Eurasisches Eichhörnchen
Eichhörnchen | ||||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
![]() Eichhörnchen (Sciurus vulgaris) mit winterlichen Ohrpinseln | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
| ||||||||||||
Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Sciurus vulgaris | ||||||||||||
Linnaeus 1758 |
Das Eichhörnchen (Sciurus vulgaris), auch Eichkätzchen, Eichkater oder niederdeutsch Katteker, ist ein Hörnchen (Sciuridae) aus der Ordnung der Nagetiere (Rodentia). Es ist der einzige natürlich in Mitteleuropa vorkommende Vertreter aus der Gattung der Eichhörnchen und wird zur Unterscheidung von anderen Arten auch als Europäisches Eichhörnchen bezeichnet.
Merkmale
In seinem Körperbau ist das Eichhörnchen an eine baumbewohnende und kletternde Lebensweise angepasst. Die Knochen sind verhältnismäßig leicht. Es bewegt sich mit vielen aufeinander folgenden Sprüngen fort, bei denen der Schwanz ausgestreckt nach hinten gehalten wird. Das Eichhörnchen hat ein Gewicht von etwa 200 bis 400 Gramm. Die Kopfrumpflänge beträgt 20 bis 25 cm. Bei Sprüngen kann es mit Leichtigkeit Entfernungen von 4 bis 5 m überbrücken. Eichhörnchen können auch schwimmen.
Schwanz
Der zweizeilig behaarte, oft buschige Schwanz ist ca. 15 bis 20 cm lang. Er dient beim Klettern als Balancierhilfe und beim Springen als Steuerruder. Entgegen einer Ansicht in der Antike benutzt das Eichhörnchen seinen Schwanz eher selten als Schattenspender, dagegen wärmt es sich mit ihm bei Kälte. Beim Laufen wird der Schwanz stets in der Luft gehalten und schleift nie über den Boden.[1]
Pfoten
Eichhörnchen gehören zu den Sohlengängern. Sie haben an den Vorderpfoten vier lange, sehr bewegliche, mit langen gebogenen Krallen ausgestattete Finger; die verkümmerten Daumen haben ebenfalls Krallen. Die fünf Zehen an den Hinterpfoten sind ihren Fingern sehr ähnlich. Die Hinterbeine sind überproportional lang und sehr kräftig, sie geben den Tieren bei Sprüngen den Schwung. Die langen gebogenen Krallen bieten den Eichhörnchen sogar beim schnellen kopfüber Klettern an glatten Stämmen noch guten Halt. Geschickt nutzen sie ihre Vorderpfoten nicht nur beim Fressen wie Hände; sie graben Löcher für ihre Vorräte und bauen Nester.
Fell
Das Fell des Eichhörnchens variiert von hellrot bis zu braunschwarz; die Bauchseite ist weiß oder cremefarben. Das Winterfell ist viel dichter als das Sommerfell. Im Winter wird die Fellfarbe oft dunkler und kann auch graue Farbtöne annehmen, durch das Eichhörnchen farblich dann nur noch schwer vom Grauhörnchen zu unterscheiden ist. Ein Merkmal, das das Eichhörnchen gegenüber dem Grauhörnchen auszeichnet, sind die rotbraunen Ohrpinsel, die im Winter wachsen und bis 3,5 cm lang werden können. Im Sommerfell sind diese Ohrpinsel klein oder nicht vorhanden (siehe Bilder).
-
Mit Sommerfell
-
Im Herbst mit Ohrpinseln
Verschiedene Morphen gibt es oft innerhalb einer Population. Die Fellfarbe sagt nicht unbedingt etwas über die Unterart aus. Es gibt jedoch bestimmte Merkmale, die für Unterarten typisch sind. Das britische Eichhörnchen (Sciurus vulgaris leucourus) hat zum Beispiel blasseres Fell an Ohren und Schwanz, das skandinavische Eichhörnchen (Sciurus vulgaris vulgaris) einen dunkel bis schwarz gefärbten Schwanz.
Die Geschlechter sind anhand von Größe und Fellfarbe nicht zu unterscheiden, einen im Feld nutzbaren Sexualdimorphismus gibt es daher nicht. Albinismus und Melanismus sind auf dem europäischen Kontinent recht häufige Phänomene unter Eichhörnchen.
In der kalten Jahreszeit weisen die sonst nackten Fußsohlen eine Behaarung auf.
