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Volker Kriegel

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Volker Kriegel (* 24. Dezember 1943 in Darmstadt; † 14. Juni 2003 in San Sebastián) war ein deutscher Jazzmusiker, Zeichner und Schriftsteller. Er gilt als einer der bekanntesten Protagonisten des Rockjazz in Deutschland.

Volker Kriegel, November 2002

Leben und Werdegang

Ausbildung

Kriegel brachte sich das Gitarrespielen seit seinem 16. Lebensjahr selbst bei und gründete bald darauf ein Jazz-Trio, mit dem er 1963 einen Preis beim Düsseldorfer Amateurjazzfestival als bester Gitarrist gewann, den er in den beiden Folgejahren verteidigen konnte. 1965 wurde er Mitglied des Quintetts von Claudio Szenkar.[1].

Als er später in Frankfurt Psychologie und (u.a. bei dem Jazz-Gegner Adorno) Soziologie studierte, war er erstmals in der Frankfurter Jazz-Szene engagiert und spielte in Jam Sessions mit Emil Mangelsdorff, Fritz Hartschuh, Gustl Mayer und Rolf Lüttgens.[2] Während sein Studium ohne Abschluss blieb, machte er die Betätigung als Gitarrist zu seinem Beruf, den er durch kompositorische Tätigkeit ergänzte.

Karriere als Musiker

1967 ist Volker Kriegel Mitglied der am Mainstream Jazz orientierten Swinging Oil Drops von Emil Mangelsdorff und der Sound Constellation von Gustl Mayer, wirkt aber auch am Album Doldinger goes on[3] des Jazz-Saxofonisten Klaus Doldinger mit. Von 1968 bis 1973 ist er Mitglied des Dave Pike Set. 1971 gründete er die Band Spectrum, mit der er im gleichen Jahr bei dem deutschen Plattenlabel MPS eine gleichnamige LP veröffentlichte, die zum Prototypen seines musikalischen Schaffens werden sollte. 1972 veröffentlichte er die wegweisende Doppel-LP Inside: Missing Link und wurde damit zu einem Protagonisten des deutschen Jazz-Rock [4]. Bereits im ersten Jahr wurden 7000 Exemplare verkauft, was für eine deutsche Jazz-Produktion - zumal beim kleinen Label MPS - ein gutes Ergebnis war. Im Laufe der Jahre wurden es ca. 20.000[5]. Er war während der frühen 1970er Jahre auch als Musiker an Kabarettproduktionen beteiligt und wirkte als Sideman bei Aufnahmen anderer Musiker mit, unter anderem beim Blues- und Jazzrock-Violinisten Don „Sugarcane“ Harris. Von 1973 bis 1974 spielte Kriegel erneut mit Klaus Doldinger, welcher mittlerweile mit seiner Band Passport ebenfalls Jazzrock machte. Dort wirkte er 1974 bei der Live-LP Doldinger Jubilee Concert mit, auf der auch andere Gäste wie Pete York zu hören sind. Bei Passport spielte er außerdem zusammen mit dem Schlagzeuger Curt Cress, bei dessen eigener LP Curt Cress Clan - CCC er 1975 mitwirkte.

Das UJRE 2002, Kriegel in der Mitte (in weiß)

Nach dem Auseinandergehen von Spectrum war er 1976 Gründer des Mild Maniac Orchestra, mit dem er bis in die 80er Jahre aktiv war. Seit 1977 spielte er auch im United Jazz und Rock Ensemble (UJRE), zu dessen Gründungsmitgliedern er zählte und für das er auch komponierte. Mit dieser Formation trat er immer wieder, wenn auch zuletzt in größeren Abständen, über fast 25 Jahre lang auf. Ebenfalls 1977 gründete Kriegel mit weiteren Musikern das Label Mood Records, auf dem vor allem die Produktionen vom UJRE, dessen einzelnen Mitgliedern und anderen Frankfurter Jazz-Musikern veröffentlicht wurden.

Kriegel war mit seiner Leadgitarre stilmäßig nicht auf die elektrisch verstärkte Jazzgitarre festgelegt, sondern verwendete gelegentlich auch die akustische Gitarre, ausnahmsweise gelegentlich ein Banjo oder die Sitar. Nur schwer zu beschreiben ist sein eigenwilliger Spielstil, besonders in bestimmten sehr schnellen, springenden Tonfolgen, der ihn von allen anderen Gitarristen unterscheidet und für geschulte Hörer ein unverwechselbares Erkennungszeichen bleibt.

