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Balanced Scorecard

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Balanced Scorecard (BSC) ist eine ganzheitlich orientierte, kennzahlenbasierte Managementmethode, welche sowohl die Vision und Strategie eines Unternehmens oder Unternehmensteils als auch relevante externe und interne Aspekte sowie deren Wechselwirkungen betrachtet.

Entwicklung und Perspektiven

Die BSC geht auf Arbeiten von Robert S. Kaplan und David P. Norton Anfang der 1990er Jahre an der Harvard-Universität zurück. Ausgehend von einer Strategie, die neben den Shareholdern auch andere Stakeholder und die Umwelt berücksichtigt, werden kritische Erfolgsfaktoren (KEF) bestimmt und daraus ein Kennzahlensystem ("scorecard") abgeleitet, das dann die Messgrößen für die Erreichung von strategischen Zielen repräsentiert. In einem kontinuierlichen Prozess werden Ziele und Zielerreichung überprüft und durch weitere Maßnahmen gesteuert.

Die Balanced Scorecards dienen als Führungsinstrument im Rahmen des Controllings bzw. Performance Managements zur Ausrichtung der Organisation an strategischen Zielen. Im Gegensatz zu Leitbildern und anderen unscharfen Formulierungen versuchen die Balanced Scorecards, die Erreichung von strategischen Zielen umsetzbar und messbar zu machen.

Mit den Methoden der BSC soll das Blickfeld des Managements von einer traditionellen, durch finanzielle Aspekte gekennzeichneten Unternehmenssicht auf alle relevanten Teile gelenkt werden und so zu einem ausgewogenen ("balanced") Bild führen. Die umfassendere Sicht ermöglicht dann konkretere Maßnahmen zur Ausrichtung der Organisation an den vorgegebenen Zielen.

Wichtiges Element einer Balanced Scorecard ist, dass bereits ihr Erstellungsprozess eine starke Komponente von Veränderungsmanagement enthält, d.h. das Einbeziehen aller relevanten Stakeholder notwendig macht. Dadurch wird die Akzeptanz erhöht und die Treffsicherheit der Ziele und Maßnahmen erhöht.

Dazu werden die strategischen Ziele aus verschiedenen Perspektiven betrachtet, etwa Finanzen, Kunden, interne Prozesse, Mitarbeiter und Innovationen etc. Für jede der Perspektiven werden solche Kennzahlen ausgewählt, die die Annäherung an die strategischen Ziele messen. Die Herausforderung liegt in der Auswahl weniger und zugleich relevanter Kennzahlen. Um die Größe und Vielfalt von Organisationen abzubilden, werden hierarchische Kennzahlensysteme gebildet und die Balanced Scorecards auf die einzelnen Unternehmenseinheiten heruntergebrochen. Normalerweise sollen nicht mehr als 10-20 Kennzahlen pro Unternehmenseinheit definiert werden.

Beispiel

In einem Unternehmen soll als wesentliches Teilziel die Kundenorientierung verbessert werden. Die Perspektive ist hier also die des Kunden. Als kritische Faktoren werden dabei eine sehr gute Termintreue, wenige Beanstandungen und schneller Service bzw. kurze Reparaturdauern gesehen. Gleichzeitig dürfen die Kosten nicht wesentlich erhöht werden.

Damit können etwa die folgenden Kennzahlen eingesetzt werden:

  • Prozentsatz nicht eingehaltener Terminzusagen
  • Prozentsatz beanstandeter Produkte nach Auslieferung
  • Durchschnittliche Verweildauer bei Kundendienst und Reparatur
  • Kosten pro Produkt

Diese werden zunächst ermittelt, etwa zu 20 Prozent nicht eingehaltene Termine, 10 Prozent Beanstandungen und 4 Wochen Verweildauern. Im nächsten Jahr sollen dann nur noch weniger als 10 Prozent der Termine nicht eingehalten werden, die Anzahl der Beanstandungen soll auf 7 Prozent verringert werden und die Verweildauer im Schnitt nur noch drei Wochen betragen. Als Maßnahmen kommen Verbesserung der Terminplanung (Termintreue), Verbesserung des Qualitätsmanagements und Vergrößerung der Anzahl Mitarbeiter in der Service- und Reparaturabteilung (Verweildauer) in Betracht. Da die letzte Maßnahme die Kosten wesentlich erhöhen würde, kann auch oder zusätzlich versucht werden, die Effizienz der Abteilung zu verbessern. Ein hoher Krankenstand spricht für eine geringe Mitarbeiterzufriedenheit. Auch Schulungsmaßnahmen sind in den letzten Jahren nicht durchgeführt worden. Als weitere Kennzahlen werden deshalb

  • Durchschnittliche Anzahl Krankheitstage
  • Durchschnittliche Schulungstage pro Mitarbeiter

herangezogen.

