Pulverbeschichten
Das Pulverbeschichten ist ein Beschichtungsverfahren, bei dem ein in der Regel elektrisch leitfähiger Werkstoff mit Pulverlack beschichtet wird. Nach der Vorbehandlung (Reinigung und / oder Aufbringen einer Konversionsschicht) wird das Pulver elektrostatisch auf den zu beschichtenden Untergrund aufgesprüht und anschließend eingebrannt. Die Werkstücke werden durch Förderer transportiert.
Allgemeines
Es werden heutzutage meist Pulverlacke auf Basis von Epoxid-, Polyesterharzen oder sogenannte Hybridsysteme, die beide Bindemittelarten enthalten, eingesetzt. Details zu Pulverlacksystemen finden sich im Artikel Pulverlack.[1]
Typische Substrate für die Pulverlackierung sind Stahl, verzinkter Stahl und Aluminium. Endanwendungen finden sich hauptsächlich in den Bereichen Weiße Ware (Haushaltsgeräte), Industrielackierung (Fahrräder, Traktoren) und Fassaden. Heutzutage werden aber auch Automobile wie der Smart oder ungewöhnliche Substrate wie MDF-Platten pulverbeschichtet. [2]
Vorbehandlung
Unter Vorbehandlung falls man alle Schritte zusammen, die vor der Applikation des Pulverlackes durcheführt werden. In der Regel versteht man darunter die Reinigung und die Aufbringung einer oder mehrerer Konversionsschichten. Dadurch wird versucht, eine bessere Abstimmung zwischen Untergrund und Lack zu erreichen. Dies ist für Eigenschaften wichtig, die durch das gesamte System beinflusst werden, wie etwa Haftung oder Korrosionsschutz. Die Vorbehandlung ist nicht nur beim Pulverbeschichten, sondern bei allen Beschichtungsarten üblich.
Eine unzureichend durchgeführte Vorbehandlung kann zu Kratern im Lackfilm führen.[3]
Mechanische Vorbehandlung
Mechanische Vorbehandlungsmethoden dienen dazu, grobe Verunreinigungen wie Rost, Zunder oder ähnliche feste Verunreinigungen zu entfernen. Die mechanische Vorbehandlung kann auch zur Entlackung eingesetzt werden. Die hier beschriebenen Methoden vergrößern zumeist auch die aktive Oberfläche, da die Rauheit vergrößert wird. Typische Verfahren stellen Schleifen, Bürsten und Strahlen dar.[3]
Reinigung
Das Werkstück muss vor der Beschichtung entfettet werden. Je nach Material, vorhandenen Verunreinigungen, gefordertem Reinheitsgrad und gesetzlichen Anforderungen an die verwendeten Chemikalien kann die Entfettung mit Lösemitteln oder wässrig erfolgen, was auch üblich ist.[3]
Verfahrenstechnisch erfolgt die Reinigung meist durch Spritzen oder Tauchen. Das Reinigungsergebnis kann bei der Tauchreinigung durch Ultraschall oder Elektrolyse noch verstärkt werden.[3]
Aufbringen von Konversionsschichten
An die Entfettung schließt sich das Aufbringen einer Konversionsschicht an. Eine reine Entfettung reicht zwar für eine reine Oberfläche meist aus, Konversionsschichten vergrößern durch ihre Rauigkeit zusätzlich die aktive Oberfläche. Das heißt, die Lackanbindung funktioniert bereits mechanisch besser, kann weiter verbessert werden. Dies ist möglich, indem der aufgebrachte Lack mit funktionellen Gruppen, die sich an der Oberfläche der Konversionsschicht befinden, reagiert. Dies ist maßgeblich im Bereich Korrosionsschutz.[3]
Typische Verfahren zur Aufbringung von Konversionsschichten sind Chromatierung, Phosphatierung oder Anodisierung. Aufgrund der zunehmenden gesetzlichen Einschränkungen für chromhaltige Schichten (gilt insbesondere bei der Gelbchromatierung) gewinnen chromfreie Vorbehandlungsmethoden zunehmend an Bedeutung.[3]
Spülschritte
Nach jedem chemischen Vorbehandlungsschritt kommt dem Spülvorgang entscheidende Bedeutung zu. Meist ist es nötig, ein oder mehrere Spülschritte durchgeführt, um Anhaftungen zu vermeiden. Der jeweils letzte Spülvorgang vor einem neuen Verfahrensschritt wird daher mit deionisiertem Wasser durchgeführt.[3]
Applikation
Zur Applikation des Pulverlacks muss dieser, falls nötig, zunächst aufbereitet werden. Danach folgt der Transport zur Lackierpistole. Dir Pulverlackpartikel werden dort aufgeladen und auf dem Werkstück abgeschieden. Nicht auf dem Werkstück abgeschiedener Pulverlack kann über eine Rückgewinnungseinheit erneut dem System zugeführt werden.
