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Helmut Thielicke

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Helmut Thielicke (* 4. Dezember 1908 in Wuppertal; † 5. März 1986 in Hamburg) war ein deutscher Theologe.

Thielicke wurde 1908 in Wuppertal geboren, wo er eine sehr glückliche Kindheit und ein prägende Schulzeit an einem humanistischen Gymnasium verbrachte, um 1928 sein Abitur zu erwerben.

Ein Jahr nach Aufnahme des Studiums der Theologie und Philosophie in Erlangen musste er sich wegen einer Schilddrüsenschwellung einer Operation unterziehen, welche katastrophal endete. Neben einer akuten Lungenembolie erkrankte Thielicke an einer schweren postoperativen Tetanie, die ihn die folgenden vier Jahre in den Universitätskliniken von Greifswald, Marburg, Erlangen und Bonn immer wieder ans Bett fesselte. Trotz beträchtlicher Einschränkungen und immer lebensbedrohlicher werdender Anfälle promovierte er 1932 vom Krankenlager aus zum Dr. phil. (Thema: „Das Verhältnis zwischen dem Ethischen und dem Ästethischen“). Nach jahrelangen Kampf, unzähligen Medikamenten und nachdem Thielicke sogar mit seinem Leben abgeschlossen hatte, war es ein neues Medikament, welches die erhoffte Besserung brachte und Thielicke „wie ein Wunder“ seine Lebenskräfte zurück brachte, war er auch bis zum Ende seines Lebens darauf angewiesen.

In Bonn hörte er die Vorlesungen von Karl Barth, an dessen Lehre er besonders die Ausklammerung der „natürlichen Anthropologie“ kritisierte, das Fehlen jeglichen Bezugs zur konkreten Situation des Menschen heute. Diese kritischen Betrachtungen verarbeitete Thielicke später in seiner Ethik, in dem er sich hier besonders auch Themen wie Politik und Sexualität zuwandte. Beim Erlanger Theologen Althaus promovierte er 1934 zum Dr. theol. mit einer grundlegenden Arbeit zu „Geschichte und Existenz. Grundlegung einer theologischen Geschichtstheologie“, die Grundlage seiner Ethik wurde. Da Thielicke sich seit der Machergreifung des braunen Regimes zur Bekennenden Kirche stellte, bedurfte es einiger Auseinandersetzungen bis er sich 1935 habilitierten konnte (Thema: „Offenbarung, Vernunft und Existenz. Studien zur Religionsphilosophie Lessings“). Wegen seinem Engagement wurde ihm auch die Professur in Erlangen verwehrt, 1936 erhielt er eine Professur für Systematische Theologie in Heidelberg. In Heidelberg traf und heiratete er auch 1937 Maria-Luise Herrmann aus Karlsruhe, die ihm bis zu seinem Tode treu zur Seite stand.

Nach wiederholten Verhören der Gestapo seit Mitte der dreißiger Jahre erfolgte 1940 die Absetzung durch die NSDAP, welche auch durch Gespräche mit dem Reichsdozentenführer und entschlossene Fürsprache vieler Dozentenkollegen nicht verhindert werden konnte. In Ermangelung von Alternativen ließ sich Thielicke zur Wehrmacht einziehen, wo er es allerdings kaum neun Monate lang aushielt. Durch die Unterstützung des Landesbischofs Wurm konnte er 1940 ein Pfarramt in Ravensburg übernehmen und ab 1942 ein Theologisches Amt in Stuttgart bekleiden, von wo aus er bis nach Kriegsende viele Verkündigungen und Vortragsreisen vollführte. Diese wurden immer wieder von Reise-, Publikations- und Predigtverboten seitens der Regierung erschwert. 1943 veröffentlichte Thielicke ein kritisches theologisches Gutachten zu Bultmanns Aufsatz über die Entmythologisierung des Neuen Testament, die aus der zeitbedingten Schale des NT die heute noch relevanten Aussagen zu extrahieren suchte. Infolge dessen kam es zu einem respektvollen, aber ergebnislosen Briefwechsel zwischen Thielicke und Bultmann, der sich grundlegend missverstanden sah. Auch zu der Widerstandsgruppe „Freiburger Kreis“ trat Thielike in Kontakt, jedoch ohne aktiv an den Umsturzplänen zu partizipieren.

