tionontati (Tobacco)
- Neutrals
- Erie
- Susquehannock
- Cherokee
- Mitglieder des Irokesenbundes:
- Caddo-Sprachen
- Hoka
- Chumash
- Penuti
- Zuni
- Kiowa-Tano
- Uto-aztekische Sprachen
- Keres
- Arawak (Aruak)
- Oto-Mangue
Siehe auch: Nord- und mesoamerikanische Sprachen
Kulturelle Gruppen
Versuch einer kulturellen Zuordnung:
- Subarktisindianer
- Nordostindianer
- Südostindianer
- Südwestindianer
- Prärieindianer
- Indianer des Großen Beckens
- Plateauindianer
- Nordwestküstenindianer
- kalifornische Indianer
Eine Sonderrolle spielen die Métis, Nachfahren vorwiegend französischer Einwanderer und indigener Frauen, die in Kanada als indigenes Volk anerkannt sind. Sie sprechen z.T. Französisch, z.T. Michif, eine dem Cree verwandte Sprache.
Literatur
- Bolt, Christine: American Indian Policy and American Reform. Allen & Unwin, London: 1987.
- Washburn, Wilcomb: Handbook of North American Indians. Volume 4: History of Indian-White Relations. Smithsonian Institution (Hg.). Washington: 1988.