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Kirchenaustritt

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Der Kirchenaustritt ist die vom Mitglied veranlasste Beendigung der staatlich registrierten Mitgliedschaft in einer Kirche. Das Recht auf den Kirchenaustritt ergibt sich aus dem Prinzip der Trennung von Staat und Kirche. Erstmalig 1847 durch das Toleranzedikt Friedrich Wilhelm IV. in Preußen ermöglicht, wurden seine Bedingungen in Deutschland im Rahmen des Kulturkampfes gesetzlich festgelegt.

Die Gründe für einen Austritt können verschieden sein: Oft entspricht die meist kurz nach der Geburt von den Eltern bestimmte Kirchenmitgliedschaft nicht dem eigenen Glauben bzw. der eigenen Weltanschauung. Gelegentlich ist auch die Vermeidung der Entrichtung der Kirchensteuer das Primärziel. Auch gläubige Christen treten aus diesem Grund aus, nicht nur um das Geld zu sparen, sondern auch, weil sie mit der Verwendung der Kirchensteuern nicht einverstanden sind.

Der vor einer staatlichen Stelle erklärte Kirchenaustritt beendet nicht unmittelbar die kirchliche Mitgliedschaft. I. d. R. hat der Austritt aus der katholischen Kirche aber die Exkommunikation des Ausgetretenen für die Zeit der kirchensteuerrechtlichen Nichtmitgliedschaft zur Folge, was 1970 in der "Erklärung der Diözesanbischöfe zu Fragen des kirchlichen Finanzwesens" [1] klargestellt wurde. Der Austritt wird von der katholischen Kirche als Apostasie, Häresie oder Schisma gewertet.

Ein Austritt aus der Kirche ist keine unwiderrufliche Entscheidung. Ein Wiedereintritt ist möglich, wenn die Kirche bereit ist, den Ausgetretenen wieder aufzunehmen. Ein Recht auf Wiedereintritt besteht nicht. Die Gemeinde hat zu entscheiden, ob die Voraussetzungen der Wiederaufnahme gegeben sind.

Lokale Besonderheiten

Die Vorgehensweisen und Begleitumstände beim Kirchenaustritt sind von Staat zu Staat und auch von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. In vielen Staaten wird die Religionszugehörigkeit nicht oder nur zu statistischen Zwecken ohne Rechtsfolgen für den einzelnen staatlich registriert, so dass hier nur ein Austritt bei der Religionsgemeinschaft selbst möglich ist.

Deutschland

Der Austritt muss in Deutschland je nach Bundesland entweder vor dem Amtsgericht (in Berlin, Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Thüringen und im Saarland) oder vor dem Standesamt (andere Bundesländer) erklärt werden. Ein Austritt per Brief ist nur mit notarieller Beglaubigung möglich. In Bremen kann der Austritt alternativ auch bei der Kirchengemeinde erklärt werden. Es muss ein Lichtbildausweis mitgebracht werden. Bei Verheirateten wird teilweise auch die Heiratsurkunde oder das Familienbuch verlangt.

In einigen Bundesländern fallen Gebühren an, die derzeit (2005) bis zu 50 Euro (in Teilen Baden-Württembergs) reichen. Diese Gebühren, von deren Zahlung meist auch sozial Schwache nicht befreit sind, werden von Kritikern als Einschränkung der grundgesetzlich garantierten Bekenntnisfreiheit angesehen, weil sie vor allem arme Menschen, die meist keine Kirchensteuer zahlen und somit von einem Austritt finanziell nicht profitieren, effektiv von einem Austritt abhalten können. Eine zu hohe Gebühr steht zudem in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Bearbeitungsaufwand, der mit einem Kirchenaustritt verbunden ist.

Der Austritt von Kindern unter 12 Jahren wird alleine von den Erziehungsberechtigten bestimmt. Ist das Kind 12 oder 13 Jahre alt, kann die Austrittserklärung durch den Erziehungsberechtigten nur mit seiner Zustimmung erfolgen. Ab 14 Jahren liegt die Entscheidung alleine beim Austretenden.

Einige Tage nach der Austrittserklärung wird eine Austrittbescheinigung zugesandt, mit der beim Einwohnermeldeamt die Streichung der Religionszugehörigkeit auf der Lohnsteuerkarte veranlasst werden kann, damit keine Kirchensteuer mehr erhoben wird. Die Austrittsbescheinigung sollte nicht verloren gehen, weil nach einem Umzug häufig bewiesen werden muss, dass man keiner Kirche angehört, damit die Kirchen nicht erneut zur Kasse bitten.

Die gleichen Regelungen gelten auch für den Austritt aus anderen als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannten Religionsgemeinschaften wie z. B. dem Judentum. Aus jüdisch-religiöser Sicht ist ein Austritt aus dem Judentum damit allerdings nicht verbunden.

Die Zahl der Kirchenaustritte lag zwischen 1970 und 1989 in Westdeutschland zwischen 110.000 und 220.000 (evangelische Kirche) und zwischen 50.000 und 90.000 (katholische Kirche) jährlich, nachdem sie in den 1950er und 1960er Jahren noch deutlich geringer war. Diese Zahlen stiegen im Verlauf der Wiedervereinigung nochmals stark an und erreichten 1992 ihren Höhepunkt mit ca 360.000 (evangelische Kirche) bzw. ca. 190.000 Austritten (katholische Kirche) in Gesamtdeutschland. Danach fielen die Austrittszahlen wieder ab und haben sich seit etwa 1998 bei ca. 180.000 (evangelische Kirche) und 120.000 (katholische Kirche) stabilisiert.

Die hohen Austrittszahlen haben dazu geführt, dass in Deutschland mittlerweile jeweils etwas mehr als 30 % der Gesamtbevölkerung den beiden Großkirchen angehört. 2004 gehörten nur noch 63,8 % einer der beiden Kirchen an.

Österreich

In Österreich muss der Austritt bei der Bezirkshauptmannschaft oder (in Statutarstädten) beim Magistrat erklärt werden. Es müssen ein Lichtbildausweis, der Meldezettel und im Falle einer Namensänderung eine Urkunde hierzu (i.d.R. die Heiratsurkunde) vorgelegt werden. Der Taufschein ist nicht erforderlich. Es genügt anders als in Deutschland aber auch ein Brief an die zuständige Behörde und es ist dafür kein Ausweis nötig. Der Austritt wird mit diesem Tag rechtsgültig.

Einige Tage später wird von der Bezirkshauptmannschaft ein Brief an den Austretenden, an das Pfarramt, in dem der Austretende getauft wurde, und an die Kirchenbeitragsstelle des Bezirks geschickt, um vom Austritt zu informieren.

Ist der Austretende jünger als 14 Jahre, benötigt er die Zustimmung eines Erziehungsberechtigten.

Schweiz

Um aus der Kirche auszutreten, wird ein Brief an die Kirchengemeinde geschickt, der keine Begründung enthalten muss. Eine Kopie des Briefes kann an die staatliche Gemeinde geschickt werden, um sicherzustellen, dass der Vorgang nicht verschleppt wird.

Austretende, die jünger als 16 Jahre sind, benötigen die Zustimmung eines Erziehungsberechtigten.

Siehe auch