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Benutzer:Elektrofisch/Gerhart Stein

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Der Arzt und Anthropologe Gerhard Stein geboren am 22. November oder 22. Dezember 1910 in Bad Kreuznach war ein Mitarbeiter der "Forschungsstelle Ritter", die im Dritten Reich die Erfassung der deutschen Sinti und Roma durchführte und so einen bedeutenden Beitrag zum Völkermord an ihnen leistete.

Biographie

Titelblatt der Druckfassung der Dissertation

Gerhard Stein wurde am 22. November oder 22. Dezember 1910 in Bad Kreuznach geboren.

Stein trat der SA 1931 bei, eine spätere Liste nennt als Mitgliedaszeitraum den 1.12.1931-1.12. 1933/34.[1] Diese politische Tätigkeit verlängerte sein Studium wie er im Lebenslauf seiner Dissertation vermerkt: "Ich brauchte für mein Gesamtstudium etwas länger, weil ich im Jahre 1931 in Tübingen in die Partei und die SA. [sic!] eintrat und meine Zeit und Kraft der Bewegung widmete, mich dafür auch ein Semester beurlauben ließ." Nächste Stufe auf dem Weg zur Dissertation ist nach der gleichen Quelle "Nach dem Staatsexamen arbeitete ich sechs Monate am Institut fuer Erbbiologie und Rassenhygiene bei Herrn Professor Dr. Freiherr von Verschuer in Frankfurt a.M. Ich beschäftigte mich mit Begutachtungen über Sterilisationen und Ehetauglichkeit und mit Zwillingsforschung."

Das Thema und den Doktorvater hatte sich Stein 1936 selbst ausgesucht. [2] Bereits vor seiner Dissertation muss Stein nach einer etwas undeutlichen Auskunft seines Doktorvaters "Zigeunerforschung" betrieben haben: "Die Durchführung der eigenen Arbeit war nur möglich Dank der langjährigen Erfahrung von Herrn Stein im Umgang mit Zigeunern."[3]

Der Titel seiner Ende 1938 abgegebenen Dissertation war: "Zur Psychologie und Anthropologie der Zigeuner in Deutschland", sie erschien 1941 unter dem falschen Titel: "Zur Physiologie und Anthropologie der Zigeuner in Deutschland" in der Zeitschrift für Ethnologie. Für seine Dissertation wertete er Untersuchungen, die er vor allem 1937 an 247 Sinti und Roma, die zum größten Teil "in einem Lager in der Nähe von Berlin konzentriert" [4] waren, aus. Stein ergänzte seine Berliner Forschungen um Erhebungen in Frankfurt. [5]

Polizeibewachung des "Zigeunerlagers" Berlin Marzahn
Elisabeth Weirich mit Kindern im "Zigeunerlager" Berlin-Marzahn

Beim Lager in der Nähe von Berlin kann es sich nur um das von der Polizei bewachte Zwangslager in Berlin-Marzahn gehandelt haben. Am 16. Juni 1936 meldete eine Lokalzeitung Berlin als "zigeunerfrei". Das Lager wurde von Polizisten mit Hunden ständig bewacht, die die Insassen misshandelten. Zugang hatte nur Ritters "Forschungsstelle" und die evangelische "Zigeunermission". Die Kinder durften nicht zur Schule gehen, für die Erwachsenen und Jugendlichen herrschte Arbeitszwang. Von Marzahn wurden Sinti und Roma direkt nach Auschwitz deportiert. [6] Steins Untersuchungen sind in der veröffentlichten Fassung - und vermutlich auch im Manuskript, das nur noch fragmentarisch in der Dissertationsakte erhalten ist - anonymisiert, so dass es unmöglich ist das Schicksal einzelner von ihm für seine Doktorarbeit missbrauchter Personen zu erschliessen. Dies gilt besonders für die in Marzahn untersuchten Sinti und Roma.

Inhaltlich liefert Stein nichts als die pseudowissenschaftliche Legitimation der NS-Politik. So schreibt er "Die Zigeuner sind Tiere ..." (S. 85) oder "Das ist die typische Zigeunerpsyche: tierhaft, triebhaft, affektbetont". (S. 87) Ein Dissertationsgutachter werten das so: "Neben den sehr interessanten Ausführungen ihres Familien und Sippenlebens scheint mir vor allem gerade in der Zeit, da vom Reichsgesundheitsamt eine Gesamterfassung sämtlicher in Deutschland lebender Zigeuner in die Wege geleitet wird, die Betonung des Herrn Stein wichtig, die Zigeuner nicht ohne weiteres mit den Asozialen und Kriminellen gleichzusetzen, sondern letztere als Abkömmlinge der Kreuzung von asozialen Elementen der Wirtsbevölkerung mit Zigeunern abzugrenzen."[7]

