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Relativitätstheorie

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Die Relativitätstheorie befasst sich mit der Struktur von Raum und Zeit sowie mit dem Wesen der Gravitation. Man unterscheidet zwischen der speziellen Relativitätstheorie und der allgemeinen Relativitätstheorie. Sie wurden von Albert Einstein 1905 bzw. 1916 veröffentlicht.

Einführung

Die Relativitätstheorie hat das Verständnis von Raum und Zeit in revolutionärer Weise auf eine völlig neue Basis gestellt. Sie deckt Phänomene auf, die unseren Alltagsvorstellungen zuwiderlaufen und mehr oder weniger unvorstellbar sind. Letztlich hat bereits Immanuel Kant dieses Problem vorformuliert, indem er feststellt: "Raum und Zeit sind Vorbedingung für Erfahrung und können daher nicht Gegenstand von Erfahrung sein". Die erwähnten Phänomene sind jedoch mathematisch präzise beschreibbar und experimentell bestens bestätigt.

Die Relativitätstheorie stellt eine der beiden Säulen des Theoriengebäudes der Physik dar. Die Vereinigung mit der Quantentheorie, die die zweite Säule repräsentiert, steht noch aus und zählt zu den größten Herausforderungen der physikalischen Grundlagenforschung. Beide Theorien enthalten ihre Vorgänger, die Newton'sche Physik, als Grenzfall und erfüllen damit das so genannte Korrespondenzprinzip.

Im diesem Artikel werden die grundlegenden Strukturen und Phänomene lediglich zusammenfassend aufgeführt. Für Erläuterungen und Details siehe die Artikel spezielle Relativitätstheorie und allgemeine Relativitätstheorie.

Die spezielle Relativitätstheorie

Die beiden folgenden Feststellungen lassen sich als Axiome interpretieren, aus denen sich letztlich alles weitere herleitet:

  • Bewegt sich ein Objekt mit Lichtgeschwindigkeit, so kommen alle Beobachter, die dessen Geschwindigkeit relativ zu ihrem Standort messen, unabhängig von ihrem Bewegungszustand zum selben Ergebnis. Dieses sogenannte Prinzip von der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit ist mit unserem Alltagsverständnis von Raum und Zeit nicht erklärbar sondern paradox.
  • Die physikalischen Gesetze haben für alle Beobachter, die sich mit konstanter Geschwindigkeit bewegen, die selbe Gestalt. Diesen Umstand nennt man Relativitätsprinzip, und spricht von Inertialsystemen, in denen sich diese Beobachter befinden.

Zur Auflösung des obigen Paradoxons müssen unsere intuitiven Vorstellungen von einem absoluten Raum und einer absoluten Zeit aufgegeben werden: Raum- und Zeitangaben sind keine universell gültigen Ordnungsstrukturen, sondern der räumliche und zeitliche Abstand zweier Ereignisse und damit auch ihre Gleichzeitigkeit wird von Beobachtern mit verschiedenen Bewegungszuständen unterschiedlich beurteilt. Die Frage, wer die Situation korrekt beschreibt, ist prinzipiell nicht beantwortbar und daher sinnlos. Bewegte Objekte erscheinen im Vergleich zum Ruhezustand in Bewegungsrichtung verkürzt, und bewegte Uhren gehen langsamer. Diese Längenkontraktion und Zeitdilatation ergeben sich aus der Lorentz-Transformation, die den Zusammenhang zwischen den Raum- und Zeitkoordinaten der verschiedenen Beobachter beschreibt. Diese Transformation lässt sich direkt aus den beiden obigen Axiomen in Kombination mit der Annahme, dass sie linear ist, herleiten.

In gleicher Weise hängt die Masse eines Objektes vom Bewegungszustand des Beobachters ab, der sie misst. Bewegte Massen erscheinen schwerer. Nähert sich die Geschwindigkeit der des Lichtes, so strebt die Masse gegen Unendlich und damit auch der erforderliche Energieaufwand für eine weitere Beschleunigung.

