Rock ’n’ Roll
Rock 'n' Roll (kurz für Rock and Roll) ist ein unklar umrissener Begriff für eine US-amerikanische Musikrichtung der 1950er und frühen 1960er Jahre und das damit verbundene Lebensgefühl einer Jugend-Protestkultur. Die meistens (außer in manchen Balladen) im 4/4-Takt gespielte Musik enthält einen deutlichen Offbeat (starker Akzent auf den geraden Zählzeiten zwei und vier).
Außerdem ist Rock 'n' Roll die Bezeichnung für einen mit dieser Musik verbundenen Gesellschaftstanz, der aus dem Lindy Hop und dem Jitterbug hervorgegangen ist und dessen wesentliche Merkmale die akrobatischen Einlagen sind. Im Gegensatz zur Musik werden im Tanz die ungeraden Zählzeiten (eins und drei) betont.
Begriff
Zunächst ein Slangausdruck für den Beischlaf, wurde der Begriff Rock 'n' Roll als Bezeichnung für eine Musikrichtung angeblich erstmals 1952 vom amerikanischen DJ Alan Freed geprägt. Allerdings tauchten die Begriffe Rock und Rock and Roll schon Jahre vorher in schwarzen Rhythm & Blues-Titeln auf, beispielsweise in Eunice Davis' Aufnahme Rock little Daddy von 1951 oder bereits in dem 1934 (!) von den Boswell Sisters aufgenommenen Titel Rock & Roll.
Dennoch bleibt unumstritten, dass es Freed war, der sowohl den Begriff als auch die Musik selbst für eine breite Öffentlichkeit fit machte, so dass Rock 'n' Roll ab etwa 1955 den Begriff Rhythm & Blues ablöste. Seine Radioshow Moondogs, in der vor allem schwarzer Rhythm & Blues gespielt wurde, hatte Mitte der 50er Jahre Kultstatus sowohl bei weißen als auch bei schwarzen Jugendlichen. Außerdem fungierte Freed als Veranstalter für Livekonzerte und als Entdecker und Förderer von Künstlern wie Chuck Berry, Bo Diddley, Gene Vincent, Frankie Lymon und etliche mehr.
Heute wird der Begriff im allgemeinen Sprachgebrauch auch auf zeitgenössische Rockmusik angewendet, vor allem im angelsächsischen Sprachraum. Die musikhistorische Definition ist jedoch enger gefasst. Hier ist Rock 'n' Roll ein Sammelbegriff für diverse Frühformen der Rockmusik, die Mitte der 50er Jahre in den USA entstanden und in ihrer subkulturellen Funktion Mitte der 60er Jahre von der Beatmusik abgelöst wurden.
Gesellschaftlicher Kontext
Schon Ende der 40er Jahre begann in den USA eine Jugend-Protestkultur, die das Underdogdasein, Freiheit von bürgerlicher Moral, Drogen und rastlose Mobilität zu ihren Idealen erhob. Diese Bewegung identifizierte sich zunächst nicht über die Musik, sondern über die Beat-Literatur von Autoren wie Jack Kerouac, Filme wie „The Wild One“, oder über Bücher wie „Catcher in the Rye“. Selbst der James Dean Film „Rebel Without a Cause“ von 1955 hatte noch keinen musikalischen Rock 'n' Roll-Bezug, obwohl er ansonsten schon alle Merkmale der Rock 'n' Roll-Kultur enthielt. Als Musik dieser Bewegung diente zunächst, vor allem bei den Anhängern der Beat-Generation Anfang der 50er Jahre, der schwarze Bebop-Jazz, als die Protestbewegung sich weiter ausbreitete, wurde das (von den Eltern häufig verbotene) Hören von Rhythm & Blues populär, der Musik der afroamerikanischen Unterschicht, die weiter unten näher erklärt wird.
Erst der Film „Blackboard Jungle“ von 1955 (in dem es um Jugendkriminalität an Schulen ging) enthielt einen Rock 'n' Roll Soundtrack („Rock around the Clock“ von Bill Haley & The Comets) und brachte dadurch den ersten weltweiten Rock 'n' Roll Hit hervor. Der explosionsartige Erfolg dieser Musik erklärt sich aus der schon länger bestandenen Sehnsucht nach einer eigenen Jugendmusik, über die sich die Rebellion gegen die Elterngeneration ausdrücken ließ. Rock 'n' Roll füllte also ein gesellschaftliches Vakuum und gab einem vagen Lebensgefühl seine Ausdrucksmöglichkeit.