Zähne
Im Ober- wie im Unterkiefer befinden sich je ein Paar lange gebogene Schneidezähne. Diese Nagezähne wachsen das ganze Leben und müssen ständig gebraucht und dadurch abgewetzt und geschärft werden.[1] An der Vorderseite sind die Nagezähne mit einem harten Schmelz überzogen, während die Rückseite weicher ist. Hinter den Schneidezähnen klafft eine große Lücke. Eichhörnchen besitzen keine Eckzähne. Die Backenzähne sind klein und abgerundet.
Sinne
Sehen
Eichhörnchen sind tagaktiv und sehen am Tage ausgezeichnet, nachts sehen sie nicht sehr gut. Die Augen befinden sich seitlich am Kopf. So können sie gleichzeitig nach vorn, zur Seite und begrenzt auch nach hinten sehen, nach vorn überschneiden sich die Sehfelder. Deshalb sehen sie räumlich sehr gut und können Entfernungen hervorragend abschätzen.[1]
Hören
Eichhörnchen können sehr gut hören und sind ständig auf der Hut vor herannahenden Feinden. Dadurch wirken sie oft sehr sprunghaft und ruhelos. Bestimmte Geräusche wie Knistern oder Knacken lösen eine sofortige Flucht aus. Mit ihren Artgenossen verständigen sie sich über eine Vielzahl von Lauten.[1]
Riechen
Eichhörnchen können mit ihrer feinen Nase Vorräte noch 30 cm unter dem Schnee riechen. Eichhörnchen erkennen am Geruch einer Nuss, ob sie noch fressbar oder bereits verdorben ist.
Behaarung
Die dichte Behaarung ist kurz, seidig bis gröber.
Eichhörnchen verfügen nicht nur an der Schnauze über Tasthaare. (Vibrissen) Ihnen wachsen die Tasthaare auch über den Augen, an den Beinen, den Füßen, am Bauch und an der Schwanzwurzel.[1] Damit orientieren sie sich nicht nur im Dunkeln. Einige dieser Tasthaare dienen ihnen bei ihren Sprüngen zur Kontrolle des Gleichgewichtes.
Verbreitung und Lebensraum

Eichhörnchen sind bis in eine Höhe von 2000 m weit verbreitet.[1] Das Verbreitungsgebiet umfasst beinahe ganz Europa (ausgenommen den Süden Spaniens, Portugal und manche Regionen Italiens) und außerdem Nordasien vom Ural ostwärts bis Kamtschatka, Korea und Hokkaido.
Der typische Lebensraum sind, auf das gesamte Verbreitungsgebiet bezogen, boreale Nadelwälder. Nur im europäischen Teil des Verbreitungsgebiets sind Eichhörnchen auch in Laub- und Mischwäldern heimisch. Als Kulturfolger sind sie dort heute auch in Parks und Gärten häufig zu finden.
Lebensweise
Aktivität
Das Eichhörnchen ist ein tagaktives Tier, das ganzjährig aktiv ist und keinen echten Winterschlaf hält. Allerdings kann es in strengen Wintern verminderte Aktivität zeigen, bei der es das Nest nicht verlässt (Winterruhe).
Der Aktionsraum eines Eichhörnchens variiert je nach Gegend. Auf Inseln gibt es Tiere mit Aktionsräumen von unter einem Hektar, während diese im Bayerischen Wald bis 47 Hektar groß sein können. Männchen haben größere Aktionsräume als Weibchen. In England betragen die Aktionsräume der Männchen 23 bis 40 Hektar, die der Weibchen 14 bis 26 Hektar. Die Aktionsräume verschiedener Individuen überschneiden einander. Wenn Weibchen Junge haben, verringern sie die Größe ihres Aktionsraums. Innerhalb des Aktionsraums werden Wege und Aufenthaltsorte mit Urin und mit einem Sekret der Kinndrüsen markiert.
Zum Schlafen und Ruhen bauen Eichhörnchen Nester, die Kobel genannt werden. Sie werden in einer Astgabel oder an der Basis eines Astes platziert, normalerweise in Höhen über 6 m. Der Kobel hat einen Durchmesser von 30 cm. Er ist aus Zweigen, Nadeln und Blättern errichtet, innen wird er mit Moosen, Blättern und Gras ausgepolstert. Eichhörnchen nutzen stets mehrere Kobel gleichzeitig. Dabei wird unterschieden zwischen Schlafkobeln, in denen die Nächte verbracht werden, und Schattenkobeln für Ruhephasen am Tage. Ein Eichhörnchen hat zwischen zwei und acht Kobel.
Meistens leben Eichhörnchen als Einzelgänger, außerhalb der Fortpflanzungszeit manchmal auch gesellig. Dann können auch mehrere Individuen einen Kobel nutzen. Innerhalb einer Gruppe sind größere und ältere Tiere dominant. Männchen sind gegenüber Weibchen nicht unbedingt dominant, wohl aber gegenüber Weibchen gleicher Größe und gleichen Alters.
