Edgar-Wallace-Filme
Spielfilme, die auf Werken des britischen Schriftstellers Edgar Wallace (1875 - 1932) basieren.
Obwohl es im In- und Ausland unzählige Verfilmungen von Stoffen nach Edgar Wallace gibt, werden heute vor allem die Kriminalfilme der zwischen 1959 und 1972 entstandenen Wallace-Serie der deutschen Produktionsfirma Rialto Film als Edgar-Wallace-Filme bezeichnet. Aber auch die deutschen Filmproduzenten Artur Brauner und Kurt Ulrich sowie der britische Filmproduzent Harry Allan Towers brachten einige Edgar-Wallace-Verfilmungen in deutsche Kinos.
Die Geschichte der deutschen Edgar-Wallace-Filme
Schon während der Stummfilm-Ära erkennen deutsche Filmproduzenten, dass die Romane von Edgar Wallace leicht zu verfilmen sind. Der erste deutsche Edgar Wallace-Film "Der große Unbekannte" entsteht bereits 1927. Wallace selbst besucht das Drehteam des nächsten Films, "Der rote Kreis" (1929), in Berlin.
1931 verfilmt Carl Lamac "Der Zinker", eines von Wallace' bekanntesten Werken, als Tonfilm. Es folgt die Adaption von "Der Hexer" (1932), ebenfalls von Lamac, und "Der Doppelgänger" unter der Regie von E. W. Emo.
In den folgenden Jahren entstehen zunächst keine Edgar Wallace-Verfilmungen im deutschsprachigen Raum. Erst Mitte der fünfziger Jahre entstehen bei dem erfolgreichen Filmverleiher Constantin-Film Pläne, eine deutsche Edgar Wallace-Serie zu starten. Da fiktive Kriminalfilme aus Deutschland zu dieser Zeit eher schlecht besucht sind, findet sich zunächst kein Filmproduzent, der das Risiko einer Wallace-Verfilmung eingehen will.
So ist es schließlich die dänische Rialto Film unter dem Produzenten Preben Philipsen, die 1959 den Film "Der Frosch mit der Maske" für den deutschen Markt produziert. Der Film wird ein großer Überraschungserfolg und löst unverhofft eine wahre Kriminalfilmwelle aus, die bis zum Untergang der deutschen Filmindustrie Anfang der siebziger Jahre anhalten wird.
Die Rialto-Film erwirbt rechtzeitig die Exklusivrechte fast aller Wallace-Romane, gründet ein deutsches Tochterunternehmen und steuert unbekümmert von den zahlreichen Epigonen anderer Produzenten in der ersten Hälfte der sechziger Jahre zielsicher dem künstlerischen und kommerziellen Höhepunkt der Serie entgegen.
Die insgesamt 32 Filme der Rialto-Film, die ab der vierten Produktion "Der grüne Bogenschütze" (1960/61) unter der Gesamtleitung von Horst Wendlandt und zumeist unter der Regie von Alfred Vohrer und Harald Reinl entstehen, bleiben bis in die späten 60er Jahre in Kreativität und treffsicherer Inszenierung federführend.
Ab der Produktion "Der Bucklige von Soho" (1966) entstehen sämtliche Edgar-Wallace-Verfilmungen in Farbe. Außerdem distanziert man sich zunehmend von den originalen Romanvorlagen, um nunmehr eigene Geschichten mit Motiven verschiedener Wallace-Stoffe zu kreieren. Damit entsprechen die Filme zunächst mehr dem Zeitgeist der späten sechziger Jahre. Dramaturgisch, inhaltlich und inszenatorisch fällt das Niveau der Filme jedoch rapide.
Ab 1969 beginnt die Rialto-Film vier Filme von italienischen Filmproduzenten coproduzieren zu lassen, um sich lediglich nur noch mit einem Minimum an den Kosten zu beteiligen. Das Publikum bleibt zunehmend fern, die Serie endet in der Kinosaison 1972 mit dem Film "Das Rätsel des silbernen Halbmonds".
Signifikante Merkmale der deutschen Edgar-Wallace-Filme
Der typische Edgar-Wallace-Film der sechziger Jahre beinhaltet immer wieder ähnliche Stilelemente, die den Filmen nicht nur den Charakter einer Serie verleihen, sondern sie zusammen mit den zahlreichen ähnlichen deutschen Kriminalfilme der sechziger Jahre vielmehr als eigenständigen Subgenre erscheinen lassen.