Aufbereitung und Förderung des Pulvers
Wird eine Rückgewinnung verwendet, so muss das erneut dem Kreislauf zugeführte Pulver zunächst von Fasern, Grobpartikel und Schmutz gereinigt werden. Hierzu kommen verschiedene Siebe zum Einsatz, etwa Rüttel-, Rotations-, Taumel- oder Ultraschallsiebe. Das Rückgewinnungspulver wird dem Frischpulver in einem bestimmten Verhältnis zugesetzt und kann dann erneut der Anlage zugeführt werden.[3]
Die Pulverlackpartikel werden bei den meisten Förderverfahren zunächst fluidisiert, so dass der Pulverlack gefördert werden kann. Teilweise werden auch Rührwerke oder vibrierende Elemente eingesetzt. Wird das Pulver direkt aus dem Originalgebinde gefördert, so findet nur eine lokale Fluidisierung statt.[3]
Bei der Förderung des Pulvers unterscheidet man zwischen Präzisionsförderung (100 bis 500 g/min) und Massenförderung (meist mehr als 5 kg/min). Während es bei der Präzisionsförderung um eine möglichst gleichmäßige und genaue Dosierung geht, liegt der Schwerpunkt bei der Massenförderung auf der wirtschaftlichen und gleichzeitig für den Pulverlack schonenden Förderung. Letztere wird daher bei der Förderung von Pulver zwischen zwei Behältern eingesetzt, erstere bei der Zufuhr zur Lackierpistole.[3][2]
Typische zur Präzisionsförderung eingesetzte Geräte sind Präzisions- und Stabinjektoren. Präzisionsinjektoren fördern eine definierte Pulvermenge vom Behälter zur Pistole und sorgen dort durch Beimischung von Dosierluft zur Konstanthaltung der gesamten Luftmenge. Bei Stabinjektoren ist keine Fluidisierung notwendig, da die Ansaugung am Boden des Behälters erfolgt.[3]
Bei der Massenförderung gebräuchliche Methoden sind die Schubförderung (auch Pfropfenförderung) und die Saugförderung. Die Saugförderung arbeitet mit einem durch viel Luft erzeugten Unterdruck, der das Pulver mitreißt. Die notwendige Trennung von Luft und Pulver wird über Minizyklone oder Filterabscheider vorgenommen. Bei der Schubförderung wird eine Druckkammer mit zwei Ventilen so geschaltet, dass das Pulver durch im Wechsel eingebrachte Luft vorwärts geschoben wird. Eine Trennung von Luft und Pulver ist nicht nötig.[3]
Eine neuere Methode ist die sowohl für die Präzisions-, wie auch für die Massenförderung eingesetzt werden kann, ist die sogenannte Digitale Dichtstromförderung (DDF), die nach dem Prinzip einer Gegendruckförderung arbeitet. Darunter versteht man das abwechselnde Ansaugen von Vakuum und Pulverlack in zwei Kammern. Bei diesem Verfahren ist keine Fluidisierung und nur wenig Förderluft für eine gleichzeitig genaue Dosierung notwendig.[3]
Aufladung
Moderne Pulverlacke werden in der Regel elektrostatisch appliziert. Bei der elektrostatischen Pulverbeschichtung wird zunächst eine elektrisch geladene Pulverwolke erzeugt. Die geladenen Partikel werden zur Werkstückoberfläche transportiert. Dort schlagen sich die Partikel nieder, haften dort ebenfalls elektrostatisch und Bilden die Pulverschicht. Dabei tritt der Effekt der sogenannten elektrischen Selbstbegrenzung der Schichtdicke auf. Möglich ist eine Aufladung durch Hochspannung (Corona-Aufladung oder Ionisation ) oder Reibung (Triboelektrische (kurz Tribo) oder Elektrokinetische Aufladung). [3]