Nahrung


Die Nahrung besteht in erster Linie aus Beeren, Nüssen und anderen Früchten sowie Samen. Daneben werden auch Knospen, Rinde, Blüten, Flechten, wirbellose Tiere, Vogeleier und Jungvögel gefressen. Typischerweise wird die Nahrung zum Verzehr in den Vorderpfoten gehalten.
Da sie in ihrem Kobel keine Vorräte lagern, vergraben Eichhörnchen im Herbst Nahrung entweder im Boden, oft in der Nähe von Baumwurzeln, oder verstauen sie in Rindenspalten oder Astgabeln als Wintervorrat. Der Geruchssinn hilft ihnen, die nach keinem planmäßigen Schema versteckten Wintervorräte wiederzufinden.
Das Vergraben von Vorräten ist ein Verhalten, das man vor allem in den europäischen Laub- und Mischwaldpopulationen findet. In borealen Nadelwäldern fehlt dieses Verhalten meistens, da die immer zur Verfügung stehenden Zapfen als Winternahrung dienen können.
Fortpflanzung
In den meisten Jahren gibt es zwei Paarungszeiten, eine im ausgehenden Winter mit Wurf im März oder April, eine weitere im späten Frühjahr mit Wurf zwischen Mai und August. Stehen am Jahresbeginn zu wenig Nahrungsressourcen zur Verfügung, kann die erste Paarungszeit entfallen. Die Männchen werden durch Vaginalsekrete, die von brünftigen Weibchen verströmt werden, angelockt. Treffen mehrere Männchen bei einem Weibchen ein, kann es zu aggressivem Verhalten mit Schreien und Bissen in den Schwanz kommen. Das dominante Männchen folgt dem Weibchen für eine Stunde oder länger, ehe es sich mit ihm paart. Eichhörnchen sind polygyn - die Männchen verlassen das Weibchen also bald wieder und suchen neue Partnerinnen, mit der Aufzucht der Jungen haben sie nichts zu tun.
Nach einer Tragzeit von 38 Tagen kommen ein bis sechs Junge im Kobel zur Welt. Sie sind bei der Geburt nackt, taub und blind (Nesthocker) und haben ein Gewicht von etwa 8,5 Gramm. Die jungen Eichhörnchen sind nach drei Wochen vom ersten Haarflaum vollständig bedeckt; gleichzeitig brechen die ersten Zähne durch. Erst nach vier bis fünf Wochen öffnen sich die Augen und Ohren. Nach sechs Wochen verlassen die Jungen erstmals das Nest, nach acht bis zehn Wochen werden sie nicht mehr gesäugt und suchen selbständig nach Nahrung.
Bei Gefahr reagieren die Mütter sehr schnell und tragen ihre Jungen im Maul in einen Ausweichkobel.
Etwa 80 Prozent der Jungtiere überleben das erste Jahr nicht. Geschlechtsreif werden Eichhörnchen schon nach elf Monaten, doch meistens ziehen sie erst nach zwei Jahren Junge groß. Die statistische Lebenserwartung eines sechs Monate alten Eichhörnchens liegt bei drei Jahren. Manchmal werden Eichhörnchen sieben, in Gefangenschaft auch bis zu zehn Jahre alt.
Feinde
Zu den natürlichen Feinden des Eichhörnchens zählen der Baummarder, die Wildkatze, der Habicht und der Mäusebussard. Greifvögeln können die Eichhörnchen allerdings oft entkommen, indem sie in kreisenden Bewegungen um den Baumstamm herumlaufen. Junge Eichhörnchen fallen oft Wieseln zum Opfer, die auch in die Kobel kommen. In den Parks und Gärten der Städte ist die Hauskatze der wichtigste Feind des Eichhörnchens.
Eichhörnchen werden von vielen Ektoparasiten befallen. Die wichtigsten sind der Eichhörnchenfloh (Monopsyllus sciurorum) und die Eichhörnchenlaus (Neohaematopinus sciuri).