In besonderem Maße wurden die deutschen Edgar-Wallace-Filme jedoch vom Inszenierungsstil der beiden vorwiegend eingesetzten Regisseure Harald Reinl (5 Filme) und Alfred Vohrer (14 Filme) beeinflusst. Während Reinl mehr Wert auf lange Kamerafahrten oder -schwenks und Außenaufnahmen legte, gelten bei Vohrers Wallace-Verfilmungen ist erster Linie die leicht übertriebene Schauspielführung sowie die pointierte Schnitt- und Zoomtechnik als typisch.
Der Filmtitel, der meist dem Romantitel entspricht, sollte beim Publikum eine eindeutige Assoziation mit dem Genre des Edgar-Wallace-Films hervorrufen. So verbirgt sich hinter den meisten Titeln bereits ein eindeutige Hinweis auf den Hauptverbrecher des Films ("Der Frosch mit der Maske", "Der Zinker", "Der Hexer" u. a.). Weniger eindeutige Romantitel oder für den Film frei erfundene Titel sind für den Film gelegentlich mit den Begriffen "Rätsel" oder "Geheimnis" verknüpft ("Das Rätsel der roten Orchidee", "Das Rätsel des silbernen Dreieck", "Das Geheimnis der grünen Stecknadel" u. a.) oder mit einem Hinweis auf den bevorzugten Handlungsort der Filme versehen ("Der Fälscher von London", "Der Bucklige von Soho", "Die Tote aus der Themse" u. a.).
Auch die immer wieder ähnliche Besetzung der Schauspieler in meist ähnlichen Rollen ist typisch für die Edgar-Wallace-Verfilmungen der sechziger Jahre. Zu den beliebtesten Ermittlern zählten Joachim Fuchsberger, Heinz Drache oder Siegfried Lowitz. Zwielichtige Charaktere wurden vorwiegend mit Fritz Rasp, Pinkas Braun, Harry Wüstenhagen und vor allem Klaus Kinski besetzt, während die komischen Parts von Eddi Arent, Siegfried Schürenberg und später von Hubert von Meyerinck übernommen wurden. Zudem übernahmen immer wieder profilierte Film- und Bühnenschauspieler (Elisabeth Flickenschildt, Gert Fröbe, Dieter Borsche, Lil Dagover, Rudolf Forster u. a.) wichtige Gastrollen.
Der Handlungsort ist wie in den Romanvorlagen vorwiegend London und Umgebung, wobei sich die Akteure vorwiegend in alten Schlössern, Herrenhäusern oder Villen bewegen. Auch verruchte Nachtlokale, düstere Blindenheime oder Irrenanstalten, finstere Kellergewölbe sowie, vor allem in späteren Filmen, Mädchenheime und -pensionate und nicht zuletzt Scotland Yard sind beliebte Haupt- und Nebenmotive der meisten Edgar-Wallace-Filme.
Auch die Handlungselemente der Edgar-Wallace-Filme sind ähnlich. So dreht sich das Geschehen vordergründig um einen meist fantasievoll maskierten Hauptverbrecher. Im Gegensatz zum Psychothriller ist hierbei also vor allem das Whodonit, also das Entlarven des bis zum Finale meist unbekannten Verbrechers, entscheidend. Inhaltlich geht es bei den Verbrechen in den meisten Edgar-Wallace-Filmen um Habgier, Rache, Erbschleicherei und besonders bei späteren Filmen auch um Mädchen- und Drogenhandel. Im Vergleich mit dem später in Italien entstandenen Subgenre des Giallo spielt bei den Wallace-Filmen die Ermittlungsarbeit der Polizei oder eines privaten Ermittlers noch eine entscheidende Rolle. Typisch ist auch das Einbinden eines weiblichen Opfers, das es vor den Intrigen und den finsteren Machenschaften des Täters zu schützen gilt. Dies gelingt praktisch in allen Wallace-Filmen und nicht selten sind männlicher Ermittler und weibliches Opfer am Ende der Handlung ein glückliches Liebespaar.
Um den Filmen neben der typischen Eingangssequenz, meist einem spektakulär in Szene gesetzten Mord noch vor dem Vorspann des Films, einen noch höhreren Wiedererkennungswert zu verleihen, waren die Filme ab 1961 bis auf zwei Ausnahmen mit einem farbigen Titelvorspann versehen. 1962 wurde dieser bei allen Filmen zudem noch mit dem aus dem Off erklingenden Satz "Hallo, hier spricht Edgar Wallace" eröffnet. Besonders prägnant gerieten auch die meist reißerischen Filmmusiken, die vor allem von Martin Böttcher und in besonderem Maße von Peter Thomas stammen.
