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Adal

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Der sogenannte Mohammedanersturm war ein muslimischer Eroberungsversuch des christlichen Äthiopien (Abessinien) im 16. Jahrhundert. Er beschreibt eine bestimmte Phase der Auseinandersetzungen zwischen Islam und Christentum am östlichen Horn von Afrika bzw. im Norden desselben. (Zur Nomenklatur siehe Mohammedaner). Dem "Mohammedanersturm", der muslimischen Invasion also, folgte eine christlich-katholische: die Jesuitenmission in Äthiopien.

Durch die arabische Eroberung Ägyptens 642 (bzw. 646) und endgültig seit dem Scheitern der Kreuzzüge ab 1250 war das christliche Äthiopien von der übrigen christlichen Welt, d.h. vor allem seinem natürlichen Verbündeten Byzanz, abgeschnitten, bis in den Sudan und in den Küstenregionen rund um Äthiopien (Eritrea, Somalia) breitete sich fortan der Islam aus. Im 13. Jahrhundert entstand an der Küste das Sultanat Ifat und erstreckte sich bis in die östlichen Hochebenen. Gleichzeitig war in Äthiopien um 1270 die Zagwe-Dynastie durch die (vermeintlich) Salomonische Dynastie gestürzt worden. 1320-1344 unterwarf Äthiopiens Kaiser Amda Zion (Sion, Seyon, Seyum) von Gondar aus zwar mehrere somalische Emirate, Ifat aber leistete erbitterten Widerstand gegen den fanatischen Inquisitor. Doch 1386 fiel Sultan Haqadin II., 1415 auch sein Nachfolger Sa´ad ad-Din mitsamt seiner Hauptstadt Zeila (Zaila bzw. Sela, bei Dschibuti) gegen Kaiser Isaak (Yeshaq, Yesdar). Das neugegründete Sultanat Adal am Golf von Aden übernahm daraufhin die Führung im Kampf gegen Äthiopien. Es umfaßte etwa ganz Eritrea, Somaliland (Nordsomalia) und Dschibuti sowie die äthiopischen Region Denakil (Danakil-Somalia), Afar, Ogaden und Harar - eine muslimischen Königen Abessiniens und äthiopischen Moslems "heilige" Stadt, heute Zentrum des Islam in Äthiopien.

1516 wurde auch Adal dennoch besiegt, Sultan Mahfuz fiel im Kampf gegen Kaiser Lebna (alias David II.). Danach aber traten zwei neue ausländische Akteure auf. Seit 1493 hatte der portugiesische katholische Einfluß am Kaiserhof zugenommen, 1513 besiegte eine portugiesische Flotte jene des muslimischen Ägypten im Golf von Aden und besetzte Massawa (Massaoua). 1517 aber hatten die energischen türkischen Osmanen das morsche Reich der ägyptischen Mamelucken und bald darauf auch den Hedschas bis Jemen erobert. Dieser Vorstoß entfachte den muslimischen Widerstand erneut. Adal griff abermals zu den Waffen, nachdem der damals gerade 14 Jahre (!!!) alte General Ahmad ibn Ibrahim al-Ghasi, auch genannt Mohammed Gran (Granye, Gurey), 1520 Sultan Abu Bakr gestürzt hatte.

Als Mahfuz´ Schwiegersohn und neuer Sultan vereinigte er die Hirtenkrieger der Stämme der arabisierten Somali, der somalisierten Galla sowie der Afar (Denakil) und rief 1527 den "Heiligen Krieg" gegen Lebna aus. 1529 schlug er bei Shimba-Kare angeblich 200.000 Mann äthiopischer Fußtruppen und 16.000 kaiserliche Reiter mit seinen 12.000 Mann und nur 600 Reitern, verlor aber dabei 5.000 Kämpfer. Mit neuen türkischen Hilfstruppen eroberte er in mehreren Feldzügen bis 1533 fast das gesamte Äthiopien, nur Teile des Hochlandes blieben unbesetzt. Das Land wurde von den Nomaden verwüstet, christliche Zeugnisse zerstört, große Teile der Bauern retteten sich nur durch den Übertritt zum Islam. Der Kaiser starb 1540 auf der Flucht, sein Thronfolger wurde gefangengenommen, die Kaiserinwitwe in der Hauptstadt belagert. Erst mit und dank der portugiesischen Schützenhilfe konnten äthiopische Resttruppen die Moslems schlagen, seit 1541 hatte eine portugiesische Flotte unter Vasco da Gamas Sohn Christoph 400 Mann mit Feuerwaffen gebracht und den türkischen Nachschub über das Rote Meer blockiert. Sultan Ahmad, "der Linkshänder", fiel 1543 in der Schlacht am Tanasee (Wayna Daga).