Typische Perspektiven

eine typische Balanced Scorecard

In der Regel werden vier Perspektiven mit je rund 4-5 Kennzahlen verwendet. Wichtig hierbei ist, dass dieses System, ander als fast alle anderen Kennzahlensysteme, frei ist in der Determinierung der Dimensionen. Häufig werden zwar die in der Literatur und nachfolgend beschriebenen Dimensionen verwedent, die Stäre der BSC liegt jedoch darin, dass z.B. Umweltfaktoren oder eine Ökobilanz ebenso Eingang finden können, wie Stakeholder-Betrachtungen oder klassische ROI-Faktoren.

Hier werden jeweils zwei Beispiel-Kennzahlen genannt:

Perspektiven nach Robert S. Kaplan und David P. Norton:

  • Finanzperspektive (financial focus): Kennzahlen zum Erreichen der finanziellen Ziele.
    • Umsatz pro Vertriebsbeauftragter: Unterstützt das Wachstum des Unternehmens, nicht notwendigerweise die Profitabilität.
    • Kosten pro Stück: Unterstützt das Kostenbewusstsein, hohe Volumina - steht aber der Qualität entgegen.
  • Kundenperspektive (customer focus): Kennzahlen zum Erreichen der Kundenziele.
    • Kundenzufriedenheit: Unterstützt kundenorientiertes Verhalten, nicht notwendigerweise kurzfristigen Gewinn, ist dabei aber schwierig zu messen.
    • Zeit zwischen Kundenanfrage und Antwort: Unterstützt zeitgerechtes Reagieren auf Kundenanfragen, wird oft in Verbindung mit Prioritäten verwendet.
  • Interne bzw. Prozessperspektive (process focus): Kennzahlen zum Erreichen der internen Prozess- und Produktionsziele.
    • Ausschuss pro 1000 Stück: Unterstützt die ausgelieferte Qualität, nicht notwendigerweise einen effektiven und effizienten Produktionsprozeß.
    • Zeit zwischen Produktionsstart und Auslieferung: Unterstützt schnelle Durchlaufzeiten, geringe Kapitalbindung und wenig Zwischenlager.
  • Potenzial- bzw. Erneuerungs- und Wachstumsperspektive (learning focus): Kennzahlen zum Erreichen der (langfristigen) Überlebensziele der Organisation.
    • Umsatzverhältnis neuer Produkte zu alten Produkten: Unterstützt schnelle Neu- und Weiterentwicklung von Produkten.
    • Fluktuation von Leistungsträgern nach außerhalb der Organisation: Unterstützt die langfristige Beschäftigung von Leistungsträgern in der Organisation, fördert Leistungsdifferenzierung, kann Querdenker blockieren.

Bewertung

Chancen

Die Balanced Scorecards ermöglichen es, die Strategie zu operationalisieren, darzustellen und zu kommunizieren. Die Vision bzw. Strategie lässt sich auf konkretes Handeln herunterbrechen, indem die Gesamtaufgabe zerlegt wird. Sie offenbart Defizite und wichtige Aufgaben.

Die einfache Struktur ermöglicht eine Komplexitätsreduktion.

Später lässt sich durch ein Berufen auf die Balanced Scorecards eine Legitimation für Maßnahmen und Verantwortlichkeiten begründen.

Durch die Balanced Scorecards werden Mitarbeiter gestärkt: Sie erhalten eine eigene Perspektive. Ihre Tätigkeit leistet einen messbaren Beitrag zur Umsetzung der Gesamtstrategie der Unternehmung.

Risiken

Eine Balanced Scorecard birgt die Gefahr der versuchten Umsetzung falscher bzw. unrealistischer Ziele.

Es besteht die Gefahr, die Balanced Scorecards mit zu vielen zu komplexen Zielen zu überbelasten.

Eine oberflächliche Betrachtung der Balanced Scorecard kann fälschlicherweise zu einer einseitigen Konzentration auf Kennzahlen, insbesondere vergangenheitsbasierte Kennzahlen, führen. In diesem Fall geht die eigentliche Intention der Balanced Scorecard verloren, nämlich die Ausrichtung des Handelns an strategischen Zielen und dem nachhaltigen, zukunftsorientierten Aufbau von Potenzialen (=Handlungsmöglichkeiten für die Zukunft).

Durch die Fixierung auf Kennzahlen, kann es zur bewussten Manipulation oder zu einer einseitigen Optimierung der Kennzahlen kommen - insbesondere, wenn die Vergütung der Mitarbeiter an die Erfüllung von Kennzahlen gebunden ist. Daher ist das Prinzip der Ausgewogenheit (Balance zwischen den einzelnen Zielen) zu beachten, um eine Fehlsteuerung zu vermeiden.