Die Gibson ES-335, das von Kriegel meistens verwendete Instrument

Mit dem Stück "Mathar", das Kriegel geschrieben und mit dem Dave Pike Set 1969 auf der LP "Noisy Silence - Gentle Noise" veröffentlicht hatte, hatte Kriegel letztlich sogar einen über die Grenzen der Jazzfans hinaus bekannten Hit. Das Stück mit seiner eingängigen Sitar-Melodie und dem prägnanten Bass-Riff wurde auf verschiedenen Dancefloor-Jazz-Samplern veröffentlicht und wird nach wie vor im Fernsehen, so z. B. in dem deutschen Film 23 – Nichts ist so wie es scheint, häufig als Hintergrundmelodie eingesetzt. Für Kriegel war diese Entwicklung überraschend: Er hatte das verhältnismäßig simple Stück als ironischen Seitenhieb auf die pathetische Darstellung komponiert, George Harrison sei Ende der 1960er Jahre in die indische Stadt Mathar gepilgert und habe in langer und meditativer Arbeit das Sitar-Spiel erlernt. Kriegel sagte 2001 über die Sitar: "Das klingt schon gut, wenn man nur die leeren Saiten anschlägt"[6].

Das Guitar Center

Gemeinsam mit dem Gitarrenbauer Peter Coura gründete Kriegel im März 1975 das Guitar Center in einem Keller in der Schumannstraße in Frankfurt. Die Gitarrenwerkstatt sollte lokalen Musikern eine bezahlbare Alternative zu den damals kaum erschwinglichen amerikanischen Markengitarren bieten. Das Geschäftsmodell konnte sich nie durchsetzen, das Guitar Center besteht aber dank eigener Gitarrenschule bis heute[7].

Engagement außerhalb der Musik

Nachdem er sich in späteren Jahren nicht zuletzt wegen einer Kehlkopfkrebserkrankung weitgehend aus dem Musikgeschäft zurückgezogen hatte, widmete er sich nicht minder erfolgreich seiner zweiten Karriere als Erzähler, Übersetzer, Cartoonist und Illustrator und betätigte sich gelegentlich als Musikkritiker. Sein Buch "Der Rock’n’Roll-König" wurde zum Klassiker des Genres. Zu den von ihm aus dem Englischen ins Deutsche übersetzten Büchern gehören die Miles Davis-Biographie seines Kollegen Ian Carr sowie Charles Dickens' A Christmas Carol, welches er in der betreffenden Ausgabe außerdem illustrierte[8]. 1979 schuf er in London außerdem den Zeichentrickfilm "Der Falschspieler". Des Weiteren schrieb er immer wieder Manuskripte für Funk und Fernsehen.

Krankheit und Tod

Kriegels Grab auf dem Wiesbadener Nordfriedhof

Nachdem Kriegel bereits einige Zeit an Kehlkopfkrebs gelitten hatte, der ihm in seinen letzten Lebensjahren das Sprechen erschwerte[9], wurde später Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert, dem er 2003 in San Sebastian erlag. Er war noch im Vorjahr mit dem UJRE auf Abschiedstournee gegangen. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Nordfriedhof in Wiesbaden.

Posthume Rezeption

Kriegels Tod löste vor allem in der deutschsprachigen Presse großes Echo aus; allerdings erschienen z. B. auch im Londoner Guardian diverse Nachrufe.

Der Dichter Robert Gernhardt widmete Kriegel seinen 2004 erschienenen Band Die K-Gedichte über den Irak-Krieg[10].

2005 erwarb das Wilhelm-Busch-Museum in Hannover den zeichnerischen Nachlass Kriegels, der rund 730 Zeichnungen enthält, mit Unterstützung des Bundes, einer privaten Spende sowie Unterstützung von Kriegels Witwe[11].