Bei der triboelektrischen Aufladung erfolgt die Aufladung durch Berührung von Pulverpartikeln und Wandung der Lackierpistole, wodurch Elektronen aus dem Beschichtungsstoff gelöst werden. Damit die Berührungsfläche möglichst groß wird, ist der Kanal meist ringspalt- oder spiralartig ausgebildet. Die Trennung der Pulverlackteilchen von der Lackierpistole erfolgt schneller, als sich die Ladung wieder verteilen kann. Zuletzt wird das Pulver an der Düse zerstäubt. Bei der Ionisationsaufladung werden die Pulverlackpartikel an einer Elektrode vorbeigeführt, an der eine Spannung von 30 bis 100 kV anliegt. Diese Hochspannung ionisiert die die Pulverlackpartikel umgebende Luft. Die Elektrodenspitze weist eine blauweise Licherscheinung, die namensgebende Corona auf. Beim Passieren des elektrischen Feldes zwischen Elektrode und geerdetem Werkstück durch die Lackpartikel werden Luftionen an die Partikeloberfläche angelagert. Bei der sogenannten ionenarmen Corona-Aufladung befindet sich eine zusätzliche, ringförmige Elektrode an der Spitze der Lackierpistole. Diese nimmt die überschüssigen Luftionen auf und leitet deren Ladung ab. [3][4]
Durch die gleichnamige Aufladung der Pulverlackpartikel bzw. der an ihnen anhaftenden Luftionen stoßen sich diese ab und bilden eine gleichmäßige Pulverlackwolke aus. Diese folgt den Feldlinien des elektrischen Feldes, also auch auf die Rückseite des Werkstück, wodurch auch hier eine Beschichtung stattfindet. Hohlräume und hinterzogene Kanten werden dagegen nicht oder nur schwach beschichtet (Faradayscher Käfig). Sehr kleine Partikel werden in die Abluft hineingezogen und der Rückgewinnung zugeführt, wodurch das Rückgewinnungspulver feiner als das Frischpulver wird. Sehr grobe Partikel fallen durch die Schwerkraft nach unten und stehen somit nicht für die Beschichtung zur Verfügung.[3][4]
Damit die Partikel gut am Werkstück haften, ist es nötig, dass die Coulombsche Kraft zwischen Partikelladung und Gegenladung größer ist als die Schwerkraft. Damit dies funktioniert, ist ein hoher elektrischer Widerstand des Beschichtungspulvers nötig. Bei handelsüblichen Pulverlacken ist diese Grenze bei ca. 150 µm erreicht. Durch die gleichnamigen Ladungen ist die Schichtbildung sehr gleichmäßig.[3]
Die Schichtbildung selbst verläuft zunächst linear. Bei weiter wachsender Schicht nimmt die Feldstärke innerhalb der Pulverschicht zu, so dass ab einer gewissen Schichtdicke die elektrische Festigkeit der Luft überschritten wird. Es bilden sich Ionisationskanäle. Dies führt schließlich zu einer Rückionisation und damit zu einem Gegenstrom geladener Luftionen. In der Sättigungsphase werden nachfolgende Teilchen schließlich so weit entladen, dass sie nicht mehr haften können bzw. durch die Schwerkraft aus dem Feld fallen. An diesem Punkt, der bei etwa 120 bis 150 µm erreicht ist, erfolgt kein Pulverauftrag mehr, stattdessen zeigen sich durch den Gegenstrom sogenannte Rücksprühkrater, also eine Beschichtungsstörung. Deshalb wird üblicherweise deutlich unter der Höchstschichtdicke gearbeitet. Da die Pulverpartikel den Feldlinien folgen und deren Dichte an den Kanten höher ist, ist meist auch die Schichtdicke an den Kanten höher (Bilderrahmeneffekt), ein Vorteil beim Korrosionsschutz, aber ein Nachteil bezüglich der Passgenauigkeit der beschichteten Werkstücke.[4][3]
Die wesentlichen Vorteile der Tribo-Beschichtung sind die gute Applizierbarkeit mehrerer Schichten, tendenziell bessere Schichtdickenverteilung bzw. eine bessere Eindringtiefe bei Faradayschen Käfigen, eine bessere Automatisierbarkeit und häufig geringere Anschaffungskosten. Zudem kann die Pistole bei der Handbeschichtung beliebig nahe an die Oberfläche herangeführt werden.[3][5]