Mit der Energie E eines Systems ändert sich auch seine Masse m und zwar gemäß ΔE = Δm c2, wobei c die Geschwindigkeit des Lichtes ist. Diese Formel ist in der Form

eine der berühmtesten in der Physik. Oft wird irreführend behauptet, sie habe die Entwicklung der Atombombe ermöglicht. Richtig ist, dass sie auch für chemische Reaktionen gilt, die zugehörigen Massenänderungen jedoch für die damaligen Meßmethoden unmessbar klein waren anders als bei Kernreaktionen. Für letztere würde man auch ohne die Relativitätstheorie die enormen Energieumsätze erwarten, die dabei auftreten.

Raum und Zeit erscheinen in den Grundgleichungen der Relativitätstheorie strukturell gleichwertig nebeneinander und lassen sich daher formal zu einer 4-dimensionalen Raum-Zeit vereinigen. Der Umstand, dass wir Raum und Zeit als unterschiedliche Phänomene wahrnehmen, sowie alle anderen Unterschiede zwischen Raum und Zeit lassen sich letztlich auf ein einziges Vorzeichen in der Gleichung zurückführen, die Raum und Zeit verknüpft, indem sie die Metrik der Raum-Zeit definiert. Darunter kann man sich vereinfachend den Abstand zweier Punkte in der Raum-Zeit vorstellen.

Kein Objekt kann sich schneller bewegen als das Licht. Dieser Umstand ist eine Folge der Struktur von Raum und Zeit und keine Eigenschaft des Objekts, wie beispielweise eines lediglich unvollkommenen Raumschiffes. Könnte sich ein Objekt mit Überlichtgeschwindigkeit von A nach B bewegen, so könnte man immer Beobachter finden, die eine Bewegung von B nach A wahrnehmen würden, wiederum ohne dass die Frage, wer die Situation korrekt beschreibt, einen Sinn gäbe. Das Kausalitätsprinzip wäre verletzt, da die Reihenfolge von Ursache und Wirkung nicht definiert wäre. Ein solches Objekt würde sich übrigens für jeden Beobachter mit Überlichtgeschwindigkeit bewegen.

Aus dem Relativitätsprinzip folgt unmittelbar, dass es keine Möglichkeit gibt, eine absolute Geschwindigkeit eines Beobachters im Raum zu definieren bzw. zu ermitteln, da es andernfalls ein absolut ruhendes Bezugssystem gäbe, für das die Gesetze der Physik eine besonders einfache Gestalt annehmen würden im Widerspruch zum Relativitätsprinzip. So scheiterten auch alle entsprechenden Versuche wie beispielsweise das berühmte Michelson-Morley-Experiment von 1887.

Das Relativitätsprinzip an sich ist wenig spektakulär und hätte im Prinzip auch ohne die Relativitätstheorie gelten können. Ohne diese widerspricht es jedoch den Gesetzen der Elektrodynamik. Nicht zufällig waren es Experimente und Überlegungen zur Elektrodynamik, die zur Entdeckung der Relativitätstheorie führten. So lautete der unscheinbare Titel der Einstein'schen Publikation von 1905 "Zur Elektrodynamik bewegter Körper", der nicht gerade einen Umsturz der bis dahin gültigen Vorstellungen von Raum und Zeit erwarten ließ.

Henri Poincaré und Hendrik Antoon Lorentz hatten wesentliche Vorarbeiten zur speziellen Relativitätstheorie geleistet, und es wird vermutet, dass sie 1905 ebenfalls kurz vor ihrer Entdeckung standen. So formulierte Lorentz bereits 1891 die nach ihm benannten Transformationsgleichungen. Er interpretierte jedoch die darin vorkommenden verschiedenen Orts- und Zeitkoordinaten lediglich als mathematische Hilfsgrößen ohne Bezug zur Realität.