1559 fiel auch sein Nachfolger Barakat in Adals Hauptstadt. Der neue Sultan Nur ibn Mudjahid, Ahmads Neffe, konnte Äthiopier und Portugiesen zwar nochmals zurückschlagen und Ahmad durch den Tod Kaiser Claudius´ rächen, wurde aber 1567 ebenfalls besiegt, auch sein Nachfolger Mohammed Ibn Nasr fiel 1576. Daraufhin drangen osmanische Türken 1578 und nochmals 1589 über Massaoua (seit 1557 türkisch) in Tigray ein, wurden aber schließlich geschlagen. Die Äthiopier mußten dennoch weite Teile des Landes den Galla (Oromo) überlassen. Diese wiederum aber wurden teilweise seßhafte Bauern und nahmen fortan ihrerseits zumindest teilweise das Christentum an, was ihre Integration und ihren Einsatz gegen das aus den Trümmern Adals entstandene Sultanat Harar ermöglichte. Der Rest Harars wiederum wurde fortan von den Afar domininiert. An der nördlichen Küste (Eritrea) jedoch setzten sich die Türken zunächst fest, 1578 umfaßte deren Provinz "Habesh" (türkisch für Abessinien) sogar die eigentliche Spitze am östlichen Horn von Afrika.

Bis zum Mahdi-Aufstand im Sudan (1881) gehörten Eritrea und Somaliland zum osmanischen Vizekönigreich Ägypten, Massaoua sogar bis 1885. Nach der Niederlage der Mahdisten zettelte in Somalia und Ogaden ein anderer "Mahdi", der Imam Hassan Muhammad, einen Aufstand gegen die Kolonialmächte und das britisch-äthiopische Teilungsabkommen von 1897 an (Eroberung Harars durch Äthiopien 1887). Er gilt nach Ahmed Gran als der zweite große Nationalheld des somalischen Freiheitskampfes, in welchen im Ersten Weltkrieg auch Äthiopiens vermeintlich muslimischer König Jesus V. verwickelt wurde, ehe die Briten die Erhebung 1920 endgültig unterdrücken konnten.

Im eigentlichen Äthiopien aber nahm zur gleichen Zeit der katholische Einfluss weiter zu, den Portugiesen folgten ab 1557, besonders aber im 17. Jahrhundert die Jesuiten, deren Ansprüche der siegreiche Claudius (+1559) noch zurückwies. Dennoch gelang es ihnen, 1603 Kaiser Dengel (+1607) zum Übertritt zu bewegen. Dessen Sohn Socinius (Susenyos, Sissionos) stimmte zwar zunächst sogar einer Kirchenunion mit Rom zu (wie schon um 1450 Kaiser Zara Jakob alias Konstantin I.), widerrief dann aber 1630, die Unzufriedenheit seiner Untertanen fürchtend. Gestürzt und getötet wurde er 1632 dennoch, sein Nachfolger Fasilidas (Basilides) vertrieb die katholischen Priester oder ließ sie hinrichten, ebenso muslimische Missionare. Das Land kehrte zum orthodoxen Christentum koptischer Prägung zurück, fand seinen Frieden wieder und verfiel bis ins 19. Jahrhundert in Isolation und feudale Zersplitterung, wurde aber also weder muslimisch noch katholisch.

Heute jedoch macht der Anteil der Oromo (Galla) jedoch bereits 40% der Bevölkerung aus, mit anderen Muslimen zusammen beträgt ihr Anteil inzwischen gar über 50%. Mit den umfangreichen arabischen Investitionen nimmt vor allem der saudische Einfluß zu. Demgegenüber wird die äthiopisch-orthodoxe Kirche auch durch den hemmungslosen Missionierungseifer protestantischer Sekten aus den USA zurückgedrängt - ganz ähnlich der einstigen Jesuiten-Mission. Die Wiederaufnahme der Nahrungsmittel-Lieferungen durch die USA dient daher dem Bemühen, sowohl den alten christlichen Eliten die Macht zu erhalten als auch eigenen Missionaren die Arbeit zu erleichtern.