Marktforschung
Unter Marktforschung wird, je nach Blickwinkel,
- der komplette Prozess der Lösung marktbezogener betriebswirtschaftlicher Probleme (wobei mit "Markt" hier meist ein Absatzmarkt gemeint ist) durch Analyse von Informationen über den entsprechenden Markt, oder
- ein kontinuierlicher, systematischer, auf wissenschaftlichen Methoden basierender, objektiver Prozess, der das Marktgeschehen und das Unternehmensumfeld beobachtet, um Informationen zu gewinnen und zu analysieren, und zwar zum Zwecke der Findung oder Absicherung von Marketing-Entscheidungen verstanden.
Marktforschung ist eines der wichtigsten Werkzeuge des modernen Marketing, liefert aber auch Entscheidungshilfen für andere Unternehmensbereiche wie das Controlling.
Ablauf eines Marktforschungsprojekts
In der Marktforschung wird meist projektorientiert gearbeitet. Ein solches Marktforschungsprojekt gliedert sich in folgende Phasen:
- Formulierung des Problems
- Erstellung eines Forschungsdesigns
- Festlegung der Informationsquellen
- primäre Quellen (Informationen werden gezielt für das Projekt erstmals erhoben, anhand einer Umfrage oder einer experimentellen Versuchsanordnung oder auch anhand von Umsatzstatistiken, Schriftwechsel mit Kunden, Reparaturlisten, Lagerbestandsmeldungen, Einkaufspreislisten, etc.)) sog. Primärforschung oder Field Research
- sekundäre Quellen (Informationen wurden bereits aus einem anderen Anlass erhoben und finden sich etwa in statistischen Jahrbüchern, Berichten der IHK, Bilanzen anderer Unternehmen, Prospekten, Katalogen, Veröffentlichungen wissenschaftlicher Institute, usw.) - sog. Sekundärforschung oder Desk Research
- Informationsbeschaffung
- Datenanalyse und -interpretation
- Präsentation des Forschungsergebnisses
- Beratung und Umsetzung
Die wichtigste (und zugleich schwierigste) Phase ist die erste: die Formulierung des Problems. Erst, wenn das Problem genau umrissen ist, können die zu benutzenden Forschungsmethoden in einem so genannten Forschungsdesign fixiert werden. In diesem Design wird auch fest gelegt, welche Informationen für die Durchführung der Studie benötigt werden. Solche Informationen (bzw. Kennzahlen) müssen folgende Bedingungen erfüllen:
- Gültigkeit (Validität; engl. validity): Gibt die Information bzw. Kennzahl überhaupt eine Antwort auf meine Forschungsfrage? So ist etwa das Bruttoinlandsprodukt allein keine gültige Kennzahl für den Wohlstand einer Nation, da dieser noch von vielen anderen Faktoren abhängt.
- Verlässlichkeit (Reliabilität; engl. reliability): Lässt sich die Information bzw. Kennzahl zuverlässig ermitteln? So lässt sich das Bruttoinlandsprodukt vielfach nicht verlässlich ermitteln, weil Wirtschaftsbereiche wie die Schattenwirtschaft nicht erfassbar sind.
Können die benötigten Informationen nicht aus sekundären Quellen (wie bereits vorher durchgeführten Marktstudien oder aber Literatur wie den Veröffentlichungen von Statistikämtern) bezogen werden (oder sind solche Informationen veraltet), müssen sie eigens erhoben werden. Dazu dienen Werkzeuge wie die Befragung, die Beobachtung und das Experiment. Vielfach werden die erhobenen Daten direkt elektronisch erfasst (etwa über eine Computerkassa, die mit einer zentralen Datenbank verbunden ist). Bei der Benutzung primärer Quellen stellt sich meist auch die Frage nach einer geeigneten Stichprobe.
Methoden der Primärforschung
Für die Informationsbeschaffung im Rahmen der Primärforschung steht ein breites Repertoire an Forschungsmethoden zur Verfügung. Grob wird dabei zwischen den eher qualitativen und den eher quantiativen Methoden unterschieden. Zu den qualitativen Marktforschungsmethoden gehören zum Beispiel Tiefen- bzw. Leitfadeninterviews, Gruppendiskussionen (auch Fokusgruppe) und Workshops. Hierbei werden in der Regel relativ kleine Stichproben von 10-20 Fällen befragt. Die qualitative Auswertung erfolgt auf Basis der Tonband- bzw. der Videoaufnahmen oder anhand der Mitschriften.
Von quantitativer Forschung spricht man dann, wenn größere Stichproben befragt werden und wenn diese quantitativ, statistisch z. B. in Form von Tabellen ausgewertet werden. Zu den quantitativen Methoden zählt man u. a. bevölkerungsrepräsentative Befragungen, Telefonumfragen und Befragungen in Teststudios mit 100 Probanden und mehr.