Die Vorteile der Corona-Applikation liegen im geringeren Verschleiß der Lackierpistole, dem niedrigeren Luftverbrauch und der universellen Eignung (viele Pulverlacke sind für die Triboaufladung ungeeignet). Zudem ist durch den höheren Pulverdurchsatz oftmals die nötige Anzahl an Pistolen geringer. Der Umgriff, ein Maß für die Bildung einer Schicht auf der Rückseite des Werkstücks ist ebenfalls bei der Corona-Applikation meist besser. Bei der klassischen Corona-Aufladung gelangen freie Luftionen zum Objekt. Aufgrund der Abstossung gleichnamiger Ladungen wird der ungestörte Aufbau einer gleichmäßigen Schicht gestört, was sich in einer sogenannten Orangenhaut zeigt. Durch die Verwendung der ionenarmen Aufladung kann dieser Umstand aber eingegrenzt werden.[3][5][4]
Düsen
Die Düse an der Lackierpistole dient der Zerstäubung des Pulverlacks und somit der Ausbildung einer homogenen Pulverlackwolke. Zum Einsatz kommen je nach Aufladungsvariante Pralltellerdüsen, Flachstrahldüsen oder Fingerdüsen. Seit kurzem werden auch Rotationsglocken verwendet.
Beim Prallteller, auch Prallplatte genannt, wird das Pulver auf die Platte gebracht und dort auseinandergerissen. Dies erzeugt eine langsame, nur bedingt steuerbare Pulverwolke mit geringem Eindringvermögen. Der Prallteller wird daher meist für flache, großflächige Teile verwendet. Beim sogenannten Metallicmundstück findet die Aufladung außerhalb der Pistole statt. Flachstrahldüse bezeichnet ein Mundstück mit Schlitz. Die austretende Wolke hat einen ellipsenförmigen Querschnitt, der gut auszurichten ist. Diese Düsenart wird häufig für komplexe Teile mit Vertiefungen verwendet. Die Fingerdüse wird für Werkstücke mit komplizierter Geometrie und geringer Bautiefe verwendet. Bei der Verwendung dieser Düsenart können kurze Kabinen und somit eine leichtere Reinigung realisiert werden. Bei der Applikation über Glocken, die bei der Flüssiglackierung zu den Standardverfahren gehört, werden mit 700 g/min (gegenüber bis zu 400 g/min bei der Pralltellerdüse) sehr hohe Massenströme erzielt.[3][2]
Anordnung der Sprühpistolen
Die richtige Anordnung der Spühpistolen dient der Erzielung einer hohen Gleichmäßigkeit der Schichtdicke und hängt damit wesentlich von der Werkstückgeometrie und der verwendeten Düse ab. Variabel ist zunächst der Einsatz von starr angebrachten Pistolen oder Hubgeräten. Weiterhin sind vertikale, horizontale, diagonale oder rautenförmige Anordnungen der Pistolen üblich.[3]
Pulversprühkabinen
Als geschlossene Beschichtungskabine wird eine an allen Seiten geschlossene Kabine bezeichnet, die nur Öffnungen für den Ein- und Auslauf der Werkstücke besitzt. Eine teilweise geschlossene Beschichtungskabine hat demgegenüber seitliche Öffnungen für die Sprühvorrichtung oder Handbeschichtungsanlagen.[3]
Pulversprühkabinen werden in der Regel aus Metall, Glas oder Kunststoff gefertigt, wobei letztere schwer brennbar sein muss und besondere Vorschriften bezüglich Erdung einhalten muss.[3]
Pulversprühkabinen können zusätzlich mit einem Reinigungsautomat für die Innenreinigung, einem Austrageband oder Abluftkanal am Kabinenboden und einer auslaufseitigen Absaugung ausgestattet sein. Weiterhin können pulverabstossende Wände und Rakelsysteme zum Einsatz kommen. Hinsichtlich der Rückgewinnung können Pulverkabinen eine Filterbandrückgewinnung oder Multizyklonrückgewinnung aufweisen. Spezielle Anforderungen erfordern Rundkabinen (leichte Reinigung) oder Schnellfarbwechselkabinen.[3]
Rückgewinnung