Die Prüfer bewerteten Steins Dissertation einhellig mit einem "sehr gut", die ärztliche Prüfung hatte er dagegen nur mit "genügend" bestanden.[8]

Steins Arbeit für die "Forschungsstelle Ritter"

Erfassung, Depotrtation, Auschwitz

Der Zusammenhang zwischen der Erfassung der Sinti und Roma durch die Polizei und Stein als Angehörigen der "Arbeitsgruppe Ritter" bis hin zur Ermordung in Konzentrationslagern läßt sich am besten für bei einzelnen Opfern nachweisen, die 1943 unmittelbar nach Auschwitz deportiert worden. Besonders gut ist dieser Zusammenhang bei der Wiesbadener Familie L., bei der die Polizei Steins Arbeitsliste für ihre Deportationslisten nur noch um die 1938 unter sechsjaehrigen Kinder erweitern musste: Name: Geboren Erfasser Nr. Ankunft Auschwitz "Zigeunerfamilienlager"

An gest
ung Dep.W Auschw Auschwitz i . 

Josef L. 19.5.95 Stein 36 13.3.4 24.7.43 1938 3 Wilhelm L. 18.12.02 Stein 40 13.3.4 - 5 1938 3 Josef L. 28.6.28 Stein 41 13.3.4 21.4.44 1938 3 Anna Maria 29.5.98 Stein 37 [13.3. 20.4.43 L. 1938 43]

Anna Maria 18.1.24 Stein 39 [13.3. 9.6.44 L: 1938 43] Hildegart 6.6.30 Stein 42 [13.3. Sterbedatum L. 1938 43] unleserlich Bertha L. 1.6.32 43 [13.3. 20.5.44 43] Rosina L. 30.3.36 44 [13.3. 28.9.43 43] Therese L. 24.11.4 [13.3. 2.5.43 1 43] Jakob L. 11.11.1 Stein 38 3 1938



Die Sinti aus den von Stein aufgesuchten Städten Köln, Ingelheim und Mainz wurden am 16. Mai 1940 ins Generalgouvernement deportiert, wo sich ihre idividuelle Spur verleirt, ein Großteil ist dort ermordet worden.

Weitere berufliche Laufbahn

Nach 1945 arbeitete Stein als Arzt in Wiesbanden.[9]

Arbeit für die "Forschungsstelle Ritter"

In folgenden Orten erfasste Stein.

Oberingelheim Feb 1938 [10]

Wiesbaden Jan-Feb 1938 [11]

Mainz Feb 1938 [12]

Frankfurt am Main 1936, Januar und Frebruar 1938 [13]

Köln März 1938 [14]

Bergzabern März 1938 [15]

Werke

  • Zur Psychologie und Anthropologie der Zigeuner in Deutschland. Druckfassung der Dissertation 1941

Literatur

  • Michael Berenbaum, Abraham J. Peck, United States Holocaust: The Holocaust and History. [2]
  • Auschwitz, XY-Buch "Zigeunerlager"

Archivalien

  • Namensverzeichnis der ehemaligen Mitglieder der NSDAP und ihrer Gliederungen. Nachtrag 1 Wiesbaden Alt
  • Gerhard Stein Dissertationsakte Nr. 2157 im Archiv des Dekanates Fachbereich Humanmedizin der Johann Wolfgang Goethe-Universitaet Frankfurt a.M.
  • Erfassungslisten der "Forschungsstelle Ritter" Bundesarchiv R 165/38
  • Deportationsliste Wiesbaden Landeshauptarchiv Wiesbaden
  • Ritter Bericht an DFG R 73 14005

Steinbruch

Von den 21 von Stein in Mainz erfassten Sinti wurden sieben Sinti 1943 im Rahmen grosser Transporte auf Grundlage von Himmlers Auschwitzerlasses fuer Sinti und Roma vermutlich aus anderen Konzentrationslagern nach Auschwitz "verlegt", fuenf sind im Hauptbuch des "Zigeunerlagers" als verstorben verzeichnet, zwei Personen wurden aus dem "Zigeunerlager" Auschwitz in andere KZ weiterdeportiert: 

Name geb. An

gest
Auschwitz
Bem. Auschw . 