Die Ausbombung Stuttgarts 1944 trieb Thielicke und seine Frau als Bombenflüchtlinge nach Korntal, von wo Thielicke unter widrigsten Umständen in den folgenden Jahren seine Vortragsreisen und Predigtdienste fortsetzte, die anonym in der Schweiz in viele Sprachen übersetzt, an den verschiedensten Fronten des Krieges gelesen wurden. Das Kriegsende und der Einfall der ausländischen Truppen in Deutschland brachte durch verwaiste Pfarrstellen, seelsorgerliche Belange geschändeter oder verwitweter Frauen und verwaister Kinder neue Herausforderungen. Unmittelbar nach Kriegsende reiste Thielicke mit einer Gruppe Abgesandter der Kirche nach Frankfurt und engagierte sich in Gesprächen mit der Militärregierung über die Neuerrichtung einer Fakultät und Aufnahme des Studienbetriebs im politischen und akademischen Vakuum der Nachkriegszeit.

In der neu entstandenen Theologischen Fakultät Tübingen übernahm er 1947 eine Professur und wurde 1951 zum Rektor und Präsidenten der Rektorenkonferenz gewählt. In dieser Zeit setzte er sich gegen die undifferenzierte Entnazifizierung aller öffentlichen Ämter ein und machte viele Vortragsreisen zu theologischen und sozialen Fragen der Nachkriegszeit. Zur Gründung einer theologischen Fakultät wurde Thielicke 1954 nach Hamburg berufen, wo er mit großer Leidenschaft seinen Aufgaben als Dekan, Professor und Prediger nachkam und über Jahre Hamburgs Hauptkirche St. Michaelis füllte.

In den folgenden zwei Jahrzehnten tätigte er neben seinen Verpflichtungen in Hamburg zahlreiche Vorlesungs-, Predigt- und Studienreisen, auf denen er alle Kontinente kennen lernte. So reiste er fast jährlich in die Vereinigten Staaten, wo er für 1956 für einige Monate als Gastdozent lehrte. Jahre später begegnete er hier auch Billy Graham und wurde 1977 vom Präsidenten Jimmy Carter im Weißen Haus empfangen. Er empfing eine Ehrendoktorwürde in Schottland, studierte Asien bei einer Rundreise durch Malaysia, Hongkong, China, Japan. Hier kam er zu einer Begegnung und langen interreligiösen Austauschen mit einem bedeutenden buddhistischen Zen-Meister. 1959 begab er sich nach Südafrika, setzte sich mit der Problematik der Apartheid auseinander und traf u.a. den Führer der schwarzen Opposition. 1962 bereiste er Lateinamerika, 1970 traf er sich bei seinem Reise durch Griechenland mit Königin Friederike. Bereits nach seiner Emeritierung lernte er 1979 als letzten Kontinent Australien und Neuseeland kennen. Auch in Deutschland nahm Thielicke viele Kontakte war, so kam es zur Begegnung mit Konrad Adenauer und einem intensiven Briefaustausch mit Theodor Heuss.

1960 wurde er zum Rektor den Universität Hamburg gewählt und hielt als solcher zwei Jahre später ein Rede vor dem deutschen Bundestag, in der er den inneren Substanzverlust der westlichen Länder beklagte.

Thielicke, der sich Zeit seiner Professorentätigkeiten stets sehr für seine Studenten einsetzte, ihre Wege oft bis ans Lebensende verfolgte und in Tübingen wie Hamburg regelmäßig offene Abende in seinem Haus veranstaltete, geriet 1967 in Schusslinie der Studentenrevolte. Aufs Intensivste widersetzte er sich den Unruhen und setzte seine Vorlesungen und Predigten trotz heftigster Störungen fort. Persönliche Anfeindungen, wie auch das Vordringen der Proteste bis in die Gottesdienste des Michel brachten Thielicke ein Mal mehr an seine gesundheitlichen und menschlichen Grenzen. In all dem suchte er stets den konstruktiven Dialog den er letztendlich zumindest in Einzelgesprächen auch fand.

Nach seiner Erimitierung gründete Thielicke die Projektgruppe Glaubensinformation, durch die er seine Erfahrungen von der Kanzel weitergeben wollte und junge Prediger in der Verkündigung des Evangeliums unterstütze.

Thielicke starb 1986 im Alter von 78 Jahren in Hamburg.

Literatur

  • Helmut Thielicke: Zu Gast auf einem schönen Stern. Erinnerungen, Piper 1998, ISBN 349222377X