Bei sehr häufigen Farbwechseln und geringer Stückzahlen ist eine Rückgewinnung nicht lukrativ, da der Reinigungsaufwand die Kosten für das andernfalls vergeudete Pulver überwiegt. Anlagen mit diesem Anforderungsprofil vezichten daher häufig auf die Möglichkeit der Rückgewinnung. Hohe Stückzahlen oder die Verwendung sehr weniger Farbtöne, im Extremfall von nur einem, legen die Verwendung einer Rückgewinnung aus wirtschaftlichen Gründen dagegen nahe. In diesen Anlagen werden Pulverabscheidegrade von bis zu 99% erreicht. Der Auftragswirkungsgrad ohne Rückgewinnung, also der Anteil Lack, der bei einmaliger Beschichtung auf die Werkstückoberfläche gelangt, liegt dagegen meist bei nur bei 30 bis 50%, also niedriger als bei einer Flüssiglackieranlage.[4][2]
Im Einfarbbetrieb können Filterbandanlagen (in Kombination mit Rakel, zusätzlichem Nachluftfilter oder Zyklon) zum Einsatz kommen. Die Variante mit Zyklon erlaubt dabei als einzige Farbwechsel, wenn nur bis zu einmal am Tag. Bei der Verwendung von Multizyklonen (mit und ohne Rakel) sind Farbwechsel möglich, wenn auch nur in begrenztem Umfang (mehrmals am Tag). Für häufige Farbwechsel ist der Einsatz eines Monozyklons nötig, in Schnellfarbwechselkabinen in Kombination mit einem Vibrationssieb, einem Auslaufkonus und einer Schubförderung. Bei letzterer Technik werden Pulverabscheidegrade von 95% auch bei häufigem Farbwechsel erreicht.[3]
Die Partikelgröße ist bei rückgewonnenem Pulver üblicherweise kleiner als bei Frischpulver. Üblicherweise wird beides daher in einem festen Verhältnis gemischt und für die Weiterverwendung aufbereitet.[2]
Alternative Applikationstechniken
Eine alternative Applikationstechnik ist das Wirbelsintern. Dies ist die gebräuchliche Applikationstechnik für die ursprünglichen, thermoplastischen Pulverlacke, die nicht vernetzen. Dabei wird ein erhitztes Werkstück kurz in ein mit Hilfe von Druckluft fluidisiertes Pulver aus Kunststoff getaucht. Das Pulver verschmilzt an der Oberfläche zu einer Kunststoffschicht, da das Werkstück durch die Hitze das Pulver zum Schmelzen bringt. Anschließend wird die Kunststoffschicht in einem Brennofen vollständig vernetzt. Das Wirbelsintern wird für Nischenanwendungen, insbesondere, wenn eine hohe Schichtdicke gewünscht ist, verwendet.[2]
Bei Klarlacken für die Automobillackierung ist die Verwendung von Pulver-Slurry bekannt. Dabei wird der Pulverlack in Wasser aufgeschlämmt und wie ein Flüssiglack appliziert. Die Trocknung findet bei diesem Verfahren in zwei Schritten statt. Zunächst wird das Wasser in einem Abdunstschritt aus dem Film entfernt. Im zweiten Schritt wird der Pulverlack wie üblich ausgehärtet.[2]
Eine relativ neue Technik ist die Applikation von Pulverlack im Coil-Coating-Verfahren. Unter Coil Coating versteht man die Beschichtung des Stahlbandes direkt bei der Herstellung im Walzwerk. Diese Art der Beschichtung wird üblicherweise mit Flüssiglacken durchgeführt. Da die Stahlbänder (Coils) sehr hohe Geschwindigkeiten aufweisen, liegt die Hauptschwierigkeit, nicht nur wenn Pulverlacke verwendet werden, in der Aushärtungsgeschwindigkeit.[3]
Vernetzung
Durch den Einbrennvorgang schmilzt zunächst das Pulver auf, dann beginnt der Vernetzungsvorgang. Dabei nimmt die Viskosität des Systems zunächst ab und durchläuft ein Minimum. Je weiter der Vernetzungsvorgang fortschreitet, desto höher wird die Viskosität wieder. Es hat sich gezeigt, dass der beste Verlauf erzielt wird, wenn dieses Viskositätsminimum schnell erreicht wird. Das Minimum ist dann stärker ausgeprägt und die Oberfläche wird glatter. Überschreitet man schließlich die optimalen Einbrennbedingungen des Lacksystems, beginnt sich dieses zu zersetzen.[2]