Bedrohung

Das Grauhörnchen ist im eigentlichen Sinne kein Feind des Eichhörnchens, sorgt aber in manchen Regionen für dramatische Bestandsrückgänge. Dies ist in Großbritannien, Irland und Italien der Fall, wo das ursprünglich aus Nordamerika stammende Grauhörnchen eingeschleppt wurde. Das Grauhörnchen ist erfolgreicher als das Eichhörnchen, da es im Herbst vergrabene Nahrungsvorräte mit größerer Zielsicherheit wiederfindet, daneben auch die Vorräte des Eichhörnchens stiehlt und nicht an Parapocken erkrankt, dafür aber ein Wirt für dieses für Eichhörnchen oft tödliche Virus ist. Befürchtet wird, dass ein Vordringen der Grauhörnchen auf dem Kontinent das Eichhörnchen weiter zurückdrängen könnte. Allerdings gilt die Überlegenheit der Grauhörnchen nur für Laub- und Mischwaldhabitate. In Nadelwäldern können sich die Eichhörnchen gegen die nordamerikanischen Konkurrenten behaupten.
Die IUCN stuft das Eichhörnchen vor allem aus diesem Grund als Art der Vorwarnliste (near threatened) ein[2].
Systematik
Mehr als 40 Unterarten des Eichhörnchens sind beschrieben worden. In der bis heute nicht angefochtenen Systematik von Sidorowicz 1971[3] wird diese Zahl auf siebzehn reduziert:
Europäische Unterarten
- Sciurus vulgaris fuscoater, Mittel- und Osteuropa: von Frankreich bis an die Westhänge des Ural
- Sciurus vulgaris vulgaris, Norwegen, Schweden, Finnland, nordwestliches Russland
- Sciurus vulgaris balcanicus, Balkan
- Sciurus vulgaris italicus, nördliches Italien
- Sciurus vulgaris meridionalis, Kalabrien
- Sciurus vulgaris infuscatus, Spanien
- Sciurus vulgaris leucourus, Großbritannien, Irland
Asiatische Unterarten
- Sciurus vulgaris altaicus, Altai
- Sciurus vulgaris anadyrensis, Tschuktschen-Region
- Sciurus vulgaris argenteus, südwestliches Jenissej-Becken
- Sciurus vulgaris bashkiricus, Ural
- Sciurus vulgaris exalbidus, oberer Irtysch und Ob
- Sciurus vulgaris fusconigricans, Transbaikalien
- Sciurus vulgaris jacutensis, südliches Jakutien, Magadan, Kamtschatka
- Sciurus vulgaris jenissejensis, südöstliches Jenissej-Becken
- Sciurus vulgaris mantchuricus, Mandschurei, Primorje, Korea, Hokkaido
- Sciurus vulgaris rupestris, Chabarowsk, Sachalin
Mensch und Eichhörnchen
Von der in der Antike verbreiteten Ansicht, dass sich Eichhörnchen mit ihrem gewaltigen Schwanz selber Schatten geben könnten, stammt ihr griechischer (in die wissenschaftliche Gattungsbezeichnung eingegangener) Name σκιοῦρος (neugr. σκιουράκι Skiuros/Skiouraki = Schattenschwanz).[4]
Dass Eichhörnchen früher auch gegessen wurden, belegen Funde von Überresten in den jungsteinzeitlichen Pfahlbauten der Schweiz.[5].
In der Mythologie findet man das Eichhörnchen Ratatöskr, das an der Weltenesche Yggdrasil auf und ab läuft.[5]
Eichhörnchenfelle werden seit alters zur Herstellung von Kleidungsstücken benutzt, sie finden sich als heraldisches Pelzwerk in alten Wappen. Für Pelzzwecke kommt heute fast nur noch das Grauhörnchen infrage, und zwar fast ausschließlich die russischen Provenienzen. Die Felle werden als Feh bezeichnet.[5]
Quellen und weiterführende Informationen
Zitierte Quellen
Die Informationen dieses Artikels entstammen zum größten Teil den unter Literatur angegebenen Quellen, darüber hinaus werden folgende Quellen zitiert:
- ↑ a b c d e f Wolfgang Gewalt, Das Eichhörnchen, A. Ziemsen Verlag, 1956, ISBN 3 89432 1644
- ↑ IUCN Species Account, abgerufen 05.10.2008
- ↑ J. Sidorowicz: Problems of subspecific taxonomy of squirrel (Sciurus vulgaris L.) in Palaearctic. In: Zoologischer Anzeiger 1971, Nr. 187, S. 123–142
- ↑ Henry George Liddell, Henry Stuart Jones, Robert Scott: A Greek-English lexicon, A new ed. (9th), rev. and augm. throughout / by Henry Stuart Jones, Oxford, Clarendon Pr. 1951
- ↑ a b c Bernhard Grzimek (Hrsg.): Grzimeks Tierleben, Band 11: Säugetiere 2. dtv-Verlag, 1979, S. 250ff
Literatur
- Peter W. W. Lurz, John Gurnell & Louise Magris: Sciurus vulgaris. In: Mammalian Species 2005, Nr. 769, S. 1-10.