Islamische Organisationen in Deutschland
Islamische Organisationen entstanden in Deutschland vor allem durch die Immigration von "Gastarbeitern", die an ihren jeweiligen Wohnorten Gebetsstätten einrichteten. Sie schlossen sich in Verbänden zusammen, die sich an den religiösen Strömungen in ihren Heimatländern orientierten.
Einzelne Vereinigungen
Türkische Sunniten
- DİTİB - Diyanet Işleri Türk-Islam Birlikleri / Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. ist die mitgliederstärkste islamische Organisation in Deutschland. Sie wurde 1984 als Ableger der türkischen Religionsbehörde in Deutschland gegründet, ihr Sitz ist in Köln-Ehrenfeld. Die Imame und Religionslehrer ihrer Moscheegemeinden werden aus der Türkei entsandt. Da der türkische Staat zu dieser Zeit dem Bankrott nahe war, mussten diese Funktionäre mit Geldern der Islamischen Weltliga bezahlt werden, was von kemalistischer Seite heftig kritisiert wurde. Die Fixierung auf die Türkei und die türkische Sprache erwies sich als Nachteil, als andere islamische !!!!!!!!!SCHMÖÖÖÖÖKEL!!!!!!!!Organisationen sich bewusst in deutscher Sprache an die Öffentlichkeit wandten und so stärker dialogorientiert erschienen. Unter ihrem neuen Vorsitzenden Rıdvan Çakır ist die Vereinigung bestrebt, sich stärker als Teil der deutschen Gesellschaft zu präsentieren. DİTİB ist Initiatorin der Veranstaltung "Gemeinsam für Frieden und gegen Terror". Über 20.000 muslimische Gläubige nahmen am 21. November 2004 an der Demonstration in Köln teil, auf der auch Claudia Roth, Günther Beckstein und Fritz Behrens sprachen. Mit dem Ziel, ein Zeichen der Distanzierung von Gewalt im Namen des Islam zu setzen, war es die erste größere Aktion dieser Art in der Bundesrepublik.
- Islamische Gemeinschaft Milli Görüş: Der deutsche Ableger der türkischen islamistischen Partei unter Necmettin Erbakan (zunächst Milli Selâmet Partisi, Später Refah Partisi, Fazilet Partisi (Tugendpartei), Saadet Partisi wurde 1976 in Köln gegründet und trägt seit 1995 den Namen Milli Görüş. Sitz der europaweiten Organisation ist mittlerweile Kerpen. In Deutschland bestehen 16 regionale Sektionen, in Frankreich vier, in Österreich und den Niederlanden jeweils zwei, im Vereinigten Königreich, in Belgien, der Schweiz, Schweden, Dänemark und Norwegen jeweils eine. Mehrere Landesämter für Verfassungsschutz beobachten diese Vereinigung und berichten über verfassungsfeindliche Tendenzen. Die Organisationsstruktur ist schwer zu durchschauen, worin Kritiker eine bewusste Verschleierungstrategie erkennen. Vielfach tritt Milli Görüş heute in Form von "islamischen Föderationen" auf Landesebene auf, die dem Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland angehören.
- Mehrere Organisationen sind den Lehren von Said Nursi (Nurculuk) verpflichtet. Dazu gehören die Lichtstraße in Köln, das Risale-i Nur Institut in Stuttgart und EuroNur in Ahlen. Die Islamische Gemeinschaft Jamaat un-Nur und die in Hamm ansässige Initiative für Islam und Dialog vertreten das Gedankengut Said Nursis, wie es von von Fethullah Gülen (1941-) weiterentwickelt wurde. Die Nurcus sind im christlich-islamischen Dialog sehr aktiv.
- VIKZ - Verband der islamischen Kulturzentren: Dieser Verband der auf den Lehren von Süleyman Hilmi Tunahan (1888-1959) beruht, wurde 1973 gegründet und ist damit die älteste dauerhaft existierende türkisch-islamische Organisation in Deutschland. Im Mittelpunkt der Aktivitäten steht reliöse Unterweisung und dhikr (Rezitation des Namens Gottes), unmittelbar politisch aktiv ist die Bewegung nicht.