Bei wirtschaftlicher Betrachtung kommt dem Einbrennvorgang eine entscheidende Bedeutung für die Energiekosten zu. Einsparungen an dieser Stelle sind jedoch gefährlich, da die technischen Eigenschaften des Lacksystems bei unvollständiger Vernetzung möglicherweise nicht erreicht werden.[2]
Einbrennbedingungen
In der Literatur findet man Einbrenntemperaturen für Pulverlacke, die theoretisch zwischen 110 und 250 °C liegen können. Bei industriell verwendeten Einbrennlacken liegen die Einbrenntemperaturen meist zwischen 160 und 200 °C. Systeme, die bei 140°C vernetzen werden bereits als Niedrigtemperaturpulverlack angeboten. Die Haltezeit beträgt 5 bis 30 Minuten und hängt im Wesentlichen vom Pulverlackmaterial ab, die Aufheizzeit hängt dagegen im Wesentlichen von der Dicke des Substrates ab. Beides zusammen ergibt die Verweilzeit. Die genaue Einstellung von Ofentemperatur und Verweilzeit hängt vom Werkstückdurchsatz und vom Einbrennfenster des Pulverlackes ab, ferner von den trocknerspezifischen Einflüssen wie Aufheizverhalten der Luft, etwaigen Wärmeverlusten und der Aufheizgeschwindigkeit des Förderers.[3]
Bauformen von Trocknern
Die klassische Bauform ist der Kammertrockner, der üblicherweise im Labor- oder Technikumsmaßstab verwendet wird. Trockner dieser Bauform können nur chargenweise beschickt werden. Die Aufheizzeit wird deutlich erhöht, da die Temperatur beim Öffnen der Trocknertür stark absinkt. Dadurch können nur geringe Durchsätze realisiert werden.[3][2]
Typische Produktionsanlagen werden mit Durchlauftrocknern ausgerüstet. Diese können wiederum getaktet oder kontinuierlich beschickt werden. Im Takt gefahrene Anlagen bieten sich für größere Werkstücke und geringe Durchsätze an, da zwischen den Werkstücken die Tore geschlossen werden können. Kontinuierlich beschickte Trockner werden häufig mit sogenannten A-Schleusen gegen Wärmeverluste ausgerüstet. Dabei befinden sich Ein- und Auslauf tiefer als die eigentliche Trocknungseinheit, wodurch der Verlust an aufgeheizter Luft minimiert wird.[3][2]
Mechanismen der Wärmeübertragung
Universell verwendbar ist die Aufheizung durch Konvektion, also die Energieübertragung durch einen Warmluftstrom, der am Werkstück abkühlt. Möglich ist eine indirekte Beheizung über Wärmetauscher oder die direkte Beheizung durch die Beimischung von Heizgasen (Gasöfen). Der große Vorteil ist die gleichmäßige Aufheizung, auch wenn unterschiedlichste Werkstückformen gleichzeitig verwendet werden. Nachteilig ist die träge Regelung und insbesondere bei Gasöfen zusätzliche Anforderung an Lacksystem (Gasofenstabilität), sowie Reinheitsgrad des Heizgases.[3]
Die Wärmeübertragung durch (meist mittelwellige IR-Strahlung) erreicht demgegenüber eine schnellere Energieübertragung und somit eine bessere Steuerbarkeit und schnellere Betriebsbereitschaft. Dadurch werden gleichzeitig kürzere Trockner möglich, was zu einer deutlichen Platzersparnis führt. Bei unterschiedlichen, gleichzeitig eingebrannten Objekten oder komplexen Formen wird dagegen eine hohe Temperaturdifferenz an verschiedenen Stellen des Objektes erzeugt, was an der ungleichmäßigen Strahlungsverteilung (Schatten) liegt. Diese Art der Trocknung ist daher eher bei dünnwandigen, flächigen Objekten zu finden.[3]
Seltener wird die Aufheizung durch Induktion erreicht. Bei diesem Verfahren wird ein Wirbelstrom direkt im Werkstück erzeugt. Dadurch ist eine Erwärmung im Sekundenbereich möglich.[3]
Fördertechnik
Zur Fördertechnik gehört der Förderer selbst, die Art der Gehänge für die Werkstücke. Weiterhin ist hier die Entlackung von Förderer und Gehänge entscheidend für die Wiederverwendbarkeit derselben.
