Luftangriffe auf Nürnberg
Die Luftangriffe auf Nürnberg durch die United States Army Air Forces und die Royal Air Force richteten in der Stadt zwischen 1940 und 1945 schwerste Schäden an.
Im Zweiten Weltkrieg war Nürnberg eines der bevorzugten Ziele der alliierten Bomber, geriet wegen seiner Lage im Süden Deutschlands jedoch erst relativ spät in ihren Aktionsradius. Aufgrund der starken Industrie, und seiner Funktion als Verkehrsknotenpunkt, aber auch aufgrund der symbolischen Bedeutung als „Stadt der Reichsparteitage“ bot es für die Alliierten ein wichtiges Ziel.
Die größten Zerstörungen richtete der Angriff vom 2. Januar 1945 an, an dem 521 Bomber auf Nürnberg flogen, die innerhalb einer Stunde 6.000 Sprengbomben und eine Million Brandbomben abwarfen. Die Bevölkerung hatte über 2.000 Tote und 100.000 Obdachlose zu beklagen. Durch diesen Angriff wurde die Nürnberger Altstadt vollständig zerstört, die Stadt als Ganzes schwer beschädigt. Die Luftangriffe endeten im April 1945, am 20. April wurde Nürnberg von Einheiten der 7. US-Armee besetzt. Insgesamt war Nürnberg die nach Dresden am stärksten zerstörte deutsche Stadt.
Bedeutung als Angriffsziel
Nürnberg war ein wichtiger Produktionsstandort für Rüstungsgüter: Die MAN in der Südstadt baute beispielsweise U-Boot-Motoren und einen einen großen Teil der Panther-Panzer. Weitere wichtige Firmen waren Neumeyer, TEKADE, Siemens-Schuckert, Nüral, die Nürnberger Schraubenfabrik und Diehl. Dazu kamen die Zweiradindustrie (Zündapp, Triumph, Victoria) und 120 kleinere Rüstungsbetriebe.[1] Ein weiteres Ziel war die Bahninfrastruktur: der Rangierbahnhof im Süden der Stadt und die in Nürnberg zusammentreffenden Hauptbahnstrecken.
Chronologie der Luftangriffe auf Nürnberg und Umgebung
Bis 1942 erfolgten nur kleinere Angriffe, 1942–44 dauerte das zähe Ringen um die Luftherrschaft über Deutschland, die die Alliierten ab Mitte 1944 weitgehend errungen hatten. Ab Herbst 1944 waren die Flugplätze der Angreifer so nah herangerückt, dass auch Tiefflieger erschienen. Die Tabelle orientiert sich an den Angaben von G. W. Schramm.[2]
Datum | Flugzeuge | Bombenlast (t) | Beschreibung des Luftangriffs | Tote / Verletzte / Obdachlose |
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1940 | ||||
7. August | Bomben auf Burgfarrnbach | |||
20./21. Dezember | Bomben auf das Märzfeld | |||
1941 | ||||
12./13. Oktober | 152 Bomber der RAF, v.a. Wellington und Whitley | nur 20 Sprengbomben und 14 Brandkanister trafen; kleinere Schäden in Nürnberg, aber schwerere Schäden in Schwabach | 9 Tote; 50 zerstörte Häuser in Schwabach | |
1942 | ||||
28./29. August | Bomber der RAF | Südwestlich vom Stadtpark und Südstadt, die Alte Kongresshalle/Luitpoldhalle in der Luitpoldarena, die Burg | 136 Tote; 152 zerstörte Wohnhäuser, 220 Brände | |
danach | 4 Fliegeralarme | |||
1943 | ||||
25./26. Februar | 337 viermotorige Bomber der RAF | Wegen Wolkendecke fielen die meisten Bomben ins Knoblauchsland, andere trafen nördliche und nordwestliche Stadtteile. Die Wehrkirche in Kraftshof. | 27 Tote; 44 große, 8 mittlere und 10 kleine Brände | |
8./9. März ab 23:00 Uhr |
335 viermotorige Bomber der RAF | 358 t Spreng- und 412 t Brandbomben | Südliche Altstadt: Dachstuhl der Mauthalle; außerdem Kaiserburg, Siemens-Trafowerk, Rangierbahnhof. | 343 Tote; 171 große, 339 mittlere und 1746 kleine Brände; Zeitzünderbomben. |
11. August 00:48 |
653 viermotorige Bomber der RAF: Lancaster, Stirling, Halifax | 878 t Spreng- und ebenso viele Brandbomben | Norden, südliche Altstadt, Wöhrd; St. Sebald, St. Lorenz; u. a. Germanisches Nationalmuseum, die letzte Hopfenhalle am Kornmarkt | 585 Tote; 1732 zerstörte, 1156 schwer und 2386 mittelschwer beschädigte Häuser |
27./28. August | 674 viermotorige Bomber der RAF | Die dunkle Nacht, starke Flak und Nachtjäger störten den Zielanflug, viele Bomben fielen auf südliche Vororte. In Nürnberg: Maxfeld, Nordostbahnhof, südliche Altstadt, Laufamholz; Die Firmen Neumeyer und MAN | 56 Tote; 458 zerstörte, 361 mittelschwer und 1704 wenig beschädigte Häuser | |
