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Dornröschen

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Dornröschen und der Prinz

Dornröschen ist ein Märchen aus der Sammlung der Brüder Grimm. Die französische Fassung, La belle au bois dormant (Die schlafende Schöne am Wald[1]) von Charles Perrault, erschien allerdings schon viel früher im Druck, nämlich 1697.

Inhalt

Nach langem vergeblichen Warten wird einem König von der Königin eine Tochter geboren. Aus Freude darüber lädt er seine Untertanen zu einem Fest, darunter auch zwölf weise Frauen (Hexen). Die dreizehnte Hexe, die aus Mangel an Geschirr nicht zur Taufe der neugeborenen Königstochter eingeladen wird, belegt das Mädchen mit einem Fluch, durch den es sich an seinem sechzehnten Geburtstag an einer Spindel stechen und sterben soll. Eine der zwölf übrigen Hexen, die an dem Fest teilnehmen durften, wandelt den Todesfluch in einen hundertjährigen Schlaf um, woraufhin der König alle Spindeln im Königreich verbrennen lässt. An des Mädchens sechzehntem Geburtstag erkundet es ein Turmzimmer, in dem es eine alte Frau beim Spinnen entdeckt. Die Prinzessin will sich auch einmal versuchen und sticht sich mit der Spindel in den Finger. Sie fällt gemeinsam mit dem gesamten Hofstaat in einen tiefen Schlaf. Jahr für Jahr wird das Schloss mit immer größer werdenden Dornenhecken umringt, die sich nach genau hundert Jahren in Rosen verwandeln. Erst an diesem Tag gelingt es einem Prinzen, in den Turm zu gelangen, wo er die Königstochter wachküsst und schließlich heiratet.

Rezeption

Märchenforschung und Psychologie

Die Brüder Grimm erfuhren aus verschiedenen Quellen von Dornröschen. Zum einen von einer „Marie“, womit die Haushälterin der Sonnenapotheke zu Kassel gemeint sein kann oder eine Jugendfreundin namens Marie Hassenpflug und zum anderen brachte ihnen der Dichter Clemens Brentano die Fassung von Giambattista Basile nahe.

Der Stoff begegnet uns in seiner schriftlichen Fassung auch in zwei Werken des 14. Jahrhunderts, dem Roman de Perceforest (um 1330, altfranzösisch) und der Novelle Frayre de Joy es Sor de Plaser (um 1350, katalanisch), in denen das schlafende Mädchen geschwängert wird. Giambattista Basile nimmt in seinem Märchen Sonne, Mond und Talia das vollständige Thema auf, während bei Perrault die Schwangerschaft nicht mehr auftaucht.

„Dornröschen“ gilt manchen Forschern als eine entmythisierte Fassung der Figur der Brünhild (vergleiche die Nibelungensage). Zu beachten sind hier folgende Topoi: Das herangewachsene Mädchen wird (in der Sage von Wotan) mit dem „Schlafdorn“ (vergleiche die Spindel) gestochen und dadurch in einen langen Schlaf versetzt. Ihre Burg wird in der Sage von einem Feuer (der „Waberlohe“ - vergleiche die rote Rosenhecke) gegen Zugang gesichert. Siegfried (vergleiche ‚ein Prinz‘) durchdringt sie dennoch und (er)weckt die Schlafende (vergleiche …〈〉den andeutenden „Kuss“). Hier ist auch der Unterschied zur nordischen Sage zu sehen, denn in dieser erwacht Brünhild nachdem Siegfried sich mit ihr sexuell vereinigt hat. Joachim Fernau interpretiert Dörnröschen daher als die entschärfte und der sittlichen Moral der Zeit angepasste Fassung der Sage. [2]

Für die Deutung der weisen Frauen oder Feen ist jedoch auch auf ältere Traditionen zu verweisen. In den weisen Frauen spiegeln sich Druidinnen, Hexen und Beginen, die als unabhängige, unverheiratete Frauen einen Gegenpol zu verheirateten Frauen wie der Königin oder der Jungfrau Dornröschen bilden. Wenn die dreizehnte Fee ausgeladen wird, reflektiert sich darin nach Meinung etlicher Forscher der Übergang vom Mondkalender (z. B. bei den Kelten üblich) zum Sonnenkalender (bei Griechen, Römern und Christen üblich), verbunden mit einem Aufschwung des Patriarchats über das Matriarchat.