Trotzdem ist der Rock 'n' Roll nie ein einheitlicher Stil, sondern immer nur ein Sammelbegriff verschiedener Musikarten gewesen. Die Musikszene in den USA war stark regionalisiert, nicht nur, weil das dominierende Massenmedium Rundfunk vorwiegend aus lokalen Stationen bestand. Auch die Plattenindustrie war regional organisiert, die ethnischen Subkulturen hatten ihre geografischen Nischen mit eigenen musikalischen Traditionen, und in den Südstaaten herrschte strenge Rassentrennung. So etablierten sich, je nach Gesellschaftsschicht, Ethnie und geografischer Region, unterschiedliche Musikstile, die alle unter Rock 'n' Roll einzuordnen sind, weil sie zwei gemeinsame Nenner vereint: Sie sind alle Ausdruck von Minderheiten und sie wurzeln alle im Rhythm & Blues. Deshalb lohnt es sich, bevor wir die einzelnen Spielarten des Rock 'n' Roll beschreiben, einen näheren Blick auf diese vielerwähnte Musikrichtung, diesen Ur-Nährboden des Rock 'n' Roll, zu werfen:
Rhythm & Blues
Die Bedeutung des Begriffs, geprägt Anfang der 40er Jahre von Jerry Wexler, hat sich bis heute ständig gewandelt. Zunächst nur ein Ersatzwort für „Race Music“, war Rhythm & Blues in den 40er Jahren die Bezeichnung für sämtliche afroamerikanische Musik außer dem Jazz, also für die Musik der schwarzen Unterschicht Amerikas. In den 60er Jahren wich der Begriff dem Marktnamen Soul, und heute bezeichnet man mit "R&B" eine Form zeitgenössischer, schwarzer Popmusik. Rhythm & Blues ist also alles andere, als ein einheitlicher Begriff für eine einheitliche Musikrichtung.
Ende der 40er Jahre entwickelte sich, im Zuge der Urbanisierung der schwarzen Landbevölkerung, ein einheitlicher, großstädtischer Stil heraus. Viele Rhythm & Blues Combos waren zunächst nichts anderes, als verkleinerte schwarze Bigbands. Häufig waren es Sextette oder Quintette. Die kleineren Besetzungen verdankten sich dem Kostenvorteil gegenüber den Bigbands, die für ärmere Clubs nicht mehr bezahlbar waren. Die geringere Lautstärke wurde durch die damals neue elektrische Gitarre kompensiert. Weiterhin kristallisierte sich ein Pianostil heraus, bei dem die linke Hand boogieartige Bassbegleitungen, die Rechte schnelle triolisch geschlagene Doppelgriffe spielte. Anders als im Swing, trat der solistische Anteil der Bläser zurück. Besonders das Altsaxofon fungierte zunehmend als Rhythmusinstrument und spielte Shuffelgrooves. Reine Instrumentalstücke waren selten. Sänger und Sängerinnen (der Frauenanteil im Rhythm & Blues war deutlich höher als im Rock 'n' Roll) sangen häufig mit gospelartigen Verzierungen. Nicht wenige Rhythm & Blues Texte spielten mit sexuellen Anspielungen und Zweideutigkeiten.
Rhythm & Blues galt für das etablierte Amerika als anzüglich und vulgär, schlicht als inakzeptable Untergrundmusik. Indes gelang es dem Rhythm & Blues, eine eigene Musikindustrie zu etablieren, die auch größere Labels wie Atlantic Records unterhalten konnte, wo der Produzent Jerry Wexler diese Musik wie kein zweiter förderte.
Wenn auch der Rhythm & Blues nicht uneingeschränkt unter Rock 'n' Roll einzuordnen ist, so teilt er doch mit diesem eine große Schnittmenge, in die Interpreten wie der frühe Ray Charles, Bo Diddley, natürlich auch Chuck Berry, Fats Domino, Little Richard, LaVern Baker und viele andere hineingehören. In Städten wie Chicago oder New Orleans wurden dementsprechend die beiden Begriffe „Rock 'n' Roll“ und „Rhythm & Blues“ auch lange als Synonyme verwendet. Und selbst denjenigen Rock 'n' Roll-Spielarten, die eindeutig nicht mehr zum Rhythm & Blues gehören, von Rockabilly bis zum Highschool Rock 'n' Roll, diente der Rhythm & Blues als wesentlicher Inspirationspool. Man kann also mit Recht behaupten, dass der Rock 'n' Roll eine Weiterentwicklung, häufig auch eine „Verweißung“ des Rhythm & Blues war, mit der nur Teile der schwarzen Jugend sich identifizieren konnten.