1944 | ||||
25. Februar 12:47 Uhr |
172 Liberator der USAAF | Ziel war das Fürther Flugzeugwerk Bachmann, von Blumenthal & Co. | 138 Tote, 122 Verletzte | |
31. März | 795 Bomber der RAF: 572 Lancaster, 214 Halifax, 9 Mosquitos | 910 t Spreng- und 1176 t Brandbomben | Die Angreifer hatten große Verluste: 95 Bomber wurden abgeschossen. In Nürnberg wurde der Angriff als „Mittelschwer“ eingestuft, in den östlichen Nachbarorten (Röthenbach an der Pegnitz, Behringersdorf, Lauf an der Pegnitz) entstanden weitere Schäden | In Nürnberg: 74 Tote und 122 Verletzte; 130 zerstörte, 879 mittelschwer und 2505 wenig beschädigte Häuser |
10. April 10:48 Uhr |
233 B-17G und 241 Begleitjäger der USAAF | Fürth, Nürnberger Rüstungsfirmen: MAN, TEKADE | 82 Tote, 366 Verletzte; 211 Wohngebäude zerstört, 214 schwer, 1365 mittelschwer und 1800 leicht beschädigte Häuser | |
13 Fliegeralarme | ||||
3. Oktober 11:15 Uhr |
454 B-17 der USAAF | Ziel war die MAN, wegen Wolkendecke war aber kein genaues Zielen möglich. Getroffen wurde auch die nördliche Altstadt: Weinstadel, Viatishaus, 62 Patrizierhäuser | 353 Tote, 1033 Verletzte; 518 zerstörte, 738 schwer, 1097 mittelschwer und 4109 leicht beschädigte Häuser | |
19./20. Oktober | 263 Lancaster 7 Mosquitos der RAF | Süd- und Altstadt. Gustav-Adolf-Kirche, MAN, Siemens, Rangierbahnhof | 237 Tote, 10.383 Obdachlose | |
62 Fliegeralarme und Öffentliche Luftwarnungen | ||||
25./26. November | Mosquitos der RAF | Kleiner Störangriff, ein Zug und mehrere Gebäude wurden getroffen | über 60 Tote | |
bis 24. Dezember | Mosquitos der RAF | Weitere Kleine Störangriffe; in England „Mosquitos on siren tours“ genannt | ||
1945 | ||||
2. Januar, Nachts | 514 Lancaster und 7 Mosquitos der RAF | 1825 t Spreng- und 479 t Brandbomben | Völlige Zerstörung der Nürnberger Altstadt mit unersetzlichen Schäden an der historischen Bausubstanz. Außerdem wurden Rüstungsfirmen getroffen: MAN, TEKADE, Nüral, Nürnberger Schraubenfabrik | 1794 Tote, mehr als 3000 Verletzte, 100.000 Obdachlose; 4553 zerstörte, 2047 schwer, 2993 mittelschwer und 7000 leicht beschädigte Häuser; 1 Flächen- und 2 Blockbrände, 1194 Groß-, 851 Mittel- und 1070 Kleinbrände |
Januar und Februar | Mosquitos der RAF | Weitere Kleine Störangriffe. | ||
20. Februar 12:30 Uhr |
831 B-17 und 360 B-24 der USAAF | Bereits auf dem Anflug mussten die B-24 wegen Unwetter umkehren. Wegen Wolkendecke über dem Ziel wurden die Bomben blind geworfen und über die ganze Stadt verteilt; Häufungen bei Bahnanlagen und Südstadt. | s. u. | |
21. Februar 10:40 Uhr |
1205 Bomber der USAAF | Ziele waren Haupt- und Rangierbahnhof, jedoch wurden auch Gostenhof und St. Johannis getroffen. | Bei beiden Angriffen wurden 1356 Menschen getötet und 70.000 obdachlos | |
Februar/März | 2 Störangriffe | |||
16. März 20:53 Uhr |
231 Lancaster und 16 Mosquitos der RAF | Schwere Schäden in der Südstadt: Steinbühl und Galgenhof, St. Peter, Gostenhof; außerdem Muggenhof, Thon, Schnepfenreuth und Poppenreuth | 517 Tote | |
19. März | Störangriffe | |||
5. April | 254 B-17 der USAAF | Ziel war der Haupt- und der Rangierbahnhof, getroffen wurden vor allem Wohngebiete der Südstadt | s. u. | |
5. April | 72 B-17 der USAAF | Fürth und der Behelfsflugplatz Unterschlauersbuch | Bei beiden Angriffen gab es 197 Tote | |
8. April | 89 B-24 der USAAF | Das Flugzeugwerk Bachmann, von Blumenthal & Co in Fürth | ||
5.–10. April | Tiefflieger | Bahntransporte, Flakstellung bei Zollhaus, Bahnausbesserungswerk in Gostenhof | ||
11. April, nachmittags | 143 Bomber der RAF | Rangierbahnhof und benachbarte Wohngebiete | 74 Tote |
Am 16. April 1945 hatten die ersten amerikanischen Verbände Nürnberg erreicht. Die deutschen Verteidiger zogen sich in die Altstadt zurück. Am 17. begann der amerikanische Artilleriebeschuss und bei den kurzen Kämpfe kamen nochmals 371 Zivilisten und 311 Soldaten/Polizisten ums Leben. Am 20. April feierten die Amerikaner ihren Sieg mit einer Parade.