Weitere Wallace-Filme und Epigonen
Im Fahrwasser der Edgar-Wallace-Filme entstand in den sechziger Jahren eine wahre Kriminalfilmwelle, die auch einige zumeist weniger erfolgreiche und in keinem Fall langlebigere Kino-Serien anderer Autoren hervorbrachte. Zu erwähnen sind hierbei insbesondere die von Artur Brauner produzierten Dr.-Mabuse- und Bryan-Edgar-Wallace-Filme sowie einige Louis-Weinert-Wilton-Verfilmungen. Auch die Jerry-Cotton-Filmserie weist eine deutliche Stilverwandschaft mit den Edgar-Wallace-Filmen auf.
Neben den hier aufgeführten deutschen Verfilmungen gibt es auch eine zeitgleich entstandene, umfangreiche Edgar-Wallace-Serie für das englische Kino, deren Filme jedoch in Deutschland praktisch unbekannt sind. Auch in dieser Serie traten verschiedene Stammschauspieler auf und mit Bernard Ebbinghouse, Ron Goodwin und Francis Chagrin standen auch einige Komponisten der Serie mehrfach zur Seite.
Filmografie (1959 bis 1972)
Alle Edgar-Wallace-Filme der Rialto-Produktion, sofern nicht anders erwähnt
- Der Frosch mit der Maske (1959)
- Der rote Kreis (1959/60)
- Der Rächer (1960) (Kurt Ulrich-Film)
- Die Bande des Schreckens (1960)
- Der grüne Bogenschütze (1960/61)
- Die toten Augen von London (1961)
- Das Geheimnis der gelben Narzissen (1961)
- Der Fälscher von London (1961)
- Die seltsame Gräfin (1961)
- Das Rätsel der roten Orchidee (1961/62)
- Die Tür mit den sieben Schlössern (1962)
- Das Gasthaus an der Themse (1962)
- Der Fluch der gelben Schlange (1962/63) (CCC-Film)
- Der Zinker (1963)
- Der schwarze Abt (1963)
- Das indische Tuch (1963)
- Todestrommeln am großen Fluß (1963) (Towers-Film)
- Zimmer 13 (1963/64)
- Die Gruft mit dem Rätselschloß (1964)
- Der Hexer (1964)
- Das Verrätertor (1964)
- Sanders und das Schiff des Todes (1964/65) (Towers-Film)
- Neues vom Hexer (1965)
- Der unheimliche Mönch (1965)
- Das Rätsel des silbernen Dreieck (1965/66) (Towers-Film)
- Der Bucklige von Soho (1966)
- Das Geheimnis der weißen Nonne (1966)
- Die blaue Hand (1967)
- Der Mönch mit der Peitsche (1967)
- Der Hund von Blackwood Castle (1967/68)
- Im Banne des Unheimlichen (1968)
- Der Gorilla von Soho (1968)
- Der Mann mit dem Glasauge (1968/69)
- Das Gesicht im Dunkeln (1969)
- Der Teufel kam aus Akasava (1970/71) (CCC-Film)
- Die Tote aus der Themse (1971)
- Das Geheimnis der grünen Stecknadel (1971/72)
- Das Rätsel des silbernen Halbmonds (1971/72)
Diskografie
(CDs die überwiegend Filmmusik aus Edgar-Wallace-Filmen enthalten)
- "Kriminalfilmmusik von Martin Böttcher" - Rough Trade, BSC 307.6518.2
- "Kriminalfilmmusik Martin Böttcher Vol. 2" - Prudence, BSC 398.6534.2
- "Peter Thomas Kriminalfilmmusik" - Prudence, BSC 398.6533.2
- "Kriminalfilmmusik No. 4" - Prudence, BSC 398.6560.2
- "Peter Thomas Film Musik" - Polydor, 517 096-2 (1 CD)
- "Peter Thomas Film Musik" - Polydor, 845 872-2 (2 CDs)
Literatur
- Florian Pauer: "Die Edgar Wallace-Filme", 1982, Goldmann Verlag, ISBN 3442102162
- Joachim Kramp: "Hallo! Hier spricht Edgar Wallace", 1998, Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf, ISBN 3896021400
- Christos Tses: "Der Hexer, der Zinker und andere Mörder", 2002, Klartext-Verlag, ISBN 3898610802
- Joachim Kramp: "Das Edgar Wallace Lexikon", 2004, Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf, ISBN 3896025082