Besonders frustrierend wirkte dabei der Umstand, daß weiße Künstler wie Presley mit schwarzen Coverversionen Millionen verdienten, während Künstlern wie Big Mama Thornton (Autorin von „Hound Dog“) der Erfolg beim Massenpublikum versagt blieb. Und selbst die erfolgreichen schwarzen Musiker wie Little Richard und Bo Diddley wurden vielfach um den Ertrag ihrer Leistung betrogen (Bo Diddley verdiente an seinen großen Hits in den 50er Jahren exakt 0,-- US Dollar.)
Nur leicht zeitversetzt zum Siegeszug des Rock 'n' Roll wurde daher von schwarzen Musikern und Managern der gezielte Gegenversuch gestartet, den Rhythm & Blues zu kommerzialisieren, ohne ihn dabei aus schwarzen Händen zu geben. Unter dem Marktnamen Soul (Musiker sprachen in der Regel weiter von Rhythm & Blues) wurden neue schwarze Talente auf hohem Niveau ausgebildet und dann breit vermarktet. Instrumental, tänzerisch, kompositorisch und vor allem stimmlich erreichte der Rhythm & Blues in der Soul-Ära seine höchste Blüte. Tatsächlich gelang es mit dem Soul, einen weltweiten Boom auszulösen, der auch das zahlungskräftige weiße Publikum erfasste. Frische Talente mit gewaltigen Stimmen stürmten die Charts, die dank der kommerziellen Konzeption noch heute ein Begriff sind (Martha Reeves, Aretha Franklin, Ike & Tina Turner, Stevie Wonder, Otis Redding und viele mehr). Zwar handelte es sich bei diesem kommerzialisierten Rhythm & Blues um Populärmusik, doch wurden die schwarzen Wurzeln wie Blues und Gospel keinesfalls verwässert, sondern bewußt reaktiviert. Schließlich verfolgte man das Ziel, eine für Weiße schwer kopierbare Musik zu kreeiren. Im Zentrum dieser Entwicklung stand das Motown Label. In den 70er Jahren schließlich verblassten die originär schwarzen Elemente wieder und die schwarze Popmusik wurde zur Disco-Musik. In den 80er Jahren stellten schwarze Künstler wie Whitney Houston ihre vorzüglichen Gesangstimmen in den Dienst von eher belangloser Popmusik, die sie damit zu einem gewissen Grad aufwerteten. Der Begriff Soul kam wieder ins Gespräch. Mit Rhythm & Blues hatte diese Musik jedoch nicht mehr viel zu tun.
Vertreter (des klassischen Rhythm & Blues): Wynonie Harris, Big Joe Turner, Etta James, Clyde McPhatter, Bobby Blue Bland, LaVern Baker
Stylemap
Die „Stylemap“ zeigt Schnittmenge und Berührungspunkte von Rhythm & Blues (rot) und Rock 'n' Roll (gelb), sowie die wichtigsten Stile und Unterstile des Rock 'n' Roll. Wollte man allerdings sämtliche Querverbindungen und gegenseitigen Inspirationen auflisten, würde eine solche Grafik zu einem noch unentwirrbareren Knoten werden, als sie es hier schon ist. Deshalb sind hier viele Aspekte nicht berücksichtigt, unter anderem der, dass die meisten Künstler im Verlaufe ihres Schaffens nicht statisch in einer stilistischen Ecke bleiben. Als Beispiel sei Ray Charles genannt, der genau genommen an fast allen Ecken der Grafik auftauchen müsste. Auch Hank Ballard dürfte eigentlich nicht nur unter Twist aufgelistet werden, den er erst in der späteren Phase seiner Karriere erfand. Außerdem trägt die Abbildung einer wichtigen Entwicklung nicht Rechnung, in deren Zuge sich ab etwa 1958 viele oder alle Rock 'n' Roll Spielarten zu einer Mainstreamform vermischten.
Kategorien und Stilschubladen haben zudem immer einen akademischen Aspekt, der die Musik nicht hinreichend erklären kann. Man sollte also diese Kategorien nicht als in Stein gemeißelt betrachten und nicht vergessen, dass es gerade die Überwindung von Schubladen war, die den Rock 'n' Roll erst möglich machte.
Spielarten des Rock 'n' Roll
(Zu den einzelnen Spielarten siehe auch die jeweiligen Wikipedia-Links mit z. T. umfangreicheren Artikeln)
Um 1954 im Norden der USA entstandene weiße Musikrichtung, die den Bigbandsound mit markantem 4/4 Offbeat anreicherte, mit Boogielinien versah und in kleinerer Besetzung wiedergab. Wird wegen des "geslappten" Kontrabasses gelegentlich mit seinem Südstaatenpendant, dem Rockabilly verwechselt, enthält aber ein dominanteres, zuweilen solistisches Schlagzeug und legt außerdem einen Schwerpunkt auf die im Rockabilly untypischen Blechbläser. In der Performance waren die synchronen Schwenkbewegungen der Instrumente typisch, die auffällig gemusterten Einheitsanzüge der Musiker und rhythmische Zwischenrufe ("crazy man crazy!")- alles Elemente aus der Bigband-Kultur. Gespielt wurden Coverversionen schwarzer Rhythm & Blues Titel aber auch neue Kompositionen. Wichtiges Instrument war neben Kontrabass und Blechbläsern auch die E-Gitarre, die sich durch schnelle, schwierige Läufe vom übrigen Rock 'n' Roll abhob.