Adelhei 15.3.01 - - 15.4.44 d B. 5 Ravensbrueck Robert 30.1.7 14.3.4 3.1.44 B. 9 3 Maria 11.6.8 - 22.8.43 B. 0 Adolf 21.5.7 22.3.4 ?.?.43 G. 2 3 Alwine 10.6.0 - Sterbedatum G. 7 unleserlich Georg 5.4.97 18.3.4 24.4.43 R. 3 Anton 1.3.74 15.3.4 - Auschwitz R. 3




Auf den Deportationslisten der Mainzer Polizei aus dem Jahr 1940 finden nur sich zwei Personen, die Stein 1938 erfasste. Die anderen Sinti und Roma sind vermutlich dem Verfolgungsdruck ausgewichen oder im Rahmen von Verhaftungsaktionen der Polizei - die sich in den bereinigten Akten der Mainzer Polizei nicht nachweisen lassen - bereits vor 1940 in Konzentrationslagern eingewiesen worden. Auch in Wiesbaden erfasste "Stein" in Januar/Februar 1938. Hier ist der Zusammenhang zwischen Erfassung und Deportation nach Auschwitz besondes gut zu belegen, da anders als in Mainz die Wiesbadener Sinti nicht 1940 in das "Generalgouvenement", sondern 1943 direkt nach Auschwitz deportiert wurden. Besonders eng ist dieser toetliche Zusammenhang bei der Wiesbadener Familie L., bei der die Polizei Steins Arbeitsliste fuer ihre Deportationslisten nur noch um die 1938 unter sechsjaehrigen Kinder erweitern musste:

Vorname geb. Erfass Nr. An gest ung Dep.W Auschw Auschwitz i . Josef L. 19.5.95 Stein 36 13.3.4 24.7.43 1938 3 Wilhelm L. 18.12.2 Stein 40 13.3.4 - 5 1938 3 Josef L. 28.6.28 Stein 41 13.3.4 21.4.44 1938 3 Anna Maria 29.5.98 Stein 37 [13.3. 20.4.43 L. 1938 43] Anna Maria 18.1.24 Stein 39 [13.3. 9.6.44 L: 1938 43] Hildegart 6.6.30 Stein 42 [13.3. Sterbedatum L. 1938 43] unleserlich Bertha L. 1.6.32 43 [13.3. 20.5.44 43] Rosina L. 30.3.36 44 [13.3. 28.9.43 43] Therese L. 24.11.4 [13.3. 2.5.43 1 43] Jakob L. 11.11.1 Stein 38 3 1938 
Auch im rheinhessischen Ingelheim finden sich von Stein 1938 erfasste Personen oder deren Kinder 1940 auf der Deportationsliste. Stein hatte hier 12 Personen erfasst. 
"Zigeuner sind Tiere ..." - Steins toedliche Doktorarbeit 

Steins unmittelbare Arbeit für die Vernichtungsmaschine war nicht seine erste nationalsozialistische Beschaeftigung mit "Zigeunerforschung". In seiner im Dezember 1938 vorgelegten Doktorarbeit: "Zur Psychologie und Anthropologie der Zigeuner in Deutschland" (Anmerkung: Die in der Zeitschrift fuer Ethnologie 1941 veroeffentlichte Fassung besitzt im Titel einen Druckfehler: "Zur Physiologie ..." heisst es dort. Laut Dissertationsakte und Sonderdruck ist der obige Titel der richtige. Dissertationsakte Nr. 2157 im Archiv des Dekanates Fachbereich Humanmedizin der Johann Wolfgang Goethe-Universitaet Frankfurt a.M.) wertete er Untersuchungen, die er vor allem 1937 an 247 Sinti und Roma, die zum groessten Teil "in einem Lager in der Naehe von Berlin konzentriert" (Gutachten Otmar von Verschuers in der Dissertationsakte) waren, aus. Stein ergaenzte seine Berliner Forschungen um Erhebungen in Frankfurt (ebd.). Beim Lager in der Naehe von Berlin kann es sich nur um das Lager Berlin-Marzahn gehandelt haben. Den Anlass zur Errichtung dieses ersten Lagers fuer "Fremdrassige" im Dritten Reich boten die Olympischen Spiele, fuer die Berlin "gesaeubert" werden sollte. Zustaendig fuer die massenhafte Zwangseinweisung war die "Zigeunerdienststelle" im Berliner Polizeipraesidium. Am 16. Juni 1936 meldete eine Lokalzeitung Berlin als "zigeunerfrei". Das Lager wurde von Polizisten mit Hunden staendig bewacht, die die Insassen misshandelten. Zugang hatte nur Ritters "Forschungsstelle" und die evangelische "Zigeunermission". Die Kinder durften nicht zur Schule gehen, fuer die Erwachsenen und Jugendlichen herrschte Arbeitszwang. Von Marzahn wurden Sinti und Roma direkt nach Auschwitz deportiert (vgl. Gilsenbach: Oh Django sing deinen Zorn. Berlin 1993, S. 139-147). Steins Untersuchungen sind in der veroeffentlichten Fassung - und vermutlich auch im Manuskript, das nur noch fragmentarisch in der Dissertationsakte erhalten ist - anonymisiert, so dass es unmoeglich ist das Schicksal einzelner von ihm fuer seine Doktorarbeit missbrauchter Personen zu erschliessen. Dies gilt besonders fuer die in Marzahn untersuchten Sinti und Roma. Aber in den Arbeitslisten des Ritterinstitutes findet sich eine wenige Personen umfassende Auflistung der von Stein 1936 und 1937 in Frankfurt fuer seine Doktorarbeit erfassten Sinti und Roma, darunter ein am 16. Mai 1940 von Mainz deportierter Sinti. Eine weiterer der von Stein in Frankfurt fuer seine Dissertation missbrauchten Person ist im Hauptbuch des "Zigeunerlager" Auschwitz als "verstorben" verzeichnet. Damit ist der unmittelbare fuer Einzelpersonen nachweisbare Zusammenhang zwischen Steins Doktorarbeit, Ritters "Forschungsstelle" und damit der Vernichtungspolitik der Nazis gegeben.