Equipment

Volker Kriegel spielte vor allem Semiakustik-Gitarren. Sein Markenzeichen in späteren Jahren war seine rote Gibson ES-335, ursprünglich eine Stereo-Version, die er sich von Peter Coura auf konventionelle Elektronik umrüsten ließ. Eine 1968er ES-335 in Sunburst - nach Kriegels Meinung die beste, die er besessen hatte - verkaufte er schon früh. Ebenfalls besaß er eine Gibson C4, welche wegen Feedback-Problemen jedoch nicht auf der Bühne zum Einsatz kam[12]. Vor allem bis in die 1970er Jahre spielte er jedoch auch Gitarren anderer Hersteller, z. B. AZ-10- und BL-Modelle[13] sowie eine 07301 "Billy Lorento"[14] der Firma Framus.

Als Verstärker nutzte Kriegel in den 1970er Jahren ein Modell des britischen Herstellers HH Amplification, später einen von Attila Zoller erworbenen Verstärker der amerikanischen Marke Standel und danach einen Verstärker aus der Gibson Lab Series. In den 1990er Jahren, als Kriegel vor allem mit dem UJRE auf Tour war, verwendete er Yamaha-Verstärker[15].

Zitate

Weitere Zitate bei Wikiquote

  • "Bei mir beginnt es damit, dass ich übe, und zwar planlos." – in den Liner Notes der CD "The United Jazz and Rock Ensemble plays Volker Kriegel"
  • "Kommunikativ sollte die Musik sein, ohne sich auf Klischees zu stützen. Sensibel sollte sie sein, ohne esoterische Verstiegenheit. Intelligent ohne Zeigefinger und Elfenbeinturm. Verständlich, aber nicht banal. So pathetisch es klingen mag: Im Jazzrock steckt die Chance zur Versöhnung von Körper und Geist." http://www.zeit.de/2003/27/Volker_Kriegel
  • "Ähnlich wie schon beim Album 'Journal' ging es mir darum, sehr unterschiedliche Stimmungen einzufangen. Handfest Rockiges sollte dabei sein, aber auch schwebende, lockere Jazzrhythmen, Balladen antürlich, aber auch leicht exotische Stimmungen und Klänge." – über die LP "Schöne Aussichten, in: "Mood Nachrichten" vom 20. Oktober 1983

Veröffentlichungen

Eigene Tonträger

Veröffentlicht unter "Volker Kriegel", "Volker Kriegel & Spectrum" oder "Volker Kriegel & Mild Maniac Orchestra"

mit dem United Jazz + Rock Ensemble

  • Live im Schützenhaus (1977, mood 33.609)
  • Teamwork (1978, mood 33.618)
  • The Break Even Point (1979, mood 33.619)
  • Live in Berlin (1981, mood 28.628)
  • United Live Opus Sechs (1984, mood 33.621)
  • Round Seven (1987, mood 33.606)
  • na endlich! (1992, mood 6382)
  • die neunte von United (1996, mood 6472)

Kriegel als Sideman

  • Emil Mangelsdorff: Swinging Oil Drops (1966)
  • Klaus Doldinger: Doldinger Goes On (1967)
  • Kühn Brothers & The Mad Rockers (1969, MLP 15340)
  • Don "Sugarcane" Harris: Keep on Driving (1970)[16]
  • Don "Sugarcane" Harris: Got the Blues (1972)
  • Don "Sugarcane" Harris: New Violin Summit (1972)
  • Don "Sugarcane" Harris: Keyzop (1975)
  • Don "Sugarcane" Harris: Flashin' Time (1976)
  • Dave Pike Set: Noisy Silence – Gentle Noise (1969, MPS 15215-ST)
  • Dave Pike Set: Four Reasons (1969, MPS 15253)
  • Dave PIke Set: Live at the Philharmonie (1969, MPS 15275)
  • Dave Pike Set: Album (1971, MPS 15309)
  • Dave Pike Set: Infra Red (1972, MPS 20739)
  • New Dave Pike Set: Salomao (1973, MPS MB-21541)
  • Jonny Teupen: Harpadelic (1969, MPS 15247)
  • Klaus Doldinger's Passport: Doldinger Jubilee Concert (1974)
  • Curt Cress Clan: CCC (1975)[17]