Vertreter: Bill Haley & The Comets, Freddy Bell & The Bellboys
Um 1954 in den Südstaaten der USA entstandene weiße Interpretation des Rhythm & Blues, durchmischt mit Elementen der Country- und Hillbillymusik. Als Erstling des Rockabilly gilt der von Elvis Presley im Sommer 1954 eingespielte Titel „That's Allright, Mama“. Produzent war der Gründer des Sun Labels Sam Phillips, der schon Anfang der 50er Jahre als Produzent von "Big" Joe Turner einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung des Beale-Street-Rhythm & Blues geleistet hatte.
Zunächst mit Minimalbesetzung gespielt („geslappter“ Kontrabass, E-Gitarre, Gesang), kamen später auch Schlagzeug und Piano zum Rockabilly. Ausgehend von Memphis, Tennessee verbreitete sich der Rockabilly durch die intensive Tourtätigkeit der Musiker von Sun Records schnell über den gesamten Süden und inspirierte hunderte von Musikern, den Stil zu kopieren. Nur wenigen gelang es dabei, über eine bloße Sun-Kopie hinauszugehen und individuelle Rockabilly-Stile zu entwickeln, wie z. B. Gene Vincent und Buddy Holly. Ab 1957 löste sich der Rockabilly in einer Art Mainstream-Rock 'n' Roll auf, die meisten Interpreten jedoch wandten sich der reinen Countrymusik zu. Rockabilly war zugleich die erste Spielart des Country-Rock.
Vertreter: der frühe Elvis Presley, Carl Perkins, Johnny Burnette Trio, Eddie Cochran, Gene Vincent, der frühe Roy Orbison
Handjive ist eine ursprünglich schwarze Spielart des Rock 'n' Roll und entstand um 1956 in Chicago als Unterart des Rhythm & Blues. Wesentliche Merkmale sind die stark im Vordergrund stehenden Perkussionsinstrumente, die einen tranceartigen, ostinaten Groove erzeugen und sich zeilenweise mit dem Gesang abwechseln, dessen Melodie im „Frage-Antwort-Schema“ aufgebaut ist. Die elektrische Gitarre ist erstmals leicht verzerrt und spielt hauptsächlich Rhythmuslicks. In den 50er Jahren wurde der Jandjive in den schwarzen Vierteln Chicagos z. T. von Kindern auf der Straße getanzt. Er nahm die musikalische Entwicklung der Rockmusik in den 60ger Jahren vorweg und beeinflusste weiße Bands, wie die Rolling Stones. Vertreter: Bo Diddley, Johnny Otis
Als "Car-Sound" bezeichnete man in den 50er Jahren die Musik des schwarzen Gitarristen und Sängers Chuck Berry. Den Beginn machte 1955 die Chess-Veröffentlichung "Maybellene", ein Titel, in dem es um eine Art Autorennen geht. Berry selbst war Automechaniker und thematisierte mit seiner fast weiß klingenden Stimme den amerikanischen Autokult der 50er Jahre. Die Texte Berrys, der in seiner Jugend Autos knackte, um Spritztouren zu unternehmen, erzählen von rastloser Mobilität quer durch die USA und erinnern an Jack Kerouacs Kultroman "On The Road". Entscheidend für diesen "Chicago-Rock 'n' Roll" aber ist eine völlig neue Verwendung der elektrischen Gitarre, die mit einer leichten Röhrenverzerrung etwas blechern klingt und bei Berrys zweisaitigen Bendings an Autohupen erinnert. Die Rhythmusbegleitung spielte Berry mit Abschlägen auf den abgedämpften Basssaiten. Berry ist einer der meistgecoverten Rockmusiker. Seine Licks inspirierten weite Teile der Beatmusik in den 60er Jahren und gehören bis heute zum Standardrepertoire vieler Gitarristen und Schülerbands.