Gehänge
Das Gehänge verbindet Werkstück und Förderer während des gesamten Prozesses. Dadurch wird das Gehänge üblicherweise mitbeschichtet.
Die Geometrie der Gehänge sollte möglichst nicht lackiergerecht sein. Je schlechter die Gehänge lackiert werden können, umso langsamer baut sich die Lackschicht auf dem Gehänge auf. Eine schlechte Lackierbarkeit der Gehänge spart also Kosten bei der Entlackung. Zusätzliche Kosten entstehen, wenn das Gewicht (Aufheizenergie bei der Vernetzung) oder die Oberfläche (Lackverbrauch) des Gehänges zu hoch ist. Eine schnelle Bestückbarkeit ist üblicherweise wünschenswert.[3]
Weiterhin von Bedeutung sind eine gute Erdung und die Verhinderung einer Beschichtung der Aufhängepunkte, da diese für die Erdung des Werkstücks zuständig sind. Insbesondere bei der Tribo-Aufladung ist eine gute Justierung entscheidend, da sonst Fehlbeschichtungen auftreten. Wird eine Tauchvorbehandlung durchgeführt, so darf die Geometrie nicht schöpfend sein.[3]
Förderer
Der Förderer transportiert die mit dem Gehänge verbundenen Werkstücke durch die Lackierstraße. Eine für Kleinanlagen und Technikumsanlagen übliche Art von Förderer ist die Handschiebebahn, bei der das Werkstück von Hand gezogen bzw. geschoben werden kann. In typischen Produktionsanlagen werden meist Power & Free-Förderer genutzt, da durch sie Speicher und Puffer leicht realisiert werden können. Sie haben die ebenfalls früher häufiger genutzten einfachen und verzweigten Kreisförderer verdrängt. Einfache Kreisförderer ermöglichen dabei im Gegensatz zu verzweigten Kreisförderern keine Farbwechsel. Möglich, aber seltener in der Praxis anzutreffen sind Bodenförderer und Skid-Systeme. Der Nachteil von beiden Systemen ist die aufwendige Reinigung bei Farbwechseln.[3]
Entlackung
Die Entlackung spielt neben der offensichtlichen Anwendung, der Wiederverwendung von Werkstücken, auch bei der Reinigung von Gehängen und Fördererteilen eine große Rolle. Dies ist wichtig, da diese bei jedem Beschichtungsvorgang in einem gewissen Maße mitbeschichtet werden. Zur Anwendung kommende Verfahren sind das Stickstoff-Kälte-Verfahren (auch Cryo-Clean-Verfahren), die thermische oder die chemische Entlackung. Beim Cryo-Clean-Verfahren wird die Lackschicht mit flüssigem Stickstoff bei ca. -190 °C versprödet. So ist das Abtragen der Schicht einfacher zu bewerkstelligen. Bei der thermischen Entlackung wird der Lack bei Temperaturen von ca. 400 °C überbrannt. Das Bindemittel des Lackes zersetzt sich bei diesen Temperaturen, so dass der Lack ebenfalls leichter abgetragen werden. Die Art der chemischen Entlackung ist stark abhängig von der Art des Lackes und des Werkstücks. Üblicherweise werden Lösemittel oder wässrige alkalische Reiniger mittels Tauchen (auch mit Ultraschall) oder Spritzen zur Entlackung eingesetzt. Modernere, aber seltener eingesetzte Verfahren sind das Strahlen mit Trockeneis-Pellets, das Hochdruckwasserstrahlen oder die Laserstrahlentlackung.[3][2]
Sicherheitsaspekte
Aufgrund der elektrischen Aufladung und der gleichzeitig erzeugten Pulverwolke besteht die Gefahr einer Explosion, durch die verwendete Hochspannung können Stromschläge auftreten. Deshalb sind verschiedene Sicherheitsvorkehrungen beim Pulverbeschichten zu treffen.