- Verband der Islamischen Vereine und Gemeinden e.V. (Islami Cemaat ve Cemiyetler Birligi/ ICCB): Diese Organisation ist eine radikale Abspaltung von Milli Görüş, die 1984 von Cemalettin Kaplan (bekannt als Khomeini von Köln oder Kalif von Köln). Sie propagiert den Umsturz der säkularistischen Staatsordnung der Türkei, die Errichtung eines "Kalifatsstaates" sowie die Abschottung von der deutschen Mehrheitsgesellschaft. Nach dem Tod Kaplans 1995 spaltete sich die Bewegung, weil nicht alle Anhänger dessen Sohn Metin Kaplan als Nachfolger anerkannten. Die Anhängerschaft war gering, Schwerpunkte waren Köln, Bayrisch-Schwaben und Ostwürttemberg. 2002 wurde die Organisation wegen ihrer verfassungsfeindlichen Zielsetzung verboten.
Arabische Sunniten
- Islamische Gemeinschaft in Deutschland wurde 1960 in München als Moscheebaukommission e.V. gegründet und zwei Jahre darauf in Islamische Gemeinschaft in Süddeutschland umbenannt. Ihren jetzigen Namen trägt die Organisation seit 1982. Die Organisation wird vom Islamischen Zentrum München und steht ideologisch den Muslimbrüdern nahe. Die meisten lokalen Verbände finden sich in den süddeutschen Bundesländern. Eine Unterorganisation der IGD ist die in Frankfurt am Main ansässige Muslimische Studentenvereinigung, deren Ableger an zahlreichen Universitäten aktiv sind.
- جمعية المشاريع الخيرية الاسلامية في المانيا - Islamischer Verein für wohltätige Projekte e.V. Diese wenig beachtete Organisation mit Sitz in Berlin vertritt den sufistischen Islam. Sie folgt den Lehren des Syrers äthiopischer Abstammung 'Abdallah Harari. In Frankreich und der französischen Schweiz ist diese Bewegung stärker vertreten und als ahbache (Plural von arabisch habashi = Äthiopier) bekannt. Dort kam es zu Konflikten mit islamistisch ausgerichteten Muslimen, die diese Richtung als Götzendiener betrachten, weil sie Heilige und deren Gräber verehren.
- Hizb at-Tahrir
Andere Sunniten
- Vereinigung islamischer Gemeinden der Bosniaken in Deutschland - Islamska zajednica Bošnjaka u Njemačkoj: Gemeinden der in Deutschland lebenden Muslime aus Bosnien-Herzegowina schlossen sich 1994 in diesem Verband mit Sitz in Kamp-Lintfort zusammen. Er ist Mitglied im Zentralrat der Muslime in Deutschland. Bosnische Muslime leben vor allem in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg.
- Die Union der Islamisch-Albanischen Zentren in Deutschland hat ihren Sitz in Hamburg. Über Mitgliederzahl und Organisationsstruktur ist wenig bekannt. Die Organisation gehört dem Zentralrat der Muslime in Deutschland an und soll Milli Görüş nahe stehen.
- Zu der vom Pakistaner Tahir ul-Qadri geführte Bewegung Minhaj ul-Quran ("die koranische Methode", Link zur Gesamtorganisation[1]) gehören einige Gemeinden in Deutschland.
Schiiten
Sondergruppen
- Ahmadiyya: Das deutsche Zentrum der Ahmadiyya befindet sich in Frankurt am Main. Die Anhänger sind vorwiegend Pakistani, hinzu kommen Deutsche, Türken, Bosnier usw. Am letzten Augustwochenende findet die größte islamische Versammlung Europas in Mannheim zusammen (Jalsa Salana), bei der zuweilen der Kalif der Gemeinschaft zugegen ist. Die Ahmadiyya waren schon vor dem Zweiten Weltkrieg für kurze Zeit in Deutschland präsent, bauten in Berlin die älteste Moschee Deutschlands und kehrten 1949/50 wieder zurück.