Berrys Kollege, der ebenfalls bei Chess unter Vertrag stehende Bo Diddley, griff den Car-Sound auf und spielte ebenfalls ein paar Car-Titel ein ("Roadrunner"). Der Car-Sound aus den Autoproduktionsstädten des Nordens inspirierte auch die Surf/Hotrod-Musiker aus Kalifornien, dem "Autoland". Vertreter: Chuck Berry, Bo Diddley
Schwarzer Doowop
Doowop ist die Bezeichnung für eine Rhythm & Blues Unterart, die einen besonderen Schwerpunkt auf das mehrstimmige Gesangsarrangement legt. Der Stil entwickelte sich ab 1954 in den schwarzen Vierteln amerikanischer Großstädte, wo er von unbekannten a-capella Bands vor allem unter Brücken, in U-Bahnhöfen und Greyhound-Wartehallen gesungen wurde. So ist Doowop eng verbunden mit der besonderen Akustik öffentlicher Räume. Balladen wechselten sich mit schnellen Nummern ab. Ab 1956 schafften es einige ehemalige Straßenbands in die Rhythm & Blues Charts. Der reine a-capella-Stil der Straße wurde dabei nur selten beibehalten. In der Regel wurde bei Platteneinspielungen sanfte Instrumentalbegleitung in typischer Rhythm & Blues Besetzung (Saxophon, Piano) beigefügt. Auch Gimmicks wir Glockenspiele waren bei Doowop-Balladen typisch. Vertreter: The Penguins, The Moonglows, Frankie Lymon & The Teenagers, The Platters
Weißer Doowop
Ende der 50er Jahre begannen junge, weiße Amerikaner in den Großstädten den Doowop zu kopieren. Besonders taten sich dabei Nachkommen italienischer Einwanderer hervor, im Zentrum der weißen Doowop-Bewegung lag die New Yorker Bronx. Die derben sexuellen Anspielungen in den Texten der schwarzen Vorbilder wie Hank Ballard wurden allerdings nicht übernommen und durch harmlosere Inhalte aus dem Teenageralltag ersetzt. Ein wichtiges Element war die hohe Falsettstimme des Leadsängers – ein Effekt, der später von der Surfmusik aufgegriffen wurde. Der weiße Doowop wurde zur Identifikationsmusik einer ganzen Jugendgeneration der italo-amerikanischen Minderheit in den USA. Die damalige Atmosphäre in der italienischen Szene der Bronx wurde 1979 in dem Film "The Wanderers" gelungen rekonstruiert.
In einer Zeit, als Rock 'n' Roll langsam seine Schockwirkung einbüßte und zur allseits akzeptierten Modeerscheinung wurde, wurden weiße Doowopkünstler außerdem bei der weißen Mittelklasse-Jugend sehr beliebt. Der weiße Doowop wurde so zum Vorläufer des Surf und des Highschool-Rock 'n' Roll. Vertreter: Dion DiMucci
Eine schwarze Spielart des Rock 'n' Roll/Rhythm & Blues, dessen wesentliches Merkmal das in den hohen Lagen triolisch gespielte Piano ist. Der New Orleans Sound reicht in die frühen 50er Jahre zurück, als echter Rock 'n' Roll trat er um 1955 mit Fats Domino und dem aggressiveren Little Richard in die Rockgeschichte ein. Die Tradition dieser Musik wird ohne Unterbrechung bis in die Gegenwart hinein gepflegt und hat Interpreten wie Dr. John und Prof. Longhair hervorgebracht. Vertreter: Fats Domino, Little Richard, Huey "Piano" Smith, Smiley Louis
Im Westen der USA wurde 1957 eine Gitarren-Instrumental Tradition begründet, die schnell zahlreiche Nachahmer fand. Im Studio von Lee Hazlewood in Phoenix, Arizona und später in Los Angeles wurden Titel mit den Gitarristen Al Casey und Duane Eddy eingespielt, von denen einige zu Hits wurden. Die Gitarre war dabei leicht verzerrt, dazu spielte ein Saxofon simple Soli. Der Hall in den Aufnahmen kam durch die natürliche Akustik des metallenen Getreidespeichers zustande, in dem sich Hazlewoods Studio befand (einer der Studiohilfen Hazlewoods war übrigens der junge Phil Spector). Der „Twang-Sound“ Duane Eddies fand im gesamten Westen der USA zahlreiche Nachahmer und beeinflusste eine Reihe von Musikern auch in Europa, wie die Begleitband von Cliff Richard, die „Shadows“. Vertreter: Duane Eddy, The Ventures, The Shadows
Surfmusik ist der einzige Zweig des klassischen Rock 'n' Roll, der weit in die 60er Jahre hineinragte und eine Art amerikanische Parallele zur britisch dominierten Beatmusik bot.
Den Beginn der Surfmusik markiert der Beach Boys-Titel „Surfin'“ von 1961 (Platz 75 in den Charts), der sich musikalisch eng am weißen Doowop ausrichtete. Aber schon die folgenden, bei Capitol veröffentlichten Titel der Band ließen, neben Einflüssen von Chuck Berry und dem Doowop, einen sehr eigenständigen Stil erkennen.