In der Praxis gibt es zwischen der qualitativen und der quantitativen Forschung jedoch Überschneidungen. Einige Marktforscher lehnen diese Einteilung daher sogar ab. So werden die bevölkerungsrepräsentativen Umfragen mit 1.000 und mehr Befragungspersonen zwar den quantitativen Methoden zugerechnet, sie enthalten häufig jedoch qualitative Elemente in Form von offenen Fragen. Diese wiederum werden sowohl qualitativ als auch quantitativ ausgewertet.
Eine weitere Einteilung der Primärforschung findet auf der Ebene des Kontaktes zum Befragten ab. Hier unterscheidet man zwischen den persönlichen Interviews (auch face-to-face-Interview) und den nichtpersönlichen Interviews. Die persönlichen Interviews können entweder im Hause des Befragten stattfinden (in-home), auf der Straße (in-street) oder in eigens hierfür eingerichteten Teststudios (in-hall). Zu den nichtpersönlichen Interviews zählen Telefonumfragen (CATI), schriftliche Befragungen (per Brief) und Online-Umfragen.
Die quantitativen Daten lassen sich mit verschiedenen statistischen Verfahren analysieren, die in spezieller Statistiksoftware wie SPSS oder SAS, aber teilweise auch in Programmen zur Tabellenkalkulation (etwa Microsoft Excel) verfügbar sind.
Neben der direkten Befragung der Testpersonen gibt es in der Marktforschung auch noch die Methoden der Beobachtung und des Experimentes. Anwendungsmöglichkeiten sind hierfür zum Beispiel: Suchverhalten der Kunden in einem Supermarkt, Testkäufe zur Überprüfung der Angestellten u.ä.
Eine weitere wichtige Forschungsmethode ist die Datenerhebung im Rahmen von Verbraucherpanels. Ein Verbraucherpanel ist eine großen Stichprobe (oft 10.000 Fälle oder mehr) von Konsumenten. Diese protokollieren kontinuierlich ihre Einkäufe. Früher wurden die Einkäufe von den Probanden wöchentlich oder monatlich schriftlich erfasst und per Brief an das durchführende Institut übermittelt. Heute sind die Panelhaushalte in der Regel mit Warenscannern ausgestattet. Die Erfassung der gekauften Waren erfolgt direkt nach dem Einkauf, die Datenübermittlung erfolgt online. Aus den Daten der Verbraucherpanels können z. B. die Marktanteile verschiedener Marken ermittelt werden oder - was noch wichtiger ist - die Verschiebung von Marktanteilen.
Marktforschungsinstitute
Große Unternehmen und Konzerne verfügen in der Regel über eigene Marktforschungsabteilungen. In kleineren Unternehmen wird die Marktforschung dagegen häufig von den Marketingverantwortlichen (Produktmanager) "nebenher" mit betreut. Auch die großen Unternehmen führen die Marktforschungsprojekte im Normalfall aber nicht selbst durch. Die Marktforscher in den Unternehmen arbeiten vielmehr als Mittler zwischen der eigenen Marketingabteilung und den Marktforschungsinstituten, welche mit der Durchführung der Studien beauftragt werden. Die Institute bieten oftmals für häufig wiederkehrende Problemstellungen Standardmethoden an, wie z. B.:
- Konzept-, Produkt- und Packungstests: Ähnliche Zielsetzung wie beim Werbepretest, nur dass das Untersuchungsobjekt ein vorläufiger Werbe-Kommunikations-Text, ein neu entwickeltes oder neu zu lancierendes Produkt oder dessen Verpackung ist.
- (Werbe-)Pretests: Laboruntersuchungen, in denen unter kontrollierten Testbedingungen Werbespots oder auch "Stills" (Printanzeigen/Plakate etc.) getestet werden. Wichtige untersuchte Kriterien sind Verbraucherakzeptanz, Einprägsamkeit (vor allem in Verknüpfung mit dem Namen der beworbenen Marke), emotionale Tönung, Erwecken von Kaufinteresse und Image-Kommunikation.
- Tracking-Studien: Fortlaufende Befragungen, in denen über einen längeren Zeitraum hinweg Informationen über Markenbekanntheit, -verwendung und Image erhoben werden.
Auch die staatlichen Statistikämter sammeln und veröffentlichen Informationen, die für Marktforscher von Interesse sind.
Zentrale Begriffe und Methoden
Siehe hierzu die Liste der Begriffe und Methoden der Marktforschung
Literatur
- Churchill, Gilbert A., Jr.: Marketing Research. Methodological Foundations. Fort Worth (Texas, USA) [u.a.]: Dryden, 61995. ISBN 0-03-098366-5. [Gilt als ein Standardwerk der Marktforschung.]
- Fahrmeir, Ludwig, Hamerle, Alfred, Tutz, Gerhard (Hrsg): Multivariate statistische Verfahren, New York 1996
- Hartung, Joachim, Elpelt, Bärbel: Multivariate Statistik, München, Wien 1999
- Backhaus, Klaus et. al.: Multivariate Analysemethoden, Berlin 2003
Links: mafo.at - Marktforschungs-Plattform Marktforschung mit System - Moderne Marktforschungsmethode für KMU