Ein verwunschenes Schloss kommt auch in den "Kinder- und Hausmärchen" (KHM) 62 Die Bienenkönigin, KHM 130a Der Soldat und der Schreiner, das Erwecken der Schlafenden in KHM 163 Der gläserne Sarg, KHM 82a Die drei Schwestern vor. Das Spinnen - als typisch weibliche Kunstfertigkeit - spielt in vielen Märchen eine Rolle (Frau Holle, Die drei Spinnerinnen, Rumpelstilzchen, Die Schlickerlinge, Spindel, Weberschiffchen und Nadel u. a.).

Ausführliche und wichtige psychologische Deutungen finden sich bei Bruno Bettelheim (Kinder brauchen Märchen, 1975), Marie-Louise von Franz (Das Weibliche im Märchen, 1977) oder Eugen Drewermann (Dornröschen). Bettelheim interpretiert den Dornröschenschlaf als typisches Adoleszenz-Phänomen bei Mädchen und Jungen:

„Bei größeren Veränderungen im Leben wie bei der Adoleszenz sind für ein erfolgreiches Wachstum sowohl aktive wie geruhsame Perioden nötig. Zu einem Sich-nach-innen-Kehren, das nach außen wie Passivität (oder Verschlafenheit) wirkt, kommt es dann, wenn sich in dem Betreffenden innere Prozesse von solcher Wichtigkeit abspielen, dass er keine Energie mehr für nach außen gerichtete Aktivitäten aufbringt. (...) Der glückliche Ausgang gewährleistet dem Kind, dass es nicht dauernd im scheinbaren Nichtstun verhaftet bleiben wird.“

Bettelheim: Kinder brauchen Märchen, S. 262

Belletristik

  • Der Roman „Leben und Abenteuer der Trobadora Beatriz“, von DDR-Autorin Irmtraud Morgner 1974 veröffentlicht, variiert in der Spielfrau Beatriz de Diaz das Schlaf-Motiv.
  • In „Da fielen auf einmal die Sterne vom Himmel“ behandelt der Dichter Ludwig Harig 2002 ausführlich „Dornröschen“, wobei er besonders den Prinzen berücksichtigt, der den Kairos (glücklichen Moment) beim Schopf zu packen weiß.
  • A. N. Roquelaure, besser bekannt als Anne Rice, hat eine Trilogie namens "Dornröschen" (im Original: "Sleeping beauty") geschrieben, in der das Dornröschen-Märchen nacherzählt wird, jedoch mit vielen sadomasochistischen Elementen. Die letzten beiden Bände sind in Deutschland indiziert, jedoch in den USA frei erhältlich.

Ballett

Zu dieser Geschichte in der Version von Charles Perrault komponierte Pjotr Iljitsch Tschaikowski eine Ballettmusik: siehe Dornröschen (Ballett).

Eine weitere Bearbeitung des Stoffes für Ballett stammt von Jean-Pierre Aumers nach der Musik von Ferdinand Hérold, die 1829 in Paris uraufgeführt wurde.

Film

Bilder

  • Wohlfahrtsmarken (Deutsche Bundespost 1964)

Informationen und Quellen

  1. Die schlafende Schöne am Wald und nicht Die Schöne am schlafenden Wald (auch wenn diese letzte Titelform besser klingt und viele Franzosen diesen Fehler machen). Im Französischen kann nämlich La belle au bois dormant beide Bedeutungen haben. Charles Perrault, Contes (introduction, notices et notes de Catherine Magnien), Editions Le Livre de Poche Classique.
  2. Joachim Fernau, Disteln für Hagen. Bestandsaufnahme der deutsche Seele, Ulm 2005, S.38-39
Wiktionary: Dornröschen – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wikisource: Dornröschen – Quellen und Volltexte