Ein wesentliches Merkmal der Surfmusik sind die Textinhalte, die meistens das Leben in Kalifornien verherrlichen. Neben dem Thema "Surfen" ist dabei das Thema "frisierte Autos" (Hotrod) auffallend häufig. Die starke Präsenz des Autokultes in der Surf/Hotrod-Musik erklärt auch die gelegentlichen Anleihen bei Chuck Berry, dem Begründer des "Car-Sounds" (Vergleiche hierzu Beach Boys: "Surfin USA" mit Chuck Berry: "Sweet Little Sixteen").
Neben der mehrstimmigen Musik im Stile der Beach Boys und des Duos Jan & Dean etablierte sich 1961 eine instrumentale Form des Surfsounds, der sehr gut zum Themenkomplex "Auto" passte. Hier wurde sowohl der „Twang“-Sound als auch das Saxofon der Hazlewood-Produktionen aus Phoenix übernommen (siehe Absatz "Instrumental"). Manchmal wurden die Melodielinien nach südkalifornisch-mexikanischer Tradition von einer Trompete gespielt. Als Hauptinstrument dominierte die Fender Stratocaster, von deren Tremolohebel reichlich Gebrauch gemacht wurde. Die charakteristische Surf-Gitarre wurde außerdem mit einem Bandecho eingespielt, was die beliebten Glissando-Riffs auf den Basssaiten etwas glättete, mit denen die rasante Wellenfahrt des Surfbrettes musikalisch umgesetzt wurde. Wichtigster Vertreter dieses rein instrumentalen Surfstils war Dick Dale, der heute zuweilen in den Soundtracks der Filme von Quentin Tarantino wieder auftaucht.
Der Surfsound begründete die Tradition der Westcoast-Rockmusik. Bands wie die Trashmen und später auch die Ramones, die gesanglich zunächst an die Beach Boys erinnerten, versahen die Musik mit einer aggressiven, anarchistischen Attitüde und bereiteten den Weg für den Punk.
Vertreter: Beach Boys, Jan & Dean, Dick Dale & The Deltones, The Rip Chords
Teenage Rock 'n' Roll/Highschool
Ende der 50er Jahre wurde von der Unterhaltungsindustrie eine gezähmte Form des Rock 'n' Roll konzipiert, die vor allem auf das sehr junge, weiße Mittelklassepublikum ausgerichtet war. Die Interpreten wirkten sauber und „elternkompatibel“. Jeans oder Lederjacken wurden gemieden und durch Strickwesten, Polohemden und Krawatten ersetzt. Viele dieser „Teen Idole“ wurden ausschließlich nach ihrem Äußeren gecastet und wirkten wie domestizierte Clone von Elvis Presley. Ihre z. T. mäßigen Sangeskünste wurden dann, wie im Falle von Fabian, durch intensive, z. T. silbenweise Schnittarbeit im Studio ausgeglichen. Einige wurden auch als "Schauspieler" vermarktet und belegten Hauptrollen in B-Movies. Eine wesentliche Rolle für diese Entwicklung spielte die Dick Clark Show, eine landesweit ausgestrahlte Fernsehshow, in der die Highschool-Stars promotet wurden.
Es ist strittig, ob man den Teenage Rock 'n' Roll wirklich als echten Rock 'n' Roll bezeichnen soll, letztlich ist dies eine Frage von Definitionen. Nach einer weit verbreiteten Auffassung ist das Phänomen "Teen-Idol" nur der Versuch des Establishments, den Rock 'n' Roll zu integrieren, zur stubenreinen und massenkompatiblen Ware zu machen und damit sein Ende zu besiegeln.
Vertreter: Pat Boone, Paul Anka, Connie Francis, Frankie Avalon, Fabian
Bezeichnung für eine späte Spielart des Rock 'n' Roll und den dazugehörigen Tanz, der etwa zwei Jahre lang in den USA und Europa populär war. Der Tanz erweckte einiges Aufsehen, weil er nicht mehr paarweise, sondern allein getanzt wurde. Er leitete damit die bis heute in Diskotheken übliche Tanzweise ein.