Mitwirkung auf Kabarettplatten

  • Hanns Dieter Hüsch Typisch hüsch. Mit George Gruntz (p, keyb), Gerd Dudek (ts), Eberhard Weber (b), Pierre Favre (dr), Dieter Süverkrüp (voc, g), Volker Kriegel (g), Günter Lenz (b), Peter Baumeister (dr). (Pläne S 33401)
  • Pol(h)itparade – Musik aus Studio Bonn. Mit Willy Brandt, Walter Scheel, Rainer Barzel, Franz-Josef Strauß, Helmut Schmidt, Gerhard Schröder, Herbert Wehner, Karl Schiller (vocals); Volker Kriegel (g), Conny Jackel (tp), Horst Lubitz (ts, ss), Heinz Schepior (acc), Kurt Bong (dr); (CBS S 65473)

Literatur

Volker Kriegel als Autor

  • Der Rock 'n' Roll-König. Aarau u.a.: Sauerländer 1982
  • Hallo und andere wahre Geschichten; Aarau u. a.: Sauerländer 1982, ISBN 3-7941-2265-8
  • Volker Kriegels Kleine Hunde-Kunde (1986)
  • Künstler, Kracher und Konsorten; Zürich:Haffmans 1992, ISBN 3-251-00203-1
  • Manchmal ist es besser, man sagt gar nix. Mit einem Vorwort von F. W. Bernstein. Zürich: Haffmans 1998. ISBN 3-251-00399-2 (Ausstellungskatalog Wilhelm-Busch-Museum Hannover)
  • Olaf, der Elch (1999)
  • Olaf hebt ab
  • Olaf taucht ab
  • Erwin mit der Tröte (2002)
  • Wie sich das nackte Schaf mal schwer gehenließ und andere Absonderlichkeiten aus dem Tierreich.. Mit einem aber auch alles erklärenden Nachwort von Robert Gernhardt. Zürich: Kein & Aber 2005. ISBN 3-0369-5135-0

Volker Kriegel als Übersetzer, Illustrator und Karikaturist

Auszeichnungen

Als Musiker

Als Autor und Cartoonist

  • 1999: Olaf-Gulbransson-Preis[19]
  • Los Angeles animation award (für Der Falschspieler)[20]

Einzelnachweise

  1. Jürgen Schwab Der Frankfurt Sound. Eine Stadt und ihre Jazzgeschichte(n). Frankfurt a.M. 2004, S. 168; Thomas Staiber Volker Kriegel - 24. Dezember 1943 - 15. Juli 2003
  2. Jürgen Schwab Der Frankfurt Sound. S. 175ff.
  3. http://www.jazzindex.ch/de/album.php?Album=51471&Begriff=Klaus+Doldinger+-+Doldinger+Goes+On
  4. Frankfurter Rundschau vom 17. Juli 2003, S. 10: Hans-Jürgen Linke – "Der Elegante; Zum Tod Volker Kriegels"
  5. Interview mit Volker Kriegel, in: Gitarre & Bass 8/1997, S. 44 - 47
  6. taz von 26. Juni 2001: Stefan Müller – "Wie das Sitarstück 'Mathar' die Clubszene eroberte; Indian Vibes im Schwarzwald"
  7. 30 Jahre Guitar Center, in: Gitarre & Bass 4/05
  8. The Guardian vom 22. Juli 2003, S. 25: Ian Carr – "Obituary: Letter: Volker Kriegel"
  9. http://www.thomas-staiber.de/mu_kriegel.htm
  10. http://www.pom-lit.de/lyrikzeitung/archiv200501a.html
  11. http://www.wilhelm-busch-museum.de/index.php?pageID=306
  12. Interview mit Volker Kriegel, in: Gitarre & Bass 8/1997, S. 44 - 47
  13. http://www.framus-vintage.de/modules/infos/info.php?katID=4685&cl=DE
  14. http://www.framus-vintage.de/modules/infos/info.php?katID=4610&cl=DE
  15. Interview mit Volker Kriegel, in: Gitarre & Bass 8/1997, S. 44 - 47
  16. Diskographie auf sugarcane-harris.com
  17. krautrock-musikzirkus.de – Curt Cress Clan LP
  18. Urkunde Deutscher Schallplattenpreis auf www.hpstroeer.com
  19. FAZ vom 21. Oktober 1999, S. 52
  20. The Guardian vom 22. Juli 2003, S. 25