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Rundkirche

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Nyker Kirche auf Bornholm
Typische Rundkirche in Äthiopien
Rundkirche in Solna, Schweden
St. Vinzenz, Hamburg-Eißendorf

Die Rundkirche ist eine kirchenbauhistorische Besonderheit, bei der der Innenraum im Gegensatz zum Longitudinalbau oder einer kreuzförmigen Kirche einen im Wesentlichen ungeteilten, kreisförmigen Grundriss aufweist.

Die Rundkirche ist eine Form des einfachen Zentralbaus und diente früher als Tauf-, Grab- oder Wehrkirche. Etwaige Anbauten (in Dänemark das Karnhaus) sind nicht Bestandteil des eigentlichen Kirchenraumes.

Vorgeschichte und Geschichte

Europa und Levante

Die ältesten Rundbauten sind offene neolithische Tempel, wie sie vom Göbekli Tepe bekannt sind und in Jerf el Ahmar in der Levante gefunden wurden. Die Idee des Rundtempels verschwand jedoch immer wieder eine Zeit lang, um dann beispielsweise als Clava Cairn oder Tholos wieder aufzutauchen. Oft sind nur noch Fundamente zu finden, wie im Agrigento auf Sizilien sowie auf Sardinien und den Balearen. Ab der Bronzezeit werden die Überreste etwas umfangreicher. Rundbauten wie die irischen Duns oder die schottischen Wheelhouses belegen den Fortbestand der Idee ebenso wie die sardischen Rotunden. Während der Eisenzeit kommen die Beehive-huts sowie die schwedischen Fornburgen hinzu. In Rom entstanden die Vestatempel am Tiber.

Es ist davon auszugehen, dass die Idee der Rundkirche als formale Übernahme vorchristlicher Kultbauformen wie den Tholoi und Monopteroi entstand. Besonders in altchristlicher Zeit und im Mittelalter konnte sich die Bauform gelegentlich gegenüber der christlichen Kreuzbasilika behaupten. Die älteste christliche Rundkirche soll die Grabeskirche in Jerusalem von 335 n. Chr. sein. in der Folgezeit treten christliche Rundkirchen in Form von Land-, Tauf-, Wehr- und Grabkirchen oder Schlosskapellen auf.

Äthiopien

Hauptartikel: Rundkirchen in Äthiopien

In Äthiopien hat sich seit dem 16. Jahrhundert die Rundkirche durchgesetzt und ist heute die charakteristische Form des Kirchenbaus. Äußerlich sehen diese Kirchen aus wie große Tukuls (klassische Rundhütten), im inneren sind sie meistens in drei Bereiche aufgeteilt: Das Kene Mahalet, das Mäkdas und das Kedus Kedusan.

Das Kene Mahalet ist ein Rundgang im äußeren Bereich, der durch eine Wand von den beiden inneren Abschnitten getrennt ist. Es kann von jederman betreten werden, der Boden ist mit Teppichen ausgelegt und im Eingangsbereich befinden sich Stühle für die Alten und Kinder (der äthiopisch-orthodoxe Gottesdienst wird stehend gefeiert). In den zweiten Bereich, das Mäkdas dürfen nur die Priester durch Türen eintreten. Dort werden die Trommeln und Sistren für den Gottesdienst aufbewahrt. Der Boden ist ebenfalls mit Teppichen ausgelegt. Das Kedus Kedusan ist das Allerheiligste. Es ist rechteckig und beinhaltet den Altar und den Tabot, eine Nachbildung der Bundeslade aus Holz. Alle Wände sind mit Ornamenten und Heiligenbildern bemalt.

Abgrenzung

Rotunden

Die Rotunde ist kein Kirchentypus, sondern ein architektonisches Element. Sie steht entweder alleine (Zentralbau mit kreisförmigem Grundriss) oder ist Teil eines unrunden Gesamtkonzepts (Petersdom) oder sogar ganz vom eigentlichen sakralen Bau separiert (Glockentürme irischer Klöster). Ihre besondere Bedeutung erhalten Rotunden durch vereinzelt sogar sehr große Kuppeln. Große, insbesondere barocke Zentralbauten bezeichnet man nicht als Rundkirchen, weil sie nicht vom Typus Tauf-, Grab- oder Wehrkirche sind. Auch lassen sich kreisrunde Brunnen in Parkanlagen nicht so bezeichnen, wohl aber als Brunnenrotunde. Wenigstens hat sich das so in der Tourismusliteratur eingebürgert, auch wenn es in den eigentlichen Architekturlexika so gut wie nicht vorkommt.

Beispiele:

Oktogone

ein Oktogon

Oktogone von hohem Bekanntheitsgrad (wie etwa der Aachener Dom) werden kaum als Rundkirchen fehlbezeichnet. Wenn jedoch - wie etwa bei einer Wehrkirche - die geometrische Anlage auf einer kleinen Fläche fast kreisrund wahrgenommen wird, dann kann die Zuordnung erfolgen. Konstantin I. beginnt im Jahre 327 n. Chr. in Antiochia den Bau der ersten oktogonalen Kirche, der “Domus Aurea“. Es gibt Architekturlexika, die in diesen Fällen die Bezeichnung „Rundkirche“ - im touristischen Sprachgebrauch ohnehin fest eingebürgert - ausdrücklich zulassen. Beispiele dafür:

Sonstige Formen

Aufgrund des Typus stehen folgende Kirchen in der Tradition der Rundkirche, obwohl ihr Grundriss nicht kreisförmig ist:

Rundkirchen im engeren Sinne

Frühchristliche Zeit

Mittelalter

Deutschland

Europa

An den dänischen Beispielen, insbesondere auf Bornholm, ist der architektonische Grund-Typus sehr instruktiv. Gut erhaltene Beispiele gibt es auch in Ungarn und Siebenbürgen, hier Körtemplom (aus ung. koer - Kreis/rund und templom - Kirche/Tempel) genannt.

Häufig sind mittelalterliche Wehrkirchen nur noch als Ruinen erhalten:

Beispiele für mittelalterliche Rundkirchen, die nicht in der Wehrkirchen-Tradition stehen, finden sich in England:

Spätere Epochen

Moderne

In den folgenden Bauten wird architektonisch, jedoch nicht funktional, an die alte Tradition angeknüpft:

Wiktionary: Rundkirche – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Literatur

  • Paul O. Pfister: Die Rotunde vom Montesiepi. Waldgut, Frauenfeld 2000
  • Carl Nepper-Christensen: St. Laurentius Kirche. Østerlars Kirchengemeinderat, 1986, 1. Aufl.
  • Balthasar-Neumann-Rundkirche und ehemaliges Benediktinerkloster Holzkirchen. Kath. Pfarramt, Holzkirchen 1975, 1. Aufl.
  • 150 [Hundertfünfzig] Jahre Rundkirche Oberneisen. Evang. Pfarramt Oberneisen, Oberneisen 1969
  • István Király Múzeum Közleményei: C. Alba Regia. 4/5, 22. Jelentés a zámolyi határban lev´´o kerek templom ásatásáról, 1965 (ungarisch)
  • Matthias Untermann: Der Zentralbau im Mittelalter. Darmstadt 1989
  • Denis Boniver: Der Zentralraum. Studien über Wesen und Geschichte. Stuttgart 1937