Die allgemeine Relativitätstheorie

Die spezielle Relativitätstheorie heißt speziell, da sie sich nur mit gleichförmig zueinander bewegten (zueinander beschleunigungslosen) Bezugssystemen (so genannte Inertialsysteme) beschäftigt. Diese Einschränkung wird in der allgemeinen Relativitätstheorie aufgehoben. Sie beruht auf der Annahme der Gleichwertigkeit von träger und schwerer Masse. Die träge Masse bezieht sich auf die Kraft, die bei gegebener Beschleunigung wirkt (F=ma). Die schwere Masse bezeichnet die von jeder Masse ausgehende Gravitationsanziehung. Diese eigentlich voneinander unabhängigen physikalischen Phänomene werden auf eine gemeinsame Ursache zurückgeführt, der Beschreibung der Gravitation als Verformung der Raum-Zeit durch Massen.

Schon 1919 wurde die Überlegenheit der allgemeinen Relativitätstheorie über die bis dahin als korrekt angesehene Newtonsche Gravitationstheorie beobachtet. Arthur Stanley Eddington organisierte eine Expedition, die bei einer Sonnenfinsternis die scheinbare Verschiebung von Sternen nahe der Sonne feststellte. Dennoch blieb diese Theorie lange umstritten, bis weitere Voraussagen der Theorie experimentell bestätigt wurden.

Eine Voraussage der allgemeinen Relativitätstheorie ist, dass das Universum nicht stabil sein kann, sondern entweder expandieren oder kontrahieren muss. Zur Vermeidung dieser Folgerung hatte Einstein die kosmologische Konstante in die Theorie eingefügt, die ein stabiles Universum garantieren sollte. (In einem solchen Universum müsste die Massenverteilung allerdings extrem genau ausbalanciert sein, da sich jede Dichtefluktuation automatisch verstärken und die zugehörige Region dann doch expandiern oder kollabieren würde). Als dann die Expansion des Universums beobachtet wurde, nahm Einstein diese Konstante wieder aus der Theorie heraus und bezeichnete sie als "die größte Eselei meines Lebens". Heutige Beobachtungen deuten jedoch darauf hin, dass die kosmologische Konstante dennoch existiert, wenngleich sie einen anderen Wert hat als für ein stabiles Universum nötig wäre.

Eine weitere Voraussage der allgemeinen Relativitätstheorie sind Schwarze Löcher. Auch an diese mochte Einstein nicht glauben, und er meinte, es müsse einen Mechanismus geben, der die Entstehung solcher Objekte verhindert. Heutige Beobachtungen legen aber nahe, dass es solche schwarzen Löcher tatsächlich im Weltall gibt.

Viele Voraussagen, z.B. die oben genannte Zeitdilatation, konnten inzwischen experimentell bestätigt werden.

Stellenwert der Relativitätstheorie jenseits der Physik

Die neue Sichtweise der Relativitätstheorie bezüglich Raum und Zeit erregte nach ihrer Entdeckung auch in der Allgemeinheit Aufsehen. Einstein wurde zur Berühmtheit, und es war in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts in Mode, über die Relativitätstheorie zu diskutieren, auch wenn sie kaum jemand verstanden hatte. Im Nationalsozialismus wurde die Relativitätstheorie wegen Einsteins jüdischer Abstammung als "jüdische Physik" abgelehnt.

Die Diskussion über Raum und Zeit war vor der Relativitätstheorie der Philosophie und Religion vorbehalten. Die Relativitätstheorie induzierte daher auch eine Wiederannäherungen von Geistes- und Naturwissenschaft nach einer längeren Phase der Trennung. So stellte der Kirchenhistoriker Adolf von Harnack seinerzeit fest: "Man klagt darüber, dass unsere Generation keine Philosophen habe. Mit Unrecht. Sie sitzen jetzt nur in einer anderen Fakultät. Sie heißen Max Planck und Albert Einstein".

Literatur

  • A. Einstein, L. Infeld: Die Evolution der Physik, 1950 (Rowohlt 1987), ISBN 3499183420