Musikalisch brachte der Twist in Zeiten des seichten Highschool-Rock 'n' Roll eine Wiederbelebung der Ursprünge aus dem Rhythm & Blues und war daher soetwas wie ein erstes Rock 'n' Roll Revival. Als „Erfinder“ des Twist gilt weltweit der in der Dick Clark Show promotete Chubby Checker. Was die charakteristischen Tanzbewegungen betrifft, ist dies sicher richtig. Indes war es eigentlich der Rhythm & Blues Musiker Hank Ballard, der die Titel „The Twist“ und „Let's Twist again“ schrieb und aufnahm („The Twist“ wurde erstmals 1958 von Ballard eingespielt). Jedoch wurde wegen eines Streits mit Dick Clark (es ging um die Frage, ob Ballards Backupband „The Midnighters“ auftreten durften oder nicht) ein geplanter Auftritt von Ballard gestrichen. Als Lückenfüller wurde der bis dahin nicht bekannte, etwas füllige Checker gewählt, der „the Twist“ 1959 auf den Markt brachte und den Titel dank regelmäßiger Auftritte bei Dick Clark 1960 auf Nummer 1 der Charts platzieren konnte. Mit einer erneuten Platzierung in den Charts ein Jahr später (wiederum auf Platz 1) begann dann der weltweite Siegeszug des Twist, begleitet von einer bis dahin einmaligen Merchandise-Maschinerie. Vertreter: Hank Ballard, Chubby Checker
Andere
Neben den oben genannten wichtigsten Spielarten des klassischen Rock 'n' Roll gab es noch eine Anzahl von lokalen Stilen, häufig mit stark folkloristischem Einschlag. Wenige davon brachten übrerregionale Erfolge hervor, wie z. B. die Titel von Ritchie Valens, den wichtigsten Vertreter eines Latino-Stiles, der im Raum Los Angeles, Süd-Texas und New Mexico unter der diskriminierten spanischsprachigen Bevölkerung verbreitet war und z. T. auch in spanischer Sprache gesungen wurde.
Im Mississippi-Delta wiederum waren es Musiker der franko-kanadischen Minderheit aus den Sumpfregionen Louisianas, den "Cajuns", die ihre traditionelle Fiddle- und Akkordeonmusik ab etwa 1957 mit dem Rhythm & Blues und mit dem Rock 'n' Roll verbanden. Überregionale Hits waren dieser äußerst lebendigen und vielfältigen Cajun-Rock Szene leider nicht beschieden.
Die populäreren Rhythm & Blues Musiker aus New Orleans beeinflussten wiederum die Musikszene auf Jamaica, wo man die US-Radiostationen aus Louisiana empfangen konnte. Auf diese Weise entstand in den 50ger Jahren eine Mischung aus New Orleans-Rhythm & Blues und jamaikanischer Folklore, wie dem Mento. Aus dieser Mischung entwickelte sich Anfang der 60er Jahre dann der Ska und später der Reggae.
Und schließlich ist die so genannte "Calypso-Musik" zu nennen, die Mitte der 50er Jahre von Harry Belafonte erfunden wurde. Belafonte stammte eigentlich aus New York City und sein Karibik-Akzent war nicht echt. Aber er bewies ein feines Gespür für den Markt, der in den 50er Jahren in einer Art erster "Ethno-Welle" nach Südseeromantik und Exotischem verlangte. Dies beschied seinem 1956 veröffentlichten Debut-Album "Calypso" einen sensationellen Erfolg. Seine Musik ist, wenn überhaupt, eher in die Pop- und Unterhaltungs-Ecke des Rock 'n' Roll einzuordnen.
Rock 'n' Roll (Tanz)
Rock 'n' Roll | |||||||||||||||||
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Parallel zur Musik haben sich die dazu passenden Tänze entwickelt. Aus dem um 1920 entstandenen Swing entwickelte sich in den USA sehr früh der Lindy Hop, der erstmals akrobatische Elemente in einen Paartanz einfließen ließ. Dieser wiederum erfuhr um 1940 eine Abwandlung zum Boogie Woogie, der auf deutlich schnellerer Musik basierte. Mit Aufkommen der Rock 'n 'Roll Musik um 1955 wurde schließlich aus dem Boogie Woogie von der protestgesteuerten Jugendbewegung der Rock 'n' Roll erschaffen.
Technik und Grundschritt
Charakteristisch für den Rock 'n' Roll sind die Kicks (engl. Tritte [in die Luft]) und die akrobatischen Figuren wie z.B. Hebefiguren, Sprünge, Würfe und Überschläge. Der heutige Rock 'n' Roll ist ein reiner Show- und Turniertanz und hat bis auf den Namen praktisch nichts mehr mit der ursprünglichen Rock 'n' Roll Bewegung zu tun. Er wird paarweise oder paarweise in einer Formation getanzt. Im Laufe der Zeit hat der Rock 'n' Roll verschiedene Änderungen erfahren, so wird z.B. der ursprüngliche 6er-Grundschritt nur noch in Tanzschulen gelehrt, während im Turniergeschehen ausschließlich der 9er-Grundschritt mit seinem typischen Kick Ball Change verwendet wird. Weitere technische Besonderheiten bilden Grundtechniken wie die Körperwelle und der Einsteiger, die für einige Akrobatiken unerlässlich sind. Durch die anspruchsvolle Technik, die hohe Geschwindigkeit und die kräftezehrenden Akrobatiken ist Rock 'n' Roll ein sehr anstrengender Hochleistungssport und wird daher fast ausschließlich von jungen Paaren getanzt.