- Aleviten: Almanya Alevi Birlikleri Federasyonu
Dachverbände
In zwei Dachverbänden sind mehrere islamische Organisationen zusammengeschlossen:
- Der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland e. V. ist ein Verband, dessen größte Mitgliedsorganisation Milli Görüs ist. Ein anderer Verband, in dem dies auch der Fall ist, ist das Islamische Konzil. Ihm gehören neben Milli Görüs die Federation of Islamic Organisations in Europe, die Islamische Gemeinschaft in Deutschland, die Islamische Gemeinschaft Wuppertal, die Muslimische Studentenvereinigung, die Union Islamisch-Albanischer Zentren in Deutschland, die Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa, der Verband Bengalischer Kulturzentren, der Verband islamischer Gemeinden der Bosniaken sowie die Vereinigung der Indonesischen Muslime in Deutschland an.
Der Generalsekretär des Islamischen Konzils leitet die MSV und IGD. Der ehemalige Leiter des Islamischen Konzils, der Universitätsrektor Abdullah al-Turki, steht der Islamischen Weltliga vor.
- Zentralrat der Muslime in Deutschland: Diese Organisation vertritt, anders als ihr Name suggeriert, nur eine Minderheit der Muslime in Deutschland. Er wird von Mitgliedsverbänden dominiert, die der Muslimbruderschaft angehören, die im Verfassungsschutzbericht in die Kategorie «Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern» fallen und als «islamistisch» eingestuft werden, sowie als «Keimzelle zahlreicher auch militanter islamistischer Organisationen» (Verfassungsschutzbericht 2003, S. 184). Bekanntestes Ehrenmitglied des «Zentralrats» war Annemarie Schimmel.
Regionale Organisationen
In mehreren Bundesländern wurden im Umfeld von Milli Görüş und des Zentralrats Islamische Föderationen gegründet. Ihr Hauptziel ist die Durchsetzung des islamischen Religionsunterrichts unter ihrer Regie. In diesem Zusammenhang hatten die Kultusministerien nämlich wiederholt auf die Problematik verweisen, dass es keine den Kirchen vergleichbare Organisationen gebe, welche die Verantwortung für den Religionsunterricht tragen könnten.
Weblinks
Quellen
"Das Kopftuch ist nicht so wichtig", Interview mit Rıdvan Çakir, DIE ZEIT, 3. Juni 2004
Dokumentationen
- Claudia Dantschke, Eberhard Seidel, Ali Yıldırım: Politik im Namen Allahs: Der Islamismus eine Herausforderung für Europa, (PDF) 2002, mit einem Vorwort von MdE (SPD) Ozan Ceyhun (Studie über türkische islamistische Organisationen)
- Thomas Lemmen: Islamische Organisationen in Deutschland (Publikation der Friedrich-Ebert-Stiftung, 2000)
- Islam in Deutschland (Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg)
- Links: Islam in Deutschland
Literatur
- Udo Ulfkotte: Der Krieg in unseren Städten. Wie radikale Islamisten Deutschland unterwandern; Frankfurt 2003 (Eichborn), ISBN 3-8218-3978-3 (Leseprobe)
- Spuler-Stegemann, Ursula: Muslime in Deutschland: Informationen und Klärungen. Freiburg im Breisgau 2002. ISBN 3-451-05245-8. – Abgesehen von ärgerlichen satztechnischen Mängeln derzeit wohl die ausgewogenste Darstellung des Islam in Deutschland. Die Autorin, Tochter des renommierten Orientalisten Berthold Spuler, lehrt an der Universität Marburg.
Siehe auch:
Islamische Organisationen in Österreich, Islamische Organisationen in der Schweiz, Religionen in Deutschland