Die Pulverkonzentration in der Luft muss entweder kleiner als 50% der unteren Explosionsgrenze betragen oder unterhalb von 10 g/m³ liegen. Die Kabine darf nur aus nicht brandunterstützenden Werkstoffen bestehen, bei Kunststoffkabinen müssen sehr energiereiche elektrostatische Entladungen verhindert werden. Automatischen Pulversprühkabinen müssen ein automatisches Brandmeldesystem besitzen. Der Erdableitwiderstand des Werkstückgehänges muss kleiner als 1 MOhm sein, alternativ kann die mögliche Entladeenergie des Werkstücks weniger als 5 MJ betragen. Bei geschlossenen Pulverrückgewinnungsanlagen muss ein Explosionsschutzsystem installiert sein. Zum Schutz der Angestellten sollten spannungsführende Anlagenteile in geschlossenen Beschichtungskabinen angeordnet sein, sowie die Zugänge durch Abschalten und sofortige Erdung bei Betreten gesichert sein. Bei Handbeschichtungsanlagen ist zusätzlich die Stromstärke bzw. die Entladungsenergie begrenzt.[3]
Vergleich der Beschichtung von Pulver- und Flüssiglacken
Vorteile für die Pulverlackierung
- Sehr hohe Auftragswirkungsgrade durch hohe Wiedergewinnung des Lacknebels
- Sehr hoher Korrosionsschutz, bis zur Korrosionsklasse C5 möglich
- Umweltfreundlich, da nahezu keine Abfälle anfallen
Nachteile für die Pulverlackierung
- Nichteignung der Technologie für Substrate, die nicht temperaturstabil sind, wie Holz oder Kunststoff
- Unzureichende Beschichtung in abgeschirmten Werkstückbereiche (Innenecken, hinterzogenen Kanten und Hohlräumen) durch Bildung eines Faradayschen Käfigs
- Bilderrahmeneffekt an scharfen Kanten durch Konzentration der Feldlinien und daraus resultierende höhere Schichtdicke
- Ohne weitere Massnahmen (z. B. Erwärmung) Nichteignung für elektrisch nicht oder schlecht leitende Substrate wie z.B. Kunststoffe
Allgemeines
Durch unterschiedliche Oberflächen (glatt, strukturiert, Feinstruktur, Hammerschlag) und den entsprechenden Pigmenten können heutzutage auch mit Pulverlacken nahezu alle Oberflächeneffekte erzielt werden. Dabei sind zum Beispiel die Farbtöne des RAL-Farbfächers kurzfristig verfügbar.
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ B. Müller, U. Poth; Lackformulierung und Lackrezeptur: Das Lehrbuch für Ausbildung und Praxis; Vincentz Network; 2006; ISBN 3878701705
- ↑ a b c d e f g h i j k l A. Goldschmidt, H. Streitberger; BASF Handbuch Lackiertechnik; Vincentz Verlag; Hannover; 2003; ISBN 3-87870-324-4
- ↑ a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w x y z aa ab ac ad ae af ag ah ai aj ak al J. Pietschmann; Industrielle Pulverbeschichtung; 2. Auflage; Vieweg & Sohn Verlag; Wiesbaden; 2003; ISBN 3-528-13380
- ↑ a b c d e Artikel 'Applikation von Pulverlacken' auf www.pulverlackforum.de, abgefragt am 21.12.2008
- ↑ a b R. Rostek; Profi-Beschichterschulung IGP Pulvertechnik; Wil; 2008