Zerstörungen und Wiederaufbau
Die Nürnberger Altstadt war völlig zerstört. Auch die Südstadt, St. Johannis und andere Stadtteile waren schwer getroffen. Nürnberg hatte unter den deutschen Großstädten nach Köln, Dortmund und Kassel die größte Menge Trümmerschutt je Einwohner.[3] Die Bevölkerung war zu Kriegsende auf 195.000 zurückgegangen, die Hälfte der Wohnungen war zerstört, die restlichen oft beschädigt.
In einem Städtebaulichen Wettbewerb wurden 1947 Ideen zum Wiederaufbau gesammelt. Das „Kuratorium für den Wiederaufbau Nürnbergs“ beriet die Stadtverwaltung in den Fragen des Wiederaufbaus. Man einigte sich auf eine vereinfachende Rekonstruktion.[4]
Um 1955 waren die meisten Wiederaufbauarbeiten abgeschlossen oder zumindest begonnen. 1956-60 wurde das alte Rathaus (Wolffscher Bau, Rathaussaalbau) wiedererrichtet, bis 1957 wurde die Sebalduskirche Instand gesetzt. Das größte Restaurierungsprojekt bildete die Stadtbefestigung mit ihrer 4 km langen Doppelmauer und dem Graben [5].
Bombenfunde nach dem Zweiten Weltkrieg
Auch nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurden (und werden noch) Blindgänger im Nürnberger Stadtgebiet gefunden. Häufig werden sie zufällig bei Baumaßnahmen entdeckt, seltener wird gezielt nach ihnen gesucht. Für die Entschärfung und Sicherung der Fliegerbomben ist der Kampfmittelräumdienst zuständig. Dabei können großflächige Evakuierungen der Bevölkerung notwendig werden.
Siehe auch
- Luftkrieg im Zweiten Weltkrieg
- Militärische Operationen im Zweiten Weltkrieg
- Geschichte der Stadt Nürnberg
Literatur
- Georg W. Schramm: Die Zerstörung. In: 3 x Nürnberg : eine Bilderfolge aus unserem Jahrhundert. 2. Auflage. Verlag A. Hofmann, Nürnberg 1990, ISBN 3-87191-124-0.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ G. W. Schramm, Dr. U. Winkel: Rüstungsindustrie, in: Michael Diefenbacher; Rudolf Endres (Hrsg.): Stadtlexikon Nürnberg. 2. Auflage. Nürnberg: W. Tümmels Verlag, 2000, ISBN 3-921590-69-8, S. 915.
- ↑ G. W. Schramm: Die Zerstörung, in 3 x Nürnberg, Verlag A. Hofmann, Nürnberg 1990, S. 66 ff.
- ↑ G. W. Schramm: Die Zerstörung, in 3 x Nürnberg, Verlag A. Hofmann, Nürnberg 1990, S. 85.
- ↑ C. Wachter, W. Prölß: Wiederaufbau, in: Michael Diefenbacher; Rudolf Endres (Hrsg.): Stadtlexikon Nürnberg. 2. Auflage. Nürnberg: W. Tümmels Verlag, 2000, ISBN 3-921590-69-8, S. 1178f.
- ↑ O. P. Görl: Der Wiederaufbau, in 3 x Nürnberg, Verlag A. Hofmann, Nürnberg 1990, S. 97f.