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TIPS

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TIPS (auch: TIPSS) ist die Abkürzung für einen transjugulären intrahepatischen portosystemischen (Stent-)Shunt und bezeichnet eine minimal-invasiv geschaffene Verbindung zwischen der Pfortader und der Vena cava inferior durch die Leber. Eingesetzt wird ein TIPS in der Behandlung eines Pfortaderhochdruck.

Beschreibung

Pfortaderhochdruck (portale Hypertension) beschreibt die Druckerhöhung im Stromgebiet der Vena portae. Dies kann zu varikösen Umgehungskreislaufen mit Blutungsgefahr, ebenso zur Splenomegalie und Aszites führen. Meist ist der Pfortaderhochdruck die Folge einer Leberzirrhose.

Indikationen

Indikationen zur Anlage eines TIPS sind:

  • das Vorliegen von Varizen (insbesondere Ösophagusvarizen) und/oder Fundusvarizen, wenn diese bereits zu einer stärkeren Varizenblutung geführt hatten. Ein TIPS kann auch notfallmäßig bei einer nicht kontrollierbaren Ösophagus- oder Fundusvarizenblutung angelegt werden, jedoch besteht dann eine Letalität von ca. 15%. Ob auch lediglich blutungsgefährdete Varizen bei Menschen, bei denen es noch nie zu einer Varizenblutung gekommen war, mit einem TIPS behandelt werden sollten, ist derzeit noch umstritten, jedoch wird auch diese Indikation in mehreren Zentren so verwendet.
  • konservativ (mittels forcierter Diurese oder Punktion) nicht ausreichend behandelbarer Aszites.
  • eine seltene Indikation ist das Vorliegen eines sog. Budd-Chiari-Syndromes, bei dem durch einen akuten thrombotischen oder entzündlichen Verschluß der Lebervenen ein rasches Leberversagen droht. Die TIPS-Anlage bei dieser seltenen Entität (meist junge Frauen) führt meist zu exzellenten Ergebnissen mit permanenter Wiederherstellung der Leberperfusion und Funktion.

Geschichte

Seit den 60’er Jahren wurden zur Behandlung der portalen Hypertension auf operativem Weg portocavale, mesocavale und peritoneovenöse Shunts angelegt. In den folgenden Jahren wurden verschiedene experimentelle Versuche unternommen, um auf nicht-operativen Weg einen transjugulären portosystemischen Shunt zu etablieren, ohne aber die Stufe der klinischen Anwendbarkeit zu erreichen. Das gelang 1982 erstmals Colapinto, jedoch waren seiner Methode keine Langzeiterfolge beschieden, denn die von ihm per Ballondilatation geschaffenen Shunttrakte zwischen Lebervene und Pfortader kollabierten ohne Abstützung durch Stents (Metallprothesen) bald und führten zu Verschlüssen des Traktes. Der endgültige Durchbruch gelang erst, nachdem Julio Palmaz 1985 in experimentellen Grundlagenarbeiten die erstmalige Schienung des Parenchymtraktes in Hunden mit den von ihm entwickelten Stents (flexible Metallgitter) vorstellte. Nach einer Weiterentwicklung dieser Stents führten G.M. Richter, G. Nöldge und J. Palmaz in der Radiologie des UKL Freiburg im Januar 1988 die erste erfolgreiche TIPSS-Anlage an einem Patienten mit Leberzirrhose und portaler Hypertension durch. Aufgrund der geringen Belastung für den Patienten gewinnt der TIPS als Alternative zum chirurgischen Vorgehen zunehmend an Bedeutung. Gegenüber einem chirurgisch angelegten portocavalen Shunt (mit einer portokavalen Anastomose) bietet der TIPS den Vorteil, dass eine spätere Lebertransplantation nicht erschwert oder verhindert wird.

Technik

Am Hals wird meist durch einen auf die Interventionelle Radiologie spezialisierten erfahrenen Radiologen die Vena jugularis (je nach Punktionstechnik freihand bzw. unter Ultraschallsteuerung) punktiert und ein Angiographiekatheter über die Vena cava superior durch den Vorhof in die Vena cava inferior geschoben. Dies geschieht unter Durchleuchtungskontrolle in einer sog. Angiographie-Suite. Mittels speziell geformter Sondierungskatheter wird eine Lebervene (in der Regel die rechte Lebervene) sondiert und nach Einführen stabiler Führungskatheter/Schleusen eine sehr stabile steuerbare Hohlnadel in die Lebervene eingebracht. Durch die (meist mittels Einsatzes eines Ultraschallgerätes gesteuerte) Punktion dieser TIPS-Nadel wird durch die Unterfläche der sondierten Lebervene durch das Leberparenchym auf die intrahepatische Pfortader zugestochen. Nach der erfolgreichen Punktion der Pfortader wird mittels Ballondilatation eine intrahepatische Verbindung (Shunt) zwischen der Lebervene und einem Ast der Pfortader geschaffen. Dieser Trakt wird dann mit Hilfe einer Metallendoprothese (Stent) offengehalten. Dazu kommen neben Ballonexpandierbaren Stents (sehr gute Aufstellkraft, eingeschränkte Flexibilität), selbstexpandierbare Stents (gute Aufstellkraft, sehr gute Flexibilität) speziell für den TIPS entwickelte mit einer Plastikmembran ausgekleidete Stentgrafts (gute Aufstellkraft, sehr gute Flexibilität, geringere Häufigkeit von Verschlüssen) zum Einsatz. Da die Punktion der Pfortaderwand sowie die Dilatationen sehr schmerzhaft sind, erfolgt die TIPS-Anlage meist in Analgosedierung (abhängig von der kilnischen Situation des Patienten auch in Intubationsnarkose).