Der Name des Grundschrittes leitet sich von der Anzahl der Bodenberührungen ab. Beim 6er-Grundschritt ergibt sich das Zählmuster (1)Schritt (2)Schritt (3)Kick (4)Setzen (5)Kick (6)Setzen bzw. (1)Kick (2)Setzen (3)Kick (4)Setzen (5)Kick (6)Setzen, beim 9er-Grundschritt das Zählmuster (1)Kick (2)Ball (3)Change (4)Kick (5)Setzen (6)Setzen (7)Kick (8)Setzen (9)Setzen. Technisch korrekt wird bei einem Kick stets das Standbein einen kleinen Moment vor dem kickenden Fuß gesetzt.
Figuren
Da Rock 'n' Roll ein reiner Showtanz ist und jedes Paar seine eigenen speziellen Figuren hat, tragen im Rock 'n' Roll fast nur akrobatische Figuren eigene Namen, während nur wenige Tanzfiguren wie Platzwechsel, Schiebetür, Joch, Spin, Damenspin geführt, Promenade, Hand- und Platzwechsel, Curl, Halber Spin, Halber Whip und Brezel standardisiert sind. Klassische Akrobatikfiguren sind:
- Schüler: Bocksprung, Durchzieher, Handstand, Rad, Schieber, Texas, Tote Frau, Tote Frau vorwärts, Zugrolle
- D Klasse und Junioren: Bombe, Doppelgrätsche, Eis (D Klasse), Fisch, Grätsche, Hochzeitssitz, Kniesitz, Lasso, Liegepirouette, Lift, Münchner, Oberschenkelstand, Schaukel, Schleuder, Schwan, Shalom, Teller
- C Klasse: Eis (C Klasse), Schulterkugel (C Klasse), Flieger, Italiener, Münchner rückwärts, Sagi, Schlange
- B Klasse: Berliner, Bettarini, Einsteiger, Käskehre, Kerze, Landshut, Rückenwurf, Schocksalto, flacher Todessprung, seitlicher Todessprung, Valentino, Winterthur
- A Klasse: Einsteiger Rückwärtssalto (auch doppelt und dreifach), Schulterkugel (A Klasse), Propeller, Taucher, Todessturz
Beschreibungen finden sich unter Tanzfigur und bei den Weblinks.
Rhythmus und Musik
Rock 'n' Roll basiert auf dem 4/4 Takt, wobei ein Grundschritt allerdings sechs Schläge und damit eineinhalb Takte umfasst. Im Gegensatz zum deutlichen Offbeat der Musik wird der Tanz auf den Schlägen 1 und 3 betont. Die Musik ist mit 44 bis 52 TPM sehr schnell; aufgrund der Betonung und der Geschwindigkeit wird heute kaum noch auf echte Rock 'n' Roll Musik sondern mehr auf moderne Disco- und Popmusik getanzt.
Kleidung
Turnier Rock 'n' Roll wird nicht mehr - wie in seinen Anfangszeiten - in Petticoat und Jeans getanzt, sondern in knallbunten, ein- oder zweiteiligen, anzugförmigen Kostümen aus elastischen Kunstfasern, die nur als Einzel- und Spezialanfertigung bezogen werden können. Grund dafür sind die Akrobatikfiguren, die mit der Zeit immer riskanter wurden und für die Reiß- und Grifffestigkeit der Kleidung daher ein Muss ist. Als Fußbekleidung werden meist Turnschuhe gewählt, seltener auch Ballettschuhe oder ähnliche.
Organisation
Der Rock 'n' Roll wird innerhalb Deutschlands vom Deutschen Rock 'n' Roll und Boogie-Woogie Verband e.V und weltweit von der World Rock 'n' Roll Confederation gepflegt, die auch die Richtlinien für nationale und internationale Meisterschaften durchsetzen. In Deutschland gibt es die Turnierklassen A, B, C, D, Junioren und Schüler, wobei A die höchste Startklasse bezeichnet, sowie die Formationsklassen Master, Quartett und Schüler/Junioren. International werden die Klassen Main Class, B Class, Juniors und Youth geführt, wobei Main Class die höchste Startklasse ist.
Siehe auch
Weblinks
- Rock 'n' Roll-Tanz:
- Weiteres: