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Identitätstheorie (Philosophie des Geistes)

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Die Identitätstheorie ist eine der klassischen Positionen der Philosophie des Geistes. Sie ist eine materialistische Theorie, deren zentrale These ist, dass mentale Zustände mit neuronalen Zuständen identisch sind.

Vom Behaviorismus zur Identitätstheorie

Die Identitätstheorie wurde in den 50er Jahren durch Ullin Place und John Smart entwickelt. Die beiden Philosophen gingen von zwei Annahmen aus: 1) der philosophische Behaviorismus ist falsch, mentale Ausdrücke lassen sich nicht in physikalischer Sprache definieren. 2) Der Dualismus ist falsch, aus dem Scheitern des philosophischen Behaviorismus darf nicht auf das Scheitern des Materialismus geschlossen werden.

Die Behavioristen wollten mentale Begriffe durch bedeutungsgleiche nicht-mentale Begriffe ersetzen. Dieses Projekt erwies sich aber als nicht durchführbar. Musste man deshalb zum Dualismus zurückkehren? Place und Smart meinen, dass dies nicht der Fall sei. Sie stellten die These auf, dass es einfach eine empirische Entdeckung sei, dass mentale Zustände und Gehirnzustände identisch sein.

Was heißt das? Nun, am klarsten wird die Identitätstheorie an einfachen Beispielen - etwa der Identität von Wasser und H20. Wenn wir feststellen, dass Wasser mit H20 identisch ist, so haben wir das Phänomen "Wasser" wissenschaftlich erklärt. Analog dazu: Wenn wir festgestellt haben, dass ein mentaler Zustand mit einem Gehirnzustand identisch ist, so haben wir das Phänomen "mentaler Zustand" wissenschaftlich erklärt. Zu beachten ist, dass Wasser eine andere Bedeutung hat als H20. Zur Bedeutung von H20 gehört etwa, ein Molekül zu sein. Zur Bedeutung von Wasser gehört das nicht. Analog dazu: Mentaler Zustand und Gehirnzustand haben unterschiedliche Bedeutungen und sind dennoch identisch. Dies ermöglicht eine materialistische Position jenseits des Behaviorismus. Zwei Entitäten können identisch sein, ohne, dass sie bedeutungsgleich sind.

Die Identitätstheorie wurde kurzfristig die wichtigste Position in der Philosophie des Geistes - ja sie hat diesen Teilbereich der Philosophie in seiner heutigen Form mit geschaffen. Ende der 60er Jahre, wurde sie jedoch schon wieder von den meisten Philosophen abgelehnt.

Einwände gegen die Identitätstheorie

Die Identitätstheorie war von Anfang an mit vielen Einwänden konfrontiert. Hier sind zwei genannt:

1) Die Identitätstheorie wurde allgemein als reduktive Theorie verstanden, die das Mentale auf das Physische zurückführen will. Identität ist jedoch eine symetrische Relation. Daher wurde argumentiert, dass die Identitätstheorie nicht nur das Mentale materialisiere, sondern auch das Materielle "vergeistige": Man müsste den Gehirnzuständen mentale Eigenschaften zusprechen.

Denken wir zur Verdeutlichung noch mal an das Beispiel der Identität von Wasser und H20. Wasser hat etwa die Eigenschaften flüssig und durchsichtig zu sein. Wenn Wasser und H20 aber in Wirklichkeit identisch sind, so müssen sie die gleichen Eigenschaften haben: Wasser ist ja nicht anderes als H20. Also müssen wir auch von H20 sagen, dass es flüssig und durchsichtig sei. Dass ist nicht so problematisch, aber wie ist es bei der Identität von mentalem Zustand und Gehirnzustand? Ist es sinnvoll, von einem neuronalen Zustand zu sagen, dass er schmerzhaft oder stechend sei?

2) Der entscheidende Einwand bezieht sich jedoch auf die multiple Realisierung: Ein mentaler Zustand kann in verschiedenen Wesen durch ganz verschiedene Gehirnzustände realisiert sein. Also können Schmerzen nicht mit einem bestimmten Gehirnzustand identisch sein.

Denken wir hier als Beispiel an "Schmerz": Menschen können Schmerzen haben, auch Katzen und (wahrscheinlich) Lurche. Nun ist es aber unwahrscheinlich, dass allen Wesen im gleichen neuronalen Zustand sind, wenn sie Schmerzen haben. Zu verschieden sind die Gehirne. Nennen wir die neuronalen Zustände M (beim Menschen), K (bei der Katze) und L (beim Lurch). Wenn nun die verschiedenen neuronalen Zustände M, K und L alle Schmerzen realisieren, so kann Schmerz einfach nicht mit einem dieser Zustände identisch sein.

Von der Identitätstheorie zum Funktionalismus - und zurück?

Insbesondere der Einwand der multiplen Realisierung trug zu einem rasanten Popularitätsverlust der Identitätstheorie bei. Hilary Putnam, der den Einwand 1967 ins Spiel gebracht hatte, bot auch gleich eine Alternative an: den Funktionalismus. Die verschiedenen Gehirnzustände sollten alle einen funktionalen Zustand realisieren, der dann mit dem mentalen Zustand identisch sei. Was heißt das? Denken wir an den Bauplan einer Uhr: Der Bauplan spezifiziert funktionale Zustände. Dabei kann die Uhr dann aus verschiedensten Materialien gebaut werden, die alle die funktionalen Zustände realisieren. Der Funktionalismus wurde für die folgenden Jahrzenhte zur "orthodoxen Lehre" in der Philosophie des Geistes.

In letzter Zeit treten jedoch wieder vermehrt Stimmen auf, die eine Rückkehr zur Identitätstheorie forden. Es wird darauf hingewiesen, dass der Funktionalismus das Problem der Qualia nicht lösen konnte. Zudem spielen Überlegungen von Jaegwon Kim zur multiplen Realisierung hier eine große Rolle.

Literatur

  • David Armstrong 1968 : A Materialist Theory of the Mind, London
  • Christopher Hill 1991 Sensations, Cambridge
  • Michael Pauen 1999 Das Rätsel des bewusstseins, Paderborn
  • Ullin Place 1956 "Is Consciousness a Brain Process?" in: British Journal of Psychology