Der Inhalt seiner Dissertation bestaetigt dies, im plumpesten Stil behauptet er beispielsweise: "Die Zigeuner sind Tiere ..." (S. 85) oder "Das ist die typische Zigeunerpsyche: tierhaft, triebhaft, affektbetont." (S. 87) Die Gutachter der Dissertation erfassten den fuer die NS-Ideologie bedeutsamen Inhalt richtig: "Neben den sehr interessanten Ausfuehrungen ihres Familien und Sippenlebens scheint mir vor allem gerade in der Zeit, da vom Reichsgesundheitsamt eine Gesamterfassung saemtlicher in Deutschland lebender Zigeuner in die Wege geleitet wird, die Betonung des Herrn Stein wichtig, die Zigeuner nicht ohne weiteres mit den Asozialen und Kriminellen gleichzusetzen, sondern letztere als Abkoemmlinge der Kreuzung von asozialen Elementen der Wirtsbevoelkerung mit Zigeunern abzugrenzen." Sie sahen damit Ritters kriminalbiologisches Modell von den gegenueber den "reinrassigen Zigeunern" angeblich besondes "kriminellen Zigeunermischlingen" als eigenstaendiges Forschungsergebnis Steins an. Stein hatte Ritters Arbeiten in seiner Literaturliste voellig unterschlagen. Die Pruefer bewerteten Stein einhellig mit einem politisch motivierten "sehr gut", die aerztliche Pruefung hatte er dagegen nur mit "genuegend" bestanden. Steins Dissertation steht im Einklang mit Himmlers Erlass zur "Bekaempfung der Zigeunerplage" vom 8. Dezember 1938: "Erfahrungsgemaess haben die Mischlinge den groessten Anteil an der Kriminalitaet der Zigeuner." (vgl. Lessing: Mein Leben im Versteck. Duesseldorf 1993, S. 50) Mit diesem von auch von beiden Gutachtern richtig erkanntem politischen Kern der Dissertation (das Ausmerzen von "Mischlingen" stellte damals den Konsens der NS-Wissenschaft dar), ist die Dissertation Steins nicht nur durch die UEbernahme von Einzelpersonenuntersuchungen durch die "Forschungsstelle Ritter", und den Untersuchungen in Marzahn, sondern auch durch ihre ideologisch/rassenwissenschaftlichen Inhalte ein willfaehriger Beitrag zum Voelkermord an Sinti und Roma. Den letzten Hinweis darauf, dass Stein ein nationalsozialistischer UEberzeugungstaeter war, liefert seine Wahl des Doktorvaters.

  1. Namensverzeichnis der ehemaligen Mitglieder der NSDAP und ihrer Gliederungen. Nachtrag 1 Wiesbaden Alt
  2. Gutachten Otmar von Verschuers in der Dissertationsakte
  3. Gutachten Otmar von Verschuers in der Dissertationsakte
  4. Gutachten Otmar von Verschuers in der Dissertationsakte
  5. Gutachten Otmar von Verschuers in der Dissertationsakte
  6. Gilsenbach: Oh Django sing deinen Zorn. Berlin 1993, S. 139-147
  7. Dissertationsakte Stein im Archiv der Uniklinik Frankfurt
  8. Dissertationsakte Stein im Archiv der Uniklinik Frankfurt
  9. Namensverzeichnis der ehemaligen Mitglieder der NSDAP und ihrer Gliederungen. Nachtrag 1 Wiesbaden Alt
  10. BA R 165/38
  11. BA R 165/38
  12. BA R 165/38
  13. BA R 165/38
  14. BA R 165/38
  15. BA R 165/38