Komplikationen

Hier muß zwischen frühen, meist Angiographie-assoziierten Komplikationen und Spätfolgen durch die TIPS-Anlage unterschieden werden. Die häufigste Komplikation bei der TIPS-Anlage liegt in der Blutungsgefahr (Patienten mit einer Leberzirrhose haben meist eine eingeschränkte Gerinnungsfunktion). Die größte Gefahr während der TIPS-Anlage liegt in einer Punktion der durch Lebergewebe nicht gedeckten (extrahepatischen) Pfortader, was bei einem Nichterkennen dieser Komplikation akute Lebensgefahr für den Patienten bedeutet.

Durch die Umverteilung des Blutflusses (ein Teil des Pfortaderflusses fließt nun quasi ungefiltert nicht mehr in das Leberparenchym, sondern durch den TIPS-Trakt am Leberparenchym vorbei in den Vorhof) begünstigt eine TIPS-Anlage die Entwicklung einer hepatischen Enzephalopathie. Die Enzephalopathierate nach TIPS-Anlage liegt bei 15-30%. Bei der Verwendung Ballonexpandierbarer Stents ist es jedoch möglich, diese mittels entsprechender Ballondilatationskatheter in ihrem Durchmesser stufenweise zu erweitern und so den portosystemischen Druckgradienten (also den Druckunterschied zwischen der Pfortader und dem Vorhof) schrittweise an jeden Patienten anzupassen. So erfordert die Behandlung des Therapie-refraktären Aszites einen niedrigeren Zieldruck als ein TIPS aufgrund einer stattgehabten Ösophagusvarizenblutung.

Der Tipstrakt führt durch die Verwendung eines körperfremden Materiales (Metallstent) zu einer Reaktion der Gefäßwand (sog. Neointimabildung) mit der folgenden Ausbildung einer Neogefäßwand auf den Metallstreben. Je nach Ausbildung dieser Schicht innerhalb des Lumen des Tipstraktes kommt es zu einer Shuntstenose oder -dysfunktion in bis zu 50% der Fälle. Daher müssen Patienten mit einem TIPS engmaschig nachkontrolliert werden. Hier kommt neben dem Einsatz des Duplexultraschalls (Vorteil: keine Invasivität / Nachteil: supoptimale Ergebnisse nach der eines Plastikbeschichteten Stentgrafts) auch eine Reangiographie zum Einsatz. In den einzelnen Zentren werden unterschiedliche Zeitintervalle für die Kontrollen verwendet, jedoch ist von einer Reinterventionsnotwendigkeit (z.B. erneute Ballondilatation oder Verlängerung des TIPS-Traktes mittels eines weiteren Stents) von ca. 50-75% im ersten postinterventionellen Jahr auszugehen.

Literatur:

  • Richter GM, Palmaz JC, Noldge G, et al. The transjugular intrahepatic portosystemic stent-shunt. A new nonsurgical percutaneous method. Radiologe 1989;29:406-411
  • Rössle M, Haag K, Ochs A, et al. The transjugular intrahepatic portosystemic stent-shunt procedure for variceal bleeding. N Engl J Med 1994;330:165-171
  • Nazarian GK, Bjarnason H, Dietz CA, Jr., et al. Refractory ascites: midterm results of treatment with a transjugular intrahepatic portosystemic shunt. Radiology 1997;205:173-180
  • Kauffmann GW, Richter GM. Transjugular intrahepatic portosystemic stent-shunt (TIPSS): technique and indications. Eur Radiol 1999;9:685-692
  • Cejna M, Peck-Radosavljevic M, Thurnher S, et al. ePTFE-covered stent-grafts for revision of obstructed transjugular intrahepatic portosystemic shunt. Cardiovasc Intervent Radiol 2002;25:365-372
  • Maleux G, Nevens F, Wilmer A, et al. Early and long-term clinical and radiological follow-up results of expanded-polytetrafluoroethylene-covered stent-grafts for transjugular intrahepatic portosystemic shunt procedures. Eur Radiol 2004;14:1842-1850
  • Maleux G, Pirenne J, Vaninbroukx J, Aerts R, Nevens F. Are TIPS stent-grafts a contraindication for future liver transplantation? Cardiovasc Intervent Radiol 2004;27:140-142
  • Garcia-Pagán JC, Heydtmann M, Raffa S, Plessier A, Murad S, Fabris F, Vizzini G, Abraldes JG, Olliff S, Nicolini A, Luca A, Primignani M, Janssen HL, Valla D, Elias E, Bosch J; TIPS for Budd-Chiari syndrome: long-term results and prognostics factors in 124 patients. Budd-Chiari Syndrome-Transjugular Intrahepatic Portosystemic Shunt Group. Gastroenterology. 2008 Sep;135(3):808-15. Epub 2008 May 21.