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Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung

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Die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) ist ein Verfahren zur Übertragung von elektrischer Energie mit Gleichstrom hoher Spannung (100 kV–1000 kV).

Datei:Hguefreileitung.jpg
Typischer Freileitungsmast einer HGÜ (Baltic-Cable, Schweden)

Funktionsweise

Am Anfang und Ende einer Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsanlage befindet sich eine Stromrichterstation (auch Konverterstation genannt). In dieser befindet sich ein Stromrichter, eine Glättungsdrossel, sowie Stromrichtertransformatoren und Oberwellenfilter. Da die verwendeten Stromrichter – je nach Bedarf – als Gleich- oder Wechselrichter arbeiten können, ist der Aufbau sowohl von Gleichrichter- als auch von Wechselrichterstationen identisch.

Mit den Transformatoren wird der Wechselstrom auf den erforderlichen hohen Spannungswert transformiert und in den nachfolgenden Stromrichtern zu Gleichstrom umgerichtet. Als Stromrichter werden in modernen Anlagen in 12-Puls-Schaltung geschaltete Thyristoren verwendet. In älteren Anlagen kommen noch Quecksilberdampfgleichrichter mit sehr großer Bauweise zum Einsatz.

Da einzelne Thyristoren die erforderlichen Sperrspannungen von über 100 kV nicht erreichen, müssen mehrere Dutzend Thyristoren in Reihe geschaltet werden. Da sie unter hoher Spannung stehen, werden sie nicht mit Kupferkabeln, sondern mittels Glasfaserkabel angesteuert. Alle in Reihe geschalteten Thyristoren müssen binnen einer Mikrosekunde durchschalten. Bei mit Quecksilberdampfgleichrichtern ausgerüsteten Anlagen erfolgt die Übermittlung der Zündimpulse mittels Hochfrequenz.

Die Glättungsspule am Gleichstromausgang dient dazu, die Restwelligkeit des Gleichstroms zu reduzieren. Sie kann als Luft- oder Eisendrossel ausgeführt sein. Ihre Induktivität beträgt ca. 0,1 H bis 1 H.

Die Stromrichtertransformatoren dienen nicht nur zur Festlegung der Übertragungsspannung. Durch ihre Schaltung (Serienschaltung von Dreieck- und Sternschaltung), unterdrücken sie auch zahlreiche Oberwellen. Die Oberwellenfilter auf der Drehstromseite verhindern das Abfließen unerwünschter Oberschwingungen ins Netz. Bei Anlagen in 12-Puls-Schaltung müssen sie nur die 11., die 13., die 23. und die 24. Oberwelle unterdrücken. Hierfür reichen auf die 12. und 24. Oberwelle abgestimmte Saugkreise aus.

Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsanlagen können sowohl monopolar (hierbei übernimmt die Erde die Rückleitung) als auch bipolar ausgeführt sein. Erstere Form wird vor allem für Seekabelübertragungen angewandt. Grundsätzlich kann die Leitung der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung als Kabel oder als Freileitung ausgeführt werden. Hochspannungs-Gleichstrom-Freileitungen besitzen meist zwei Leiterseile. Sie werden bei monopolaren Hochspannungs-Gleichstrom-Anlagen entweder parallelgeschaltet oder als Zuleitung zu der Erdungselektrode, die aus Gründen der elektrochemischen Korrosionsgefahr nicht bei der Stromrichterstation liegen kann, verwendet.

Anwendung

Die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung bietet bei der Übertragung über große Entfernungen, insbesondere bei der Verwendung von Kabeln, zahlreiche Vorteile gegenüber der konventionellen Drehstromübertragung. Bei der Gleichstromübertragung treten keine induktiven und kapazitiven Verluste auf. Da keine Stromverdrängung stattfindet, ist der Leitungswiderstand geringer als bei einer vergleichbaren Wechselstromübertragung.

Neben der Anwendung für lange Freileitungen (Länge ab 500 Kilometer) und lange Kabel (insbesondere Seekabel, Länge ab 30 Kilometer) wird die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung auch zur Kopplung von Wechselstromnetzen unterschiedlicher Frequenz und/oder Phasenzahl oder zur Kopplung asynchron betriebener Stromnetze eingesetzt. In diesen Fällen beträgt die Übertragungslänge mitunter nur wenige Meter und beide Stromrichter sind im gleichen Gebäude untergebracht. Man bezeichnet eine derartige Anlage als GKK (Gleichstrom-Kurzkopplung). In Deutschland wurde von 1993 bis 1995 eine derartige Anlage zur Kopplung des deutschen und tschechischen Stromnetzes in Etzenricht betrieben.

Vorteile

Während man für ein Dreiphasen-Drehstromsystem stets drei Leiter (jeweils 1 für jede Phase) benötigt, kommt man bei einer Gleichstromübertragung mit zwei Leitern aus. Wenn man die Erde als zweiten Pol verwendet, reicht sogar ein einziges Kabel. Dies spart sowohl bei Kabeln als auch bei Freileitungen enorme Kosten. Besonders vorteilhaft ist die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung bei der Verwendung von Kabeln. Wegen fehlender dielektrischer Verluste braucht die Isolierung eines Gleichstromkabels nicht so stark zu sein wie die eines Drehstromkabels. Da keine kapazitiven Blindströme auftreten, muss man nicht – was insbesondere bei Seekabelübertragungen unmöglich ist – in gewissen Abständen Kompensationsspulen in das Kabel einbauen.

Nachteile

Die Stromrichterstationen sind sehr teuer und nur wenig überlastbar. Es ist sehr schwierig, in eine bestehende Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung nachträglich einen Abzweig einzufügen. Die HGÜ ist prädestiniert für die Energieübertragung zwischen nur zwei Punkten.

Geschichte

Die erste Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsanlage war die nie in Betrieb gegangene bipolare Kabelübertragung des Elbe-Projekts zwischen Dessau und Berlin 1945 (symmetrische Spannung von 200 kV gegen Erde, maximale Übertragungsleistung 60 MW). Diese Anlage wurde von der sowjetischen Besatzungsmacht abgebaut und 1950 zum Aufbau einer 100 Kilometer langen, monopolaren Hochspannungsgleichstromleitung mit einer Übertragungsleistung von 30 MW und einer Betriebsspannung von 200kV zwischen Moskau und Kashira genutzt. Diese Leitung ist inzwischen stillgelegt.

In der westlichen Welt wurde die erste Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsanlage 1954 zwischen Gotland und dem schwedischen Festland in Betrieb genommen. Die älteste noch bestehende Hochspannungs-Gleichstrom-Anlage ist die Konti-Skan 1 zwischen Dänemark und Schweden. 1972 wurde im kanadischen Eel River die erste Hochspannungs-Gleichstrom-Anlage mit Thyristoren in Betrieb genommen und 1975 in England die HGÜ Kingsnorth zwischen den Kraftwerk Kingsnorth und der Innenstadt von London mit Quecksilberdampfgleichrichtern. In Deutschland entstand von 1991 bis 1993 die erste Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsanlage in Form der Kurzkupplung in Etzenricht. 1994 ging die 262 Kilometer lange Gleichstromleitung "Baltic-Cable" zwischen Lübeck-Herrenwyk und Kruseborg in Betrieb, der 1995 die 170 Kilometer lange vollständig verkabelte "Kontek" zwischen Bentwisch bei Rostock und Bjæverskov in Dänemark folgte.

Ausgeführte Anlagen zur Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung

Anlagen, in denen Quecksilberdampfgleichrichter zum Einsatz kommen oder kamen

Anlagen, die von Beginn an mit Thyristoren betrieben werden